Protocol of the Session on December 15, 2006

einfachsten Grundqualifikationen für den Erwerb eines Schulabschlusses fehlen, dann sind sie auch kaum in der Lage, berufliche Qualifikationen zu erlangen. Dies bestätigen auch alle Ergebnisse im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb.

Erst in den letzten Wochen sagte der Chef des PisaKonsortiums Deutschland 2003 Herr Professor Prenzel, dass es keine Entwarnung gebe. In Sachsen-Anhalt haben Schüler aus Facharbeiterhaushalten bei gleichen Grundfähigkeiten eine mehr als sechsmal geringere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Schüler aus Elternhäusern der so genannten Bildungsoberschicht. Das zeigt, so denke ich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das zeigt, dass wir auch in Bezug auf das Bildungssystem und den Bildungszugang etwas ändern müssen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir können es uns tatsächlich nicht leisten, dass in Deutschland und in Sachsen-Anhalt Ressourcen nicht ausgeschöpft werden.

Wenn der Grad des Schulabschlusses bzw. der Ausbildungsstand junger Menschen wiederholt wie in kaum einem anderen Land von der sozialen Herkunft bestimmt wird, ist das ein Alarmzeichen, auf das wir als politisch Verantwortliche reagieren müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel ist uns allen klar. Das glaube ich im Übrigen wirklich. Allerdings ist die Einigung über den richtigen Weg bisher noch offen. Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal gesagt:

„Demokratie heißt Entscheidung durch die Betroffenen.“

Diesen Grundsatz wollen wir uns mit dem Bildungskonvent zu Eigen machen.

Die Koalitionspartner sind sich darin einig, dass grundlegende Reformen des Bildungssystems in Sachsen-Anhalt ohne eine breite gesellschaftliche Akzeptanz nicht möglich sind. Eine solche Akzeptanz erreicht man aber nur, wenn man jene, die Reformen umsetzen sollen, bereits in den Diskussions- und in den Entscheidungsprozess einbezieht.

Wir wollen in dem Bildungskonvent gemeinsam mit den Bürgern Politik machen. Lehrkräfte, Eltern, Schüler, Wissenschaftler, Vertreter aus der Wirtschaft, den Kommunen und den Kirchen sollen sich aktiv einbringen, sollen Vorschläge unterbreiten und an Empfehlungen mitwirken.

Bei der Zusammensetzung haben wir uns von den Kriterien Praxisbezug, Objektivität, Transparenz und auch Arbeitsfähigkeit, was die Größe des Gremiums angeht, leiten lassen. Darüber hinaus können auf Beschluss des Konvents zu einzelnen Themen auch zusätzliche Experten hinzugezogen werden. Das möchte ich an die Adresse all jener richten, die nicht unter den 37 ständigen Mitgliedern sind, die aber gern mitarbeiten möchten und deren Mitarbeit wir auch in den anderen Gremien brauchen.

Ich denke, dass der Bildungskonvent eine richtig große Chance ist, verlorenes Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse zurückzugewinnen. Wir sollten diese Chance aktiv nutzen.

Ich bin dem Präsidenten des Landtags sehr dankbar dafür, dass er sich bereit erklärt hat, die Arbeit des Bildungskonvents zu unterstützen. Der Präsident des Landtags wird den Bildungskonvent einberufen sowie die vorgeschlagenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder namentlich berufen. Die organisatorischen Aufgaben des Konvents werden durch eine Geschäftsstelle im Landtag übernommen. Die Empfehlungen des Konvents werden am Ende dem Präsidenten des Landtags übergeben. Die wissenschaftliche Begleitung soll eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Instituts für Erziehungswissenschaften an der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg übernehmen.

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen - das gehört unbedingt dazu -, was wir mit dem Bildungskonvent nicht beabsichtigen: Wir wollen keinen Debattierklub, in dem über alles geredet, aber nichts Konkretes verabredet wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Take, CDU)

Wir wollen keine Beliebigkeit und keine Unverbindlichkeit. Wir wollen keinen exklusiven Zirkel schaffen, der nur hinter verschlossenen Türen arbeitet und dessen Themen die Öffentlichkeit nicht erreichen. Dafür werden und dafür haben wir Vorsorge getroffen. Wir wollen einen ziel- und ergebnisorientierten Diskussionsprozess.

Ich denke, dass die zeitliche Begrenzung der Arbeit des Konvents auf zwei Jahre zunächst völlig ausreichend ist. Sollten wir nicht fertig werden, sollte es noch Themen geben oder noch Beratungsbedarf bestehen, kann die Arbeit um maximal ein Jahr verlängert werden.

Für eine erfolgreiche Arbeit ist es wichtig, thematische Schwerpunkte für den Konvent zu benennen. Sie finden im Antrag einen kurzen, aber, so denke ich, sehr anspruchsvollen Themenkatalog, der im Gegensatz zum „Podium Bildung“ auch die bildungspolitisch strittigen Punkte aufgreift.

Der Konvent muss sich neben Fragen zu der inneren Schulreform und Qualitätsentwicklung auch mit den Möglichkeiten der Verbesserung der Bildungschancen, des Bildungszugangs, mit schulplanerischen Aufgaben und mit Schulstrukturfragen beschäftigen.

Ich will all denen, die im Zusammenhang mit dem Thema Schulstrukturen wahrscheinlich zu Recht die härtesten Diskussionen erwarten, bisher noch ganz unaufgeregt sagen: Wir haben uns darauf verständigt, dass im Rahmen der Diskussion über diesen Schwerpunkt unterschiedliche Modelle und Konzepte zur Dauer der gemeinsamen Schulzeit von Schülern eingebracht werden. Es ist kein Geheimnis, dass die SPD ihr Konzept zur allgemeinbildenden Oberschule in den Konvent einbringen und dafür werben will.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Ergebnis müssen wir abwarten. Aber ich denke, als gute Demokraten werden wir alle das Ergebnis respektieren.

Eine entscheidende Funktion im Rahmen der Arbeit des Konvents haben die beiden Moderatoren. Sie haben die Scharnierfunktion zwischen den Vertretern der unterschiedlichen Institutionen und Verbände. Sie sollen vermitteln und behilflich sein, Problemlösungen und gegebenenfalls Kompromisse zu finden. Es war uns deshalb wichtig, dass diese Personen weder Mitglied des Land

tages noch der Landesregierung sind, um eben nicht in die üblichen Diskussionsmuster zu verfallen.

Die Koalitionsfraktionen sind sich dessen bewusst, dass jedes gut gemeinte Vorhaben letztlich an dessen Ergebnissen gemessen wird. Eine ganz entscheidende und vollauf berechtigte Frage ist deshalb: Wie werden der Landtag und die einzelnen Parteien mit den Ergebnissen und Empfehlungen des Konvents umgehen?

Mein Kollege Herr Dr. Scharf - - Mit Doktortitel? Richtig?

(Herr Scharf, CDU: Nein!)

- Ohne. Ich weiß auch nicht. Herr Scharf, das passiert mir auch öfter. Wir haben ja noch Zeit. Ich sage nur Seniorenuniversität.

Mein Kollege Herr Scharf sagte im Rahmen der Pressekonferenz zur Vorstellung dieses Antrags - ich habe ganz genau zugehört -: Niemand wird aus dem Konvent so herausgehen, wie er hineingegangen ist. - Das gilt für alle beteiligten Partner, auch für uns.

Ich denke, dieses Zitat bringt zum Ausdruck, dass der Konvent für alle Beteiligten ein Lernprozess sein wird. Das wissen auch wir. Die zentrale Aufgabe des Bildungskonvents - darin sind wir uns in diesem Raum wohl alle einig - besteht darin - -

(Unruhe)

- So viel Aufregung kann das mit dem Doktortitel doch gar nicht verursachen; er ist ja noch nicht vorhanden, meine Damen und Herren.

Die zentrale Aufgabe des Bildungskonventes besteht darin, Empfehlungen für ein dauerhaft tragfähiges, international ausgerichtetes, chancengerechtes und leistungsfähiges Schulsystem zu erarbeiten. Die Politik wäre schlecht beraten, wenn sie im Anschluss die erarbeiteten Empfehlungen ignorieren würde.

Wie ist es möglich, dass diese Empfehlungen nicht ignoriert werden? - Der Konvent beendet seine Arbeit im Frühjahr 2009, spätestens im Jahr 2010. Dann werden die Empfehlungen dem Parlament zur Beratung vorgelegt. Bei Empfehlungen, die eine Gesetzesänderung notwendig machen, sollte es unser Ziel sein, noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten und abzuschließen. Auf diesem Wege wäre es möglich, Entscheidungen über für notwendig erachtete Veränderungen noch in dieser Legislaturperiode zu treffen oder deren Umsetzung vorzubereiten.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ein solches Verfahren ist nicht nur wünschenswert, sondern es ist politisch auch notwendig. Auf keinen Fall darf zwischen der Beendigung des Bildungskonvents und dem Ende der Legislaturperiode eine Phase des Leerlaufs entstehen. Das sage ich auch, weil ich nicht möchte, dass die von einer gesellschaftlichen Mehrheit getragenen Empfehlungen des Konvents zum Streitthema im Landtagswahlkampf im Jahr 2011 werden. Wenn wir uns der Aufgabe des Bildungskonventes stellen, müssen wir es auch so weit geregelt haben, dass es nicht zum Streitthema im Landtagswahlkampf im Jahr 2011 werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Von der Gestaltung des Bildungskonventes, von der Diskussionskultur zwischen den beteiligten Institutionen, von der Entscheidungsfindung und vor allem vom Umgang des Parlaments mit

den Ergebnissen und Empfehlungen des Konvents hängt nicht unwesentlich auch unsere Glaubwürdigkeit als Parlament ab. Ich wünsche mir deshalb eine breite Zustimmung zu unserem Antrag und dann eine konstruktive, ergebnisreiche Diskussion im Bildungskonvent.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass im Ergebnis der Umsetzung des Bildungskonvents unsere Schulen in Sachsen-Anhalt auch Preisträger des von der Bosch-Stiftung ausgelobten Schulpreises sein werden.

Da angekündigt wurde, dass das ein kontinuierlicher Preis sein wird, hoffe ich, dass wir mit den Veränderungen, die wir gemeinsam tragen, in Zukunft viele Schulen in Sachsen-Anhalt haben werden, die diesem Anspruch gerecht werden, und ein langfristig und dauerhaft tragfähiges Schulsystem schaffen werden. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde, für die Einbringung. - An dieser Stelle hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Kultusminister Professor Dr. Olbertz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten viereinhalb Jahren im Landtag im Hinblick auf bestimmte Kernaussagen in der bildungspolitischen Debatte noch nie eine Meinungsverschiedenheit bemerkt, sondern habe im Wesentlichen Übereinstimmung festgestellt, und zwar darüber, dass Bildung d i e gesellschaftliche und auch individuelle Ressource in einem Land wie Deutschland ist, dass die Zukunft der jungen Menschen, ihre Chancen auf Arbeit, auf Selbstverwirklichung und Partizipation maßgeblich von ihrer Bildung abhängen, dass Bildung entschieden mehr ist als nur eine Dienstleistung einer Gesellschaft, die im Wesentlichen damit beschäftigt ist, ihren Wohlstand zu verwalten, und dass die Gesellschaft ihre Zukunft verspielt, wenn sie Bildung gering schätzt.

Durch internationale Vergleichsstudien zu den schulischen Leistungen hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit auch in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren sehr stark den Themen Bildung und Bildungspolitik zugewandt. Schon die vergangene Legislaturperiode war von zahlreichen Initiativen zur Verbesserung unserer Schulen geprägt, für die sich die Landesregierung, die Schulverwaltung, vor allem aber die Lehrerinnen und Lehrer des Landes mit enormer Kraft einsetzt haben.

Über Bildung wird seit einiger Zeit intensiver und, wie ich finde, auch auf neue Weise diskutiert, und das in zweierlei Sinn: Zum einen haben wir viel mehr äußere Anlässe, über die Qualität unseres Bildungswesens und über mögliche Verbesserungen nachzudenken. Das gilt auch dann, wenn man sich vergewissert, welche Aussagekraft Studien wie Pisa wirklich haben und dass das Gemessene nicht immer und schon gar nicht ausschließlich das Eigentliche der Bildung ist. Dass gelegentlich alte Ergebnisse mit dem Anschein neuer Erkenntnisse wieder aufbereitet werden, haben wir bei diesen Schulleistungsvergleichsstudien zum anderen natürlich auch gelernt.

Die Ergebnisse der jüngsten Vergleiche auf Landes-, Bundes- und auch auf internationaler Ebene haben ge

zeigt, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind, auch wenn selbst die beste Leistungsvergleichsstudie nicht alles umfasst, was eine erfolgreiche Schule und einen guten Unterricht ausmacht.

Die Ergebnisse der empirisch vergleichenden Schulforschungen haben in den letzten Jahren zu einer erfreulichen Versachlichung der bildungspolitischen Diskussion beigetragen. Das zeigt sich nicht nur am Stil der Auseinandersetzung - übrigens auch in der Kultusministerkonferenz -, sondern auch an den Debatten im Land um den besten Weg zu einer guten Schule für jedes Kind.

(Beifall bei der CDU)

Auch sie wurden in der letzten Zeit weniger ideologisch als sachlich, problembewusst und ergebnisorientiert geführt. Das hebt natürlich unterschiedliche Grundpositionen nicht auf, ermöglicht aber eine Verständigung in vielen wichtigen Bereichen.