Protocol of the Session on June 8, 2006

„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Im Jahr 1994 wurde diese Aufzählung um den Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ ergänzt. Zwölf Jahre nach dieser Änderung des Grundgesetzes wird nun der Versuch unternommen, das Grundgesetz einfachrechtlich umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass dieser Gesetzentwurf ein wichtiger Schritt ist, behinderte Menschen, ältere Menschen, Menschen mit einer entsprechenden sexuellen Orientierung sowie religiöse Minderheiten auch im Zivilrecht besser zu schützen. Das betrachten wir als einen gesellschaftspolitischen Fortschritt.

Bei manchen Zeitungsartikeln und Äußerungen in den vergangenen Wochen hatte zumindest ich den Eindruck,

dass das Wohl und Wehe der Wirtschaft davon abhängt, dass Menschen diskriminiert und benachteiligt werden können.

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Wir sollten uns in diesem Hohen Hause einig sein: Diskriminierung und Benachteiligung schaden dem Land, schaden den Menschen und schaden auch unserer Wirtschaft.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir sollten vor allem argumentieren und darlegen, welche Vorteile Vielfalt und Nichtdiskriminierung der Arbeitswelt und der Gesellschaft generell bringen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Danke sehr, Herr Dr. Eckert, für die Einbringung. - Einbringer zu b) ist der Abgeordnete Herr Kosmehl für die FDP-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Ziel, Diskriminierung abzubauen, Diskriminierung zu vermeiden, sind wir uns alle einig. Nur der Weg ist strittig. Das wird aus den heute vorliegenden Anträgen mehr als deutlich.

Einig sind wir uns sicherlich auch alle darin, dass wir europäische Verträge einhalten wollen. Deutschland ist verpflichtet, erlassene Richtlinien der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen. Die schwarz-rote Bundesregierung hat vor wenigen Wochen ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, mit dem Ziel, ein Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien und zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zustande zu bringen. Das mag neu klingen, der Inhalt ist es aber nicht.

Der Entwurf des Gleichbehandlungsgesetzes, um es milde auszudrücken, ähnelt lediglich dem Antidiskriminierungsgesetz von Rot-Grün. Aber man muss schon sehr genau hinschauen, um die Veränderungen zum Antidiskriminierungsgesetz von Rot-Grün im neuen Entwurf auszumachen. Eigentlich könnte man feststellen: was Rot-Grün begonnen hat, setzt Schwarz-Rot fort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der FDP zielt auf zwei Punkte ab: zum einen auf die Frage nach dem Stand des Verfahrens und zum anderen auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft in unserem Bundesland.

In Bezug auf den ersten Punkt, die Frage des Verfahrensstandes, besteht auch aufgrund des Umstandes, dass der Bundesrat bereits am nächsten Freitag eine erste Stellungnahme abgeben soll, nunmehr Eilbedürftigkeit. Ich frage die Landesregierung hier und heute: Wie werden Sie sich am kommenden Freitag im Bundesrat verhalten? Das ist aus meiner Sicht eine wirklich spannende Frage. Schauen wir einmal kurz zurück auf das Thema Antidiskriminierungsgesetz.

Rückblick eins. Das Hohe Haus hat am 15. April 2005 den Beschluss in der Drs. 4/58/2129 B gefasst. Die Überschrift lautet: „Antidiskriminierungsgesetz darf kein Inves

tionshemmnis darstellen“. Unter Punkt 2 des Beschlusses ist ausgeführt:

„Der Landtag stellt fest, dass die von SPD und Bündnis 90/Grünen auf Bundesebene vorgelegte Gesetzesinitiative auch nach den eingearbeiteten 40 Änderungen weit über die europäischen Vorgaben hinausgeht und nicht geeignet ist, den ursprünglichen Zielen der Richtlinie gerecht zu werden. Vielmehr besteht die Gefahr, dass durch Überregulierung und Rechtsverunsicherung zu schützende Personengruppen und andere Bürger in ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat am 18. Februar 2005 mit den Stimmen des Landes Sachsen-Anhalt einen Entschließungsantrag gegenüber dem Bundestag abgegeben, in dem der Gesetzentwurf abgelehnt wird. Im Bundesrat hat im Juli 2005, wieder mit den Stimmen des Landes Sachsen-Anhalt, die Anrufung des Vermittlungsausschusses stattgefunden mit dem Ziel, wesentliche Punkte des Antidiskriminierungsgesetzes von Rot-Grün zu ändern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die vorgezogene Neuwahl des Deutschen Bundestages ist das Antidiskriminierungsgesetz der Diskontinuität anheim gefallen.

Rückblick zwei. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist die 1:1-Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht festgeschrieben. Der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geht unzweifelhaft über das hinaus, was europarechtlich geboten ist. Er ist keine 1:1-Umsetzung. Eine zwingende Begründung, warum dieses Mehr an Umsetzung erforderlich sein soll, ist bisher nicht geliefert worden.

Auch im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Sachsen-Anhalt findet sich in Kapitel 19 - Europäische Zusammenarbeit - folgender Satz - ich zitiere -:

„Die Koalitionspartner bekennen sich unter strikter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zur Umsetzung des EU-Rechtes, lehnen jedoch darüber hinausgehende Normen und Standards ab, soweit sie den Interessen Sachsen-Anhalts entgegenstehen.“

Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, was Sie für die landesrechtliche Umsetzung europäischer Normen im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, sollte auch bei einer bundesrechtlichen Umsetzung Ihr Handeln bestimmen.

(Zustimmung bei der FDP)

Warum nun hat Schwarz-Rot in Berlin das Gleichbehandlungsgesetz in dieser Fassung vorgelegt? Sicher - darauf hat Kollege Eckert schon hingewiesen - sind die Umsetzungsfristen der Richtlinien meist abgelaufen. Ich glaube, eine ist noch offen, aber die anderen sind bereits abgelaufen.

Aber warum - so frage ich - gleicht das Gleichbehandlungsgesetz dem Antidiskriminierungsgesetz von RotGrün, obgleich im Koalitionsvertrag doch eine 1:1-Umsetzung festgeschrieben wurde und obgleich CDU/CSU im Bundestag und die CDU-geführten Landesregierungen im Bundesrat eben dieses Antidiskriminierungsgesetz

von Rot-Grün abgelehnt haben? Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bleibt wohl das Geheimnis der Koalitionsrunde in Berlin.

(Beifall bei der FDP)

Auch Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer hat sich dazu geäußert, indem er die Regelungen, die diese Berliner Koalitionsrunde getroffen hat, gegen Kritik aus den eigenen Reihen - es waren CDU-Ministerpräsidenten, die ihre Stimme erhoben haben - verteidigt hat. Zitat:

„Es ist das Ergebnis eines Koalitionsgesprächs, wo jede Seite jeder anderen Seite in einigen Punkten entgegengekommen ist, damit es eine Lösung gibt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich das noch einmal festhalten: Es gibt also einen klaren Wortlaut im Koalitionsvertrag und dann gibt es noch einmal eine Koalitionsgesprächsrunde, in der abweichende Kompromisse vereinbart werden, die dann aber gelten sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, wenn diese Vorgehensweise auch in SachsenAnhalt Platz greift, habe ich wieder Hoffnung für die vielen kleinen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften, dass sie doch noch von Ihrer Keule der Zwangsfusion verschont bleibt, Herr Innenminister.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt unseres Antrages: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hätte das Gleichbehandlungsgesetz generell, aber insbesondere auch für Sachsen-Anhalt? An dieser Stelle vielleicht nur einige wenige Punkte, über die es sich wirklich nachzudenken lohnt.

Erstens. Ich glaube, die Begründung neuer Arbeitsverhältnisse wird durch das Gleichbehandlungsgesetz erschwert. Das neue Regelwerk wird dazu führen, dass Unternehmen sich bei einem öffentlichen Angebot von zu besetzenden Arbeitsplätzen in Zukunft noch stärker zurückhalten werden. Ich dachte bisher, wir wollten das Gegenteil, nämlich mehr Beschäftigung und einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt.

Zweitens. In den Unternehmen entsteht erneut zusätzliche Bürokratie; denn sie müssen Auswahlentscheidungen dokumentieren und Bewerbungsunterlagen aufbewahren, um im Falle einer Klage nachweisen zu können, dass eine Benachteiligung eines Bewerbers nicht stattgefunden hat.

(Herr Gürth, CDU: Drei Monate!)

- Das ist ja eine Superveränderung, dass es jetzt nicht mehr drei Jahre, sondern drei Monate sind. Herr Gürth, die Entlastung entsteht doch beim Anlegen der Akte, der Unterlagen und ist nicht davon abhängig, wie lange ich sie aufbewahren muss.

(Beifall bei der FDP)

Also, das ist keine Erleichterung, auch wenn die Bundeskanzlerin das der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als großen Erfolg des Kompromisses verkauft hat.

Drittens. Wenn die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen drei Monate ab Zugang der Ablehnung beträgt, so bedeutet dies im Klartext, dass Unternehmen Absagen künftig generell per Einschreiben versenden und die Bestätigung der Zustellung aufheben müssen.

Wie sonst sollen die Unternehmen den Beginn der Frist rechtssicher belegen können?

Viertens. Warum gibt es in dem Gesetz ein eigenständiges Klagerecht für Gewerkschaften und Betriebsräte bei Verstoß des Arbeitgebers gegen arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze? Das ist sogar dann möglich, wenn der Betroffene die Verletzung eigener Rechte gar nicht geltend machen will. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das geht einfach zu weit.

Ich will einen letzten Punkt nennen. Diesen habe ich am allerwenigsten verstanden: Warum erlegt das Gleichbehandlungsgesetz dem Arbeitgeber jetzt auch noch die Pflicht auf, neben der eigenen Nichtdiskriminierung - das ist absolut zu unterstützen - eine Diskriminierung der Beschäftigten untereinander zu unterbinden? Wohl gemerkt, der Arbeitgeber muss jetzt zu seinem Personal gehen und muss eventuelle Benachteiligungen zwischen Beschäftigten schlichten, notfalls auch mit Zwangsmaßnahmen. Ich glaube, hier wird der Arbeitgeber in die Pflicht genommen, wo eigentlich keine Pflicht ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Diese Fragen haben erhebliche praktische Auswirkungen. Deshalb ist es interessant zu erfahren, wie die Landesregierung diese Fragen, aber auch andere Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wirtschaft Sachsen-Anhalts bewertet und wie sie sich sozusagen im Ergebnis dieser Feststellungen zum Gleichbehandlungsgesetz stellen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein Irrtum, anzunehmen, dass mit diesem Gesetz, wie es vorgelegt wird, irgendeiner Minderheit, irgendeiner zu schützenden Gruppe geholfen werden kann. Ich glaube, eher wird das Gegenteil eintreten. Ich glaube, dass wir den zu Schützenden nicht helfen; denn diese werden höchstwahrscheinlich nicht mehr zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, weil Firmen befürchten müssen, mit irgendwelchen Verbandsklagen überzogen zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben diesem Aspekt und der Ausweitung von Bürokratie stellt sich die Frage, ob das Ziel des Gesetzes überhaupt erreicht werden kann. Ich bin sehr gespannt auf die Ausführungen der Koalition zu diesem Punkt und zu der Feststellung, wie sich die Landesregierung im Bundesrat verhalten wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosmehl, für die Einbringung. - Herr Kosmehl war in der Lage, mit seiner Stimmgewalt gegen den Lärmpegel anzukämpfen. Versuchen Sie bitte dennoch, ihn jetzt etwas zu senken. Sonst wird es für die nächsten Rednerinnen und Redner schwierig.