Protocol of the Session on April 15, 2005

Ein letztes Beispiel: befristeter Vertrag. Eine Softwarefirma stellt einen 55-jährigen Informatiker befristet auf zwei Jahre ein. Danach wird er nicht fest angestellt, sondern die Befristung wird verlängert. Der Mitarbeiter klagt. Er gibt an, befristete Verträge der jüngeren Kollegen dürften auch nur mit Sachgrund verlängert werden.

Die neue Lage: Ein Gericht muss Benachteiligungen aufgrund des Alters vermuten, was für Rot-Grün eine peinliche Sache ist. Denn die gelockerten Befristungsvorschriften für Verträge mit älteren Arbeitnehmern ab 52 Jahren - wir erinnern uns; diese neue Vorschrift ist noch nicht so alt - sind mit Hartz II gerade in das Ge

setzbuch gekommen mit dem Ziel, deren Beschäftigungschancen zu erhöhen. Wird der Widerspruch nicht aufgelöst, dürfte er sämtliche Arbeitsgerichtsinstanzen beschäftigen.

Ist dieses Gesetz - nur anhand dieser Beispiele geprüft - ein Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung? Ich sage nein. Deshalb muss alles dafür getan werden, dass dieses Gesetz nie Realität wird. Wir müssen dies verhindern. Ich bitte auch um Zustimmung bei der SPD, die Mitverantwortung trägt für das, was Rot-Grün auf Bundesebene tut.

(Zustimmung bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende meiner Rede sehr gern.

Für alle, die den Rechtsstaat nicht für überflüssig, sondern in einer freiheitlichen Gesellschaft für wesensimmanent und wichtig erachten, muss auch ein weiteres Problem eine ganze große Rolle spielen: die Umkehr der Beweislast. Bislang ist es so, dass Ihnen im Rechtsstaat nachgewiesen werden muss, dass Sie eine Verfehlung, den Bruch einer Rechtsform begangen haben. Kann Ihnen das nicht nachgewiesen werden, sind Sie als unschuldig festzustellen. Hier ist es anders herum: Sobald jemand glaubhaft mitteilt, dass er benachteiligt, diskriminiert wurde, muss nunmehr der Beschuldigte nachweisen, dass er nicht diskriminiert hat.

Vor einiger Zeit kam ein Personalchef einer größeren Firma hier aus der Region zu mir und sagte: Stellen Sie sich mal vor, was wir jetzt überlegen. - Ich sagte: Was denn? - Wir überlegen, ob wir jetzt hier investieren oder in der Nähe von Prag. - Da lobt man erst einmal den hiesigen Standort. Ich sagte dann: Wieso denn? - Es liegt einfach daran: Für das, was wir vorhaben, brauchen wir 40 bis 50 neue Mitarbeiter. - Das ist wunderbar, dachte ich, es gibt keinen schöneren Platz als hier. Er sagte: Stellen Sie sich mal die Personalgespräche nach dem Antidiskriminierungsgesetz vor. Wir überlegen jetzt - wenn wir das durchkriegen im Konzern, dass wir hier investieren -, ob wir beim Personalgespräch die Videokamera laufen lassen und einen Notar daneben setzen, weil wir Sorge haben, dass wir uns Monate später vor Gericht von den bei den Bewerbungsgesprächen Unterlegenen auf eine Klage einstellen müssen.

Im Zweifelsfall geht die Entscheidung zulasten des Standortes Deutschland und zulasten einer möglichen Beschäftigung bei uns aus. Dies ist nicht zu akzeptieren, muss verhindert werden.

Ich will an dieser Stelle nicht nur einen Appell an die SPD los werden, dies zu verhindern, weil ich weiß, dass eine große Anzahl von Sozialdemokraten dieses Gesetz auch nicht will. Ich darf hierzu die Bundesministerin Zypries zitieren, die sich ebenfalls für eine enge 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie aussprach. Wörtliches Zitat:

„Wir sollten im Auge behalten, dass nicht jede unangemessene Verhaltensweise sofort eine Antwort des Gesetzgebers erfordert.“

Doch die Grünen haben es gefordert, und wieder einmal sind die Sozialdemokraten eingeknickt und haben das umgesetzt, was die Grünen auf Bundesebene wollen.

Ein weiterer Appell geht an die Arbeitgeber. Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse vernommen, was Herr Hundt, BDA-Chef, zu diesem Thema gesagt hat.

Allerdings muss ich daran erinnern - ich will das nicht als Schelte betreiben, aber ich muss es ja an dieser Stelle erst einmal sagen -, dass auch die Arbeitgeber mit Verantwortung tragen für all das, was wir manchmal an Bürokratie beklagen. Denn ein Großteil der Rechtsnormen, die wir hier umsetzen müssen, die dann als Bürokratie beschimpft werden, sind ursächlich darauf zurückzuführen, dass die Sozialpartner auf europäischer Ebene, also die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften, Rahmenabkommen und Vereinbarungen schließen. Diese werden dann in EU-Richtlinien umgesetzt, dann in nationales Recht. Insofern bitte ich auch die Arbeitgeberverbände, frühzeitig auf solche Dinge Acht zu geben und sie nicht leichtfertig zu unterzeichnen.

Darüber hinaus können wir uns darauf einstellen, dass wir auf Bundesebene nach den Plänen der Bundesregierung mit der Einrichtung einer so genannten Antidiskriminierungsstelle zu rechnen haben und dass auf EUEbene die so genannte Antidiskriminierungsbehörde dort entstehen soll, wo die Antirassismuszentrale in Wien angesiedelt ist, die derzeit schon 30 Mitarbeiter und einen 7-Milionen-€-Etat hat. Das heißt zusätzliche Behörden, zusätzliche Beschäftigung einiger Leute, die sich mit Bürokratie und mit der Verhinderung von Arbeitsplätzen und Beschäftigung in Deutschland befassen werden. Auch das muss verhindert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein letzter Punkt ist noch zu erwähnen, weil dies auch eine Frage der grundsätzlichen Betrachtungsweise ist. Das Ganze ist schon eine ideologische Frage eines Staats- und Wirtschaftsverständnisses, das hier zutage gefördert wird. Aber stellen Sie sich einmal vor, wenn jetzt mit diesem Gesetz noch eine Regelung kommt, die de facto durch die Hintertür eine Art Verbandsklagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften vorsieht. Denn es ist nicht nur das Szenario angedroht, das ich mit den vier Fällen kurz beschrieben habe, sondern selbst wenn ein unterlegener Bewerber sich nicht diskriminiert fühlt, kann zum Beispiel der Betriebsrat - so ist es jetzt beabsichtigt und im Gespräch - oder die Gewerkschaft Klage erheben.

(Zurufe von der SPD)

- Es ist zwar momentan raus, aber es ist noch lange nicht verabschiedet. Und es steht im Entwurf vom Dezember drin. Momentan haben wir noch kein Gesetzgebungsverfahren.

Mit diesem Verbandsklagerecht war beabsichtigt, dass, obwohl gar keine Diskriminierung angezeigt war, Dritte, Verbände aus welchen Gründen auch immer einen Arbeitgeber, der hier Jobs schaffen will, vor das Gericht zerren können wegen einer vermeintlichen Diskriminierung, die persönlich gar keiner gespürt hat.

(Herr Tullner, CDU: Unglaublich!)

Ich klage das nicht an, weil das bereits beschlossenes Recht ist, sondern ich klage dies vor dem Hintergrund dieses „Show-Job-Gipfels“, der in Berlin stattfand, an. Wie kann jemand öffentlich vorgeben, sich für mehr Beschäftigung und für mehr Investitionen einzusetzen und dann so etwas im Entwurf eines Gesetzes dulden?

Das ist unverantwortlich und macht deutlich, auf welchem Pfad sich SPD und Grüne auf Bundesebene be

finden. Das muss verhindert werden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gürth. Es gibt Nachfragen von Dr. Eckert, von Dr. Köck und von Frau Grimm-Benne. - Herr Dr. Köck zieht seine Frage zurück. Herr Dr. Eckert, bitte sehr.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass in verschiedenen Ländern Antidiskriminierungsgesetze existieren, insbesondere in Kanada, in den USA und Australien? Ich beziehe mich vor allen Dingen auf das amerikanische Antidiskriminierungsgesetz, welches wesentlich restriktiver und stärker bewehrt im Sinne von Bestrafung ist als das, was die rot-grüne Koalition vorgelegt hat. Sind Ihnen aus diesen Ländern die von Ihnen beschriebenen Auswirkungen in irgendeiner Form bekannt? Dieses Gesetz gibt es seit ca. 15 Jahren. Ist Ihnen da irgendetwas von dem bekannt, was Sie beschrieben haben?

Sehr geehrter Herr Kollege, ich will gern Ihre Frage beantworten. Wir haben Antidiskriminierungsrechtsnormen in vielen Ländern dieser Erde. Ich habe vorhin ein Beispiel gebracht, wie die EU-Richtlinie zum Beispiel in Europa umgesetzt wird. In Österreich wird sie im Verhältnis 1 : 1 nach den drei Kriterien, die in den entsprechenden EU-Richtlinien gefordert sind, umgesetzt. Darüber hinaus noch Antidiskriminierung gesetzlich schützen zu wollen zum Beispiel hinsichtlich der geschlechtlichen Neigung, des Alters, anderer Tatbestände oder Sachverhalte, geht aus meiner Sicht viel zu weit. Das ist Punkt 1. Eine Umsetzung im Verhältnis 1 : 1 würden wir auch nicht beklagen.

Bei den Ländern, die Sie als Beispiel nannten, weist Ihr Vergleich einen wesentlichen Mangel auf. Bei den Ländern, die eine solche Rechtsnorm haben, ist Folgendes festzustellen: Es ist ein wunderbares Programm der Lotterie für Leute, die eine Chance haben, mit einem guten Anwalt schwerreich zu werden, indem sie eine vermeintliche Diskriminierung bei einem großen Konzern anklagen. Das führt dazu, dass sich diese Unternehmen mit Heerscharen von Juristen darauf eingestellt haben, so etwas zu verhindern, weil man nach dem Rechtssystem in den USA - das ist anders als das unsrige - mit anderen Strafen zu rechnen hat. Dort dient der Sühnefall als Maßstab. Im Geleitzug damit ist der wesentliche Unterschied zwischen den Gesetzen in den USA und Kanada, auf die Sie abzielen, und dem, was wir in Deutschland und unseren Nachbarländern haben, dass dort ein ganz anderes Arbeits- und Sozialrecht vorherrscht.

(Herr Bischoff, SPD: Das ist wohl wahr!)

Die Folgen sind ganz anders. Die haben zunächst einmal gar nicht so hohe Hürden, um in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Das Problem, das wir hiermit haben, ist wirklich ein grundsätzliches Problem, nämlich wie ist die Denkweise derer, die so etwas aufschreiben. Mit vermeintlichen guten Absichten - ich unterstelle der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion nichts Böswilliges -, die man verfolgt, zieht man die Mauern um die Betriebe herum immer höher.

Die Anzahl derer, die durch die kleinen Tore herausfallen, die wir jetzt im deutschen Arbeitsrecht haben, wird immer größer. Mit den höheren Mauern, also mit dem vermeintlichen Schutz, den wir beabsichtigen, verringern wir die Chancen derer, die einen berechtigten Anspruch darauf haben, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

Machen Sie sich einmal die Mühe, sich nicht in den Chef der Firma Daimler-Chrysler oder in den Chef der Deutschen Bank Herrn Ackermann hineinzuversetzen, sondern in den Handwerksmeister an der Straßenecke, der sieben bis zehn Beschäftigte hat.

(Zuruf von Herrn Maertens, CDU)

Versetzen Sie sich in seine Situation. Er bekommt keine teure Abfindung, bei der er Millionär oder Multimillionär wird, wenn er Mist baut, sondern er haftet mit dem Häuschen seiner Oma, wenn er zum Konkursrichter muss. Er überlegt sich genau, ob er noch einmal jemanden einstellen kann. Er überlegt jetzt schon dreimal, stelle ich jemanden ein, wenn er ein bestimmtes Alter hat, stelle ich jemanden ein, wenn er eine Behinderung hat.

Uns geht es darum, die Mauern eher niedriger zu bauen, damit die Angehörigen solcher Gruppen mehr Chancen haben, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Denn diese Schutzmechanismen, beispielsweise der Kündigungsschutz, kehren sich in unserer heutigen Zeit um. Sie schützen nicht mehr, sondern sie verhindern die Beschäftigung derer, die einen Anspruch auf Beschäftigung haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Gürth. - Frau Grimm-Benne, Ihre Frage steht noch aus. Bitte sehr.

Herr Gürth, ist Ihnen bekannt, dass in dem Gesetzentwurf vom April 2005 - das war nach dem Job-Gipfel - und auch in dem vom Dezember nichts von einer Beweislastumkehr stand? Ist Ihnen bekannt, was man jetzt für eine Möglichkeit hineingeschrieben hat?

Der zweite Punkt: Ist Ihnen bekannt, dass das Verbandsklagerecht der Gewerkschaften auch nicht mehr drinsteht? Sie müssten mir erklären, wie Betriebsräte - sie unterliegen dem Betriebsverfassungsgesetz - ein Verbandsklagerecht nach Ihren Vorstellungen ausüben könnten. Denn meines Wissens dürfen das Betriebsräte gar nicht.

Sehr verehrte Frau Kollegin Grimm-Benne, ich hatte anhand dieses Beispiels versucht zu erläutern, dass dieses Gesetz vor allem deutlich macht, in welche Richtung die rot-grüne Koalition denkt, während der Kanzler öffentlich darüber fabuliert, was man so alles tun könnte, um mehr Beschäftigung zu schaffen. Auf der einen Seite wird von Steuererleichterungen und von der Stärkung des Standortes Deutschland geredet, auf der anderen Seite versucht man ein bürokratisches Monster, eine Hürde nach der anderen aufzurüsten.

Sie haben nach dem so genannten Job-Gipfel an dem ersten Entwurf, also dem Entwurf vom Dezember, den ich kenne - ich glaube, er war vom 17. Dezember 2004 - nochmals 40 Veränderungen vorgenommen. Wenn man

sich aber ansieht, was trotz dieser 40 Veränderungen - nicht Wegnahmen - übrig bleibt, macht das deutlich: Das Ergebnis, das jetzt auf dem Tisch liegt, ist immer noch inakzeptabel, weil es das falsche Signal ist, weil es Beschäftigung verhindert und weil es keinen Beitrag zu mehr Investitionen und mehr Beschäftigung leistet.

(Frau Grimm-Benne, SPD: In Absprache mit Ih- nen!)

Alles, was Investitionen und Beschäftigung verhindert, hat jetzt zurückzustehen, weil wir in Deutschland kein massives Problem der Diskriminierung, sondern das Problem der Arbeitslosigkeit haben, und dieses ist vorrangig zu bekämpfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Zweitens. Mir geht es darum, noch einmal deutlich zu machen, dass wir alle, die wir hier sitzen, uns fragen müssen, wessen Geistes Kind diese Leute sind, die so etwas aufschreiben. Wie kann man sich angesichts dieser hohen Anzahl von Arbeitslosen, die wir zu beklagen haben, ganz locker an den grünen Tisch setzen und überhaupt ein solches Gesetz mit der Zielstellung der Verabschiedung aufschreiben?

Der Kanzler wollte es nicht, die Justizministerin wollte es nicht, aber die Grünen haben sich in der Koalition durchgesetzt. Herr Scholz, bei Ihnen in der SPD-Bundestagsfraktion der Verhandlungsmanager, hat dies alles mitgemacht. Das Ergebnis ist ein verheerendes Signal. Es verhindert Beschäftigung und Investitionen und muss aus diesem Grund abgelehnt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Es gibt noch eine weitere Nachfrage von Frau GrimmBenne und eine Frage von Herrn Czeke.

Herr Gürth, wie gedenken Sie als CDU-Fraktion das EURecht, das uns das Antidiskriminierungsgesetz auferlegt, umzusetzen? Wie, meinen Sie, will denn Tschechien - Tschechien gehört auch in die EU - das Antidiskriminierungsgesetz einführen? Was würden Sie denn für eine Regelung vorschlagen, wenn Sie meinen, es sei der falsche Zeitpunkt?