Protocol of the Session on November 12, 2004

Ja oder nein?

Wir fördern schon Wachstumskerne.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frau Bud- de, SPD: Übel!)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Nun spricht Herr Dr. Thiel für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Rehberger, Herr Gürth, ich würde Sie gern zu einer Kaminstunde einladen, in der wir uns über das

Thema Wirtschaftspolitik in der Ganzheitlichkeit im Sinne von Günter Mittag unterhalten können.

(Heiterkeit bei der PDS)

Ich kann Ihnen dazu eine ganze Reihe lehrreicher Erfahrungen vermitteln, was die Betrachtungsweise zu diesem Thema betrifft. - Aber zurück zum eigentlichen Gegenstand.

Wir als PDS-Fraktion haben vor genau einem Jahr unser Konzept zum Thema „Reform der Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt“ auf den Tisch gelegt und in der Folgezeit eine ganze Reihe von sehr interessanten Diskussionen mit Verbänden und Kammern geführt. Kurz danach legten wir unsere Thesen zur Entwicklung der ländlichen Räume auf den Tisch. Seit September beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den Fragen der Innovation und Bildung als Zukunftsanker für Sachsen-Anhalt.

In diesem Jahr hat die SPD-Fraktion ihre BB-Papiere auf den Tisch gelegt, also die Bullerjahn-Budde-Papiere. In die öffentliche Debatte kam der Beitrag von Frau Hüskens und seit vorgestern haben wir von der CDU-Fraktion ein farbenfrohes Material mit dem Titel „SachsenAnhalt kommt voran“ vorliegen.

Nachdem wir uns nun in der üblichen parlamentarischen Manier mit Pressemeldungen gegenseitig abqualifiziert haben, sollten wir langsam dazu übergehen, mit aller Ernsthaftigkeit die unterschiedlichen Dinge zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Unter diesem Gesichtspunkt haben wir den Antrag der SPD-Fraktion verstanden. Deshalb unterstützen wir als Fraktion der PDS, dass wir uns darüber im Wirtschaftsausschuss verständigen.

Wir haben es auch heute wieder von unserem Minister gehört: Opposition, was wollt ihr eigentlich, das Leben schreitet doch auch ohne euch ganz gut voran und wir brauchen keine langwierigen Debatten dazu. - Dazu muss ich Ihnen sagen, lieber Herr Minister Rehberger: Diese Hemdsärmligkeit, die im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit an den Tag gelegt wird, ist durchaus nicht erfolglos. Das wollen wir gar nicht abstreiten. Wir sind aber der Auffassung, dass es nicht ausreicht, nur kurzfristig zu denken, sondern es ist erforderlich, dass wir langfristige Strategien entwickeln. Solche Vorgehensweisen, wie Sie sie momentan an den Tag legen, reichen vielleicht bis zur nächsten Landtagswahl, aber auf keinen Fall darüber hinaus.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Bul- lerjahn, SPD)

Die entscheidende Frage, vor der wir stehen, ist doch: Was müssen wir tun, um in Sachsen-Anhalt den Prozess einzuleiten, damit wir zu einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung kommen?

(Beifall bei der PDS - Zuruf von der CDU)

Mit den bisherigen Konzeptionen, die wir im Haushalt vorgelegt bekommen haben, erreichen wir das nicht. Dieses Schritttempo erreichen wir nicht.

(Beifall bei der PDS - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Das ist genau die Kritik, an der wir ansetzen. Natürlich hat die Forderung nach einem Leitbild eine gewisse

Logik. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Gerade deshalb, weil die Gestaltungsspielräume immer weiter schrumpfen, sind Visionen und ähnliche Dinge durchaus notwendig.

Altkanzler Schmidt hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Aber ich denke, als Politiker sollten wir diese vielleicht ironisch gemeinte Bemerkung anders auffassen und uns tatsächlich mit Fachleuten zusammensetzen. Selbst wenn Sie, Herr Minister Rehberger, sagen, aus Ihrer Sicht sei diese oder jene Entscheidung so zu fällen, wie Sie sie fällten, dann heißt das noch nicht, dass Sie damit Recht haben. Wir wollen den Meinungsstreit in den Fraktionen bzw. in den Ausschüssen des Landtages darüber führen, welches der richtige Weg ist, den wir im Land Sachsen-Anhalt beschreiten müssen. Dazu sollten wir uns Sachverstand von außen holen.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Die spannende Frage betrifft tatsächlich den Bereich der Cluster. Frau Budde hat sie aufgeworfen und Sie haben dazu etwas gesagt. Macht es wirklich Sinn, in den Förderzentren oder den Cluster-Zentren höhere Fördersätze zu geben, um dort noch mehr anzulocken? Oder reicht die Anziehungskraft aus, die die Cluster haben? Kann man auch mit abgesenkten Fördersätzen arbeiten? Oder wie behandelt man zum Beispiel Erweiterungsinvestitionen? Gebe ich die Fördermittel für die dritte, vierte oder fünfte Erweiterung nur unter dem Aspekt, Arbeitsplätze zu schaffen und weitere Dauerarbeitsplätze zu sichern, auch an einen stabilen und zuverlässigen Unternehmer? Oder sage ich, wer das dritte oder vierte Mal in seinen Bereich investieren kann, der hat sich am Markt erfolgreich etabliert und braucht keine staatlichen Subventionen mehr?

(Beifall bei der PDS)

Das sind doch die Fragen, Herr Minister Rehberger, über die wir streiten wollen. In diesem Sinne habe ich den Antrag der SPD-Fraktion verstanden.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Ich habe doch noch gar nicht geantwortet!)

- Sie haben es für sich beantwortet, aber ob das sozusagen die endgültige Wahrheit ist, das ist genau das, was wir über den Antrag der SPD-Fraktion im Ausschuss herausfinden wollen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD-Fraktion. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Schrader das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ziemlich amüsant. Aber zum Thema. - Eine Neuorientierung der Wirtschaftsförderung im Land Sachsen-Anhalt sei notwendig, schreibt die SPD-Fraktion in ihrem Antrag. Die Wirtschafts- und Förderpolitik sei ineffektiv und intransparent und Erfolge der Wirtschaftsförderung bis auf Arneburg seien, volkswirtschaftlich betrachtet, ausgeblieben. Es gebe keine klaren Richtlinien für die Vergabe von Fördermitteln. Deshalb müsse ein Leitbild her.

Solche und ähnliche Äußerungen von Frau Budde haben wir in den letzten Tagen vielfach aus der Zeitung

vernommen. Heute haben wir das theoretische Konzept der SPD-Fraktion gehört. Aber zu dem Antrag, Frau Budde, haben Sie bis auf Nr. 2 eigentlich nichts gesagt. Es gehört nämlich ein Gesamtkonzept dazu und nicht nur das Thema der Ausgestaltung der GA-Richtlinien.

Wer so etwas sagt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Realität nicht erkannt zu haben oder nicht erkennen zu wollen. Wenn sich seit dem Jahr 2002 beim Image und bei den harten Wirtschaftsdaten überhaupt nichts bewegt hätte, würde ich Ihnen vollkommen Recht geben, dann müssten wir das auf den Prüfstand stellen. Aber es ist nicht so. Das Land Sachsen-Anhalt hat in den letzten zwei Jahren entgegen dem Trend in der Bundesrepublik und insbesondere in Ostdeutschland bei wichtigen volkswirtschaftlichen Parametern aufgeholt. Ich will es ganz kurz machen, weil Sie sagen, das haben Sie schon so oft gehört und können es nicht mehr hören, aber es stimmt.

(Herr Bullerjahn, SPD: Nein, nein, machen Sie ruhig!)

- Das mache ich.

Im Wirtschaftsranking ist Sachsen-Anhalt im Bereich Dynamik von Platz 12 auf Platz 4 vorgerückt. Zuwachs bei Industriearbeitsplätzen entgegen dem allgemeinen Trend, Zuwachsquoten im produzierenden Gewerbe, die höher sind als woanders, und das Thema der Arbeitslosenquote sollte man nicht kleinreden. Wir hatten in Ihrer Regierungszeit nicht einen einzigen Monat, in dem wir nicht Letzter waren. Jetzt sieht das doch bedeutend anders aus.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das sind Ergebnisse, die zählen.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

- Ja, bitte, haben Sie etwas vorzuweisen aus Ihrer Zeit?

(Frau Bull, PDS: 0,1 % sind bedeutend? Da hauen wir uns doch die Taschen voll!)

- Sie sollten die Zeitung besser lesen. Das war der Vormonat. Mit Ihrer Philosophie sind Sie noch weiter zurück. Wir leben jetzt.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS - Frau Bull, PDS: Wir sollten uns ernst nehmen!)

- Ja, wir sollten uns ernst nehmen und Aussagen treffen, die auf Daten und Fakten beruhen und tatsächlich stimmen und keine Scheingefechte führen.

Meine Damen und Herren! Wir sind überhaupt noch nicht zufrieden mit dem Erreichten, das wissen Sie. Es gibt aber unverkennbare Fortschritte. Wir sind auf dem richtigen Weg und insbesondere der Imagewechsel, den wir vollzogen haben, ist wichtig. Dahinter steht auch ein Konzept.

Nun kommen Sie von der Opposition und fordern ein Leitbild à la SPD für die Wirtschaftsförderung, weil dieses Leitbild notwendig ist, damit es wirtschaftlich endlich vorangeht.

Meine Damen und Herren! Dazu fehlt mir jedes Verständnis. Die Resultate aus den Jahren von 1994 bis 2002 und die Resultate der Jahre von 2002 bis 2004 sprechen doch eine deutliche Sprache. Es ist natürlich möglich, dass das wirtschaftspolitische Konzept der Regierungskoalition von der Opposition noch nicht erkannt

wurde. Deshalb möchte ich kurz stichpunktartig darauf eingehen, weil mir die Zeit wegläuft.

Wir haben umgesteuert seit dem Jahr 2002. Wenn Sie das Konzept kennen lernen wollen, können Sie es nachlesen in der Regierungsvereinbarung, in dem Koalitionspapier, in den einzelnen Programmen von CDU und FDP. Aber, wissen Sie, was in Papieren steht und was die Theorie ist, ist die eine Seite,

(Frau Bull, PDS: Genau!)