Protocol of the Session on October 10, 2002

(Frau Feußner, CDU: Nichts verstanden!)

Ich habe mit der Teilzeitbeschäftigung kein Problem, kann aber sehr wohl nachvollziehen, dass sich die GEW gegen diese Art und Weise wehrt. Das ist vollkommen richtig, gegen Teilzeit haben wir nichts. Aber Ihre Frage legt nahe, dass man diese Geschichte nicht machen sollte. Dann frage ich, wie weit die Konfusion fortgeschrit

ten ist, wenn von der Landesregierung solche Vorschläge kommen.

(Zustimmung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Sie haben gar nichts verstanden! Sie reden doch nur dummes Zeug! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Frau Dr. Hüskens, noch eine Nachfrage? - Nein.

Dann treten wir nunmehr in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/194 ein. Wer dem Antrag der PDS-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Mit den Stimmen der CDU- und der FDP-Fraktion ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 13 beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Mehr Liquidität und weniger Bürokratie für den Mittelstand durch eine gerechtere Besteuerung

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/211

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/262

Einbringer für die CDU-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Gürth.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eben ansatzweise eine Debatte über die Glaubwürdigkeit in der Politik gehabt. Insofern passt es ganz gut, dass wir jetzt im Anschluss über die mittelständische Wirtschaft in Sachsen-Anhalt sprechen.

Wer, wie das viele in diesem Hause tun, des Öfteren unterwegs und zu Gast ist bei Veranstaltungen und Versammlungen des Handwerks, von Kaufleuten oder von anderen mittelständischen Unternehmern, der hatte in den letzten Jahren immer öfter die Gelegenheit, den Unmut insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Politik zu spüren.

Denn immer mehr mittelständische Unternehmer haben zu Recht erklärt: Wisst ihr, ihr kommt immer und erzählt uns, wie bedeutend wir als mittelständische Unternehmer für Beschäftigung und Ausbildung sind, und wenn die Wahlen vorbei sind, dann beschließt ihr munter drauf los, ohne nur ein einziges Mal darüber nachzudenken, wie das, was ihr so beschließt, sich auf mein Unternehmen und auf die Beschäftigten in meinem Unternehmen auswirkt.

Die Unternehmer in Sachsen-Anhalt haben in den letzten acht Jahren leider die Erfahrung gemacht, dass man munter beschlossen und munter verordnet hat, ohne sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, welche Auswirkungen das auf die Beschäftigung und die Existenzsicherung im Mittelstand hat, sodass dieser Unmut auch einen reellen Hintergrund hatte.

Wir, die Koalitionsfraktionen der CDU und der FDP, wollen diese Tendenz umkehren. Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir in einen Bereich einsteigen, mit dem wir

kurzfristig insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr Liquidität verschaffen können.

Wir hatten im Jahr 2001 in Sachsen-Anhalt 1 674 Unternehmensinsolvenzen. Damit waren wir nach Mecklenburg-Vorpommern das Land mit der höchsten Insolvenzdichte aller deutschen Bundesländer. Der Schnitt in Deutschland liegt bei 111 Unternehmensinsolvenzen je 10 000 Unternehmen. In Sachsen-Anhalt hatten wir im Jahr 2001 die traurige Quote von 245 Unternehmensinsolvenzen je 10 000 Unternehmen.

Wer etwas tiefer in die Materie einsteigt und sich mit den Gründen für die Unternehmensinsolvenzen beschäftigt, der wird viele Gründe finden, aber auch immer häufiger feststellen können, dass es nicht an der fehlenden Marktchance oder an einer hoffnungslosen Überschuldung liegt, sondern an der mangelnden Liquidität.

Genau an dieser Stelle setzt der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP an. Wir wollen erreichen, dass die Landesregierung noch im Jahr 2002 eine Bundesratsinitiative startet, um das Umsatzsteuerrecht zu verändern. Es soll erreicht werden, dass kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2,5 Millionen € die Umsatzsteuer erst nach dem Eingang der Zahlungen und nicht zum Zeitpunkt der Rechnungstellung abführen müssen.

Das geltende Recht geht von einer Sollbesteuerung aus. Derjenige, der Umsätze erzielen will, muss bereits mit der Rechnungslegung die Umsatzsteuer für die zu erwartenden Umsätze an das Finanzamt abführen. Eine Ausnahmeregelung ist in § 20 des Umsatzsteuergesetzes enthalten.

Das bedeutet: Ein Unternehmer, der eine Dienstleistung erbracht oder eine Ware geliefert hat, hatte Kosten für die Dienstleistungserbringung oder die Lieferung der Ware, hat noch keine Einnahmen, muss aber bereits die Umsatzsteuer auf die zu erwartenden Umsätze abführen. Der mittelständische Unternehmer finanziert de facto den Fiskus vor. Wir wissen aber, dass immer häufiger Kunden ihre Rechnungen gar nicht oder nur extrem verspätet bezahlen. Das führt dann zu den immer häufiger bekannt gewordenen Liquiditätsengpässen, auf die auch die Insolvenzrate zurückzuführen ist.

Wir wollen erreichen, dass die mittelständischen Unternehmer, wenn sie bis zu 2,5 Millionen € Jahresumsatz erzielen, die Umsatzsteuer erst dann abführen müssen, wenn der Kunde die Rechnung tatsächlich bezahlt hat. Dabei müssen wir natürlich europäisches Wettbewerbsrecht beachten. Deshalb müssen wir auch im Bundesrat für eine Mehrheit aller Bundesländer und für eine Lösung werben, die mit dem europäischen Wettbewerbsrecht in Einklang steht.

Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Initiative der Fraktionen der CDU und der FDP zu unterstützen und damit eine Hilfe für kleine und mittelständische Unternehmen zu ermöglichen, die auch noch den Charme hat, dass sie den Steuerzahler nicht zusätzlich Geld kostet, sondern für die öffentlichen Haushalte kostenneutral ist.

Wenn wir diese Bundesratsinitiative erfolgreich auf den Weg bringen könnten, es dafür eine Mehrheit gäbe und infolgedessen das Umsatzsteuerrecht verändert werden würde, dann könnte deutschlandweit ca. 750 000 mittelständischen Unternehmern diese Möglichkeit der Liquiditätsverbesserung eingeräumt werden. In den neuen Bundesländern wären ca. 69 000 Unternehmen und in

Sachsen-Anhalt ca. 10 000 Unternehmen durch diese Bundesratsinitiative positiv betroffen.

Ich hoffe sehr, dass wir eine breite Mehrheit dafür bekommen, heute die Zustimmung im Landtag von Sachsen-Anhalt und in Kürze hoffentlich auch die Zustimmung im Bundesrat für die dann von uns erwartete Änderung des Umsatzsteuerrechts.

Hiermit lösen wir auch ein Versprechen ein, das wir vor den Wahlen gegeben haben, nämlich dass wir uns vor allem um die kümmern, die in diesem Land ein besonderes Risiko im Hinblick auf Beschäftigungs- und Ausbildungssicherung eingegangen sind, nämlich die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Sachsen-Anhalt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Abgeordneter Herr Gürth. - Wir treten in die Debatte ein. Die Landesregierung hat signalisiert, dass sie am Ende der Debatte reden möchte. Ich erteile für die PDS-Fraktion der Abgeordneten Frau Dr. Klein das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Je später der Abend, desto schöner die Themen, könnte man fast sagen. Herr Gürth hat mir eigentlich eine Steilvorlage zum Thema Glaubwürdigkeit im Mittelstand geliefert.

Vor reichlich zwei Jahren haben die Fraktionen der CDU und der FDP, allerdings ebenso wie die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag, einen fast gleich lautenden Antrag der dortigen PDS-Fraktion abgelehnt - angesichts hungerstreikender Handwerkerfrauen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg vor dem Brandenburger Tor.

Ihr Bundestagskollege Jochen-Konrad Fromme lehnte unseren längst nicht so mutigen Antrag - anstelle 2,5 Millionen € wollten wir nur 1 Million DM für die gesamte Bundesrepublik erstreiten - mit der Begründung ab, dass dieser Weg der Einführung des Optionsrechts nach § 20 des Umsatzsteuergesetzes völlig ungeeignet wäre, um zahlungswilligen Unternehmern entsprechende Liquiditätshilfen zu gewähren.

Nun gut. Wir werden Ihren Antrag unterstützen. Aber der Antrag ist - das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen - eine Aufforderung zum Tanz und kein Eheversprechen, ja nicht einmal das Versprechen eines gemeinsamen Heimweges; denn er verpflichtet weder die Landesregierung noch die Bundesebene noch zu konkreten Schritten, klingt aber gut.

Um aber wirklich Nägel mit Köpfen zu machen, haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der genau die Punkte enthält, die zunächst in Angriff genommen werden sollen, damit wir auch wissen, worüber wir diskutieren sollen. Abgesehen davon, dass es eine gerechte Besteuerung im eigentlichen Sinne nicht geben kann, muss manches gerechter gestaltet werden. Ich nehme an, dass sich unsere Gerechtigkeitsvorstellungen ziemlich grundlegend voneinander unterscheiden. Trotzdem stimmen wir mit Ihnen überein, dass es angesichts der Insolvenzzahlen dringend notwendig ist, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen das Überleben zu sichern.

Die immer schlechter werdende Zahlungsmoral von Privaten, aber auch der öffentlichen Hand ist ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem. Seit Jahren gehören Zahlungsverzug und die immer schlechter werdende Zahlungsmoral schon fast zu Volkssportarten. Auch die in jüngster Zeit erlassenen Gesetze - erinnert sei nur an das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz - haben zwar diese Punkte zum Gegenstand, aber haben bisher leider kaum Wirkung gezeigt.

Die Fristen für die Eintreibung der Zahlungsforderungen sind trotz der 30 Tage scheinbar immer noch zu lang oder werden einfach ignoriert. Auch die Erhöhung des Zinssatzes bei Zahlungsverzug auf 5 % juckt Leute, die wirklich nicht zahlen wollen, überhaupt nicht. Das ist schlimm; denn mit dem Zahlungsverzug nehmen die Liquiditätsprobleme zu. Die meisten kleinen und mittleren Betreibe haben kaum so viel Eigenkapital, um diese Zahlungsverzögerungen aufzufangen.

Änderungen sind notwendig. Deshalb stimmen wir mit Ihnen völlig überein: Es muss Abhilfe geschaffen werden.

Sicher wird das Umsatzsteuerrecht die mangelnde Zahlungsmoral nicht generell bekämpfen können; denn es begünstigt ja, wie Sie gesagt haben, im Augenblick diejenigen, die sich die Vorsteuer erstatten lassen, ohne selbst ihre Rechnungen zu zahlen. Insofern ist die Feststellung, dass liquiditätsschwache mittelständische Unternehmen den Fiskus finanzieren, nur bedingt richtig. Andere Unternehmen nehmen die Vorsteuererstattung in Anspruch, auch wenn sie selbst nicht gezahlt haben, und nutzen damit das Finanzamt als billiges Kreditinstitut. Also, konkret gesagt: Die Ehrlichen sind die Dummen und das muss geändert werden.

Eine Änderung im Umsatzsteuerrecht wird das Problem sicherlich nicht grundsätzlich lösen, aber es wird zumindest die Liquidität der Unternehmen stärken und eine gewisse Steuerehrlichkeit einfordern.

Es wird auch nicht der große Befreiungsschlag für die kleinen und mittleren Unternehmen sein, wenn wir generell zur Istbesteuerung übergehen, aber sie erleichtert jenen, deren Schuldner in der Zahlung säumig sind, zunächst das Überleben. Andererseits können diejenigen, die bisher die Vorsteuererstattung in Anspruch genommen haben, bei Annahme unseres Änderungsantrages die Vorsteuer sich erst dann vom Finanzamt erstatten lassen, wenn sie nachweisen können, dass sie ihre Rechnungen bezahlt haben. Das wäre ein möglicher Weg. Man muss es ausprobieren. Es wird ja vieles ausprobiert.

Auch durch den üblichen Hinweis auf das EU-Recht sollte sich die Landesregierung im Interesse des Mittelstandes nicht daran hindern lassen, eine entsprechende Überprüfung des Umsatzsteuerrechts zu fordern. Der Systemwechsel im Zuge der Harmonisierung der Umsatzsteuer innerhalb der EU erfolgte im Jahr 1967, also vor 35 Jahren. Die Sechste Richtlinie zur Harmonisierung des Steuerrechts ist 25 Jahre alt und immer wieder geändert worden. So gibt es in Großbritannien inzwischen eine ähnliche Regelung, die von der EU nicht moniert wird.

Wir fordern also, Nägel mit Köpfen zu machen und den Antrag von CDU und FDP durch die Übernahme unse

res Änderungsantrages zu konkretisieren und die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD)

Danke, Frau Dr. Klein. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Lukowitz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gürth hat den Antrag von CDU und FDP sehr ausführlich dargestellt. Ich will es vorwegnehmen: Ich halte dies für eine wichtige Initiative von CDU und FDP und hoffentlich auch der großen Mehrheit des Landtages für den ostdeutschen Mittelstand und für den Mittelstand in Deutschland überhaupt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass die letzten Teile der Steuerreform in Deutschland - das ist, glaube ich, inzwischen eine allgemein bekannte Tatsache - am ehesten den großen Kapitalgesellschaften genutzt haben und am wenigsten dem Mittelstand.

(Herr Gürth, CDU: Genau so ist es!)