Protocol of the Session on May 27, 2005

Ich gestatte es.

(Zu Protokoll:)

Der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 21. März 2003 zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts ist ein weiterer Schritt zur Veränderung und Modernisierung des Verwaltungshandelns auf kommunaler Ebene. Die obrigkeitliche Eingriffsverwaltung entwickelt sich nach Einführung und Umsetzung dieser Gesetzesinitiative hin zu einer betriebswirtschaftlich planenden und handelnden Dienstleistungsverwaltung.

Das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen auf der Grundlage der doppelten Buchführung, auch „Doppik“ abgekürzt, führt zu mehr Transparenz für den Bürger, übersichtlicherem Verwaltungshandeln und klareren Entscheidungsgrundlagen für die politisch Handelnden. Der steigende Dienstleistungscharakter der Verwaltung, die knappe Finanzausstattung, die Auslagerung von kommunalen Aufgaben verlangen erhöhte Transparenz und einheitliche Darstellungen nicht nur über Einnahmen und Ausgaben, sondern auch die Erfassung von Vermögenswerten und Vermögensverzehr.

Kamerale Kernhaushalte der Gemeinden und doppisches Rechnungswesen in den verselbständigten kommunalen Betrieben erleichtern nicht die Handhabung und Steuerung durch die Verwaltungsebene. Die Einführung der Doppik erfasst alle kommunal tätigen Verbände und Gemeinschaften einheitlich. Somit werden Veränderungen der Regeln über die Hauswirtschaft in der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung, im Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit und den eigenbetrieblichen Vorschriften notwendig.

Herr Minister Paqué erklärte bereits ausführlich die Vorteile des neuen Verfahrens sowie dessen Grundzüge und Ziele. Erwähnenswert scheint mir nochmals die Entscheidung der Landesregierung, einem Optionsmodell mit wahlfreier Anwendung von Doppik oder erweiterter Kameralistik eine Absage erteilt zu haben und somit auf Einheitlichkeit zu setzen.

Die Umsetzung dieses Gesetzes in der Übergangsfrist von 2006 bis 2010 ist mit Sicherheit eine Herausforderung für die kommunale Familie. Ein erweiteter Personal- und Finanzeinsatz wird hierbei nicht zu umgehen sein. Unterschiedlichste hard- und software-technische Ausstattungen in der kommunalen Verwaltung lassen einen kalkulierbaren Finanzrahmen für notwendige Investitionen schwer einschätzen. Bei der derzeitigen Finanzausstattung ist die Bewältigung nicht einfach.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang abschließend darauf hinzuweisen, dass bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz - und daher die Bewertung des Anlagevermögens - bei richtiger Planung und Organisation viele Daten ermittelt werden, die für einen Informationspool sehr wertvoll sein können. Voraussetzung dafür ist eine automatisierte Herangehensweise. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie in Artikel 8 hinweisen.

Der Forderung nach einer digitalen Abbildung der kommunalen Verwaltung könnte durch eine sinnvolle Bewertungserhebung ein wenig näher gekommen werden.

Ich beantrage die Überweisung federführend in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen.

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diesmal ist es die richtige Rede.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung - der Minister ging bereits darauf ein - basiert auf der Grundlage des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 21. November 2003 und schließt bewusst die Wahlmöglichkeit einer erweiterten Kameralistik für das Land Sachsen-Anhalt aus. Auf dieses Thema werde ich in meinen Ausführungen noch zurückkommen.

Die Gesetzesinitiative ist aus der Sicht der PDS-Fraktion eher nicht auf eine Reformfreudigkeit oder eine eventuelle grundsätzlich beabsichtigte Verwaltungsreform der Landesregierung zurückzuführen. Der eigentliche Handlungshintergrund - das offenbart dieser Gesetzentwurf - ist die sich seit Jahren verschlechternde Finanzsituation der Kommunen, die sich durch die drastische Reduzierung der gemeindlichen Finanzen durch die Bundes- und die Landesregierung, durch das Scheitern einer Gemeindefinanzreform in Deutschland und nicht zuletzt auch durch die erheblichen Aufwendungen der Kommunen für die Infrastruktur begründet.

Im Rahmen der seit Jahren von zahlreichen Kommunen auch unseres Landes bereits in Angriff genommenen Umsetzung neuer Steuerungsmodelle, basierend auf Leitbildvorstellungen, Budgetierungen, Produktbeschreibungen, Kontraktmanagement - um nur einige Felder zu nennen -, soll nunmehr der Schritt hin zur kaufmän

nischen Rechnungsführung, kurz zur Doppik, verbindlich für alle Kommunen umgesetzt werden.

Da diese Umstellung zu einem Mehr an Kostentransparenz, interkommunaler Vergleichbarkeit von Leistungen, Nachhaltigkeit sowie einer besseren Darstellung des Ressourcenverbrauchs führt und damit auch die Einführung von Bürgerhaushalten möglich macht, wird dieses Vorhaben prinzipiell auch durch unsere Fraktion unterstützt. - So weit, so gut.

Ich möchte nunmehr zu grundsätzlichen Kritikpunkten überleiten. Nicht nachvollziehbar ist die Beschränkung der Einführung der Doppik auf den kommunalen Bereich. Eine durchgängige Kostentransparenz, Vergleichbarkeit, Ressourcensparsamkeit und Personalverbrauchskostendarstellung aller öffentlichen Leistungen bedingt unmittelbar auch die Einbeziehung der Landesverwaltungsbehörden sowie der Sonderbehörden.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Dies ist wiederum, meine Damen und Herren von der Koalition, offensichtlich nicht gewollt. Während man also die Kommunen, die übrigens zu DDR-Zeiten die kaufmännische Rechnungsführung schon zur Grundlage hatten, zur Umsetzung zwingt, bleibt der größte Ressourcenverbrauch, nämlich der der Landesbehörden, grundsätzlich außen vor. Das ist nicht hinzunehmen und wird von uns scharf kritisiert.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Tullner, CDU: Irgendwo müssen wir einfach anfangen!)

Des Weiteren lässt der Entwurf Rückschlüsse auf eine zwingend notwendige und überfällige Dienstrechtsreform vermissen, da nunmehr die tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere die Folgekosten aus den Verbeamtungen im Vergleich zu den Kosten für Angestelltenverhältnisse, sichtbar werden. Auch an diesem Punkt, meine Damen und Herren, wird sichtbar, dass Sie eine Verwaltungsreform auch und insbesondere in der Landesregierung nicht ernsthaft wollen.

Durch den Verzicht auf die Möglichkeit der Wahl der erweiterten Kameralistik gerade für Kommunen mit weniger als 8 000 Einwohnern wird nunmehr jede Gemeinde mit 87 Einwohnern bis hin zu 220 000 Einwohnern und mehr dazu gezwungen, die Doppik einzuführen. Dies ist, gelinde ausgedrückt, volkswirtschaftlicher Unsinn; denn es führt automatisch zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand.

Richtig wäre die Einführung der Doppik für Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden im übertragenen Wirkungskreis. Im eigenen Wirkungskreis könnten sich die Grundsätze auf Leistungen, die übergemeindliche Wirkungen entfalten, beschränken.

Im Rahmen unserer diesjährigen Kommunaltour haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Mehrheit der von uns besuchten Landkreise die Gleichzeitigkeit von Kreisgebietsreform und Einführung der Doppik nicht für sinnvoll hält und aus diesem Grund eine Erweiterung des Zeitkorridors für notwendig erachtet. Ich bitte darum, auch das zur Kenntnis zu nehmen.

Die Durchsetzung der Umstellung von der Kameralistik auf die kaufmännische Rechnungsführung bedingt eine umfassende Weiterbildung sowohl des Verwaltungsfachpersonals als auch der ehrenamtlichen Mandatsträger. Dies ist vor dem Hintergrund der fehlenden Finanzausstattung von den meisten Kommunen nicht zu leisten.

Wenn Sie die von Ihnen in der Begründung zu dem Gesetzentwurf genannten Grundsätze des bisherigen kommunalen Haushaltsrechtes als Ausgangspunkt dafür nehmen, eine angemessene finanzielle Absicherung dieses Weiterbildungsprozesses seitens des Landes auszuschließen, dann verkennen Sie, dass sich die Mehrheit der Kommunen in einem Haushaltskonsolidierungsprozess befindet und deshalb derzeit finanziell nicht in der Lage ist, die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, geschweige denn die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zu erfüllen.

Durch die Vermögenserfassung und die Erstellung der Eröffnungsbilanz wird aus unserer Sicht die ganze Dramatik der derzeitigen Finanzsituation der Kommunen, aber auch die mancher Investitionen im Hinblick auf deren Folgekosten offenbar werden. Wie das Land mit diesen Ergebnissen unter Wahrung des Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung nach Artikel 83 der Landesverfassung umgehen soll, erschließt sich aus diesem Gesetzentwurf nicht.

Vollkommen unbelichtet bleiben im Prozess der Einführung der kaufmännischen Rechnungsführung die neuen inhaltlichen Ansätze für die kommunalen Mandatsträger, welche zu einer tatsächlichen Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts führen würden. Dies wäre neben einer umfassenden Funktionalreform aus unserer Sicht jedoch auch eine stichhaltige Begründung dafür, dass größere Landkreise eben nicht zu einer Bürgerferne führen und dass die zukünftige Größe eines Landkreises aufgrund der neuen strategischen Zielsetzungsfunktion der Kreistage eher nebensächlich ist.

(Herr Tullner, CDU: Ach!)

- Herr Tullner, Sie haben davon offensichtlich nicht allzu viel Ahnung.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Innerhalb von nur einer Stunde haben wir bereits das zweite Artikelgesetz zur Änderung des Kommunalverfassungsrechts, des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit und des Eigenbetriebsgesetzes auf den parlamentarischen Weg gebracht. Wäre es seitens der Landesregierung abgestimmt und langfristig vorbereitet gewesen, hätte ein Artikelgesetz ausgereicht. Damit hätte man Zeit gespart. Herr Polte ging bereits darauf ein. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Sie mit Windeseile Gesetze ein- und durchbringen, sind bei diesem Punkt nicht früher aufgestanden; Sie haben schlichtweg verschlafen.

Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Frau Dr. Hüskens hat für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte angesichts der fortgeschrittenen Zeit eigentlich auf meinen Redebeitrag verzichten, weil ich glaube, dass wir in der Sache einer Meinung sind.

Herr Grünert, ich bedauere es außerordentlich, dass Sie ein Gesetzesvorhaben, das, glaube ich, bundesweit ab

gestimmt ist, das die Innenminister verschiedener Couleur einmal vereinbart haben, nun mit einer Polemik belegen, die meiner Meinung nach dem Anlass überhaupt nicht angemessen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn sich die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände bundesweit mit den verschiedenen Regierungen darauf einigen, dass wir zukünftig versuchen wollen, die Ausgaben im kommunalen Bereich zu optimieren, dann könnte man - darin gebe ich Ihnen Recht - auch darüber reden, dies in verschiedenen anderen Verwaltungsbereichen zu machen. Ich muss aber sagen, dass wir in diesem Bundesland noch nicht so weit sind. Es kann sein, dass wir so weit sind. Ich rege an, auch über diese Punkte einmal zu diskutieren.

Man sollte jetzt aber nicht hingehen und mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten dagegensprechen und sagen: Die Kommunen können das nicht. Niemand hat behauptet, wie Sie es unterstellt haben, dass man mit der Einführung einer anderen Veranschlagungsweise auf einmal alles besser macht. Natürlich kann man sich mit dem einen oder anderen reich rechnen. Das ist sicherlich auch eine Gefahr bei der Bewertung der Grundstücke und des Vermögens der Kommunen. Das ist hier aber gar nicht vorgesehen. Vielmehr ist vorgesehen, dass die Kommunen zukünftig ihre Investitionen nicht nur in den Anschaffungskosten besser bewerten können, sondern dass sie auch sehen können, welche Folgekosten das Ganze verursacht. Ich denke, das ist ein sehr sinnvoller Ansatz; wir sollten diesem folgen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Frau Dr. Hüskens. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2178 ein. Einer Überweisung an sich steht nichts im Wege. Der Antrag, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Innenausschuss zu überweisen, ist ebenfalls unstrittig.

Wir stimmen über den Antrag auf Überweisung des Gesetzentwurfes in den Finanzausschuss ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit seiner Stimmkarte. - Das ist offensichtlich auch unstrittig. Damit ist der Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss überwiesen.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Um 13.45 Uhr setzen wir die Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 15 fort.

Unterbrechung: 12.57 Uhr.

Wiederbeginn: 13.48 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Familien, Sicherung einer nachhaltigen Bevölkerungspolitik sowie Förderung des Wiedereinstiegs in den Beruf (Familienfördergesetz Sachsen-Anhalt - FamFöG-LSA)