Protocol of the Session on November 17, 2006

Der Klimawandel ist dramatisch, aber Sachsen-Anhalt wird, so wie es im Moment aussieht - auch wenn es etwas seltsam klingt -, von diesem Klimawandel wirtschaftlich sogar profitieren, wenn wir es richtig machen und die entsprechenden Wirtschaftsstrukturen und Technologien unterstützen und fördern. Damit soll der Klimawandel nicht schöngeredet werden: Es kommen enorme Kosten auf uns zu - ich sagte es bereits -, wenn man nur das Beispiel Elbe nimmt. Aber um diese Kosten zu schultern, ist auch eine florierende Wirtschaft in Sachsen-Anhalt notwendig. Und wie es an der Wall Street jetzt so schön heißt und neu entdeckt wurde: Der Dollar ist grün. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Stadelmann. - Wir sind damit am Ende der Debatte angelangt. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 48 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das erste Thema der Aktuellen Debatte abgeschlossen.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Für zukunftsfähige Bahn- und Preisstrukturen

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 5/346

Zunächst hat die Antragstellerin, die CDU-Fraktion, das Wort. Ich erteile Herrn Schröder von der CDU-Fraktion das Wort zur Einbringung. Danach wird Minister Herr Daehre das Wort nehmen. Bitte schön, Herr Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vom Klimawandel zur Bahnreform - beides aktuelle Themen; sie setzen aber einen kleinen Sprung voraus, zu dem ich herzlich einladen möchte.

Monatelang wurde gerungen um eine Jahrhundertreform, wie es hieß. Anhörungen, Gutachten dutzendweise. Lobbyisten hatten Hochkonjunktur und die Bahngewerkschaft Transnet organisierte Warnstreiks. Herausgekommen ist ein Kompromiss in Berlin, der in die richtige Richtung weist, aber viele Fragen offen lässt. Was kommt auf Sachsen-Anhalt zu? Was kommt auf unsere Bahnkunden zu?

Alles, wie immer oder meist im Leben, beginnt mit einem Traum. Herr Mehdorn hatte ihn beispielsweise: Die Deutsche Bahn AG - ein international agierender Logistikkonzern, Nr. 1 auf der Schiene, Nr. 1 im Busverkehr, Nr. 1 bei der Fahrzeuginstandhaltung, Nr. 1 bei der Luft- und Seefracht, und das perspektivisch nicht nur in Europa, nein, langfristig auch in Amerika und Asien.

Und die Realität? - Etwa 100 000 Transportwagen hat die Bahn - die meisten davon veraltet. Ca. 19,5 Milliarden € Schulden hat die Bahn und seit zehn Jahren haben sich die Marktanteile im Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr nicht wesentlich verändert. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit der Umsatzentwicklung von den staatlichen Regionalisierungsmitteln. Heute wie

wohl auch in Zukunft sind es ja gerade die Länder, die durch die Bestellung der Nahverkehrsleistungen zu den Hauptkunden der Bahn zählen.

Im Traum hat jeder seine eigene Welt, aber die eine gemeinsame Welt, die wir haben, ist die der Wachen, und wach waren die Politik und die Bahn gleichermaßen. Woher soll also das Geld kommen für diese Expansion und für die erheblichen Investitionen, die damit verbunden sind?

Eine Alternative ist der unmittelbare Zugang zum Kapitalmarkt. Schon seit Beginn der Bahnreform Anfang der 90er-Jahre mit der Überführung in eine privatrechtliche Organisationsform, mit der Entschuldung der Bahn war der Börsengang des Konzerns als Fernziel angelegt. Jetzt ist der Börsengang zum Greifen nah: Die große Koalition hat in Berlin - wenige Tage alt - einen Kompromiss erzielt, der spätestens im Jahr 2009 einen Teilverkauf von Aktien der Bahn ermöglicht.

Bereits im März 2007 soll ein Privatisierungsgesetz von Herrn Tiefensee entworfen werden, wobei die Infrastrukturunternehmen der Bahn in Bundeseigentum überführt und so dem Zugriff privater Investoren entzogen werden sollen. 2,5 Milliarden € jährlich soll der Steuerzahler aufbringen, um das Netz in einer noch nicht definierten, aber noch zu definierenden Qualität zu erhalten.

Ein Kompromiss mit vielen offenen Fragen, weil die Bahn das Netz weiterhin bewirtschaften und auch in ihren Bilanzen führen soll: Verbieten sich, wenn die Bahn wirtschaftlicher Eigentümer ist, also doch verkehrspolitische Eingriffe des Staates in das laufende Geschäft und können etwa private Investoren über ihre Sperrminorität politische Mitbestimmung doch noch blockieren? Welche Belastungen entstehen der öffentlichen Hand aus den Wünschen zur Kapitalaufstockung, die ja bestehen? Welche Schulden übernimmt der Bund, wenn es zur Trennung von Betrieb und Netz kommt? Letztlich, was für uns im Land Sachsen-Anhalt die entscheidende Frage ist: Wie werden wir die Qualitätsstandards in den Regionalnetzen künftig sichern können? Viele Fragen ließen sich noch anschließen.

Meine Damen und Herren! Der Substanzwert des Netzes - das sind in Deutschland etwa 34 000 km - wird auf etwa - dabei muss ich schon wieder „etwa“ sagen - 150 Milliarden € geschätzt. Ich sage deswegen „etwa“, weil es über diese Zahl bereits Streit gibt. Nötig sind verbindliche Kriterien für die Wertermittlung, die es bis heute nicht gibt. Letztlich wird wohl auch die Evaluierung des Netzzustandsberichts der Bahn, der vorliegt, durch externe Sachverständige notwendig sein.

Meine Damen und Herren! Wir definieren in SachsenAnhalt den Nahverkehr zu Recht als Bestandteil der Daseinsvorsorge. So steht es im Koalitionsvertrag. Bei der Bahnreform geht es also auch bei uns an das Eingemachte. Erhebliche Mittelkürzungen in diesem Bereich werden wir auch nicht über den Wettbewerb, den wir ja auf Teilnetzen in Sachsen-Anhalt bereits haben, kompensieren können.

Wir brauchen diesen Wettbewerb aber, um die besten Lösungen zu finden und bei allen Beteiligten die größten Anstrengungen auszulösen. Für die Sicherung dieses Wettbewerbes brauchen wir wohl eine Regulierungsbehörde auf der Bundesebene. Die Instrumente der Bundesnetzagentur gilt es für den Bereich der Schiene fortzuentwickeln.

Wir, das heißt Sachsen-Anhalt als Besteller der Nahverkehrsleistungen, wollen weiter Einfluss nehmen auf die Infrastrukturentwicklung in unserem Land. Gegenüber dem Bund wird das leichter gehen als gegenüber den internationalen Kapitalgebern. Insofern ist die umfassende Sicherung der Infrastrukturverantwortung des Bundes, wie es in dem Kompromiss heißt, für uns ein richtiger Schritt, die Privatisierung ohne Netz ein richtiger Schritt. Aber, wie oft im Leben, es kommt auch auf das Kleingedruckte an.

Die Einbindung des Landes Sachsen-Anhalt, überhaupt der Länder in die Erarbeitung des Privatisierungsgesetzes des Bundes und die Berücksichtigung von Länderwünschen bei der Erarbeitung einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sind aus unserer Sicht wünschenswert, ja vielleicht sogar erforderlich.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt übernimmt jetzt - ich glaube, es wird bald so weit sein oder es ist schon so weit - den Vorsitz in der Verkehrsministerkonferenz der Länder. Das wird für zwei Jahre der Fall sein. Die Bahnreform - man muss kein Prophet sein, um das sagen zu können - wird zweifellos ein Schwerpunktthema in der Verkehrsministerkonferenz bilden - in der wir den Vorsitz innehaben werden -, wie es auch hier im Landtag weiter eine Rolle spielen wird.

Wenn es gelänge, eine Teilprivatisierung zu organisieren, die die Landesinteressen wahrt, wenn es darüber hinaus gelänge, das Beschäftigungsbündnis des größten Arbeitgebers hier in Sachsen-Anhalt zu sichern, und wenn es letztlich noch gelänge, mehr Transparenz in die Preisstrukturen zu bekommen, dann hätten wir viel erreicht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Ich darf mich ganz herzlich bei Herrn Schröder bedanken. - Bevor ich dem Herrn Minister Daehre das Wort gebe, begrüße ich Damen und Herren der Selbsthilfegruppe Asthma aus Genthin. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Damit erteile ich Minister Herrn Dr. Daehre das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst herzlichen Dank dafür sagen, dass wir dieses Thema in der Aktuellen Debatte in der heutigen Landtagssitzung behandeln, weil es in der Vergangenheit eigentlich immer so war, dass Themen, die mit der Bahn zu tun hatten, am Ende der Landtagssitzung behandelt wurden.

Ich bin - Herr Schröder hat es schon angesprochen - dankbar für diese Kopplung, die ja scheinbar erst einmal gar keine ist: Wenn wir aber über den Klimawandel sprechen, wenn wir über die CO2-Belastung reden, dann müssen wir natürlich auch darüber reden, dass wir den Individualverkehr und alles das, was sich auf der Straße abspielt, in der Zukunft verstärkt auf die Schiene verlagern sollen und müssen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Dazu können wir alle unseren eigenen Beitrag leisten. Ich will jetzt gar keine Umfrage starten, wer mit dem Auto gekommen ist oder wer mit dem Zug fährt.

(Herr Tullner, CDU, meldet sich)

- Ja, es gibt einige, die sich gemeldet haben, das ist schon erfreulich.

Aber, meine Damen und Herren, ich sage das deshalb: Wir können natürlich die Deutsche Bahn oder auch andere jedes Mal kritisieren und vorführen; aber wenn sie keine Kunden haben - das sind wir alle -, dann ist es auch schwierig, die Wirtschaftlichkeit herzustellen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Das ist natürlich aus meiner Sicht erst einmal der Ausgangspunkt. Das heißt, wir müssen auch anfangen, nicht nur darüber diskutieren. Es muss in den Köpfen klar sein, dass wir ernsthaft bereit sind, unseren Beitrag dazu zu leisten und als potenzieller Kunde für die Bahn und auch für alle anderen Wettbewerber zur Verfügung zu stehen; denn der Vater Staat kann nicht alles allein subventionieren. Das funktioniert nicht. Das kostet dreistellige Millionenbeträge in Sachsen-Anhalt und Milliardenbeträge in Deutschland, die wir ausgeben.

Das Thema Bahnprivatisierung ist mit der ersten Bahnreform im Jahr 1995 - damals war Herr Wissmann noch Bundesverkehrsminister - auf den Weg gebracht worden. Darüber ist viel diskutiert worden. Wenn man das zurückschauend betrachtet, dann muss man sagen: Die Bahnprivatisierung ist schon erfolgreich gewesen. Es ist gut gewesen, dass wir diesen Weg gegangen sind.

Der Wettbewerb, meine Damen und Herren, war der zweite Schritt. Der Wettbewerb - er war vor vielen Jahren noch nahezu undenkbar - hat sich, was den Nahverkehr angeht, auch positiv ausgewirkt. Ich denke, deshalb muss dieses einmal vorangestellt werden. Ich werde auch auf die Probleme noch zu sprechen kommen. Davon haben wir noch eine ganze Menge zu bewältigen.

Fakt ist aber erst einmal, dass der Schritt, der Mitte der 90er-Jahre gemacht worden ist, heute von niemandem infrage gestellt wird und dass das auch ein Teil eines Erfolgserlebnisses ist, was das Thema Bahn angeht.

Dass man sich in Berlin zu diesem Kompromiss durchgerungen hat, hat Herr Schröder schon zum Ausdruck gebracht. Ich denke, das muss ich hier nicht wiederholen.

Wir haben ab 1. Januar 2007 für zwei Jahre den Vorsitz in der Verkehrsministerkonferenz. Einerseits ist das eine große Herausforderung, andererseits hat man natürlich die Möglichkeit, mit direkt Einfluss nehmen zu können, wenn man dann auch die Koordinierung zwischen den verschiedenen Bundesländern vornehmen kann. Das Thema wird uns deshalb auch in den nächsten zwei Jahren noch begleiten, weil man sich in dieser Legislaturperiode in Berlin darauf verständigt hat, es zu einem Ende zu bringen. Ich hoffe auch, dass das passieren wird, sodass wir die Jahre 2007 und 2008 nutzen werden.

Wir wissen aber auch, dass die Bahn in den letzten Jahren Gewinne gemacht hat. Herr Mehdorn sagt das. Das ist zunächst einmal erfreulich. Im Fernverkehr in jedem Fall, aber auch im Nahverkehr ist das Ergebnis, was den reinen Verkehr angeht, gar nicht so schlecht. Ich denke, das zeigt, dass der Wettbewerb und der angedachte Börsengang nicht so verkehrt sein können.

Verbessert haben sich die Sauberkeit in den Zügen und die Pünktlichkeit der Züge. Auch das ist zu konstatieren. Das muss man ganz einfach einmal festhalten.

Wir haben im Regionalverkehr in Sachsen-Anhalt eine Pünktlichkeitsrate zwischen 93 % und 97 %. Das sind Zahlen, die wir von anderen haben ermitteln lassen, sodass man sich darauf verlassen kann, dass es tatsächlich zutrifft.

Der alte Fuhrpark der Reichsbahn ist bereits zur Jahrtausendwende modernisiert worden. Man muss auch festhalten, dass moderne Züge durch Sachsen-Anhalt fahren. Obwohl sich das Land aus der Finanzierung zurückgezogen hat - meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal betonen, wir finanzieren keine Fahrzeugförderung mehr -, ist durch den Wettbewerb und durch die Ausschreibung der verschiedenen Netze die Qualität der Züge verbessert worden.

Dies war im Jahr 2003 mit dem Abschluss des Verkehrsvertrages und im laufenden Jahr mit der Betriebsübergabe des Nordharznetzes der Fall und dies wird zukünftig mit der Fertigstellung des City-Tunnels in Leipzig im mitteldeutschen S-Bahn-Netz wieder der Fall sein.

Meine Damen und Herren! Eine große Herausforderung, vor der wir stehen, ist, dass wir das Netz der S-Bahn Halle - Leipzig nicht nur ausschreiben, sondern auch modernisieren müssen. Da gibt es eine Zeitverzögerung. Sie haben das in den Medien sicherlich verfolgt.

Bezüglich des Baus eines Tunnels, der ursprünglich im Jahr 2009 fertig gestellt werden sollte, traut sich niemand so richtig zu sagen, wann der Tunnel denn endgültig fertig sein wird. Man schwankt hinsichtlich des Termins für die Fertigstellung zwischen den Jahren 2011 und 2012. Irgendwann wird der Tunnel aber fertig gestellt sein. Dann werden auch wir auf diesem S-BahnNetz fahren.

Ich möchte mich hier zu diesem Thema nicht weiter äußern. Es ist im Freistaat Sachsen genug darüber diskutiert worden. Jeder konnte das verfolgen. Ich bedauere, dass es zu dieser zeitlichen Verzögerung kommen wird, weil das für die S-Bahn Halle - Leipzig und damit für die Anschaffung neuer Fahrzeuge nicht ganz unproblematisch ist.

Bezüglich des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes, den wir auf den Weg gebracht haben, werden wir uns jetzt darüber verständigen müssen, ob wir noch einen zweiten solchen Verbund in Sachsen-Anhalt einrichten. Hier müssen wir abwägen, ob dies wirtschaftlich wäre.

Die Deutsche Bahn fährt auf drei Netzen: auf dem Netz, zu dem der große Verkehrsvertrag abgeschlossen worden ist, auf dem Netz der Elbe-Saale-Bahn und auf dem Netz der Burgenlandbahn, die im Januar 2007 ans Netz geht. Das sind Töchter der Deutschen Bahn. Darüber hinaus haben wir das Nordharznetz. - So viel zu dem Transportmittel Bahn.