Die heutige Entscheidung wird den Weg freimachen für einen Bürgerentscheid. Wir sollten das nicht bedauern, sondern begrüßen; denn jetzt geht ein Teil unserer Verantwortung auf das mündige Wahlvolk über. Wir sollten das auch als Chance begreifen, mit Bürgerinnen und Bürgern über die Zukunft dieses Landes, auch über die finanziellen Spielräume, die wir haben, zu diskutieren. Am Ende steht: Das Volk ist jetzt der Souverän - mit allen positiven und auch mit allen negativen Folgen einer Entscheidung. Den Initiatoren der Volksinitiative gilt deshalb Respekt für den bisher erfolgreichen Weg, egal wie man inhaltlich dazu steht. Sie haben ein Stückchen Demokratie mitgestaltet. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Vor uns liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport, der wir, worüber Sie sich sicherlich nicht wundern werden, in allen Punkten folgen. Besonders freut es uns, dass wir uns im Ausschuss mit der SPD über eine Begründung zu der Beschlussempfehlung verständigen konnten. Wie schon bei der Verabschiedung des KiFöG hat sich hierbei gezeigt, dass man die Kinderbetreuung nicht instrumentalisieren darf, sondern dass eine qualitativ hochwertige Betreuung der Kinder im Vorschulalter bei der Meinungsfindung in der Sache Vorrang haben muss.
Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Sie haben ein demokratisches Recht, das in der Verfassung unseres Landes festgeschrieben ist, erfolgreich genutzt. Über 250 000 Menschen haben sich aktiv dafür eingesetzt, dass der Landtag über den Gesetzentwurf des Volksbegehrens beraten hat. Das akzeptieren wir als FDPFraktion ausdrücklich und haben dies auch in den Beratungen zum Ausdruck gebracht.
Die Diskussion im Ausschuss und vor allem die Anhörung waren interessant und wichtig und haben uns in der Meinung bestärkt, dass der zeitliche Umfang der Betreuung nicht gleichzusetzen ist mit der Qualität der Betreuung und deren Erfolg. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Schüler des Landes Sachsen-Anhalt, die zu fast 90 % das Betreuungssystem der Vorschule durchlaufen haben, in den Bildungsstudien nicht besser abgeschnitten haben als beispielsweise die Schüler in den alten Bundesländern?
Wir sehen uns deshalb in der Auffassung bestärkt, dass eine fünfstündige tägliche Betreuung von Vorschulkindern durch vorwiegend qualifiziertes Personal und einen wissenschaftlich begleiteten Bildungsinhalt durchaus erfolgreich und Erfolg bringend für unsere Kinder ist und sie optimal und individuell auf ihren Weg ins Leben vorbereitet.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Bestärkt wurden wir auch in der Auffassung, dass das Betreuungsangebot durch Tagespflegepersonen zukünftig unverzichtbar sein wird, stellt sie doch eine alternative Betreuungsform dar, die durch Flexibilität und Individualität so Gewinn bringend für unsere Kinder und deren Eltern ist, dass man sie auf keinen Fall außen vor lassen sollte. Würden wir Ihrem Gesetzentwurf, dem Gesetzentwurf der Volksinitiative, zustimmen, würde es keine Möglichkeit der Betreuung durch Tagespflege nach dem Gesetz mehr geben können.
In der Anhörung wurde auch deutlich, dass die Finanzierungsregelungen, wie im KiFöG festgeschrieben, sich nach über einem Jahr Praxis bewährt haben und für Träger und Kommunen handhabbar sind. Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass es Anfangsschwierigkeiten gab und dass es im Einzelfall noch Unstimmigkeiten geben wird. Aber ich denke, im Laufe der Zeit wird sich dies alles relativieren, und wir sehen keine
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Auch die Regelungen zur baulichen Beschaffenheit und Ausgestaltung der Einrichtungen bedürfen nach der Anhörung und nach über einem Jahr Praxis keiner Veränderung. Die Formulierung, wie sie im KiFöG getroffen worden ist, die Standards „ausreichend und kindgemäß“ zu bemessen, versetzt die Kommune und Träger in die Lage, auf die sich verändernden Kinderzahlen kurzfristig zu reagieren. Ich hatte in der Anhörung den Eindruck, dass eine solche Regelung von Kommunen und Trägern als wertvoll und als unverzichtbar eingeschätzt wird.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Ich sehe es aber auch als meine Pflicht an, darauf hinzuweisen, dass, sollte der Gesetzentwurf des Volksbegehrens Gesetzeskraft erhalten, auf das Land und auf die örtliche Träger der Jugendhilfe eine Mehrbelastung zukommen würde, die man nicht verantworten kann - ein Punkt, der in der Anhörung vor allem vom Städte- und Gemeindebund ebenfalls als nicht vertretbar angesehen wurde. Ich denke, wir sollten gerade in der Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder im Land Sachsen-Anhalt realistisch auf die finanzielle Lage unseres Landes schauen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das sind einige Punkte, die mich und meine Fraktion insbesondere auch nach der Anhörung dazu bewegen, der vorliegenden Beschlussempfehlung zu folgen und den Gesetzentwurf der Volksinitiative abzulehnen. - Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Frau Seifert. - Die Debatte wird abgeschlossen durch den Beitrag der PDS-Fraktion. Ich erteile Herrn Gallert das Wort.
Werte Kollegen! Werter Herr Präsident! Heute findet in diesem Haus wahrscheinlich der wichtigste Teil der Zukunftsdebatte in dieser Legislaturperiode des Landes Sachsen-Anhalt statt. Viele Papiere sind verfasst, viele Dinge sind dazu gesagt worden. Heute haben wir eine der wichtigsten politischen Entscheidungen innerhalb dieser Zukunftsdebatte zu fällen.
Die hohe Qualität von Bildung und Betreuung schon im Vorschulalter entscheidet über die Zukunftschancen dieses Landes und sie entscheidet über die Zukunftschancen jedes Einzelnen, der in den Genuss dieser Qualität kommt oder eben nicht kommt.
Dieses Land Sachsen-Anhalt befindet sich so wie die gesamte Bundesrepublik auf dem Sprung in die wissensbasierte Gesellschaft, in die postindustrielle Gesellschaft. Das wichtigste Kapital in dieser Gesellschaft sind Bildung und Innovation. Der wichtigste Lebensabschnitt eines Menschen dafür ist der erste Lebensabschnitt. Somit entscheiden wir über das Angebot von Qualität in
Weil wir so an diese Tatsache herangehen, ist diese Entscheidung - die Entscheidung über die Qualität und über die Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und Erziehung in diesem ersten Lebensabschnitt - für uns als PDS-Fraktion die oberste landespolitische Priorität. Und weil sie für uns die oberste landespolitische Priorität ist, kommen wir zu einem anderen Schluss als alle drei anderen Landtagsfraktionen in diesem Haus.
Sie lässt sich eben nicht darauf reduzieren, ob ich mit meinem Auto zur Klärung meines Anspruches auf einen Platz in einer Kindertagesstätte für mein Kind in die nächstgelegene Stadt oder in die nächstgelegene Kreisstadt fahre.
Wir haben eine Grundwertediskussion über die Zukunft dieser Gesellschaft, und in der positionieren wir uns. Wir sollten versuchen, die Diskussion auf dieser Ebene zu führen.
Es ist zweifellos so, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor dem In-Kraft-Treten des jetzigen Gesetzes ein Leuchtturm in dieser Bundesrepublik gewesen sind, ein Leuchtturm übrigens, der ein Kompromiss zwischen der damaligen Koalition - nein, eine Koalition hatten wir damals nicht -,
Herr Scharf, ich wollte sagen, die Koalition zwischen Fraktion und Landesregierung der SPD. Die wäre aber vielleicht sozusagen noch tiefgreifender gewesen.
Übrigens muss man das noch einmal ganz genau sagen: Es ist schon ein bisschen provozierend, wenn die SPD uns jetzt das Mecklenburger Gesetz vorwirft, das im Wesentlichen auf ziemlich stringenten Druck der SPD gegen die PDS hin so durchgesetzt worden ist.
Aber kommen wir zurück zu Sachsen-Anhalt. Wir hatten diesen Leuchtturm. Ich frage, warum wir in einer Debatte über Konzentration, über Schwerpunktbildung, über Leuchttürme, die wir im Osten brauchen, gerade in Sachsen-Anhalt ein Verfahren machen, bei dem wir die
Warum sind wir nicht so mutig, diese Stärken auch gegenüber anderen zu behaupten, um die wiederum zu zwingen, nachzuziehen? Warum versuchen wir jetzt, uns auf deren Niveau herunterzubegeben? Wir haben in Sachsen-Anhalt eine bessere Ausgangsvariante gehabt. Wir sollten sie nutzen!
Natürlich sind wir in der Lage, weil wir diese Prioritätensetzung eingeklagt haben und weil wir die Prioritätensetzung für uns so definiert haben, einen Refinanzierungsvorschlag zu unterbreiten. Das ist ganz klar. Wir haben ihn sogar so unterbreitet, dass damit die Erhöhung der Nettoneuverschuldung nicht zwingend erforderlich ist.
Aber wenn wir uns das Bild der wissensbasierten Gesellschaft vor Augen halten, dann brauchen wir einen neuen Investitionsbegriff. Dann wäre selbst dieser Weg möglich. Wenn wir nämlich sagen, die Investitionen, die für die Zukunft wichtig sind, sind nicht zwingend die in Beton, sondern die in die Köpfe, dann brauchen wir möglicherweise auch den Zugang zu diesem Bereich über eine Neuverschuldung. Wir sind diesen Weg nicht gegangen, aber ich sage Ihnen, wenn wir dazu gezwungen wären, wären wir dazu bereit.
Zuletzt ein Wort zur SPD. Erst haben Sie einen Kompromiss mit der Koalition gemacht. - Gut. Dann hatten wir das Volksbegehren und Sie haben einen Kompromiss zwischen Ihrem alten Kompromiss und dem Volksbegehren gemacht. - Auch gut. Das Problem ist nur - liebe Kollegen von der SPD, diese Situation kennen wir in der PDS zur Genüge -: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Sie haben einen Kompromiss vorgelegt, der nicht mehr in der Lage ist, in die gesellschaftliche Debatte einzugreifen.
Wir werden einen Volksentscheid haben. Es gibt dazu den Gesetzentwurf der Landesregierung auf dem IstZustand. Sie hat nicht den Mut, ihn vorzulegen - das ist wohl war -, aber entschieden wird zwischen dem Ist-Zustand und dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens. Für eine Alternative müssen Sie sich entscheiden. Sie können nicht sagen, wir haben einen eigenen Vorschlag. Das ist eine fiktive Variante.