Protocol of the Session on December 17, 2004

(Unruhe bei der CDU)

Sie prognostizieren einen Nachfrageschub, der zur Erhöhung der Anzahl der Arbeitsplätze führt. Ich glaube, ich brauche nicht näher auf die inhaltlichen Dinge einzugehen. Die Professoren haben ihr Modell in den einzelnen Fraktionen vorgestellt. Es wäre unsinnig, das noch einmal breit auszuführen. Es gibt Nachfragen. Es gibt Kritik und Skepsis. Soweit ich weiß, gibt es in allen Fraktionen unterschiedliche Auffassungen dazu.

Wir fanden es natürlich spannend, unterschiedliche Auffassungen seitens der Regierungsfraktionen zu hören. Herr Steinecke hat für den Fachausschuss Wirtschaft gesagt: Ganz toll, das müssen wir unbedingt machen. - Herr Rehberger hat schon vor der Kabinettsbefassung gesagt: Ich will das lieber nicht, gefällt mir nicht, halte ich nicht für sinnvoll. - Der Ministerpräsident hat gesagt: Wir unterstützen die beiden Professoren, wenn es an den Bund geht. Wir werden sehen, ob der Bund dazu ja sagt.

Ich denke, wir sollten uns darüber im Ausschuss detaillierter informieren. Ich weiß, dass die Landesregierung - sie hat es in einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums schon bekannt gegeben - dazu eine Anhörung durchführen wird. Ich glaube, dass die Kollegen der Koalitionsfraktionen einen Vorschlag machen werden, wie man mit dem Antrag umgeht, dem wir dann auch zustimmen können.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Frau Budde, für die Einbringung. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen worden. Zunächst wird für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft und Soziales Herr Dr. Rehberger sprechen.

Für Wirtschaft und Arbeit - aber egal; nur damit es keine Regierungskrise gibt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Niedriglohnsektor ist ohne jeden Zweifel der schwierigste Teil des deutschen Arbeitsmarktes. Wenn zum Beispiel Professoren oder andere kommen und sagen, sie haben eine Idee, wie man 1,8 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen kann, dann ist das eine sehr interessante Sache.

Ich möchte mich allerdings nicht im Einzelnen zu diesem Konzept äußern - dazu ist öffentlich schon einiges gesagt worden -, sondern ich möchte darauf verweisen - Frau Budde hat es in gewissem Umfang schon getan -, dass am 28. Februar 2005 ein Kolloquium anberaumt ist, an dem die Bundesregierung mit einem Staatssekretär aus dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit genauso beteiligt sein wird wie die Bundesagentur für Arbeit mit mehreren Repräsentanten, Wirtschaftswissenschaftler aus Sachsen-Anhalt und anderen Teilen der Bundesrepublik und nicht zuletzt die beiden Herren Professoren Schöb und Weimann.

Selbstverständlich wird zu diesem Kolloquium das Präsidium des Forums für Wirtschaft und Arbeit eingeladen, das bedeutet, die Kammern und Verbände der Wirtschaft und der DGB. Aber wir werden zu diesem Kolloquium auch den gesamten Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Landtages einladen. Alle werden, nachdem bestimmte Statements abgegeben worden sind, über das Konzept diskutieren können, wobei in der Tat die Position der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit von überragender Bedeutung ist; denn sie sind diejenigen, die es im Zweifelsfall umsetzen müssen, und sei es auch nur in Form eines Tests.

Ich meine, es ist sinnvoll, dass der Antrag der SPD-Fraktion in den Wirtschaftsausschuss überwiesen wird und dass man sich nach dem Kolloquium im Wirtschaftsausschuss darüber unterhält, ob weitere Schritte geboten sind. Ich glaube, dass wir auf dieser Basis dem Antrag gerecht werden. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Gürth sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion spricht sich für eine Überweisung des SPD-Antrages in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit aus. Wir hätten jetzt auch sagen können, wir lehnen ihn ab, weil er überflüssig ist, weil die Landesregierung an dem Thema dran ist. Aber wir tun dies nicht - nicht weil jetzt Weihnachtsfriede einziehen soll, sondern weil das Thema wichtig ist.

Bei so vielen Arbeitslosen, wie wir sie im Land haben, müssen wir möglichst gemeinsam zusehen, dass man sich mit den Ideen, die ernst zu nehmen sind, umfassend beschäftigt. Das Modell, die Magdeburger Alternative der Professoren Weimann und Schöb, ist, soweit ich weiß, bereits in allen Fraktionen dieses Hauses vorgetragen worden. Insofern braucht man nicht so sehr auf die Details einzugehen.

Wichtig zu erwähnen ist vor allem der Umstand, dass sich der Vorschlag mit der Gruppe der Arbeitslosen beschäftigt, die die geringsten Chancen auf Vermittlung haben. Das sind diejenigen, die die geringsten Zukunftschancen haben und kaum Chancen haben, mit eigener Hände Arbeit ihren Unterhalt zu verdienen und ihre Familien zu ernähren. Wir haben in Deutschland 2,2 Millionen Beschäftigte in den unteren Lohngruppen. Diese befinden sich insbesondere im Fokus der Magdeburger Alternative. Und wir haben in Deutschland 3,4 Millionen ALG-II-Empfänger ohne Berufsabschluss. Diese haben die geringsten Chancen auf einen Job.

Das Problem ist, dass, während in anderen Ländern in Europa bei Konjunkturzyklen, die immer wieder einmal positiv verlaufen, die Sockelarbeitslosigkeit saisonal oder über einen längeren Zeitraum abgebaut wird, in Deutschland selbst bei einem konjunkturellen Aufschwung die Sockelarbeitslosigkeit in den letzten 30 Jahren nicht ein einziges Mal nennenswert zurückgegangen ist.

Vor diesem Hintergrund sind wir alle gut beraten, uns mit diesem Modell zu befassen. Wir wissen wohl: Es gibt Probleme mit dem so genannten Drehtüreffekt und den so genannten Mitnahmeeffekten, die zu verzeichnen sind. Aber wir sind sehr gespannt auf die Veranstaltungen und das Kolloquium, das das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit organisiert. Wir werden als Ausschuss beteiligt, als Abgeordnete auch. Ich bedanke mich für die Initiative der SPD. Wir werden an dem Thema dran bleiben. - Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zu- ruf von Herrn Dr. Polte, SPD)

Frau Rogée wird für die PDS-Fraktion sprechen.

Wir unterstützen die Initiative ebenfalls. Ich würde meine Rede gern zu Protokoll geben.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

(Zu Protokoll:)

„Magdeburger Alternative“ klingt gut und macht Hoffnung darauf, dass es zur miserablen Situation auf dem Arbeitsmarkt Alternativen gibt. Das ist gut so. Dem gegenüber steht ein breiter Versuch, mit dem ALG II Erwerbslose zu fordern und zu fördern.

Viele Alternativen und Modellversuche, die Arbeitsplätze schaffen sollten, sind in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht worden. Dazu gehörten das Mainzer Modell, PLUS Lohn aus Duisburg, das Einstiegsgeld, der rheinland-pfälzische Kindergeldzuschlag und andere. Alle hatten den Zweck, Leistungsempfänger arbeitswillig zu machen, für die sich die Annahme einer gering bezahlten Arbeit sonst nicht lohnt.

Die Magdeburger Alternative hat offenbar einen anderen Ansatz; damit soll sie sich von allen vorherigen Modellen unterscheiden.

Drei Botschaften der Autoren; sie sagen erstens: Wir haben kein konjunkturelles Problem, sondern ein Strukturproblem. Zweitens: Wir haben ein dauerhaftes Problem - der Arbeitsmarkt leidet an einer chronischen Krankheit. Drittens: Beide Seiten des Arbeitsmarktes, sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite, haben ein Problem. Nur wenn gleichzeitig die Probleme der Arbeitsanbieter gelöst werden und dafür Sorge getragen wird, dass der Preis für die Nachfrager deutlich sinkt, wird der Arbeitsmarkt wieder auf die Beine kommen - so die Autoren.

Deshalb ist ihr Vorschlag, für gering qualifizierte Erwerbslose steuersubventionierte Arbeitsplätze zu schaffen - bei Orientierung an Lohnuntergrenzen, die durch unterste Tarifeinkommen fixiert sein sollen.

Ihr Beispiel: 1 500 € als Lohn oder Gehalt für einen Arbeitsplatz. Die für Sozialhilfe bisher gezahlten Durchschnittssummen von 624,29 € sollen aufgestockt auf 633 € für die Lohnsubventionierung von Unternehmen eingesetzt werden, für die Abgeltung der Sozialabgaben, der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Weiter gehen die Autoren davon aus, dass die 633 € der Bund tragen muss. Die Sozialkassen werden durch dieses Modell gestärkt, ist ihre Einschätzung.

Da fallen mir natürlich die Versprechen ein, welche Effekte die Einführung der Minijobs ab April 2003 bringen sollte. Tatsache ist, dass über 500 000 reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weggefallen sind und die Minijobs mit viel geringeren Abgaben um über 500 000 zugenommen haben. Auch der Anteil der Erwerbslosen in unserem Land ist im Oktober auf 248 000 gestiegen; dem gegenüber stehen nur 5 457 freie Stellen. Das bedeutet, es kommt auf 45 Erwerbslose eine freie Stelle.

Auch das gehört zur Wahrheit: Wir haben ein riesiges Problem bei der Nachfrage - und auch das interessanteste Modell kann die Zahl der verfügbaren Stellen nicht vergrößern. Aber genau das ist zur Überwindung unserer gigantischen Beschäftigungslücke notwendig.

Deshalb möchte ich auf einen Brief der Bauindustrie aufmerksam machen. Sie, die Bauindustrie, wendet sich in großer Sorge an uns, keinen weiteren steuerfinanzierten Arbeitsmarkt zuzulassen. Sie fordert uns auf, investitions- und beschäftigungsfreundliche Rahmenbedingungen zu stärken und das vorhandene Innovations- und Wertschöpfungspotenzial zu aktivieren. Weiter heißt es:

„Die marktwirtschaftlichen Grundwerte wie Wettbewerb, Eigentum und Individualverantwortung müssen wieder stärker in den Fokus gesamtgesellschaftlichen Handelns gerückt werden. Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt können dann durch unternehmerische Initiative entstehen.“

Bei der Magdeburger Alternative sehe ich die Gefahr, dass mit dem Anreiz, bestehende Jobs durch zusätzliche Jobs in steuerfinanzierte Arbeit zu verwandeln, reguläre tariflich bezahlte Arbeit weiter verdrängt wird. Und unter den Unternehmen wird es eine weitere Verschiebung des Wettbewerbs geben. Erfahrungen zeigen, Lohnsubventionierung hat in der Vergangenheit eben nicht zur Lösung des Beschäftigungsproblems geführt. Um im Sprachgebrauch der Autoren zu bleiben: Lohnsubventionierung ist so, als würde man Lungenkrebs mit Nasenspray behandeln.

Leider werden unsere gesellschaftspolitischen, wirtschaftspolitischen und arbeitsmarktpolitischen Probleme in Schachteln betrachtet und bewertet; das ist, so finde ich, verantwortungslos und verklärt den Blick für die Realität.

Die PDS-Fraktion will sich in der nächsten Zeit sehr intensiv mit den Problemen und Zusammenhängen des Niedriglohnsektors befassen. Wir wollen dazu auch mit Ihnen, den Fraktionen, sowie mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern ins Gespräch kommen. Dazu bereiten wir für den 6. April 2005 eine Konferenz vor. Auch wir haben nach bereits erfolgter Debatte mit den Autoren der Magdeburger Alternative noch einige Fragen.

Unsere Fraktion besteht aus sehr neugierigen Menschen und will, dass dieses Land für die Menschen lebenswert ist und leibt. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD-Fraktion.

Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Röder.

(Frau Röder, FDP: Ich verzichte und bin für Über- weisung!)

- Frau Röder verzichtet.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Frau Budde, Sie haben die Möglichkeit zu erwidern. - Frau Budde möchte nicht erwidern.

Es wurde eine Ausschussüberweisung beantragt. Eigentlich ist der Inhalt des Antrags schon die Ausschussüberweisung selbst.

(Herr Gürth, CDU: Wir überweisen den Antrag! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Eigentlich müsste über den Antrag als solchen abgestimmt werden, da er zum Inhalt hat, dass darüber im Ausschuss diskutiert wird.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ich würde also über den Antrag abstimmen lassen. Wer dem Antrag in der Drs. - -

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Nein! - Frau Röder, FDP: Nein!)

- Bitte, Frau Dr. Hüskens.

Entschuldigung, Frau Präsidentin. Die Sprecher haben sich darauf verständigt, dass sie den Antrag in den Wirtschaftsausschuss überweisen wollen, um sich dort über die weitere Verfahrensweise zu verständigen.

Gut. Dann soll der Antrag in den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden, um darüber zu reden, wie man darüber redet.