Protocol of the Session on October 15, 2004

Danke, Herr Abgeordneter Ernst. - Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung ist ein Beweis dafür, dass ohne ein klar umrissenes Leitbild der Landesregierung zur Kreisgebietsreform eine Zukunftsfähigkeit gemeindlicher Strukturen über das Jahr 2015 hinaus und die hoheitlichen Rechte und Aufgaben von Landkreisen gefährdet sind.

Mit diesem Gesetz wird das Parlament aufgefordert, Stellung dazu zu beziehen, welches Recht auf kommunale Selbstverwaltung entsprechend Artikel 87 der Landesverfassung höherrangig ist: das Recht der Gemeinden oder das Recht des Landkreises. Das ist verfassungsrechtlich äußert bedenklich. Ich denke - meine Vorredner haben es schon ausgeführt -, das Landesverfassungsgericht in Dessau wird das sicherlich gewichten.

Natürlich hat sich unsere Fraktion für die freiwilligen Zusammenschlüsse von Gemeinden zur Stärkung ihrer Verwaltungskraft ausgesprochen und bleibt auch bei ihrer Auffassung. Gerade die Problematik um die Stadt Gommern ist noch ein Rudiment aus dem Gesetz zur Kreisgebietsreform aus dem Jahr 1993. Damals standen nicht die Interessen der beteiligten Kommunen im Mittelpunkt der Überlegungen der damaligen CDU-FDP-Regierung - Herr Dr. Polte ist darauf bereits eingegangen -, sondern die eindeutigen Interessen zur Bildung des Regierungspräsidiums Dessau, zu dessen Installation man dringend den Neukreis Anhalt-Zerbst benötigte. Dieser wäre jedoch ohne die Gemeinden des ehemaligen Gemeindeverbandes Gommern mit weniger als 80 000 Einwohnern nicht genehmigungsfähig gewesen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Schkopau, das Herr Polte ebenfalls anmahnte, muss das Parlament, denke ich, irgendwann abschließend entscheiden; denn mit dem Gesetz über die Kreisgebietsreform hat das Parlament klar umrissen, wie die Kreise auszusehen haben, welche Mitgliedsgemeinden sie haben werden. Wenn es hierzu eine Genehmigung gibt, dann ist das Parlament gefordert, das Gesetz aus dem Jahr 1993 zu ändern.

Im konkret vorliegenden Fall unterstützt die PDS-Fraktion die durch den Landkreis erhobenen Forderungen nach einem finanziellen Ausgleich bei Genehmigung des Zusammenschlusses der Gemeinden Dornburg, Ladeburg und Leitzkau mit der Stadt Gommern und der Änderung der Kreisangehörigkeit auf der Grundlage des Artikels 88 Abs. 1 und 2 der Landesverfassung.

In ihrer Begründung weist die Landesregierung aus, dass dem Landkreis Anhalt-Zerbst außergewöhnliche Verluste, die über die Verluste eines - der Minister ging bereits darauf ein - „normalen“ Kreiswechsels hinausgingen, nicht entstehen würden.

Dies scheint, betrachtet man nur diese Entscheidung, plausibel zu sein. Aber dies ist nur auf den ersten Blick der Fall. Der Landkreis weist neben der Verringerung der Einwohnerzahl von 1 812 Einwohnern und der Kreisfläche um 4,8 % einen Verlust von 1 918 400 € aus, welcher vor dem Hintergrund der generell defizitären Haushaltslage in 19 der 21 Landkreise schon eine erhebliche Belastung darstellt. Das ist jedoch nur der finanzielle

Verlust. Fragen der Refinanzierung des Verwaltungspersonals, der Schulentwicklungsplanung, der Kinderbetreuung, des ÖPNV und der Abfallentsorgung einschließlich der Gebührenentwicklung sind dabei noch gar nicht berücksichtigt worden.

Stellt man weitere Änderungsabsichten von Gemeinden, wie die beabsichtigten Eingemeindungen der Stadt Roßlau und der Gemeinden Brambach und Rodleben nach Dessau in Rechnung, entstehen dem Landkreis finanzielle Verlust in Höhe von 17 176 400 €.

Erinnern wir uns an das Wort des Ministerpräsidenten zur Aufrechterhaltung der Kreisfreiheit der Stadt Dessau durch Eingemeindungen. Danach und in Auslegung der diesem Gesetzentwurf beigefügten Begründung kann man davon ausgehen, dass man einer Eingemeindung dieser drei Kommunen keine Hindernisse in den Weg legen wird.

Damit ist der Fortbestand des Landkreises extrem gefährdet; der Landkreis ist nicht mehr in der Lage, entsprechend § 10 Abs. 2 der Landkreisordnung die Leistungsfähigkeit des Landkreises zur Erfüllung seiner Aufgaben zu sichern. Somit wird die verfassungsrechtlich verbriefte Garantie auf kommunale Selbstverwaltung für den Landkreis erheblich beschnitten. Dieser Umstand wird vor dem Landesverfassungsgericht in Dessau sicherlich eine rechtliche Würdigung erfahren.

Vor diesem Hintergrund hat sich unsere Fraktion im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung im Juni 2002 nicht umsonst für eine gleichzeitige Gemeinde- und Kreisneugliederung ausgesprochen.

Um weiteren Gesetzen der Landesregierung zu kreisübergreifenden Gemeindezusammenschlüssen zuvorzukommen, fordern wir die Landesregierung auf, die Genehmigung und den Vollzug von Zusammenschlüssen bis zur Vorlage eines Vorschaltgesetzes zur Kreisgebietsreform auszusetzen.

Die PDS-Fraktion stimmt einer Überweisung in den Innenausschuss federführend zu und beantragt, den Gesetzentwurf zur Mitberatung in die Ausschüsse für Recht und Verfassung sowie für Finanzen zu überweisen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Grünert. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Reichert sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei so viel Übereinstimmung in Bezug auf diesen Gesetzentwurf braucht man nur zu sagen: ab in den Ausschuss und entsprechend entscheiden.

Herr Polte, es ist ein Unterschied, ob Kreise kreisübergreifenden Fusionen zustimmen oder nicht. In Schkopau ist es so; im Landkreis Köthen gibt es auch ein Beispiel, in dem die Gemeinde Cösitz nach Zörbig, also in einen anderen Landkreis, geht. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Wo kein Wille da ist, da muss der Weg erkämpft werden.

Ich möchte trotzdem einige Worte zu dem Gesetzentwurf sagen. Es ist mein Wahlkreis und ich konnte die Dinge hautnah mit erleben. Das Gesetz zur Eingemein

dung in die Stadt Gommern soll zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Es enthält insgesamt zwei Regelungsgegenstände, die in nur drei Zeilen aufgeschrieben worden sind.

Gemäß § 1 werden die Gemeinden Dornburg, Ladeburg und Leitzkau in die Stadt Gommern eingemeindet. Nach § 2 des Gesetzes wird die erweiterte Stadt Gommern dem Landkreis Jerichower Land zugeordnet - mehr nicht.

Die dreiseitige Begründung lässt jedoch das recht kurze, aber - so denke ich - von allen gewollte Gesetzesanliegen, die Eingemeindung dieser drei Orte, etwas sonderbar erscheinen. Dabei ist der vorliegende Gesetzentwurf das Ergebnis jahrelanger Bemühungen der oben genannten Gemeinden, eine Eingemeindung in die Stadt Gommern zu erreichen.

Dieses Vorhaben ist aus zweierlei Gründen zu befürworten. Zum einen hat eine Vielzahl der Bürger in den betreffenden Gemeinden ihren Eingemeindungswunsch dokumentiert, zum anderen haben sämtliche Gemeinden und die Stadträte die Eingemeindung mit Beschlüssen untersetzt. Das ist also ein hohes Maß des gemeinsamen Wollens nach dem Prinzip der Freiwilligkeit.

Auch die Leitbildvorstellungen werden hierbei eingehalten. Es gilt auch der Grundsatz: Einheitsgemeinden haben Vorrang vor der Eingliederung in eine Verwaltungsgemeinschaft.

Meine Damen und Herren! Die betreffenden Verwaltungsgemeinschaften im Landkreis Zerbst haben schnell erkannt, dass beim Weggang der drei Gemeinden ihre jeweiligen VGs ohne eine gemeinsame Grenze kein größeres Verwaltungsamt bilden können - deshalb ihr Protest. Dieses Problem wird gelöst, indem sich die vorhandenen drei nun zu einer Groß-VG formieren werden.

Zum anderen hat auch die Stadt Gommern ihre Hausaufgaben erfüllt, indem sie die Eingemeindung von Dannigkow herbeigeführt hat. Somit haben die Stadt Gommern und die drei Gemeinden dann eine gemeinsame Grenze und eine leistungsfähige Einheit mit mehr als 10 000 Einwohnern geschaffen.

Wer hier der Eingemeindung entgegensteht, ist der Landkreis Anhalt-Zerbst. Auf eine Art ist das verständlich: Wer lässt sich gern etwas wegnehmen, um bei der anstehenden Kreisreform geschwächt als Partner für andere dazustehen. Andere Gemeinden könnten ja dem Beispiel folgen und kreisübergreifend fusionieren wollen. Das ist bereits bei den Gemeinden Brambach und Rodleben der Fall; Roßlau ist auf dem guten Wege dazu, das wichtige Oberzentrum dort zu stärken.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Aber es folgt ein Problem. Der Kreistag führt einen Beschluss herbei, der etwa so lautet: Unser Gemeinwohl ist in Gefahr, nur gemeinsam sind wir stark und wir müssen zusammenhalten - nichts geht mehr.

Wer dem Landkreis Anhalt-Zerbst vorsteht, ist Ihnen wahrscheinlich bestens bekannt. Es ist schon sehr verwunderlich, über was dort zurzeit mit Blick auf die Gebietsreform diskutiert wird - jedenfalls auf den Seiten, von denen man das nicht denken sollte, die vom Großen reden und beim Kleinen versagen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kos- mehl, FDP)

Ich glaube, dass die politisch verantwortlichen kommunalen Funktionsträger in diesem Zusammenhang ent

sprechende Beschlüsse herbeiführen würden, wodurch dieses Gesetz vielleicht überflüssig sein wird. Im Interesse des Gemeinwohls sollte man dementsprechend handeln. - Ich bitte um Überweisung in den Innenausschuss.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Reichert. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/1837 ein. Einer Überweisung an sich stand nichts im Wege. Ich denke, es ist auch unterstrittig dass der Innenausschuss federführend sein soll. Darüber lasse ich zunächst abstimmen. Wer einer Überweisung des Gesetzentwurfs zur federführenden Beratung in den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig in den Innenausschuss überwiesen worden.

Es gab noch den Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung. Wer stimmt dem zu? - Das ist die PDS-Fraktion. Wer ist dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Die SPD. Damit ist das abgelehnt worden.

Wer stimmt einer Überweisung in den Finanzausschuss zu? - Die PDS-Fraktion. Wer ist dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Die SPD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf lediglich in den Innenausschuss überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Hochschulmedizingesetzes (HMG LSA)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1842

Einbringer für die Landesregierung ist der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Gesetzentwurf sind ebenso wie dem neuen Hochschulgesetz durchaus kontroverse, auf jeden Fall aber engagierte Diskussionen vorausgegangen. Ich hoffe sehr, dass der von uns vorgelegte Entwurf diese Diskussionen in ein gutes Ergebnis führen wird. Ein gutes Ergebnis heißt hierbei: ein modernes, auf Leistung orientiertes, auf Flexibilität und Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Hochschulmedizingesetz.

Die Hochschulmedizin durchläuft, wie Sie wissen, bundesweit derzeit einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel, insbesondere in Bezug auf die Krankenhausfinanzierung. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur auf die DRGs, also die Fallpauschalenabrechnung, und die Budget- und Leistungsvereinbarungen für den Bereich Forschung und Lehre zu verweisen.

Die Universitätsklinika sehen sich dabei einem immer stärker werdenden Kostendruck ausgesetzt. Um in dieser Situation bestehen zu können, müssen alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine effiziente Wirtschafts- und Betriebsführung ausgeschöpft werden. Deshalb bedürfen die Spielräume für

flexibles und situationsgerechtes betriebswirtschaftliches Handeln des jeweiligen akademischen und klinischen Managements einer deutlichen Erweiterung.

Die Motivation der ganzen Geschichte ist die Aufrechterhaltung des hohen Qualitätsanspruchs in der Maximalmedizin, dem sich die Universitätsklinika stellen müssen, insbesondere durch ihre Beiträge in Forschung und Lehre. Zu diesem Zweck unterhalten sie ja die Klinika. Zu diesem Qualitätsanspruch gehört auch, dass er finanzierbar bleibt; denn Sie wissen alle aus der täglichen Praxis, dass ein solcher Qualitätsanspruch in dem Moment fragil wird, in dem er nicht mehr finanziert werden kann, wo schlicht und ergreifend das Geld nicht reicht.

Die aktuellen Entwicklungen verlangen daher von den Universitätskliniken und den Fakultäten eine zunehmend eigenverantwortliche und vorausschauende Planung sowie selbständiges Handeln, um sich bei gleichzeitiger Einbindung in die Krankenhausplanung des Landes dem regionalen, dem internationalen und dem nationalen Wettbewerb stellen zu können. Genau dafür soll das neue Hochschulmedizingesetz die Grundlage bilden.

Analoge Ziele verfolgen übrigens die neuen Hochschulmedizingesetze anderer Länder, wie zum Beispiel Hamburgs, Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und auch des Saarlandes. Sie konzentrieren sich ebenso wie unser Entwurf auf mehr Autonomie, wirtschaftliche Eigenverantwortung, Wettbewerbsfähigkeit und kooperationsfähige Standortprofile mit klarer Schwerpunktsetzung.

Die wesentlichen Punkte des Entwurfs betreffen erstens die Rechtsform. In diesem Zusammenhang war die Frage - letztlich musste ein Weg gefunden werden - nach den Optionen Privatisierung, GmbH, Anstalt des öffentlichen Rechts und Landesbetrieb, also Aufrechterhaltung des Status quo, zu erörtern.