Ich sage es noch einmal - ich weiß nicht, ob Sie es jetzt in der Schnelle mitbekommen haben -: Wir haben ausdrücklich gesagt, dass wir einen Vorabzug aus der allgemeinen Finanzausgleichsmasse nehmen wollen. Es ist kein zusätzliches Geld des Landes. Jetzt haben wir tatsächlich die Situation - machen wir uns doch alle nichts vor -:
Eine effizientere Struktur in Form einer Regionalkreisbildung, die sich insgesamt zum Beispiel ermäßigend auf die Kreisumlage auswirken würde, ermöglicht es uns, in diesen Punkten - das sind natürlich die Mittelzentren, die bisher den Kreisstadtstatus haben und ihn in Zukunft nicht mehr haben werden - etwas Ausgleichendes zu tun, und zwar beschränkt auf einen Zeitraum von vier Jahren.
Die Effizienzrenditen, die wir bei einer Regionalkreisbildung hätten, sind natürlich mittel- und langfristig angelegt. Dass wir einen Teil dieser Effizienzrenditen wiederum für den Verlust des Kreissitzes zur Verfügung stellen, dürfte relativ unstrittig sein. Das ist übrigens ursprünglich eine Idee der CDU-FDP-Koalition der ersten Legislaturperiode.
An dieser Stelle muss ich ganz deutlich sagen: langfristig Einsparungen, ja. Dies ermöglicht auch einen kurzfristigen Ausgleich für diejenigen, die unterlegen sind, um ihnen bessere Startbedingungen für eine Städtepartnerschaft und ein Städtenetzwerk in dem neuen Landkreis zu geben.
Herr Kollege Gallert, inwieweit bedarf es eines solchen Ausgleichs für Städte, die den Status der Kreisstadt verlieren, wenn wir die übernächste Kreisgebietsreform im Auge haben und auf dem Weg dorthin die an den bisherigen Kreissitzen vorhandenen Liegenschaften nutzen wollen, soweit es an dem neuen Kreissitz nicht bereits geeignete Liegenschaften für eine Konzentration in dieser Übergangszeit von vielleicht einem Jahr gibt? Halten Sie es wie ich für sinnvoll zu vermeiden, dass in acht der neun Kreissitze, die es nicht auf Dauer bleiben, Landratsämter für viel Geld errichtet werden, ohne dass sie auf Dauer Kreissitz bleiben?
Herr Rothe, ich hoffe, ich habe Ihre Frage richtig verstanden. Ich interpretiere sie jetzt einfach einmal so, dass es dem entspricht, wie ich sie beantworten möchte.
Wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir diesen Ausgleich für den Verlust des Kreissitzes überhaupt mit hineinnehmen. Wir haben dann gesagt, wir werden das deswegen tun, weil wir es auch nach unserem Konzept der fünf Regionalkreise tun müssten. Danach wären es sogar ein paar Städte mehr, nämlich sieben. Für diese müssten wir dann mehr Ausgleich schaffen. Auch dies würde ein Stück weit zu einem Vitalitätsverlust führen; das steht außer Zweifel. Man darf ihn nur nicht so aufbauschen, wie der Innenminister es getan hat. Dies müssten wir ausgleichen.
Das, was wir jetzt machen würden, wäre ja nicht eine Belohnung der Kreisstädte, die meinen, es in Zukunft sein zu können, sondern wir würden einen Verlustausgleich für diejenigen schaffen, die selbst nach dieser Vorlage schon keine mehr sind.
In Bezug auf die Zeitperspektive gibt es bei uns die Vorstellung, nach der Wahl 2006 zu sagen: Leute, wir marschieren in eine andere Richtung und ihr habt euch zum großen Teil umsonst die Köpfe blutig geschlagen; denn weder Eisleben noch Sangerhausen, weder Weißenfels noch Naumburg werden Kreisstadt bleiben; vielmehr werden wir das in diesen fünf Regionalkreisen organisieren.
Da kann hoffentlich nicht mehr allzu viel passieren; denn zwischen der Beschlussfassung zu diesen Kreissitzgesetzen und der Neuwahl vergehen nur wenige Monate. Ich hoffe nicht, dass diejenigen, die jetzt vorzeitig meinen, Sieger zu sein, Millioneninvestitionen realisieren, um dann zu sagen: Jetzt haben wir schon so viel investiert, dass ihr uns zur Kreisstadt machen müsst. Da, hoffe ich, wird die Vernunft herrschen.
Er winkt ab. - Vielen Dank, Herr Gallert. - Nun hören wir den Beitrag der FDP-Fraktion. Das Wort hat Herr Wolpert.
- „Hier, bei der Arbeit!“, ich weiß. - Es ist schon ein bisschen frappierend, wenn man hört, dass sich Ihre Fraktion an dem Konkurrenzkampf zwischen den Städten nicht beteiligen will. Sie machen große Gesten und Töne vorweg, sagen hinterher aber: Wir sind auch alle im Kreistag. Es kann schon sein, dass wir es dann doch tun.
Das ist schon ein bisschen erstaunlich. Erstaunlich ist auch, dass Sie sagen: Wenn sich rechtzeitig vor der Beschlussfassung noch Bürgerbefragungen ergeben, dann können wir das ein bisschen flexibler handhaben. - Haben Sie eigentlich jemals Umfrageergebnisse zu den Regionalkreisen gesehen? Da wollen Sie die Bürgerbefragung aber nicht beachten; denn 80 % wollen das nicht.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Kreissitze steht tatsächlich fast am Ende einer Reihe von Gesetzen, die eine neue Struktur der Verwaltung in diesem Land festgelegt haben. Angefangen vom Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz und der Neugliederung der Landesverwaltung, der Neugliederung der Verwaltungsgemeinschaften, Einheitsgemeinden bis hin zur Neugliederung der Kreise sind mit einer Reihe von Gesetzgebungsverfahren die Weichen hin zu einer effektiveren und bürgernahen Verwaltung - sprich: zu einem schlanken Staat - gestellt worden. Das ist kein Selbstzweck, sondern aufgrund der demografischen und leider auch der fiskalischen Entwicklung in Deutschland eine Notwendigkeit.
Es ist auch richtig, die Entscheidung hierüber nicht der Kommunalpolitik zu überlassen. Bei der Auseinandersetzung über Richtig oder Falsch ist die Gefahr nämlich groß, dass sich diejenigen Akteure gegenseitig verletzen, die zusammen die Zukunft gestalten sollen. Insoweit stimme ich mit Ihnen darin überein, dass man dies nicht zulassen sollte. Hier hat der Landtag eine Verantwortung, die er auch übernehmen muss.
Die Festlegung der Kreissitze ist deshalb ein besonderer Akt. Dieser ist am stärksten mit Identifikation, aber auch mit Verlustängsten, also Emotionen verbunden. Umso mehr ist es die Pflicht des Gesetzgebers, größtmögliche Objektivität an den Tag zu legen. Das ist schon deshalb geboten, weil fast alle Mitglieder des Hauses kommunalpolitisch engagiert sind und alle zu ihrer Kreisstadt emotionale Bindungen haben.
Es ist deshalb richtig, dass sich die Landesregierung bei der Auswahl der Kriterien für die Festlegung von Kreissitzen von nachvollziehbaren Leitlinien hat leiten lassen. Das sind die Systemgerechtigkeit in Bezug auf das Kreisneugliederungs-Grundsätzegesetz, die Reduzierung auf wenige Kriterien, der Verzicht auf eine unterschiedliche Gewichtung der Kriterien und letztlich die Beachtung des verfassungsrechtlichen Willkürverbots. Das ist in dem Gesetzentwurf weitgehend gelungen.
Die neue Kreisstadt muss eine alte sein. - Das ist richtig, weil zum einen die Identität mit der bisherigen Kreisstadt erhalten bleibt und zum anderen die vorhandene Infrastruktur weiter genutzt wird.
Sie muss im Kreisgebiet liegen. - Das gebietet sich auch aus Identifikationsgründen und aus der übrigen Systematik. Ich könnte mir vorstellen, dass Merseburg Konkurrenz außerhalb des Kreises bekommen könnte. Außerdem wird der Kreis durch ein Kreiszentrum eher gestärkt.
Die gemeinsame Grenze mit einem Oberzentrum als Ausschlusskriterium begründet sich vornehmlich aus raumordnerischer Sicht.
Die raumordnerische Einordnung der Stadt mit dem Kreisstatus nach deren zentralörtlicher Bedeutung ist auch nach der Auffassung der FDP-Fraktion richtig. Die Verdichtungsräume, wie sie im Landesentwicklungsplan erkannt und festgeschrieben sind, bedürfen zur Lösung ihrer Probleme einer erhöhten Verwaltungskraft. Dies gilt auch für die Räume mit Verdichtungsansätzen. Die Einordnung der jeweiligen Stadt nach der zentralörtlichen Bedeutung zielt daher auch auf die Einwohnerzahl im Verdichtungsraum ab.
Die weiteren raumordnerisch bedeutsamen Kriterien führen in der Gesamtschau des Landesentwicklungsplanes zu einem festen und belastbaren Kriterium. Folgerichtig kann die Einwohnerzahl des Gemeindegebiets der Stadt bei einer Gleichwertigkeit zweier Städte nur als Ersatzkriterium herangezogen werden; diese war bei der Einordnung bezüglich der zentralörtlichen Bedeutung nicht allein Gegenstand.
Meine Damen und Herren! Aber das Kriterium, die Teilfunktion eines Oberzentrums nach der räumlichen Nähe zu einem Oberzentrum zu unterscheiden, bereitet Bauchschmerzen. Dieses Kriterium ist nicht als Ergebnis der Anhörung in den Gesetzentwurf gekommen; vielmehr ist es erst danach eingefügt worden. Die Folge, dass die Betroffenen dazu nicht gehört wurden, ist ein Mangel des Verfahrens, den der Landtag nun beheben muss. Tatsächlich ist von der Einführung des Kriteriums nur eine Kommune definitiv betroffen, sodass der Anschein einer Lex singularis entsteht. Fachlich ist die Unterscheidung der Teilfunktion als Oberzentrum nach ihrer Herkunft sehr umstritten.
Es wird Aufgabe des Landtages sein, sich in der Anhörung hierzu ein klares Bild zu verschaffen, um das Gesetz für die Anforderung einer gerichtlichen Überprüfung fit zu machen.
Meine Damen und Herren! Dienlich hierfür ist die Entscheidung, alle vier Kriterien gleich zu gewichten und keine weiteren Kriterien zu verwenden. Beispiele für die Schwierigkeiten hat der Minister bereits vorgetragen. Das Ziel muss es sein, für die Beteiligten auf der Grundlage objektiver Sacherwägungen zügig Klarheit zu schaffen. Die Emotionen sind abzusehen, wenn man Strukturen verändert. Umso wichtiger ist es, schnellstmöglich Rechtsfrieden herzustellen.
Herr Kollege Gallert, lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihrem Vorschlag zum Finanzausgleich sagen. Abgesehen davon, dass Sie bei einem Vorwegabzug aus dem FAG alle anderen Kommunen auch treffen und diese dafür mitbezahlen sollen, dass ein angeblicher Verlust durch den Verlust des Kreissitzes entstanden ist, manifestieren Sie auch diesen Verlust. Es gibt Gutach
ten, in denen behauptet wird, einen solchen wirtschaftlichen Verlust durch den Verlust des Kreissitzes gäbe es nicht. Ich bin nicht ganz sicher, ob dieses Gutachten in seinen Folgerungen richtig ist, aber diese Diskussion gibt es.
Tatsächlich allerdings bin darauf gespannt, wie Sie darlegen, dass der Verlust genau in dieser Höhe richtig abgeschätzt ist. Abgesehen davon, dass Sie Begehrlichkeiten wecken, verhindern Sie, dass die Städte miteinander einen Ausgleich betreiben. Was erzählen Sie denn einer Stadt, die sagt, ich verzichte auf den Sitz der Kreissparkasse und die Steuereinnahmen, wenn ich dafür den Kreissitz erhalte? Wie machen Sie das in einem Kreis, in dem der Sitz der Kreissparkasse nicht zu tauschen ist? Behandeln Sie das über das FAG gleich? Die Frage ist nicht beantwortet. Die Frage ist aber auch - -
Herr Gallert kann gern intervenieren, aber eine Frage brauche ich nun nicht mehr zu beantworten; denn meine Meinung dazu habe ich ihm gesagt. Ich möchte jedoch zu Ende vortragen.
Ich bin der Auffassung, dass man das FAG sicherlich in der nächsten Legislaturperiode verändern muss. Aber die Notwendigkeit, das FAG im Zusammenhang mit dem Kreissitzegesetz zu verändern, sehe ich nicht. Deshalb lehne ich Ihren entsprechenden Vorschlag ab.
Meine Damen und Herren! Es wird uns gelingen, mit diesem Gesetz schnell Rechtsfrieden herzustellen. Ich beantrage die Überweisung der Gesetzentwürfe und aller Änderungsanträge in den Ausschuss für Inneres. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Gut, dann ist das erledigt. - Es kommt der Beitrag der SPD-Fraktion. Ich gebe Herrn Dr. Polte das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Kommunalneugliederungsgesetz ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die Kreissitze