Protocol of the Session on July 8, 2005

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass alle Schutzgebiete, alle Ökosysteme und Biotope einem ständigen - auch vom Menschen völlig unabhängigen - Wandel unterzogen sind. Schutzziele wie Brutgebiete von Vögeln oder Standorte von geschützten Pflanzenarten kommen und gehen. Sie werden bewusst durch den Menschen geschaffen - siehe Bergbaunachfolgelandschaften - und sie gehen aufgrund unterlassener Pflegeleistungen des Menschen.

Das geht den Menschen übrigens genauso. Alles unterliegt einem ständigen Wandel, gerade in der Natur. Wir sind ein Stück davon und sollten uns nicht selbst degradieren.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen, dass wir uns dem Dritten Investitionserleichterungsgesetz in den Beratungen sehr intensiv widmen werden. Es wird sicherlich noch den einen oder anderen Aspekt geben, den wir einbringen werden. Wir beantragen die Überweisung in die Ausschüsse für Bau und Verkehr, für Wirtschaft, für Umwelt, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Inneres und für Bildung und Wissenschaft. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Schrader. Möchten Sie eine Frage von Herrn Köck beantworten?

Bitte, Herr Köck, fragen Sie.

Herr Schrader, ich muss Ihnen ehrlich sagen - ich habe den Gesetzentwurf hin und her gewendet -, mir erschließt sich nicht die Investitionserleichterung durch die

Änderung des Naturschutzgesetzes. Erst einmal wird das Gesetz wesentlich unübersichtlicher, wesentlich dicker. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist: Mit den von Ihnen vorgeschlagenen Dingen schaffen Sie überhaupt keine Veränderung. Unsere Vogelschutzgebiete sind zugleich FFH-Gebiete. Sie müssen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Dazu ist auch bei Nichtvogelschutzgebieten immer die Vogelschutzrichtlinie heranzuziehen.

Wir werden uns im Einzelnen darüber sicherlich noch in den Ausschüssen unterhalten. Aber das scheint mir ein Schuss in die vollkommen falsche Richtung zu sein.

Herr Köck, da Sie nach den Erleichterungen fragen: Es geht um einen Wechsel von der strikten Veränderungssperre zu mehr Freiraum, um bestimmte Maßnahmen durchführen zu können. Das ist nur möglich, indem auf die Gebiete jetzt auch karten- und verordnungsmäßig sozusagen der Deckel gelegt wird, sodass man auf dieser karten- und verordnungsmäßigen Grundlage die Änderungen vornehmen kann. Das war bisher nicht möglich, weil keine verordnungs- und kartenmäßigen Grundlagen vorhanden waren. - Aber Sie haben Recht, wir werden darüber in den Ausschüssen noch intensiv beraten.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Schrader. - Nun ist die PDS-Fraktion an der Reihe. Es spricht Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Aller guten Dinge sind drei“, „Alle Jahre wieder“ oder „Dreierlei Tropfen für die Wirtschaft“ heißt im dritten Jahr der Regierung ein neues Investitionserleichterungsgesetz. Wir sind uns als PDS-Fraktion noch nicht schlüssig, wie wir nach den ersten beiden Gesetzen den vorliegenden Gesetzentwurf bewerten sollen. Vielleicht heißt „Deregulierung“ neuerdings auch „Daehre der Regulator“. Auch das ist nicht ganz klar. Wir werden im Verlauf der Gesetzesberatung sehr aufmerksam darauf schauen, was dort eigentlich passiert.

Aber uns scheint auch, dass sich die Regierung selbst nicht richtig sicher ist, heißt es doch in der vorliegenden Begründung, dass investitionsauslösende Effekte der vorgeschlagenen Maßnahmen gegenwärtig weder prognostiziert noch beziffert werden können. Aber zumindest wird die Erwartung geäußert, dass die an den Bedürfnissen und Anforderungen der Wirtschaft ausgerichtete Gestaltung geeignet ist, die Gewinnaussichten und Kostenstrukturen der Unternehmen langfristig gesehen günstig zu beeinflussen.

Wir als PDS-Fraktion bewerten aber die wirtschaftspolitischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht allein nach den Anforderungen der Wirtschaft - wobei man sicherlich unterscheiden sollte zwischen Interessen von Lobbyisten und Interessenvertretungen einerseits und den Interessen vieler Unternehmen andererseits -, sondern wir beziehen zugleich soziale und ökologische Faktoren im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ein.

(Zustimmung bei der PDS)

Da gilt es bei dem vorliegen Gesetz genauer hinzusehen, wie neben den durchaus berechtigten Gewinninteressen von Unternehmen auch Anforderungen der Verbraucher, der Kommunen und der Ökologie einbezogen werden.

Lassen Sie mich eingangs feststellen, dass die von uns in den letzten Jahren mehrfach angeregte Gesamtnovellierung der Bauordnung, die Angleichung an die Musterbauordnung und die Harmonisierung der Bauordnungen benachbarter Länder nun endlich einen gewissen Abschluss gefunden haben. Das begrüßen wir und erkennen auch die Bemühungen der Landesregierung ausdrücklich an.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir gehen aber weiterhin davon aus, dass es notwendig ist, ein für die Bundesrepublik einheitliches Baurecht zu schaffen, um unter anderem auch der Entwicklung und Vernetzung europäischer Strukturen und Regionen Rechnung zu tragen.

(Zustimmung bei der PDS)

Im Interesse der Betroffenen ist aber Folgendes wichtig - ich zitiere aus der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände -:

„Wir hatten in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass gerade auch Beständigkeit in der Gesetzgebung einen Wert an sich darstellt. Vor allem bei Normen, die, wie bei Investitionen nach der Bauordnung, mit einem hohen Risiko behaftet sind und die deshalb rechtssicher angewandt werden müssen, brauchen wir eine Zeit der Beständigkeit, um das Verwaltungsverfahren zu effektivieren und die Anwendung zu optimieren.“

Wer angenommen hatte, dass Behörden, Bauleiter oder Bauherren sich auf ein Baurecht stützen könnten, welches für Jahre Bestand habe, wurde enttäuscht. Nahezu in jeder Legislaturperiode wurde mindestens einmal die Bauordnung angefasst. In dieser Legislaturperiode werden alle Rekorde gebrochen; denn mit dem Dritten Investitionserleichterungsgesetz wird die Landesbauordnung zum vierten Mal novelliert.

Deshalb ist für uns das Ziel der Landesregierung durchaus verständlich, die Bauordnungen der mitteldeutschen Länder einander anzugleichen sowie zugleich eine stärkere Deregulierung, Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren und, damit verbunden, eine Kostenreduzierung im Bereich des Bauordnungsrechts zu erreichen.

Recht zeitnah haben auch die anderen Länder ihre Bauordnungen novelliert. Unserer Meinung nach hätte sich hierbei im Rahmen der gepriesenen „Initiative Mitteldeutschland“ eine Möglichkeit der engeren Zusammenarbeit ergeben können; denn Sachsen hat seine Bauordnung im Alleingang geändert und Thüringen eine ganz neue entwickelt. Nun stellt sich die Frage, wie die Bauordnung von Sachsen-Anhalt eigentlich zu bewerten ist. - Ich warte auf die Diskussion in den Ausschüssen, um die Antwort zu erfahren.

(Herr Schröder, CDU: Die goldene Mitte!)

- Das wird sich noch zeigen, Herr Schröder.

Meine Damen und Herren! Ein Problem sehen wir nach wie vor in dem wiederholten Versuch des zuständigen Fachministeriums, die Schlusspunkttheorie aufzugeben;

denn eine endgültige und gebündelte Verwaltungsentscheidung ist für den Betroffenen wertvoller, als wenn Fachverwaltungen einmal erteilte Baugenehmigungen einschränken können. Gerade hierin sehen wir einen Widerspruch zu den Aussagen der Landesregierung in der Begründung zu den beiden ersten Investitionserleichterungsgesetzen, dass das Ziel in einer flexibleren und effektiveren Verwaltung bestehe.

Zwei Bemerkungen zu einzelnen Paragrafen. Zuerst zu § 49 - Barrierefreies Bauen. Nach unserer Auffassung sind die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen zum barrierefreien Bauen gravierend. Die vorgesehenen Einschränkungen in § 49 sind wenig geeignet, den Anforderungen, insbesondere der demografischen Entwicklung, gerecht zu werden. Wird in Absatz 2 die Barrierefreiheit nur noch für die dem Besucherverkehr dienenden Teile vorgesehen - faktisch ein Arbeitsverbot für mobilitätseingeschränkte Menschen -, werden in § 50 Ausnahmen und Erleichterungen in Bezug auf die barrierefreie Nutzbarkeit per Gesetz gestattet. Die PDS lehnt solche Änderungen als wenig zukunftsfähig ab.

Mit der beabsichtigten Aufgabe der Schlusspunkttheorie ist weiterhin zu befürchten, dass künftig die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Gaststätten und Beherbergungsbetrieben unzulänglich oder vollkommen unberücksichtigt bleiben. Die ersten negativen Auswirkungen solcher Regelungen wurden dem Ministerium durch die Mitglieder des runden Tisches behinderter Menschen bereits bekannt gemacht.

Nicht nachvollziehbar ist ebenfalls die in der Begründung zu dem Gesetzentwurf nachzulesende Argumentation zu diesen Änderungsvorschlägen: So weiß die Landesregierung - woher? -, dass behinderte Menschen vorrangig in bestimmten Arbeitsbereichen beschäftigt werden, sodass Anforderungen an alle Gebäude, in denen sich Arbeitsstätten befinden, unverhältnismäßig wären. Behauptet wird auch, dass diese Fragen im Arbeitsstättenrecht des Bundes geregelt würden.

Anders ausgedrückt: Wenn der Arbeitgeber keinen behinderten Arbeitnehmer beschäftigt oder behinderte Arbeitnehmer nicht beschäftigen will, dann braucht er eigentlich nichts zu verändern; denn auch bei Bewerbungen bei gleicher Qualifikation kann er nicht nur, sondern muss er eine Einstellung ablehnen. Der Mensch kommt ja nicht in das Gebäude hinein und ein Umbau ist eine unzumutbare Belastung.

Die Begründung in dem Gesetzentwurf, dass Anforderungen an die Barrierefreiheit bei allen Gebäuden unverhältnismäßig seien, sollte in den Ausschüssen auch unter dieser Maßgabe diskutiert werden, vor allem inwieweit dadurch Arbeitnehmerrechte von vornherein eingeschränkt werden. Es geht schließlich nicht nur um den Arbeitsplatz selbst, sondern auch um den Zugang zu ihm.

Zu § 60 - Verfahrensfreie Bauvorhaben, Beseitigung von Anlagen. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn es um eine Kostenentlastung für den Bürger bei kleineren Vorhaben auf seinem Grundstück geht. Es gibt aber, wie gesagt, noch eine ganze Reihe von Fragen, die wir im Ausschuss mit Ihnen diskutieren wollen.

Noch zu Artikel 2 - Änderung des Denkmalschutzgesetzes. Dass sich die kommunalen Spitzenverbände dafür ausgesprochen haben, die vorgesehenen Vorschriften abzuschaffen, halte ich für nachvollziehbar. Wenn jedoch in der Gesetzesbegründung geschrieben wird,

dass Land und Kommunen sich ohnehin stärker als Private für den Erhalt schützenswerter Kulturgüter einsetzten und so von ihnen nur in begrenzten Fällen auf Erhaltungsmaßnahmen verzichtet werde, so scheint mir der fromme Wunsch Vater der Begründung zu sein. Mit dem Wegfall der Erhaltungspflicht wird die Schwelle für den Erhalt der Kulturgüter so niedrig angesetzt, dass unter Umständen ein großer Schaden für das Kulturland Sachsen-Anhalt zu erwarten ist.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Reck, SPD)

Wenn allerdings gemeint ist, dass durch das Beseitigen von Ruinen von denkmalgeschützten Gebäuden Platz für Investitionserleichterungen geschaffen wird, dann ist das eine logische Konsequenz aus diesem Gesetz.

Noch kurz zu Artikel 3 des Gesetzentwurfes, was die Einbindung der FFH- und Vogelschutzgebiete betrifft. Wir teilen die Einschätzung, dass wieder der Versuch unternommen wird, Bauvorhaben, die den Anspruch haben, der Allgemeinheit zu dienen, zulasten der Natur zu realisieren. Der Artikel 3 stellt nach unserer Auffassung nichts anderes als den Versuch dar, internationale Konventionen und deutsches Recht spitzfindig so auszudeuten, dass die Interessen des Naturschutzes wieder einmal zurückgestellt werden.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Olei- kiewitz, SPD)

Nach wie vor wird der Naturschutz in der Öffentlichkeit zu oft als Investitionshemmnis wahrgenommen, wenn es um konkrete Bauvorhaben geht. Wir erwarten für die Beratung in den Ausschüssen die Auflistung der 20 Vorhaben, bei denen die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Sachsen-Anhalt durch Vogelschutzgebiete behindert wird.

Ein letzter Gedanke zu den Änderungen der Gaststätten- und Sperrzeitenverordnung: Es wird natürlich die Winzer in der Region Saale/Unstrut/Elster - „Kreis“ darf man ja noch nicht sagen - freuen, dass auch unsere Fraktion die Beschränkung der Größenordnung einer Straußwirtschaft nicht für angebracht hält; denn dadurch werden die Wirte in ihrer Gewerbefreiheit eingeschränkt. Bedenken melden wir jedoch hinsichtlich des Wegfalls der Anzeigepflicht an. Hierbei geht es im Wesentlichen um selbsterzeugten Wein aus dem Ort des Weinbaubetriebes und nicht um Erzeugnisse aus anderen Regionen. Dabei dokumentieren andere Bundesländer noch ihren Regionalstolz und beharren auf der Anzeigepflicht.

Wir machen auch darauf aufmerksam, dass durch die Abschaffung des § 7 Verstöße gegen das Verbot der Schwarzarbeit wieder leichter machbar werden. Deswegen werden wir im Ausschuss diese Fragen noch einmal gründlich mit Ihnen diskutieren.

Alles in allem bleiben Fragen offen, ob dieses Gesetz tatsächlich den wirtschaftlichen Aufschwung auslöst, den es verspricht: Wird jetzt der real vorhandene oder nur gedachte Investitionsstau bei Garagen, Kinderspiel- und Campingplätzen, bei Spielautomaten und bei Tischen und Stühlen durch Straußwirtschaften aufgelöst?

Interessanterweise soll mit dem Dritten Investitionserleichterungsgesetz offenbar vor allem die Baubranche angesprochen werden. Wird jetzt die Entscheidung leichter fallen, ohne Baugenehmigung, die ohnehin nur einen geringen Kostenanteil am Bauvorhaben ausmacht, eine Investition vorzunehmen?

Was haben eigentlich die anderen beiden Investitionserleichterungsgesetze gebracht? Dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion würden wir ausdrücklich zustimmen. Es geht wirklich nicht darum, das dritte zu verhindern, sondern einfach nur darum, noch einmal in den Ausschüssen nachzufragen, was die anderen beiden nun eigentlich gebracht haben.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)