Protocol of the Session on October 11, 2002

Und dann macht mich auch noch eines stutzig: Sie sagen, Sie und der Wirtschaftsminister von Sachsen hätten von Anfang an eine gemeinsame Auffassung vertreten. - Wunderbar! Die gemeinsamen Auffassungen scheinen aber doch sehr unterschiedlich gewesen zu sein. Am 17. September 2002 erklären Sie in der Zeitung, Sie seien nicht zuständig und würden keine Gespräche aufnehmen, lehnten das ab. Als Sie aber merken, dass die Welle hoch schlägt, gibt es eine Pressemitteilung, dass Sie doch Gespräche dazu aufnehmen würden.

Was dabei aber herauskommt, ist nichts anderes als das, was am Anfang der Gespräche schon stand, dass Sie sich nämlich damit zufrieden geben, dass die Sachsen öffnen und wir nicht. Dann muss man sich auch nicht mit der Gewerkschaft über vernünftige Regelungen einigen, dann überlassen wir das alles lieber dem freien Lauf der Kräfte. Die werden sich dann schon gerichtlich über das OVG einigen oder eben nicht einigen und werden das für Sie regeln.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Schrader?

Am Schluss gern.

Herr Gürth, bei Ihnen ist es das Gleiche. Niemand will per Landtagsbeschluss festlegen, wie sich die Sachsen verhalten sollen. Das steht gar nicht drin in unserem Antrag und steht auch nicht im Antrag der PDS drin. Niemand will per Landtagsbeschluss das Ladenschlussgesetz außer Kraft setzen. Das steht gar nicht in dem Antrag drin.

Grundschule, Klasse 3, da lernt man Texte fließend zu lesen und zu begreifen. Das müssten Sie eigentlich auch vor den westdeutschen Verhältnissen in der Bildungspolitik hingekriegt haben.

(Herr Gürth, CDU: Wenn das nicht realistisch ist, muss man nicht die Landesregierung auffordern! Sie instrumentalisieren eine Ausnahmesituation! Acht Jahre Ihrer Wirtschaftspolitik - Ihre Bilanz liegt uns allen vor!)

Meine Damen und Herren! Sie mögen es vielleicht für sehr kleinkariert halten; da will die doch ein so kleines Thema in die Initiative Mitteldeutschland hineindrücken. Das sehe ich Ihren Gesichtern an. Das ist aber ein heißes Thema. Wenn es Ihnen nämlich schon dabei nicht gelingt, sich zu einigen, wie wollen Sie sich denn dann darüber einigen, wo die europäische Spallationsneutronenquelle hinkommt?

(Beifall bei der SPD - Unruhe bei der CDU und bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Das ist doch schon längst geschehen! Keine Ahnung!)

Wie wollen Sie sich denn darüber einigen, wie es mit der S-Bahn zwischen Leipzig und Halle sein soll? Wie wollen Sie sich denn darüber einigen, wie sich der Flughafen Leipzig/Halle gewerblich entwickeln soll?

(Herr Gürth, CDU: Das ist doch Ihre traurige Bi- lanz! Abenteuerlich!)

Sagen Sie mir dann auch, dass es gemeinsame Gesprächen zwischen den Wirtschaftsministern gegeben hätte, die Sachsen aber andere Prioritäten setzten und Sie deshalb die Sachsen machen lassen würden, weil Sie sowieso nicht zu gleichen Auffassungen kämen?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Sie mögen das vielleicht als kleinkariert empfinden. Ich habe das aber nicht aus diesem Grund zur Sprache gebracht, sondern weil ich wirklich der Auffassung bin, dass es eine ernsthafte überregionale Zusammenarbeit geben sollte, die ich für vernünftig halte.

Es wird viele Punkte geben, in denen wir wahrscheinlich gleicher Auffassung sind. Vieles werden Sie wahrschein

lich auch mit Sachsen fortführen, zum Beispiel das Thema Emission-Trading oder die Chemikalienpolitik. Es gibt sicherlich vieles, wie etwa in der Tourismuspolitik, über die wir gestern gesprochen haben. Das ist auch gut und darin sind wir mit Sicherheit auch gleicher Auffassung.

Für mich spielen aber auch solche Dinge eine Rolle, die für die Region wichtig sind, die für den kleinen Mittelstand wichtig sind, der sich mit dem Thema Kaufkraft auseinander setzen muss, ob er die Kunden zu sich zieht oder sie nach Sachsen gehen lässt. Genau das Thema ist es, Frau Rogée.

(Herr Gürth, CDU: Sie haben keinen Lösungs- ansatz!)

- Ich kann mich doch in meiner derzeitigen Funktion nicht mit dem sächsischen Wirtschaftsminister unterhalten. Der sagt dazu, gute Nacht, Marie, es ist ja nett, dass Sie mit mir geredet haben.

(Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Der Ansprechpartner ist doch wohl der Wirtschaftsminister, Herr Gürth. Das werden Sie mir doch zugestehen, dass dies die Ebene ist, auf der geredet werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Wenn sich in Radio SAW das Möbelhaus Dessau schon beim Ministerpräsidenten dafür bedankt, dass geöffnet werden darf, sicherheitshalber aber nicht sagt, ob beim Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt oder bei dem von Sachsen, dann zeigt das auch ein gewisses Bild. - Das war ein bisschen spaßig. Ich meine es aber durchaus ernst. Solche Sachen werden noch häufiger kommen. Diese Auseinandersetzung wird nicht einmalig bleiben. Ich glaube, Frau Rogée, wir können uns noch auf vieles einstellen.

Ich möchte zum Ladenschlussgesetz nicht inhaltlich diskutieren. Das ist eine ganz andere Debatte.

(Herr Gürth, CDU: Das wäre einmal interessant, Ihre Position in diesem Punkt zu hören!)

Mir geht es um einheitliche Regelungen in der Region, und hierbei nehme ich mit, dass Sie sich in diesem Punkt für nicht zuständig erklären.

(Beifall bei der SPD - Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Frau Abgeordnete, Sie haben sich bereit erklärt, dem Abgeordneten Herrn Dr. Schrader eine Frage zu beantworten.

Bitte, Herr Dr. Schrader.

Frau Kollegin Budde, meine Auffassung hat sich bestätigt, dass die Debatte von Ihnen rein politisch motiviert war. - Aber zu der Frage: Wie hätten Sie, wenn Sie in Verantwortung wären, aufgrund der geltenden Gesetzeslage denn selbst reagiert?

Das habe ich doch eben gesagt. In § 23 des Ladenschlussgesetzes besteht die Möglichkeit, die Regelungskompetenz auf die Ebene des Wirtschaftsministers zu holen. Dann hätte ich Gespräche mit den Sachsen geführt. Wenn diese geführt worden wären und uns der Minister im Ausschuss darüber berichten würde, dann könnte ich noch sagen, dass er es vielleicht nicht geschafft hat. Das kann ja dabei herauskommen und mag nicht einmal seine Schuld sein, weil sich die Sachsen stur stellen. Das mag alles sein. Aber so weit kommen wir nicht einmal, Herr Schrader. Das wäre aber der Weg gewesen.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Das war nicht meine Frage!)

Sie wollen sich zurückziehen und schreiben den Kommunen einen Brief. Der Weg ist aber: Wir nehmen diesen letzten Satz in § 23 in Anspruch und setzen uns auf einer gleichberechtigten Ebene, auf der des Ministeriums, das die Regelungsbehörde ist, mit dem sächsischen Wirtschaftsministerium auseinander und versuchen, eine einheitliche Regelung zu finden. Das ist der Weg.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie dann für das gesamte Land den Ladenschluss außer Kraft gesetzt hätten, wie es Sachsen zu dem Zeitpunkt schon getan hatte?

Nein, in der Annahme liegen Sie völlig falsch. Sie können auch gern meine persönliche Auffassung dazu erfahren.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Deswegen frage ich!)

Meine persönliche Auffassung dazu ist, dass das Ladenschlussgesetz gar nicht verändert werden muss und die Auffassung, die Herr Rehberger bis zum 30. September 2002 vertreten hat, inhaltlich durchaus richtig ist. Wenn es aber eine andere Situation in Sachsen gibt, muss man mit den Sachsen einen Kompromiss erzielen. Wie der aussieht, das kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob samstags bis 17 oder 18 Uhr oder auch gar nicht geöffnet werden soll. Das muss auf dem Verhandlungswege erreicht werden.

Ich sage Ihnen auch, wen ich an den Verhandlungstisch gesetzt hätte, Herr Schrader: Ich hätte nicht nur die beiden Wirtschaftsminister an den Tisch gesetzt, sondern auch die Kammern und die Gewerkschaften. Dann hätte man geguckt, ob sich eine Regelung ergibt oder nicht. - Das ist aber jetzt sozusagen Reden im freien Raum, da diese Gespräche offensichtlich nicht stattgefunden haben; denn unser Minister war der Auffassung: Es gibt eine gemeinsame Auffassung, die Sachsen machen es anders und wir lassen es laufen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Herr Dr. Schra- der, FDP: Ich bin überzeugt, dass wir dann jetzt eine zufrieden stellende Lösung gehabt hätten!)

Besten Dank, Frau Budde. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat noch einmal der Minister für

Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger um das Wort gebeten.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich mache es kurz, wohl wissend, dass Frau Bude noch einmal darauf antworten kann. Ich möchte Ihnen, verehrte Frau Vorgängerin, aber Folgendes sagen: Als Sie Ihr Amt als Wirtschaftsministerin abgegeben haben, haben Sie den Medien mitgeteilt, dass Sie jetzt eine Schulung besuchen würden, in der man lernt, Ministerien zu managen. Das fand ich sehr bemerkenswert.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich würde dringend darum bitten, dass Sie sich bei dieser Schulung auch ein bisschen über Recht und Rechtsanwendung informieren lassen. Was Sie hier vorgetragen haben, ist wirklich eine Katastrophe.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und sehen Sie, rein rechtlich gesehen gibt es eben manche Dinge, die kann man, selbst wenn man versucht, mit anderen darüber zu sprechen, nicht aus den Angeln heben. Sie können es nicht ändern, dass das Ladenschlussgesetz nur dort für eine gewisse Zeit außer Kraft gesetzt werden kann, und sei es durch die Landesregierung, wo tatsächlich katastrophale Verhältnisse herrschen oder im unmittelbaren Einzugsbereich katastrophale Ereignisse stattgefunden haben.

(Zuruf von Herrn Dr. Höppner, SPD)

Die Unterschiede zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt sind eben evident. Deswegen war es eine angemessene Reaktion, dass wir in der ersten Zeit, als das ganze Land Sachsen-Anhalt mehr oder weniger betroffen war, das landesweit gemacht haben und dass in der Phase danach dort, wo Handlungsbedarf bestand, auch von sozialdemokratischen Landräten das Richtige gemacht worden ist.

Und ich finde, das Entscheidende bei der Sache war, dass man dort, wo ein einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsraum ist, auch einheitlich vorgegangen ist. Die Vorstellung, die Sie heute bringen, dass etwa die Landesregierung von Sachsen-Anhalt im Oktober 2002 hätte erklären können, dass in Salzwedel, in Sangerhausen oder vielleicht noch in Thüringen katastrophale Verhältnisse herrschten, die es rechtfertigen würden, das Ladenschlussgesetz aus den Angeln zu heben, die ist doch abwegig.