Protocol of the Session on October 10, 2002

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Herr Zimmer, möchten Sie eine Frage der Abgeordneten Budde beantworten? - Er möchte nicht. Damit erübrigt sich die Worterteilung.

Die Debatte ist beendet. Jetzt wird abgestimmt, zunächst über den Antrag der SPD-Fraktion in der Drs. 4/109. Zunächst muss ich aber fragen, ob die FDPFraktion ihren Überweisungsantrag aufrechterhält. Der wäre nämlich sinnlos. Wir hatten den Fall noch nicht, dass ein solcher Antrag überwiesen worden ist, weil der Ausschuss sich eigentlich nicht in der Lage sieht, darüber zu beraten, ob die Landesregierung berichten soll.

Nein, tun wir nicht.

Dann stimmen wir über diesen Antrag als solchen ab. Wer stimmt zu? - Die Mehrheit wächst.

(Herr Gürth, CDU: Drucksache nennen!)

- Wir stimmen jetzt über den Antrag der SPD-Fraktion ab, überschrieben mit „Konzeption eines touristischen Leitsystems“, vorliegend in der Drs. 4/109. Es wird darin die Landesregierung aufgefordert, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu berichten. Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer ist dafür?

(Herr Dr. Daehre, CDU: Moment!)

- Es gibt noch eine Zwischenfrage. Ja, bitte, Herr Daehre.

Ich möchte den Antrag stellen, dass es auch in den Ausschuss für Verkehr überwiesen wird.

Das ist ohne Zweifel berechtigt.

Also stimmen wir erst darüber ab, ob das Thema in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen werden soll. Wer stimmt zu? - Das ist die Mehrheit. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Wer stimmt dem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Verkehr zu? - Das ist ebenfalls die Mehrheit und so beschlossen.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die Drs. 4/230, überschrieben mit „Touristisches Leitsystem“, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Das ist die Mehrheit. Wer stimmt dagegen? - Keine Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? - Vier Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Antrag so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Ihnen in der Drs. 4/231 neu vorliegend. Wer stimmt zu? - Das ist die Mehrheit. Stimmt jemand dagegen? - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Damit es so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.

(Herr Bullerjahn, SPD, meldet sich zu Wort)

- Jetzt gibt es noch eine Wortmeldung. Bitte, Herr Bullerjahn.

Herr Präsident! Es gab jetzt eine Irritation über die Abstimmung zum ersten Antrag. Sie hatten gefragt, ob es bei dem Antrag auf Überweisung bleiben soll. Das ist verneint worden. Dem folgte die Direktabstimmung. Herr Daehre hat wahrscheinlich auch ein bisschen zur Irritation beigetragen, weil er die Überweisung auch in den Verkehrsausschuss haben wollte. Ich glaube, wir wollten alle gemeinsam über den Antrag direkt abstimmen. Wenn Sie sagen, das sei auch so gewesen, dann haben wir es alle so verstanden.

Ich habe über den Antrag direkt abstimmen lassen, weil die Ausschussüberweisung keinen Sinn ergibt. Es wäre dann so aufzufassen, dass der andere Ausschuss daran teilnimmt, vielleicht in Form einer gemeinsamen Sitzung oder etwas Ähnlichem.

Das müsste allerdings in dem Text mit enthalten sein. Wenn es Ihnen recht ist, rufe ich diesen Punkt noch einmal auf. Wir schreiben dann in den Antrag: „Die Landesregierung wird aufgefordert, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie im Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr bis... zu berichten.“

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ja!)

Darüber stimmen wir sicherheitshalber noch einmal ab. Wer ist dafür, dass das so geschieht? - Das ist die Mehrheit. Damit ist es so beschlossen und die Sache erledigt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 10:

Beratung

Abwicklung der Bodenreform beenden

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/131

Ich bitte zunächst Herrn Krause, den Antrag einzubringen.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Obwohl die Abwicklung der Bodenreform von uns und von mir persönlich in diesem Landtag schier unzählige Male zur Sprache gebracht wurde, möchte ich für die Damen und Herren, die erst seit der vierten Legislaturperiode Politik in diesem Haus machen, den Gesamtzusammenhang ganz kurz erläutern.

Die Ergebnisse der Bodenreform von 1945/46 wurden mit einmütig gefassten Beschlüssen der demokratisch gewählten Volkskammer der DDR noch im Jahr 1990 für unantastbar erklärt. Hinzu kommt, dass noch unter der Modrow-Regierung am 16. März 1990 ein Gesetz erlassen wurde, das alle Rechtsvorschriften aufhob, die bis dahin die Rechte der Eigentümer von Bodenreformlandgrundstücken einschränkten.

Dies alles fand seine ausdrückliche Anerkennung im Einigungsvertrag und ist, flankiert durch zustimmende Erklärungen aller Parteien, zum 3. Oktober 1990 zum fortgeltenden Recht dieser Bundesrepublik geworden.

Damit war also gesichert, dass es keine Rückführung an die Alteigentümer einerseits geben würde. Außerdem gab auch insbesondere das Modrow-Gesetz den vielen Eigentümern von Bodenreformland bzw. deren Erben die erforderliche Rechtssicherheit, deren es mit dem Eintritt in die westliche Freiheit zum Schutz ihres Eigentums bedufte.

So war es gedacht, so sollte es zumindest sein. Zwei Jahre, bis zum Sommer 1992 ist das auch störungsfrei so gelaufen. Grundbucheintragungen, Verkäufe usw. wurden getätigt. Niemand kann sagen, dass die Betroffenen wider besseres Wissen gehandelt hätten. Nein, es ist unwiderlegbar, dass sich diese Menschen zweieinhalb Jahre lang im Schutz des geltenden Rechts befanden.

Dann ist jemand zwei Jahre später auf die pfiffige und zugleich niederträchtige Idee der so genannten Bodenreformabwicklung gekommen, die - wie es die renommierte Rechtsanwältin aus Nürnberg-Fürth, Frau Dr. Beate Grün jüngst ausdrückte - mit ungetümen Vorschriften in das EGBGB eingestellt wurde, also dort, - so eine Juristin - wohin sich ohnehin kein normaler Jurist verirrt.

Die Niedertracht, die Heimtücke dieses Vorgehens besteht in vielerlei Hinsicht. Das Rückwirkungsverbot, das dem Rechtsstaatsgebot innewohnt, wird einfach negiert, verletzt. Augenscheinlich kollidiert hier Artikel 8 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahr 1992 mit Artikel 20 des Grundgesetzes. Wenn es einen Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung von Gesetzen tatsächlich geben sollte: Die Rechtsvorschriften im Rahmen der Abwicklung der Bodenreform verstoßen allemal dagegen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auf einen ebenso bemerkenswerten wie unbegreiflichen Tatbestand aufmerksam machen: Das Dubiose an der Abwicklung der Bodenreform besteht außerdem darin, dass sie auf einer DDR-Verordnung fußt, die seinerzeit ganz offensichtlich der Durchsetzung einer sozialistischen Eigentumspolitik diente. Es handelt sich hierbei um die Besitzwechselverordnung der DDR aus den 70er-Jahren.

Mit dieser Verordnung wurden den Besitzern von Bodenreformland bezüglich des Umgangs mit ihrem Boden unter bestimmten Bedingungen Verfügungsbeschränkungen auferlegt, die es nach der ursprünglichen Verordnung zur Durchführung der Bodenreform nie gab. So ist erst nach der Gründung der DDR und mit dem weiteren Aufbau des Sozialismus durch die bereits genannte Besitzwechselverordnung beispielsweise festgelegt worden, dass der betroffene Erbe oder die betroffene Erbin eine Tätigkeit im Bereich der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft nachweisen musste.

Während fast alles, was auch nur nach DDR und Sozialismus roch, abgewickelt wurde, wurde ausgerechnet diese Verordnung, die der damaligen Partei- und Staatsführung zur weiteren Vervollkommnung des Sozialismus auf eigentumsrechtlichem Gebiet dienen sollte, im Juni 1992 genutzt, um die Eigentümer von Bodenreformland zu enteignen.

Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, Herr Oleikiewitz, als Sie in einer Debatte im Jahr 1997 meinten, dass die Rechtsvorschriften zur Abwicklung der Bodenreform - Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -

Es bedarf dieser Erlaubnis nicht.

„genau das festlegen, was die DDR gewollt hat, nämlich kein privates Eigentum an Grund und Boden zuzulassen.“ - Ich finde, mehr Zynismus kann man den Betroffenen in dieser Angelegenheit kaum noch zumuten.

Kurzum, das Modrow-Gesetz wurde mit den Rechtsvorschriften zur Abwicklung einfach ignoriert oder unkenntlich gemacht. So sei mit dem Modrow-Gesetz nur „versehentlich“ - so in einem Urteil des höchsten Gerichtes dieser Bundesrepublik Deutschland - das Bodenreformland wieder als vollwertiges Eigentum hergestellt worden, das schleunigst wieder eingesammelt werden muss.

Tausende Eigentümer von Bodenreformland wurden aufgefordert, ihre Bodenreformgrundstücke dem Land Sachsen-Anhalt gezwungenermaßen freiwillig zu überlassen. Bis Anfang des Jahres ist dem in über 18 000 Fällen so entsprochen worden. Das betraf über 26 000 ha Land. Allein in 454 Fällen ist ein Ausgleich von insgesamt 11 142 800 DM an das Land gezahlt worden - in 454 Fällen, und 18 000 Fälle hatten wir im Land. Ein großer Teil der Betroffenen hatte sich genötigt gesehen, freiwillig auf sein Land zu verzichten; ein anderer Teil ist über den Rechtsweg enteignet worden.

Wir gehen davon aus, dass mit der Abwicklung der Bodenreform schwere Rechtsfehler begangen wurden und noch werden sowie gegen den Einigungsvertrag und das Grundgesetz verstoßen wird. Durch diesen Missbrauch des Rechts dürften die Betroffenen nach unserer Hochrechnung alles in allem um über 300 Millionen DM Grundvermögen erleichtert worden sein. Hinzu kommen noch etwa 7,9 Millionen DM aus den Verfahren, die gegenwärtig noch in Bearbeitung sind.

Das ist das Kapital, das den enteigneten Bürgerinnen und Bürgern Sachsen-Anhalts entzogen worden ist, Kapital, das dringend für die Umsetzung so manches Betriebskonzeptes, für die Sanierung des Hauses oder einfach nur zur Steigerung der Kaufkraft benötigt worden wäre. Hinzu kommt die menschliche Tragödie: Viele der so Betroffenen sehen sich nach 50 Jahren erneut als die einstigen Umsiedler, Flüchtlinge oder Landarbeiter, die um ihr Eigentum, um die Früchte ihrer Arbeit geprellt werden.

Die von der Abwicklung der Bodenreform Betroffenen wollen die Sache nicht auf sich ruhen lassen. Sie haben sich gewehrt und unsere Unterstützung dabei erfahren. Inzwischen wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Und es ist schon bemerkenswert, dass eine erste Individualbeschwerde angenommen und als zulässig erklärt wurde. Die Bundesrepublik Deutschland wurde aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Diese soll auch bereits vorliegen, ist uns aber noch nicht bekannt.

Vor dem Hintergrund dieses Verfahrens möchte ich die Landesregierung aufrufen, alle gegenwärtig noch laufenden Verfahren zur Abwicklung der Bodenreform zu beenden. Vor allem liegt uns am Herzen, dass endlich dort ein Schlussstrich gezogen wird, wo sich seinerzeit die SPD-geführte Landesregierung auf der Grundlage eines Verzichts auf Einrede der Verjährung die Möglichkeit erschlichen hat, trotz Verjährung - das war im Oktober 2000 - die Abwicklung fortführen zu können - in sage

und schreibe 1 900 Fällen im Land Sachsen-Anhalt. Mit großer Enttäuschung musste ich zur Kenntnis nehmen, dass selbst eine von uns tolerierte SPD-Regierung nicht die geringste Sensibilität in dieser Frage aufbrachte.

Frau Ministerin Wernicke - ich habe Sie auch schon in der Pause angesprochen -, Herr Ministerpräsident Böhmer, Sie haben jetzt die Chance zu beweisen, dass wir in Sachsen-Anhalt nicht darauf angewiesen sind, dass dieser Rechtsstaat von außen zurechtgerückt wird, sondern dass wir selbst in der Lage sind, den gesetzlichen Fehler der bundesdeutschen Abwicklung der Bodenreform zu korrigieren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die Zustimmung zu diesem Antrag.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Dr. Püchel, SPD: Eine Frage!)

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