Protocol of the Session on May 26, 2005

(Beifall bei der SPD)

Wir dürfen dieses Wachstum des verankerten Mittelstandes, der mittelständischen Unternehmen nicht einer vermeintlich verstopften Pipeline opfern, sondern wir müssen gezielt an der Weiterentwicklung mitwirken.

(Herr Gürth, CDU: Und was ist mit der Finanzie- rung des Ganzen?)

Meine Damen und Herren! Nun zum Thema Arbeitsmarktpolitik. Selbstverständlich werden wir die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt nur dann reduzieren können, wenn sich die wirtschaftliche Situation in unserem Land deutlich verbessert. Aber anders als Ihr Koalitionspartner, Herr Ministerpräsident, sind wir nicht der Auffassung, dass Wirtschaftspolitik allein das Beschäftigungsproblem lösen kann. Wir sind vielmehr davon überzeugt, dass gute Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik Bestandteile einer guten Wirtschaftspolitik sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, Sie selbst haben in Ihrer letzten Regierungserklärung festgestellt, es wird uns in absehbarer Zeit nicht gelingen, allein durch Wirtschaftswachstum eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereitzustellen. Wir brauchen deshalb auch in Zukunft eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik.

Einen besonderen Schwerpunkt müssen wir dabei auf die jungen Menschen setzen. Sie brauchen alle Chancen, um in Sachsen-Anhalt den Einstieg in das Berufsleben zu bekommen. Aber auch für die Personen, die aufgrund ihres Alters, der Dauer der Arbeitslosigkeit oder verloren gegangener Qualifikationen objektiv keine Erfolg versprechenden Aussichten haben, muss es sinnvolle Alternativen geben. Wir dürfen diese Menschen nicht einfach ausgrenzen oder im Stich lassen.

Deshalb brauchen wir einen zweiten Arbeitsmarkt, der nicht immer schädlich sein muss für den ersten; vielmehr kann dieser den ersten Arbeitsmarkt entlasten, indem insgesamt eine bessere Stimmung im Land herrscht.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Wir müssen parallel dazu alles tun, um Arbeitsplätze, die es in Deutschland gibt, vor Sozialdumping, sei es inländischer oder europäischer Natur, zu bewahren. Ein Beitrag dazu ist eine vernünftige Lösung für Mindestlöhne. Wir halten den Weg, den die Bundesregierung für die deutsche Situation einschlagen will, für den geeigneten, nämlich dies über die Tarifvertragsparteien zu regeln.

(Zuruf von Herrn Hauser, FDP)

Ich habe das Gefühl, der Redebeitrag der Landesregierung dazu war von vor zwölf Wochen oder so; er war jedenfalls nicht der aktuellen Situation und den aktuellen Vorschlägen angemessen.

(Herr Tullner, CDU: Sie kommen doch sowieso nicht mehr!)

- Dafür muss jeder eine Lösung finden. Wir werden sehen, was im September passiert; ich würde mich dabei nicht zu früh freuen.

Meine Damen und Herren! Die Debattenzeit war eigentlich sehr kurz angelegt, deshalb konnte man nicht alle wichtigen Themen komplett ansprechen. Themen wie Außenwirtschaftspolitik, Tourismuspolitik, Energiepolitik, Innovationspolitik sind natürlich in der Vorbereitung etwas zu kurz gekommen, aber ich will sie wenigstens anreißen.

Im Zentrum einer jeden Wirtschaftspolitik muss die Innovationspolitik, müssen Forschung und Entwicklung stehen. Ich werde an dieser Stelle der Versuchung widerstehen, die Zahlen auseinander zu pflücken.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Sagen Sie es doch ru- hig!)

Wichtig ist, dass die Themen wie Chemie mit dem Zentrum für Polymersynthese, mit dem VDTC am Fraunhofer-Institut in Magdeburg, mit dem CCC Harzgerode mit dem Entwicklungsschwerpunkt im Bereich des Aluminium-Druckgusses, die Nanotechnologie, die Biotechnologie nach dem Jahr 2002 fortgeführt worden sind. Das sind alles Themen, die eng mit den Schwerpunkten unserer stärkeren Wirtschaftsbereiche verbunden sind. Wir brauchen sie, um uns zu einem Technologieland weiterzuentwickeln.

Was mir fehlt, sind zwei Themen. Das ist zum einen das Thema Medienwirtschaft und zum anderen das Thema regenerative Energien.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich denke, diese beiden Themen gehören unbedingt in den Fokus, wenn es um eine technologieorientierte Entwicklung geht.

Zur Außenwirtschaft. Immer häufiger findet man in Zeitungsartikeln Berichte über die Globalisierung des Mittelstandes. Dabei geht es nicht nur um Standortverlagerungen oder -ergänzungen, sondern es geht auch darum, den heimischen Mittelstand bei seinem Export zu unterstützen. Neben den Beitrittsländern sind es die asiatischen Märke und die Länder Osteuropas, die mit dem Beitritt zur EU liebäugeln, die interessant sind.

Leider hat es Sachsen-Anhalt um einige Jahre zurückgeworfen, dass ein Teil der Kontakte abgerissen ist und dass man es als „sozialistischen Quatsch“ bezeichnet hat, die Exportstrategie sachsen-anhaltischer Unternehmen nach Osteuropa zu unterstützen.

(Herr Tullner, CDU: Unfug! - Herr Gürth, CDU: Wer hat denn das aufgeschrieben?)

Diese Länder sind als Exportregionen wichtig.

(Herr Tullner, CDU: Billige Polemik!)

Deshalb schreiben große Firmen wie FAM Briefe an die Landesregierung mit der Bitte, diese Exportstrategien weiterzuführen. Ich glaube, es ist müßig, darüber zu reden, dass die westeuropäischen Märkte wie Frankreich und die Schweiz eigentlich aufgeteilt sind. Ich glaube, im Bereich der Außenwirtschaftspolitik bedarf es deutlicher Korrekturen der Landesregierung.

Es gibt viele Themen, die es eigentlich gemeinsam zu gestalten gilt. Die Aufgaben sind viel zu groß, als dass sie im politischen Streit gelöst werden könnten. Eines dieser Themen ist die inhaltliche Ausrichtung der Strukturfonds nach dem Jahr 2006. Wir werden morgen Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Ich hoffe sehr, dass wir im Sinne der Sache zu einer konstruktiven Diskussion kommen werden.

Wir alle wissen nicht, wie die Wahlen im Herbst dieses Jahres oder im März nächsten Jahres ausgehen werden. Sicher wird die eine Partei sagen: Das kann nur auf uns zulaufen. Wir anderen werden sagen: Das wird ein harter Kampf, aber es lohnt sich, für eine SPD als Regierungspartei zu kämpfen.

(Herr Tullner, CDU: Das ist doch alles Kaffee- satz!)

Trotzdem bleiben die Aufgaben und der Zeitdruck, unsere Arbeit hier im Lande zu erledigen, bestehen. Ich würde es für falsch halten, wenn sämtliche inhaltliche Arbeit jetzt dem Wahlkampf untergeordnet würde. Wir werben deshalb bezüglich der angesprochenen Themen noch einmal für eine konstruktive Diskussion.

(Herr Tullner, CDU: Die Worte hören wir wohl!)

Meine Damen und Herren! Da ich noch etwas Zeit habe, mehr als ich vermutlich brauchen werde, will ich noch einige Dinge aus der Debatte ansprechen, die nicht unwidersprochen bleiben sollen.

Was hätten Sie eigentlich heute verkauft? Was würden Sie eigentlich an Ansiedlungen, an Erweiterungen verkünden, wenn Sie nicht - im positiven Sinne gemeint - Kuckuckseier in Ihrem Nest gefunden hätten, die Sie ausbrüten konnten? Gut, dass Sie sie ausgebrütet haben. Radici, Arneburg, die Dow-Folgeinvestition, die Erweiterung von Krupp-Presta in Ilsenburg - das sind alles Themen, die nicht erst seit dem Jahr 2002 bekannt sind. Selbst DHL ist nicht auf Ihrem Mist gewachsen.

Es ist gut, dass Sie daran mitgearbeitet haben, dass der Prozess vorangegangen ist. Aber ich denke, ein bisschen mehr Realität wäre der Debatte angemessen.

(Zustimmung bei der SPD)

Zu den ausländischen Investoren oder, besser gesagt, zu den Unternehmen, die heimische Unternehmen übernommen haben. Rautenbach hat sich mit dem Größten der Branche verbündet, weil ein Generationswechsel anstand und weil damit sichergestellt war, dass es genug finanzielles Potenzial gibt, um die Erweiterungsinvestitionen und den Ausbau des Standortes umsetzen zu können. Denn mit Ihrer Einschränkung der Förderung von Erweiterungsinvestition ist das zurzeit ja nicht möglich.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Was?)

Aschersleben und Bevis sind übernommen worden, weil sie in wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, nicht etwa weil Sachsen-Anhalt dank der schwarz-gelben Regierung in den internationalen Fokus gerückt ist. Es ist gut, dass diese Unternehmen übernommen worden sind. Es ist gut, dass sie weiter arbeiten können, dass sie hoffentlich wirtschaftlichen Erfolg haben werden und dass wir damit ein internationales Tableau an Eigentümern und Investoren bekommen. Aber diese Art von Halbwahrheiten sollte hier zumindest nicht unwidersprochen bleiben.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Wolpert, FDP: Schlüssig ist das nicht! - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Meine Damen und Herren! Ein Kollege hat mir vorhin, als Sie Ihre Kampagne verkündet haben, zugeraunt, er hoffe, dass die Kampagne und das Ergebnis, dass Sachsen-Anhalt früher aufsteht, nichts damit zu tun habe, dass die Jungen weggingen und die Alten an seniler Bettflucht litten. Etwas Wahres war daran. Mit der Selbstbeweihräucherung, die Sie heute vorgetragen haben, werden Sie keinen im Land halten. Lassen Sie sich endlich auf eine inhaltliche Diskussion um eine Zukunftsstrategie ein, die nach den Bundestags- und nach den Landtagswahlen umgesetzt werden kann.

Eine Empfehlung zum Schluss, weil sich vorhin einige so gefreut haben, dass es keine Koalitionsaussage für RotGrün für die Bundestagswahl gibt:

(Herr Tullner, CDU: Doch Wahlkampf!)

Vielleicht wären andere Parteien auch gut beraten, sich mit Koalitionsaussagen für eine nächste Landesregierung zurückzuhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Herr Tullner, CDU: So viel zum Thema Sachpolitik!)

Vielen Dank, Frau Budde. - Als letzter Redner erhält nun für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Schrader das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die relative Unaufgeregtheit dieser heutigen Debatte - es ist immerhin eines der wichtigsten Themen - zeigt mir eines: Es scheint ganz gut zu laufen mit der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe schon etwas ganz anderes erlebt in den ersten zwei Jahren. Lassen Sie mich noch eines feststellen: Die Pause hat nicht gelohnt. Herr Ministerpräsident, meinetwegen können Sie Ihren Verpflichtungen nachgehen; Sie wissen sowieso, was ich sage.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Meine Damen und Herren! Bei vielem von dem, was Frau Budde gesagt hat, hatte ich den Eindruck, dass das nicht einmal die eigenen Leute richtig geglaubt haben. Ich werde es mir erlauben, in den Ausschusssitzungen bei dem einen oder anderen einmal nachzufragen und das einmal auf den Prüfstand zu stellen. Das wird nämlich hochinteressant werden.