Protocol of the Session on September 8, 2005

Sachsen-Anhalt war im Jahr 1998 das erste der fünf neuen Länder, das sich Gesundheitsziele stellte. Hierbei konnte uns die Landesregierung gern erfolgreich beerben; das hat sie auch getan.

Auf der zweiten Landesgesundheitskonferenz sind diese Ziele neu justiert und mit Zielgruppen versehen worden, darunter Kinder und Jugendliche, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Seniorinnen und Senioren. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, auch nicht gegen den Setting-orientierten Ansatz, also Menschen dort anzusprechen, wo sie große Teile ihres Tages oder ihres Lebens verbringen.

Aber, meine Damen und Herren, Gesundheitsziele bzw. deren Umsetzungsstrategien kommen nicht ohne sozialpolitische Differenzierungen aus, wenn sie erfolgreich sein wollen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Es gibt nicht das durchschnittliche Kind. Das ist lediglich für eine Statistikerin oder einen Statistiker eine erhebliche Größe. Es gibt auch nicht den Durchschnittsarbeitgeber, die Durchschnittsarbeitgeberin oder den durchschnittlichen älteren Menschen.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt! Da hat sie Recht!)

Sozialpolitische Kategorien müssen mit bedacht werden, sonst geht es daneben. Es geht beispielsweise um die Frage des Einkommens in der Familie, um kulturelle und ethnische Fragen, um Fragen des Bildungsniveaus, Fragen des Lebensstils usw. usf. Um einem gern gepflegten Missverständnis vorzubeugen: Es geht uns nicht um Sonderprogramme für Sozialschwache oder meinethalben so genannte Sozialschwache.

(Herr Gürth, CDU: Warum nicht?)

Es geht darum zu berücksichtigen und in die Planungen einzubeziehen, dass Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen zu Hause sind und dass diese jeweils unterschiedlichen Lebenslagen auch einen erheblichen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben.

Das ist ein Thema für alle Gesundheitsziele, die wir in Sachsen-Anhalt haben, sowohl bei der Zahngesundheit als auch bei der Frage des Rauchens, der alkohol

bedingten Gesundheitsschäden und des Impfstatus. Da hilft auch nicht die von Frau Pieper geforderte Wiedereinführung der Impfpflicht. Das ist ein Thema bei der Frage des gesunden Bewegungsverhaltens und letztlich auch bei der Frage der gesunden Ernährung.

Genau darauf, meine Damen und Herren, zielt unser Antrag. Ich bin mir sicher, dass der Herr Minister jetzt Erfolgsmeldungen noch und nöcher abgeben wird. Das muss er ja auch. Das hat er heute auch schon oft genug geübt.

(Minister Herr Kley: Wenn wir nun einmal so er- folgreich sind!)

- Aber abgesehen davon und abgesehen von Ihrer Nummer mit der Zahnbürste, Herr Minister, die weder für Kompetenz noch für Sensibilität spricht - -

(Herr Gürth, CDU: Die Nummer mit der Zahn- bürste? Was hat der Minister mit der Zahnbürste gemacht? Jetzt bin ich gespannt!)

- Das dürfte auch Ihnen, Herr Gürth, bekannt sein.

Auch auf der Internetseite des Sozialministeriums findet man bis auf eine einzige, winzige Ausnahme keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Art des Herangehens bis in die Strategien vorgedrungen ist. Die strategische Seite ist nun einmal die Aufgabe des Ministeriums. Auch die Schulanfängerstudie bleibt - zumindest nach dem, was ich wahrgenommen habe - in dieser Hinsicht eine Leerstelle.

In diesem Sinne halten wir es nicht nur für redlich, sondern auch für verdammt notwendig, darüber zu reden. Ich werbe deshalb für Ihre Bereitschaft, diese Scharte im Ausschuss wieder auszuwetzen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Herr Gürth, CDU: Welche Scharte?)

Vielen Dank, Frau Bull. - Bevor ich jetzt Herrn Minister Kley das Wort erteile, haben wir die Freude, Damen und Herren aus Magdeburg-Süd auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister Kley, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ist sehr bedeutsam für die Zukunft unseres Landes. Um sie zu verbessern, sind Aktivitäten jedes Einzelnen sowie gesamtgesellschaftliche Anstrengungen nötig. Durch einen altersgerechten Impfstatus, eine bessere Zahngesundheit, einen geringeren Konsum von legalen Suchtmitteln sowie eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung soll Sachsen-Anhalts Bevölkerung gesünder werden.

Mit der Formulierung dieser fünf Gesundheitsziele haben wir vor zwei Jahren den Gesundheitszieleprozess im Land neu justiert und intensiviert. Dabei wurde verstärkt Wert auf Prävention und Gesundheitsförderung gelegt.

Insbesondere - das ist eben gesagt worden - der so genannte Setting-Ansatz hat sich bewährt. Bei diesem sollen die Bewohner eines Landes vom Jüngsten bis zum Ältesten dort erreicht werden, wo sie einen Großteil ihres Lebens verbringen, nämlich im Kindergarten, in der

Schule, am Arbeitsplatz, in der Kommune oder auch im Seniorenheim. Das Engagement in diesen so genannten Lebenswelten führt zur Einbeziehung aller sozialen Schichten. Ausgrenzung oder Stigmatisierung werden so vermieden.

Diese positive Entwicklung wird vor allem durch die ersten Ergebnisse der im vergangenen Jahr berufenen 17 Modellprojekte zu den Gesundheitszielen belegt. Auf der dritten Landesgesundheitskonferenz im Mai dieses Jahres konnte ich weitere zehn Projekte berufen.

Mit diesen Modellen wollen Träger unterschiedlichster Couleur zu mehr Gesundheit und gesundheitsförderndem Verhalten bei bestimmten Zielgruppen beitragen. Das Vorhaben, mit der Neujustierung nicht die Bekämpfung von Krankheit, sondern die Entwicklung eines gesundheitsgerechten Verhaltens und die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebensräume in den Mittelpunkt der gemeinsamen Bemühungen zu stellen, wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der dritten Landesgesundheitskonferenz nachdrücklich unterstützt. Etwa 500 Institutionen unseres Landes wirken bereits an den Gesundheitszielen mit.

Neue Anregungen für die erfolgreiche Fortführung des Gesundheitszieleprozesses gab auch der fünfte Gesundheitsbericht unseres Landes, welcher auf dieser Gesundheitskonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Dieser Bericht zur Auswertung der neu justierten Gesundheitsziele ist durch einen breiten Ansatz gekennzeichnet. Er zielt darauf ab, Indikatoren des klassischen Sozialreports mit jenen der Gesundheitsberichterstattung zu verbinden. Dies erlaubt es, die Verflochtenheit von Gesundheit und Krankheit mit der Lebenswelt wie der sozialen und der individuellen Lage der Menschen umfassend zu rekonstruieren sowie Einflussgrößen zu benennen.

Während der vierte Gesundheitsbericht verfügbare statistische Informationen gebündelt und interpretiert hatte, stehen nunmehr die mit Instrumenten der soziologischen Forschung objektivierten subjektiven Einschätzungen und Stellungnahmen der Bevölkerung im Vordergrund der Betrachtung. Sie wurden im Rahmen einer repräsentativen Befragung im Frühsommer 2003 eingeholt.

Insgesamt ist es die Absicht eines Bevölkerungssurveys, ein möglichst detailreiches Bild von der gesundheitlichen Lage der Menschen zu zeichnen und dieses in die sozialen und individuellen Rahmenbedingungen einzubetten. Die Untersuchung zielte nicht auf medizinische Diagnosen oder Prozeduren; Gegenstand war die subjektive Erfahrung von Wohlbefinden, Beschwerden und Krankheiten.

Zweifelsohne sind die Auskünfte der Befragten individuell getönt. Sie enthalten Deutungen auch in Abhängigkeit von persönlichen Maßstäben und biografischen Hintergründen; dennoch sind sie keineswegs rein individualistisch. Sie sind auch immer Widerschein der sozialen Lage, der Altersgruppen, der Lebensstile und Handlungspraktiken. Der Report offeriert auch Anhaltspunkte über das Verhältnis der Bevölkerung zu solchen Belangen, die mit den Gesundheitszielen in Berührung stehen.

Die Angaben und Einschätzungen der Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Erhebung beteiligt haben, werden von uns ernst genommen und in die wissenschaftliche wie die gesellschaftspolitische Diskussion über Wohlbefinden und Gesundheit einbezogen.

Wie Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat die Landesregierung die sozialpolitischen Gesichtspunkte schon bei der Umsetzung der Gesundheitsziele berücksichtigt und wird dies auch weiterhin tun. Sie ist aber gern bereit, ihre Aktivitäten im Ausschuss für Gesundheit und Soziales noch einmal intensiver darzustellen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Kley. - Nun hat Frau Liebrecht für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Antragstellerin hat in ihrer Einbringungsrede detailliert dargestellt, welchen Zweck und welches Ziel sie mit dem Antrag verfolgt. Der Antrag sowie die Begründung sind nachvollziehbar. Allerdings kann ich sie nicht in allen Fassetten teilen.

Gerade die Zahngesundheit hat sich so deutlich verbessert, dass das sogar positiv herausgestellt wird. Man kann aber nur Anregungen geben und informieren, um die Mitstreiter zu aktivieren. Selbst die Zahnärztekammer hat darauf hingewiesen, dass es eine besondere Problematik ist, Eltern mit schlechter Zahngesundheit zu motivieren, diesbezüglich Positives an ihre Kinder weiterzugeben. Das muss man also schon etwas anders sehen.

Ich denke, der Minister hat deutlich gemacht, dass die Landesregierung die in dem Antrag aufgeführten Vorschläge bei der Umsetzung der Gesundheitsziele bereits jetzt berücksichtigt.

Wir wissen, dass die Entwicklung der Gesundheitsziele auf der Grundlage der Gesundheitsberichterstattung erfolgt. Der fünfte Landesgesundheitsbericht, dem Daten und Ergebnisse aus einer landesbezogenen Repräsentativumfrage zugrunde liegen, weist klar aus, dass sozialpolitische Gesichtspunkte mit der Gesundheitsberichterstattung in engem Zusammenhang stehen. Der Bericht ermöglicht ein detailliertes Bild von der gesundheitlichen Lage der Menschen, weil er in die soziale und individuelle Situation der Bevölkerung und die damit verbundenen Einflussgrößen eingebettet ist.

Infolgedessen war es richtig, beim Nachjustieren der Gesundheitsziele den Setting-Ansatz zu wählen, nämlich die Menschen dort abzuholen, wo sie leben, wohnen und arbeiten. Dieser gewählte Ansatz verdeutlicht nachvollziehbar die enge Verflechtung von Gesundheit und Krankheit mit der Lebenswelt einerseits und der individuellen sozialen Situation der Menschen andererseits.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich kann Ihnen nur empfehlen, diesen Bericht zu lesen. Es lohnt sich. Er ist eine echte Bereicherung. Ich denke, der wesentlichste Punkt dabei ist, dass wir die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen sowie die entsprechenden Handlungsempfehlungen umsetzen und diese gegebenenfalls auch den veränderten Erfordernissen anpassen.

Im Rahmen der dritten Landesgesundheitskonferenz im Mai dieses Jahres zur Auswertung der neu justierten Gesundheitsziele haben wir alle durch den Minister und durch die Beiträge der an der Umsetzung der Gesund

heitsziele mitwirkenden Institutionen und Einzelpersonen erfahren, dass dieser breite Ansatz bereits praktiziert wird.

Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Der Sachstandsbericht der Landesregierung im Ausschuss für Gesundheit und Soziales wird dies bestätigen.

Wenn ich ehrlich bin, Frau Bull, hätte es dieses Antrages gar nicht bedurft; denn die detaillierten Fragestellungen hätten wir ebenso gut im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss für Gesundheit und Soziales erörtern können.

Meine Damen und Herren! Der Minister hat erklärt, dass die Landesregierung im Ausschuss gern zu dem vorliegenden Antrag berichten wird. Die CDU wird diesem zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Liebrecht. - Nun spricht für die SPDFraktion Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Es besteht fraktionsübergreifend offensichtlich kein Zweifel an der Sinnhaftigkeit, Gesundheitsziele in Sachsen-Anhalt zu setzen, Strategien zu ihrem Erreichen zu entwickeln und an deren Umsetzung in einem breiten Konsens zu arbeiten.

Die jetzige Landesregierung hat die Gesundheitsziele aus den Jahren 1997 und 1998 neu ausgerichtet und hat zu den Zielen der Reduzierung des Suchtmittelmissbrauchs, der Verbesserung eines altersgerechten Impfschutzes und der Verbesserung der Zahngesundheit noch die Ziele gesunde Ernährung und Bewegung hinzugefügt.