Die Ausschussmehrheit hat sich deshalb der Meinung bemächtigt, dass ein Rat für Zukunftsfähigkeit nur eine Parallelstruktur wäre, und empfiehlt er dem Landtag, den Antrag abzulehnen.
Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Es ist zwar vereinbart worden, dass hierüber keine Debatte geführt werden soll; dennoch liegen Wortmeldungen vor. Ich rufe sie in der Reihenfolge auf, in der sie eingegangen sind. Je Fraktion stehen fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Zunächst hat für die SPD-Fraktion Herr Oleikiewitz das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang dieses Jahrtausends häufen sich in Deutschland und Europa schwerwiegende Entwicklungsprobleme in allen Teilen der Gesellschaft, begleitet von immer größeren Umweltkatastrophen.
Die Reaktionen darauf lassen die Vermutung zu, dass Politiker, Wirtschaft und Gesellschaft auf ein Wunder zu warten scheinen. Aktionismus bestimmt auf weiten Strecken das Handeln. Nicht Prävention, sondern Reparatur ist an der Tagesordnung, wie wir an dem Hochwasser gesehen haben.
Langfristige Strategien in Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik fehlen ebenso, wie kurzfristige, in der Regel an Wahlperioden auf wenige Jahre ausgerichtete Partei- und Partikularinteressen das Handeln bestimmen. Davon kann man auf diesem Globus keinen Staat ausnehmen.
Fehlentwicklungen sowie politische und wirtschaftliche Vergehen werden verharmlost und, wenn überhaupt, im Gegensatz etwa zu Parksünden oder Straßenverkehrsverstößen nur halbherzig verfolgt. Für Teile der Spitze der Gesellschaft scheint unser System ein nicht zu versiegender Bereicherungsquell zu sein. Schamlos bedienen sich so genannte Spitzenmanager von abgewirtschafteten Unternehmen durch Abfindungen und Entschädigungen in Millionenhöhe.
Im Gegensatz dazu fehlen Mittel für die wichtigsten Pflichtaufgaben von Ländern und Kommunen. Die Seriosität, die Glaubwürdigkeit und das Verantwortungsbewusstsein bleiben immer mehr auf der Strecke, genauso wie die schwächsten Teile der Gesellschaft.
Notwendige Entscheidungen werden in die Zukunft verlagert, auf die Generationen, die nicht nur mit globalen Umweltkatastrophen fertig werden müssen, sondern auch kaum noch finanzielle Spielräume zur Unterhaltung der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben haben werden.
Um es auf den Punkt zu bringen, meine Damen und Herren: Das, was wir, das, was die menschliche Gesellschaft heute tut, ist nicht zukunftsfähig. Sicher halten wir regelmäßig globale Konferenzen ab. Das ist auch gut so, es bringt auch positive Effekte und das soll auch weiterhin so sein. Aber dem Gebot der Nachhaltigkeit wird täglich zuwidergehandelt. Im Land, im Bund, weltweit laden wir unseren nachfolgenden Generationen eine Last auf, die nur schwer geschultert werden kann. Die Stellschrauben für die Schubumkehr werden weniger werden, wenn wir mit der notwendigen Auseinandersetzung immer länger warten.
„Global denken, lokal handeln“, war das Motto der Agenda 21, des Handlungskatalogs der Umweltkonferenz von Rio. Lokal handeln inzwischen viele Länder und Kommunen sowie der Bund. Auch der letzte Landtag versuchte mit der Einsetzung der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ seinen Anteil an diesem Prozess zu leisten. Die Probleme sind allerdings noch lange nicht gelöst.
Wer heute denkt, wir können sowieso nichts tun und Debattierklubs gibt es ohnehin genug, denkt nicht nur zu kurz, sondern macht sich auch mitschuldig daran, dass negative zukunftsrelevante Entwicklungen nicht erkannt
und nachhaltige Entscheidungen nicht in der notwendigen Konsequenz diskutiert und umgesetzt werden. Ohne das komprimierte Wissen der besten Köpfe unseres Landes aus Wissenschaft, Wirtschaft, Religion und Politik, ohne einen gesamtgesellschaftlichen Konsens und ohne die erforderliche öffentliche Auseinandersetzung sind die Zukunftsprobleme nicht zu lösen.
Am Beispiel der Hochwasserdebatte von heute Vormittag erschließt sich die ganze Absurdität der Ablehnung der von der SPD-Fraktion geforderten Berufung eines Rates für Zukunftsfähigkeit. Denn man trennt - scheinbar - dieses Einzelereignis Hochwasser vom Gesamtproblem. Umweltprobleme sind aber nun ein Teil dessen, womit sich der Rat beschäftigen müsste. Wirtschaftliche Entwicklung, Bildung, Arbeitsmarkt und Landesfinanzen gehören genauso dazu.
Um noch einmal auf das Thema von heute Vormittag zurückzukommen: Die Einsetzung eines Hochwasserausschusses ist dem Einzelereignis geschuldet und folgerichtig. Die Berufung eines Rates für Zukunftsfähigkeit wäre dem Gesamtproblem der Entwicklung von Gesellschaft und Natur geschuldet und genauso folgerichtig.
Ich bitte Sie daher, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken und die Beschlussempfehlung an die zuständigen Ausschüsse zurückzuüberweisen. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Oleikiewitz. - Für die FDP-Fraktion wollte eigentlich Herr Dr. Schrader sprechen; er verzichtet aber. Somit spricht jetzt für die PDS-Fraktion Herr Dr. Köck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Hüskens, Ihre Bemerkungen waren richtig Balsam auf die Wunden, die ich am Montag auf der Auftaktveranstaltung über die Aktivitäten der Nachhaltigkeitsdebatte nach dem Gipfel von Johannesburg erlitten habe. Allerdings müssen wir in verschiedenen Veranstaltungen gewesen sein. In wenigen Sätzen wurde dort die Arbeit der Enquetekommission von acht Jahren abqualifiziert als eine Sache, die man nicht brauche, und die Agenda 21 als praxis- und wesensfern dargestellt - also alles in den Orkus und wir fangen neu an.
Es wurde beklagt, dass die Umweltaspekte bei den Beratungen der Enquetekommission überwogen haben, was aber nicht stimmt. Die letzte Enquetekommission hat sich zunächst anderen Schwerpunktthemen gewidmet und erst zum Schluss die Umweltaspekte beraten.
Und was machen Sie? - Die Verantwortung für diese Veranstaltung lag - bei wem wohl? - beim Umweltministerium. Sie haben also selbst keine anderen Ideen, als wieder in das gleiche Schema zu verfallen. Wir haben in der Enquetekommission diskutiert, wenn schon müsste das Ganze bei der Staatskanzlei angesiedelt sein, damit übergreifend alle Ministerien beteiligt werden.
Die Enquetekommission war wirklich schon weiter. Wir haben jetzt einen Rückschritt in dieser Debatte. Sechs Workshops bis zum Jahresende - was sollen die bewegen? Die Enquetekommission hat, glaube ich, etwa
20 Workshops durchgeführt, die auf jeden Fall der Qualität der Vorträge entsprachen, die am Montag zu hören waren.
Es geht darum, den Prozess zu verstetigen. Darin gebe ich Herrn Oleikiewitz völlig Recht. Ich denke, vor allen Dingen auch wir als Parlamentarier haben wissenschaftliche Politikberatung dringend nötig.
Deshalb sind wir offen und sagen, dieser Rat für Zukunftsfähigkeit ist eine Möglichkeit. Lassen Sie uns doch darüber beraten, was wir uns für eine Politikberatung zulegen wollen. Es gibt in der Bundesrepublik Modelle, die von Akademien für Nachhaltigkeit in den Ländern, die mehr Geld haben und einen Prozess über Jahre anregen, bis hin zu einem Rat für Nachhaltigkeit und ähnlichen Gremien.
Deshalb möchten wir uns dem Vorschlag anschließen, die Beschlussempfehlung an die Ausschüsse zurückzuüberweisen, damit wir uns die Zeit lassen können, um vielleicht am Ende Ihrer sechs Workshops diese Frage noch einmal zu diskutieren. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Blick in die Vergangenheit erschließt die Zukunft, heißt es in einem Sprichwort. Diese Intention wurde mir gegenwärtig, als ich mir vor der Sommerpause den Antrag der SPD-Fraktion zu Gemüte führte.
Sowohl in der zweiten als auch in der dritten Wahlperiode - das wurde schon mehrmals erwähnt - war eine Enquetekommission tätig, deren Ergebnisse in den Archiven des Hohen Hauses trefflich ruhen. Spätere Generationen werden vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen, mit welch hohem intellektuellen Anspruch dereinst zur Tat geschritten wurde und mit welch kärglichen Ergebnissen man geendet hat.
Die CDU-Fraktion - damit stelle ich mich bewusst in die Kontinuität meiner Kollegen, weil ich als Referent an der Kommission teilgenommen habe - hat immer vor der Vermessenheit dieses Anliegens gewarnt. Die Zauberformel für eine gedeihliche Entwicklung der Menschheit unter Einbeziehung aller nur denkbaren Bedingungsfaktoren ausgerechnet in unserer Mitte zu formulieren, war eine Fata Morgana.
Die Kommission war nicht einmal in der Lage, die Ergebnisse der Anhörungen selbst in eine Berichtsform zu gießen. Selbst das wurde kostenpflichtig externalisiert.
Doch namentlich die Sozialdemokraten, noch Anfang dieses Jahres durch die Insignien der Macht geblendet, waren da anderer Auffassung. Immerhin holten Sie sich prominente und profunde Experten als exklusive Berater in die Runde, Professor Kausch zum Beispiel. Der wollte erst Landesvorsitzender bei Ihnen werden, dann in Merseburg Landtagskandidat und dann war er irgendein Spitzenkandidat - ich kann mich aber nicht mehr ganz erinnern, von was.
Und dann war da noch die Geschichte mit dem ehemaligen Kollegen Siegert. Der hatte doch tatsächlich in einem Minderheitsvotum formulieren wollen, dass das Abitur nach zwölf Schuljahren wieder eingeführt werden solle. Die Provinzposse, die Sie sich mit seiner Abberufung kurz vor dem Ende der Kommission geleistet haben, will ich hier gar nicht weiter erwähnen.
Herr Kollege Püchel, dass auch Sie jetzt Ihre Meinung geändert haben und zu zwölf Jahren bis zum Abitur zurückgekehrt sind, finde ich vor diesem Hintergrund ein bisschen unheimlich.
Doch sei es, wie es sei, meine Damen und Herren. Reden wir nicht mehr von Vergangenem, sondern über die Zukunft.
Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist gefährdet. Um mit dieser bitteren Erkenntnis vertraut zu werden, hätte es einer Enquetekommission nicht bedurft. Die Wahlen am 21. April 2002 haben gezeigt, dass dies von der Mehrheit der Menschen in unserem Land so gesehen wurde.
Wir, die neue Mehrheit in diesem Hause, sind gewillt, diese Entwicklung zu stoppen. Zukunftsfähigkeit, meine Damen und Herren, lässt sich nur durch ein Umsteuern in den zentralen Politikbereichen - Wirtschaft, Arbeit, Bildung und nicht zuletzt die Finanzpolitik - erreichen. Dabei hatten und haben wir gerade in diesen Bereichen die ersten Pflöcke eingeschlagen: Investitionserleichterungsgesetz, Schulreform und Nachtragsetat sind hinlänglich bekannt.
Dazu bedarf es keiner außerparlamentarischen Gremien mehr. Die Mitglieder, die Herr Oleikiewitz in seinem Antrag genannt hat, sind ohnehin von Anfang an bei allen Anhörungen zu Gesetzesvorhaben in diesem Hause beteiligt.
Und, Herr Oleikiewitz, wir haben sogar einen Experten aus der Kommission ins Kabinett geholt: Professor Paqué ist jetzt Finanzminister. Nehmen Sie das doch als Wertschätzung der Arbeit der Kommission.
Nein, meine Damen und Herren, der Präsident hat beim Festakt „10 Jahre Landesverfassung“ darauf rekurriert, dass einer Verwischung der Verantwortlichkeiten, einer Aushöhlung parlamentarischer Befugnisse nicht schleichend das Wort geredet werden dürfe.
Wir als Parlamentarier - das ist zumindest mein Verständnis - sind legimitiert und vom Volk beauftragt, im lösungsorientierten Diskurs die Entwicklung unseres Gemeinwesens zu befördern. Das ständige Rangieren von Kompetenz und Entscheidungsprozessen ist dabei letztlich ein Beitrag zur Entfremdung von Politik und Bürgern in der repräsentativen Demokratie. Dem will die CDUFraktion keinen Vorschub leisten. Daher können wir die Einrichtung eines solchen Rates nicht befürworten. - Vielen Dank.
Zunächst ist beantragt worden, die Beschlussempfehlung in den Ältestenrat zurückzuüberweisen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Das ist die Mehrheit. Damit ist die Rücküberweisung des Antrages abgelehnt worden.