Protocol of the Session on November 17, 2006

Meine Damen und Herren! Der Paradigmenwechsel hat sich auf oberster Ebene in einem längeren Zeitraum und von den Außenstehenden unbemerkt vollzogen. Zu den Außenstehenden - das ist kein Vorwurf - zählen in der überwältigenden Mehrheit auch die Abgeordneten. Erst der qualitative Sprung in den im Juni dieses Jahres von der Konferenz der Minister für Raumordnung verabschiedeten neuen Leitbildern und Handlungsstrategien hat die Veränderung deutlich werden lassen. Meines Wissens hat eine gesellschaftliche Diskussion jenseits der Fachzirkel und Gremien darüber nicht stattgefunden. Sie ist aber eigentlich dringend erforderlich.

Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD - übrigens identisch mit der ersten Frage unseres Antrages - lässt erkennen, dass die beiden regierungstragenden Fraktionen bereit bzw. unbewusst dabei sind, diesen Paradigmenwechsel mit zu vollziehen. Wenn sie es denn tun, begeben sie sich aber zu etlichen Aussagen ihrer Koalitionsvereinbarung in Widerspruch.

Meine Damen und Herren! Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass es dringend einer parlamentarischen Verständigung über die weitere Landesentwicklung bedarf. Die Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans würde den geeigneten Rahmen dafür bieten.

Mit unserem Antrag wollen wir aber auch die Landesregierung daran erinnern, dass sie im Zusammenhang mit dem Verzicht des Landtages auf die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Aufstellung des Landesentwicklungsplanes zugesichert hatte, eine gegenüber dem bisherigen Verfahren ähnliche Einbeziehung der höchsten Volksvertretung zu gewährleisten.

Im Landtagsinformationsgesetz vom 30. November 2004 ist zudem die Pflicht zu einer rechtzeitigen Information über alle wichtigen Angelegenheiten der Landesplanung verankert worden. In der das Gesetz untersetzenden Landtaginformationsvereinbarung wird ergänzend eine schriftliche Form der Unterrichtung festgelegt.

Die Antragsteller mahnen hiermit insbesondere eine rechtzeitige Einbeziehung des Landtages an. Das Informationsbedürfnis und -erfordernis geht dabei weit über den Rahmen der im Ministerialblatt veröffentlichten allgemeinen Planungsabsicht der Landesregierung zur Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes hinaus. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Köck. - Nun bitte ich Herrn Schröder, den Antrag der Koalitionsfraktionen einzubringen.

(Herr Schröder, CDU, deutet auf Herrn Berg- mann, SPD)

- Das ist kein Problem; dann bringt es Herr Bergmann ein, wenn Sie sich verständigt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die beiden Tagesordnungspunkte zusammengefasst. Wir können die Gelegenheit nutzen, den Antrag der regierungstragenden Fraktionen mit einzubringen. Wir hatten eigentlich vor, das in der nächsten Sitzung zu machen, im Zusammenhang mit der Einbringung der Novelle zum Landesplanungsgesetz. Es hätte aber wenig Sinn gemacht, innerhalb von zwei Sitzungen mehr oder weniger zweimal über dasselbe Thema intensiv zu diskutieren, sodass es Sinn ergibt, das heute zu tun.

Herr Dr. Köck, gestatten Sie mir eine kleine Kritik zu Ihrem Antrag. Als ich ihn zum ersten Mal gelesen habe - inhaltlich hatte ich damit keine Probleme -, stellte er sich mehr als eine Kleine, von mir aus auch als Große Anfrage dar. Dann sollte man das entsprechende Instrument nutzen, das dafür zur Verfügung steht.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Nichtsdestotrotz haben wir gesagt, wir haben an dieser Stelle Informationsbedarf und möchten uns deswegen informieren lassen. Dass dabei ähnliche Intentionen enthalten sind, ist nicht problematisch, sondern so gewollt.

Ich komme zu dem Antrag der Regierungsfraktionen. Ich will darauf hinweisen, dass er über das hinausgeht, was Sie formuliert haben, und das ist nicht unwesentlich.

Zukünftig sollen die Grundsätze der Raumordnung und der Landesplanung im Landesplanungsgesetz geregelt

werden. Die Raumordnung und die Landesplanung haben eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung unseres Landes. Gerade in Prozessen tiefgreifender Veränderungen, wie sie uns mit der demografischen Entwicklung ins Haus stehen, ist eine Anpassung und eine restriktive Umsetzung raumordnungspolitsicher Vorgaben unumgänglich.

Letztendlich sind wir ein Land, welches für den Rückgang und die Alterung der Bevölkerung Anpassungsstrategien suchen und finden muss. Bereits heute ist absehbar, dass die Geburtenzahlen in Sachsen-Anhalt weiter rückläufig sein werden. Wenn sich der derzeitige Trend fortsetzt, sinkt die Geburtenzahl in 20 Jahren auf unter 10 000 Kinder pro Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 waren es immerhin noch 17 166 Kinder, die in SachsenAnhalt geboren wurden. Das heißt, wir werden Probleme bekommen, die Ansprüche einer Metropolfunktion überhaupt ordentlich erfüllen zu können.

Die Minister für Raumordnung haben am 30. Juni 2006 Entwicklungsstrategien für Städte und Regionen verabschiedet. Darin sind die Aufgabenschwerpunkte der Raumordnung und Landesplanung für die nächsten Jahre festgehalten.

Die drei Leitbilder „Wachstum und Innovation“, „Daseinsvorsorge sichern und Ressourcen bewahren“ und „Kulturlandschaften gestalten“ greifen wirtschaftliche, soziale und ökologische Problemstellungen auf. Mit der Umsetzung der Leitbilder sollen urbane Zentren als Motoren von Wachstum und Innovation gestärkt werden. Die Leitbilder sind mit Handlungsstrategien untersetzt, welche die Raumordnungspolitik der nächsten Jahre maßgeblich bestimmen werden.

Ich erlaube mir, an dieser Stelle - ich denke, das ist mir gestattet - kurz auf die Altmark einzugehen. Ähnliche Probleme gibt es aber auch in anderen Randregionen in Sachsen-Anhalt. Herr Dr. Köck, ich gebe Ihnen Recht, wir haben diesen Punkt in den letzten Tagen häufig tangiert.

Die Altmark hat durchaus endogene Entwicklungspotenziale, gerade wenn es darum geht, Ressourcen zu bewahren und Kulturlandschaften zu gestalten. Im Zusammenhang mit den Leitbildern und unseren Vorstellungen denke ich dabei an den Drömling oder die Untere Havel. Weiterhin hat die Altmark bereits, so wie es gefordert wird, ein ordentliches Regionalmanagement. Ich verweise auf des ILEK, das Integrierte Ländliche Entwicklungskonzept, oder auch die Aktivitäten unter dem Oberbegriff „Region aktiv“. Ich denke, dass wesentliche Ansätze für die Zukunft bereits vorhanden sind.

Für die Altmark ist außerdem die Sicherung der Daseinsvorsorge von besonderer Bedeutung. An dieser Stelle möchte ich etwas tiefer auf diese Sache eingehen. Wir brauchen ein langfristig beständiges wabenförmiges Netz an zentralen Orten, um die Versorgung der Bevölkerung qualitativ und quantitativ aufrechtzuerhalten. Mir ist klar, dass es ein riesiger Kraftakt ist, den wir mit der Novelle zum Landesplanungsgesetz stemmen müssen.

Die Leitbilder und Handlungsstrategien sehen dazu vor, dass Räume mit einem Stabilisierungsbedarf ausgewiesen werden. Als jemand, der aus der Altmark kommt, sage ich: Stabilisierungsbedarf klingt natürlich nicht positiv. Es ist nicht sonderlich berauschend; denn man gibt letztlich zu, dass man in der Region Probleme hat, und wenn man auf die Jagd nach Investoren geht, dann ist das nicht so super.

Deswegen sehe ich die Notwendigkeit, bestimmte Dinge, um diese Region zu puschen, mit einer entsprechenden Förderung zu verbinden. Gleichzeitig gebe ich aber auch zu bedenken, dass Förderprogramme oder ein funktionierendes Regionalmanagement, das wesentlich von diesen Förderprogrammen lebt, allein nicht ausreichen.

Als Raumordnungspolitiker, die das Land Sachsen-Anhalt mitgestalten, sind wir verpflichtet, in den dünn besiedelten Regionen, also den Regionen mit einem Stabilisierungsbedarf, bürgernahe, funktionierende Verwaltungs-, Bildungs- sowie Kultureinrichtungen vorzuhalten. Bezüglich der Schulen - das haben Sie mitbekommen - haben sich die Regierungsfraktionen im Zusammenhang mit den Einheitsgemeinden auf etwas geeinigt. Das muss nicht unbedingt Gegenstand der Landesplanung sein, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir brauchen trotz sinkender Bevölkerungszahlen schnell erreichbare Zentren, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Polizei- und Justizstrukturen vorhalten. Die Verkürzung der Wege oder zumindest das Beibehalten kurzer Wege führt letztlich auch zu dem Ziel, welches ich Ihnen heute Morgen bereits erläutert habe, nämlich der Reduzierung des CO2Ausstoßes oder zumindest der Vermeidung einer weiteren Erhöhung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesem Ziel, nämlich der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse verpflichtet, bedanke ich mich dafür, dass Sie mir diesen etwas längeren Ausflug in die benachteiligten Räume gestattet haben. Ich versichere Ihnen aber, dass wir, diesem Grundsatz folgend, natürlich auch über die anderen Regionen in den Ausschüssen ausführlich beraten werden und aus der Sicht der Regierungskoalition die notwendigen Elemente verankern werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Bergmann. - Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Daehre.

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Werte noch anwesende Abgeordnete! Nachdem wir nun alle unsere politischen Erklärungen und Statements abgegeben haben, kommen wir zu dem sachlichen Thema, nämlich der Landesentwicklung des Landes SachsenAnhalt. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den Fachpolitikern in den nächsten Wochen und Monaten darüber reden werden und wieder ein volles Haus haben werden, wenn es darum geht, ob wir ein Mittel- oder ein Grundzentrum streichen. Dann sind wir alle wieder hier.

Ich denke, es geht auch darum, dass das Land und die Mitbürger in diesem Land wissen, wie wir den Landesentwicklungsplan - das ist Zukunft, meine Damen und Herren - für die nächsten Jahre, nämlich bis 2020, aufstellen wollen und womit wir uns beschäftigen wollen. Ich hoffe, dass dann alle Fraktionen bereit sind, damit wir gemeinsam darüber streiten können.

Ich bin in der glücklichen Lage, nachdem wir den Landesentwicklungsplan Anfang der 90er-Jahre aufgestellt haben, gewissermaßen am Ende der beruflichen Laufbahn den zweiten Landesentwicklungsplan, den wir neu aufstellen wollen, meine Damen und Herren, auf den

Weg zu bringen. Der erste ist von unterschiedlichen Regierungsfraktionen sehr viel korrigiert worden.

Ich bin deshalb froh, dass wir jetzt die einmalige Chance haben, mit der Mehrheit der Koalition von CDU und SPD einen zukunftssicheren Landesentwicklungsplan aufzustellen, der einerseits von der Legislative begleitet wird und andererseits von der Exekutive zu erstellen ist. Wir sind diesbezüglich auf dem besten Weg. Deshalb darf ich versuchen, Ihnen das zu erläutern.

Wir haben am 5. September 2006 die Planungsabsicht beschlossen, die im Ministerialblatt veröffentlicht worden ist. Ich möchte die wesentlichen Punkte nennen:

Erstens die Überprüfung des Zentrale-Orte-Systems. Meine Damen und Herren! Ich sagte es schon, das wird sicherlich eine der spannendsten Diskussionen werden.

Zweitens die Stärkung der Schwerpunktstandorte und die wirtschaftliche Entwicklung.

Drittens die Sicherung und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Festlegung eines landesweiten ökologischen Verbundsystems unter besonderer Berücksichtigung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, die Sicherung der Landesenergiepolitik durch entsprechende raumordnerische Festlegungen sowie Festlegungen zur Unterstützung regionsspezifischer Entwicklungspotenziale im ländlichen Raum.

Alle Landkreise, Städte und Gemeinden, öffentlichen Planungsträger sowie Verbände und Vereinigungen wurden aufgefordert, meinem Haus ihre raumordnerisch bedeutsamen Maßnahmen sowie Hinweise zur Aufstellung des Landesentwicklungsplanes mitzuteilen. All diese Hinweise fließen in die Erarbeitung eines ersten Entwurfes ein. Nach dem Vorliegen dieses Entwurfes werden selbstverständlich die parlamentarischen Gremien unterrichtet.

Detaillierte Aussagen zu beabsichtigten Festlegungen im Landesentwicklungsplan können vor dem Vorliegen des ersten Entwurfes natürlich nicht getroffen werden. Dieses würde entsprechend dem im Landesplanungsgesetz vorgeschriebenen Aufstellungsverfahren einen Verfahrensfehler darstellen.

Selbstverständlich wird der Landtag, wie auch bisher immer geschehen, in den verschiedenen Phasen des Aufstellungsverfahrens über den jeweiligen Stand unterrichtet. Insofern bitte ich den Antrag der Linkspartei.PDS abzulehnen, da die Beteiligung des Landtages durch die Verfahrensvorschriften zur Aufstellung des Landesentwicklungsplanes gesichert ist.

Gegenwärtig können über den Aufstellungserlass hinaus keine konkreten Aussagen über den zukünftigen Landesentwicklungsplan getroffen werden. Ich denke, das ich auch gut so; denn wir müssen uns in vielen Diskussionen auf die sachlichen, fachlichen Problemstellungen verständigen und dann sehen, wie die Inhalte zusammengefasst werden können, um dann eine breite Zustimmung zu erreichen.

Zu dem Antrag der Fraktionen von CDU und SPD kann ich nur sagen: Natürlich wird die Landesregierung ihre Strategien für die Raumentwicklung in Sachsen-Anhalt im Landtag vorstellen. Ich bin dankbar dafür, dass dieser Antrag dies in dieser Form so deutlich zum Ausdruck bringt.

Die Ministerkonferenz für Raumordnung hat im Juni dieses Jahres Leitbilder und Handlungsansätze für die

Raumentwicklung in Deutschland insgesamt beschlossen. Um es hier sehr deutlich zu sagen: Es sind Leitbilder des Bundes, die die veränderten räumlichen Rahmenbedingungen in Deutschland aufgreifen.

Die Leitbilder „Wachstum und Innovation fördern“, „Daseinsvorsorge sichern und Ressourcen bewahren“ sowie „Kulturlandschaften gestalten“ beschreiben die Aufgabenschwerpunkte der Raumordnung für die nächsten Jahre. Die Leitbilder zeigen ein gemeinsames Problemverständnis von Bund und Ländern, stellen aber die Kompetenzverteilung von Bund und Ländern nicht infrage. Sie beinhalten also keine planerischen Festlegungen. Die Festlegungen für die Raumnutzung obliegen allein den Landes- und Regionalplanungen der 16 Bundesländer.

Die Landesregierung hat die Absicht zur Neuaufstellung des Landesentwicklungsplanes für Sachsen-Anhalt bekannt gegeben und gleichzeitig veröffentlicht, welche Schwerpunkte bei der Neuaufstellung zu betrachten sind. Diese ergeben sich teilweise auch aus der Umsetzung der Leitbilder und Handlungsstrategien des Bundes.

Im Rahmen des Aufstellungsverfahrens für den Landesentwicklungsplan werden wir prüfen, welche Festlegungen geeignet sind, erstens um die öffentliche Daseinsvorsorge langfristig zu sichern - hierbei geht es in erster Linie um die Überprüfung des Zentrale-Orte-Systems -, zweitens um vorhandene Stärken der wirtschaftlichen Entwicklung weiter zu stärken unter besonderer Betrachtung der Entwicklungspotenziale des ländlichen Raumes - hierbei geht es auch um die verkehrliche Einbindung in den europäischen Wirtschaftsraum -, drittens um Kulturlandschaften zu stärken und zu entwickeln sowie Ressourcen zu sichern; hierbei haben die Festlegungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz eine besondere Bedeutung.

Zwischenzeitlich sind Hinweise und Anregungen für die Neuaufstellung des Landesentwicklungsplanes von Landkreisen, Städten und Gemeinden, öffentlichen Planungsträgern sowie Verbänden in meinem Haus eingegangen, die, wie ich schon sagte, ebenfalls in die Abwägung der Erarbeitung des ersten Entwurfes einfließen.

Ich habe mir das Ziel gesetzt, einen ersten Entwurf des Landesentwicklungsplanes im ersten Halbjahr nächsten Jahres vorzulegen. Ich bin gern bereit, im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr, im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, im Ausschuss für Umwelt sowie im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und, wenn gewollt, auch noch in weiteren Arbeitsgruppen bzw. Kommissionen, wie im Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD gefordert, zu berichten.