Protocol of the Session on September 8, 2005

Meine Damen und Herren! Nach 15 Jahren passen wir die Regelungen über die Studentenwerke den aktuellen Entwicklungen an. Ich bin zuversichtlich, dass damit auch zukünftig die Menschen, die Studentinnen und Studenten Sachsen-Anhalts, im Mittelpunkt der Arbeit der Studentenwerke stehen werden. In diesem Sinne stimmen wir der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zu. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Seit die Studentenwerke in SachsenAnhalt im Jahr 1991 als Anstalten des öffentlichen Rechts gegründet wurden, haben sie sich eine gute Reputation erarbeitet. Sie sind positive Standortfaktoren hinsichtlich der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden in unserem Land.

Was sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung jetzt an Veränderungen vor? Die Rechtsform soll beibehalten werden - diesbezüglich gibt es keine Veränderung -, aber die Eigenverantwortung der Studentenwerke im Umgang mit eigenen Mitteln und mit Landeszuschüssen soll gestärkt werden. Die Arbeitgebereigenschaft soll präzisiert werden. Zuständigkeiten sollen an veränderte Verwaltungsstrukturen angepasst werden. Die tarifrechtlichen Bestimmungen werden auch neu beschrieben. Es werden überholte Passagen gestrichen und bestimmte Passagen neu strukturiert, sodass das ganze Gesetz eine klarere Struktur erhält. Diese Ansätze unterstützen wir.

Ich will auf drei wichtige Einzelpunkte eingehen. Zum einen soll der Landeszuschuss zum laufenden Bedarf künftig als Globalzuschuss auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung ausgereicht werden. Ich denke, das ist eine gute Lösung. In der Begründung ist hinsichtlich der Laufzeit von drei bis fünf Jahren die Rede. Im Gesetzestext findet sich dazu keine präzise Angabe. Einer der Punkte, über die wir im Ausschuss noch einmal im Detail reden sollten, sollte sein, ob die Laufzeit für die Leistungsvereinbarung ihren konkreten Niederschlag im Gesetzestext finden soll.

Die Veränderung von einer dreistufigen Gremienstruktur zu einer zweistufigen unterstützen wir nachdrücklich.

Meine Damen und Herren von der Koalition, vielleicht könnte diese Strukturvereinfachung auch beispielgebend für die Verwaltungsreform im Land Sachsen-Anhalt sein.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

Ein dritter Punkt bezieht sich auf § 12, die sprachliche Gleichstellung. Ich denke, dieser Paragraf kann wegfallen. Meine Damen und Herren! Wir haben bei den verschiedenen Beratungen im Bildungsausschuss bei großen Gesetzesvorlagen nur wenig Mühe aufwenden müs

sen, um die männlichen und weiblichen Sprachformen im Gesetz unterzubringen. Ich denke, es wird uns mit ganz, ganz kleiner Mühe gelingen, in den §§ 5, 6, 7, 8 und 11 den männlichen Personen- und Funktionsbeschreibungen die weiblichen hinzuzufügen. Dann wird das Gesetz richtig rund.

Die Landesregierung, Herr Professor Olbertz, hat die wesentlichen Änderungsvorschläge der Studentenwerke und der Studierendenschaften übernommen, sodass ich davon ausgehe, dass die Gesetzesberatung im Fachausschuss sehr zügig abgearbeitet werden kann.

Wir beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen und hoffen, dass wir gut und erfolgreich zu einem Abschluss kommen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Viele Dank, Frau Dr. Kuppe. - Zum Abschluss der Beratung spricht für die CDU-Fraktion Herr Tullner. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich widerstehe jetzt der Versuchung, alles das, was bereits gesagt wurde, nur nicht von mir, zu wiederholen. Deswegen konstatiere ich, dass wir einen beachtenswert großen Konsens in der Sache haben. Dass wir dieses Gesetz modernisieren, begrüßt die CDU-Fraktion außerordentlich. Wir freuen uns auf die intensiven Beratungen im Ausschuss.

Es hat zwar etwas länger gedauert, bis der Gesetzentwurf in den Landtag gekommen ist, aber wir werden nun alles dafür tun, dass wir darüber ordnungsgemäß und zügig beraten, damit die Studentenwerke endlich die Spielräume bekommen, auf die sie bereits so lange warten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Vielen Dank, Herr Tullner.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wünscht jemand etwas anderes? - Das ist nicht der Fall.

Wenn niemand etwas anderes beantragt, dann stimmen wir über die Überweisung in beide Ausschüsse zusammen ab. Wer stimmt zu? - Das sind offensichtlich alle. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Weder das eine noch das andere ist der Fall. Damit ist diese Überweisung einstimmig erfolgt und der Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Sozialpolitische Gesichtspunkte in die Umsetzungsstrategien der Gesundheitsziele integrieren

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/2245

Die Einbringung des Antrages wird von einer Vertreterin der Fraktion der Linkspartei.PDS vorgenommen. Es spricht Frau Bull. Bitte schön.

Meine Damen und Herren! Die Sozialreformen in den vergangenen Jahren gingen in aller Regel mit Belastungen einher, die nicht zu knapp bemessen waren, vor allen Dingen für Kranke, für Menschen mit Behinderungen und für Familien mit ohnehin geringem Einkommen. Sie wurden von den Betroffenen wohl kaum als Wohltat empfunden.

Die Gesundheitsreform hat die Zuzahlungsregelungen verschärft und erfand die Praxisgebühr. Einst als Steuerungselement gedacht, um gegen Arzthopping und private Medikamentensammlungen vorzugehen, hat sie sich im Wesentlichen - das ist auch die Einschätzung vieler kassenärztlicher Vereinigungen - darauf reduziert, dass die Stufe des Zugangs zu Leistungen des Gesundheitssystems für diejenigen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, höher gelegt wurde.

Die Praxisgebühr führte nach Aussagen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der kassenärztlichen Vereinigungen Thüringen und Berlin zu einem Rückgang der Vorsorgeuntersuchungen - das sollte uns sehr bedenklich stimmen - und auch zu Defiziten bei der Versorgung von Familien in unteren Einkommensschichten. Vor allem für Langzeitarbeitslose, sprich Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II, ist damit der Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems deutlich verschlechtert worden.

Der Eckregelsatz beruht auf Berechnungen, die in das Jahr 1998 zurückgehen, auf die damalige Einkommens- und Verbraucherstatistik. Die nun eingetretenen Zuzahlungen sind damals überhaupt noch nicht abgebildet worden. Das ist korrigiert worden, indem man den Bereich Gesundheitsleistungen höher kalkuliert hat. Bei anderen Bereichen hat man den Anteil aber gekürzt. 1 % des Einkommens muss auch von diesen Betroffenen für Zuzahlungen aufgebracht werden.

Andere Gesundheitsleistungen wiederum werden bei der Befreiung von der Zuzahlung gar nicht berücksichtigt. Ich nenne nur als Beispiel die Frage des Zahnersatzes. Dafür müssen Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II bei der gleitenden Härtefallregelung bis zu dem dreifachen Satz ihres Regelsatzes selbst zahlen.

Zwei Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen: Welche Folgen haben diese prekären Lebenslagen für das Gesundheitsverhalten und - das ist das, was hier und heute konkret zur Debatte steht - welche Schlussfolgerungen müssen bei der Umsetzung unserer Gesundheitsziele in Sachsen-Anhalt Berücksichtigung finden? Oder anders formuliert: In welcher Weise sollten sozialpolitische Aspekte Eingang in die Umsetzung der Gesundheitsziele finden, sodass Gesundheit in allen Lebenslagen möglich bleibt?

Meine Damen und Herren! Dass es einen Zusammenhang zwischen prekären Einkommensverhältnissen oder Lebenslagen und Gesundheit gibt, gehört im Grunde genommen zu den Binsenweisheiten von Gesundheits-, Innen- und Sozialpolitikerinnen und -politikern - dachte ich.

Das Robert-Koch-Institut konstatiert in seiner Gesundheitsberichterstattung im Jahr 2001, Heft 3, Seite 9 - ich zitiere -:

„In Armut aufgewachsene Kinder und Jugendliche weisen eine signifikant höhere psychosoziale Morbidität auf: Ängstlichkeit, Hilflosigkeit und ein geringeres Selbstvertrauen. Die Wahrscheinlichkeit, gesundheitliche Belastungen aufgrund der Armut zu erfahren, ist immer erhöht. Damit wird deutlich, dass durchgängig ein Einfluss der Armutslage auf das gesundheitliche Befinden und die Lebensfreude von Kindern und Jugendlichen vorliegt.“

Ich sagte es: Ich dachte, dass das unter Sozial- und Gesundheitspolitikerinnen Konsens sei - bis zu der Sitzung des Gesundheitsausschusses vor der Sommerpause. Meine Frage nach der Berücksichtigung sozialer Lebenslagen bei der Umsetzung der Gesundheitsziele löste dort einigermaßen Eruptionen aus, die in dem Satz des Ministers gipfelten, eine Zahnbürste könne sich schließlich jeder leisten. - Ja, klar, als wenn das Vorhandensein einer Zahnbürste in einem Haushalt über das Gesundheitsverhalten im Bereich Zahn entscheidet.

(Herr Tullner, CDU: Aber auch! - Frau Liebrecht, CDU: Das ist sehr wesentlich! - Unruhe)

Meine Damen und Herren! Das ist Zynismus und es ist schlichtweg eine Unverschämtheit und es beschreibt seine Qualifikation als Gesundheits- und Sozialminister.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das mag ich Ihnen nicht schenken.

(Minister Herr Kley lacht)

Ich bleibe bei dem Beispiel Zahngesundheit; denn das ist eines der Gesundheitsziele, die wir in Sachsen-Anhalt definiert haben.

Das Ernährungsverhalten hat bekanntermaßen erheblichen Einfluss beispielsweise auf die Zahngesundheit. Genau das ist bei Kindern und Jugendlichen aus so genannten Armutsfamilien problematisch. Der Gesundheitsbericht 2001 zeigt deutlich, dass gerade Gewohnheiten wie das tägliche Zähneputzen in diesen Familien deutlich schwächer ausgeprägt sind. Cola, Süßgetränke oder Fastfood sind sehr viel häufiger auf dem dortigen Speiseplan als in anderen Familien. Vollkornbrot findet sich bei vielen Familien fast nie bzw. selten.

Meinethalben, wenn Sie den Bundesgesundheitsbericht für grün-rot ideologisiertes Teufelszeug halten, dann verweise ich auf die Studie von Klocke, die Mitte der 90erJahre in Nordrhein-Westfalen gemacht wurde und dieselben Ergebnisse aufweist.

Ein weiteres Kriterium ist der Sanierungsstand der Zähne. Der wird gemeinhin gemessen am so genannten DMFT-Wert. Auch dieser variiert eindeutig mit dem beruflichen Status der Eltern und damit mit der Schichtzugehörigkeit. Die Anzahl der kariösen Zähne, der wegen Karies entfernten oder gefüllten Zähne - das ist dieser DMFT-Wert - ist bei Kindern aus den unteren sozialen Schichten deutlich höher als bei Gleichaltrigen aus den anderen Familien.

Diese Schere ist im Übrigen in den alten Bundesländern interessanterweise größer als in den neuen Bundesländern. Dieses Ergebnisse sind Anfang der 90er-Jahre bei einer Studie in den alten und neuen Ländern herausgefunden worden.

Sieht man sich beispielsweise die Problematik des Rauchens an: Ende der 80er-Jahre - die Zahlen sind also schon relativ alt - ist eine Studie in Südbaden gemacht worden. Dabei ist herausgekommen, dass der Anteil der rauchenden Schülerinnen und Schüler in den Hauptschulen erheblich höher ist als in den Gymnasien.

Das gleiche Bild ergibt sich beim Impfstatus oder bei der Teilnahme an den U 1- bis U 9-Untersuchungen. Dieses Bild, meine Damen und Herren, ließe sich beliebig weiter ergänzen, wenngleich man auch sagen muss, dass die Anzahl sozioepidemiologischer Studien in Deutschland einen nicht gerade vom Hocker reißt.

Gesundheitsförderung ist also eine komplexe sozialpolitische und gesundheitspolitische Angelegenheit.

Sowohl durch die langjährige Geschichte der Gesundheitsförderung als auch durch die etwas kürzere Geschichte der Praxis der Gesundheitsziele zieht sich das Stichwort Chancengleichheit, also zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen, zwischen armen und reichen Ländern, aber ebenso auch zwischen den verschiedenen sozialen Schichten innerhalb eines Landes.

Sachsen-Anhalt war im Jahr 1998 das erste der fünf neuen Länder, das sich Gesundheitsziele stellte. Hierbei konnte uns die Landesregierung gern erfolgreich beerben; das hat sie auch getan.