Deshalb kann ich auch nicht empfehlen, dem PDS-Antrag in der vorliegenden Fassung zuzustimmen. Wohl aber sollten wir das Anliegen hier in der Debatte aufgreifen und bekräftigen.
Da die Landesregierung zusammen mit den übrigen Bundesländern durch einen klaren Beschluss gegenüber dem Bund Position bezogen hat und diese Position in der Föderalismuskommission mit Nachdruck vertritt, erübrigen sich derzeit weitere Einzelinitiativen. Ungeachtet dessen wird die Landesregierung natürlich wie bisher in anderen Situationen den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft im Sinne des Änderungsantrags der Regierungsfraktionen laufend über die Entwicklung unterrichten und in diesem Sinne auch selbst aktiv werden. - Vielen Dank.
Danke, Herr Minister. - Als erster Debattenredner der Fraktionen wird der Abgeordnete Herr Dr. Volk für die FDP-Fraktion sprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Sitte, wie schon beim letzten Antrag sind auch bei diesem Antrag die Konsenslinien relativ eng gezogen.
In der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz sind 80 Forschungsinstitute mit jeweils überregionaler Bedeutung in Deutschland zusammengeschlossen. Durch ein ausdifferenziertes System interner und externer Evaluationen wird die Qualität der einzelnen Einrichtungen geprüft und gewährleistet.
Gemeinsames Charakteristikum ist die Kofinanzierung aller Institute durch Bund und Länder. Diese Gemeinschaftsaufgabe auf der Grundlage von Artikel 91b des Grundgesetzes trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Forschungsförderung von überregionaler Bedeutung der Bund in die Pflicht genommen werden muss. Die einzelnen Institute der Leibniz-Gesellschaft arbeiten im gesamtstaatlichen Interesse, was sich auch in ihrer Finanzierung niederschlägt.
Im Zuge der Diskussion über eine Neuordnung der föderalen Strukturen in Deutschland ist in den letzten Monaten auch die Forschungsförderung im Allgemeinen und die Unterstützung der Leibniz-Gesellschaft im Besonderen ins Zentrum der Diskussion gerückt. Es ist prinzipiell richtig, wenn wir hinterfragen, ob jede Gemeinschaftsaufgabe noch notwendig und sinnvoll ist und ob man an einigen Stellen den bürokratischen Aufwand nicht zurückfahren kann. Man muss aber aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet und Einrichtungen infrage stellt, die sich bewährt haben und die im gesamtstaatlichen Interesse auch weiterhin notwendig sind.
Wenn sich die Bundesregierung aus der Finanzierung der Leibniz-Gesellschaft zurückzöge, wären die neuen Bundesländer in ungerechtfertigter Weise benachteiligt. Hier haben insgesamt 39 Institute und damit die Hälfte der Einrichtungen ihren Sitz. Es steht außer Frage, dass alle neuen Bundesländer die alleinige Finanzierungslast nicht schultern können.
Kein einziges der fünf Institute in Sachsen-Anhalt wirkt ausschließlich innerhalb der Landesgrenzen. Es wäre deshalb widersinnig, die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern aufzugeben. In dem Positionspapier der Ministerpräsidenten zu den Vorschlägen der Föderalismuskommission wird übrigens der gleiche Standpunkt vertreten.
Ich erwähnte eingangs schon, dass die Diskussion über eine Neuordnung des Föderalismus und eine Entflechtung der Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen geführt wird. Die Landesregierung hat dabei die Pflicht, die Gesamtinteressen unseres Bundeslandes gegenüber der Bundesebene und den anderen Bundesländern zu vertreten. Wir alle wissen, dass bei derartigen Verhandlungen Pakete geschnürt werden, die eine Vielzahl von Einzelaspekten zusammenfassen. Es ist deshalb verhandlungstechnisch klüger, der Landesregierung die Richtung ihrer Bestrebungen vorzugeben, einzelne Details jedoch nicht zu zementieren.
Vor diesem Hintergrund bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Er definiert die Forschungsförderung weiterhin als gesamtstaatliche Aufgabe und beauftragt die Landesregierung, die Interessen SachsenAnhalts beim Erhalt der Leibniz-Gesellschaft mit Nachdruck zu vertreten.
Frau Präsidentin, ich möchte unseren Änderungsantrag noch um einen Aspekt ergänzen. Punkt 3 sollte folgende neue Fassung erhalten:
„Die Landesregierung unterrichtet den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit über die von ihr eingeleiteten Schritte und deren Ergebnisse.“
Danke, Herr Abgeordneter Volk. - Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Kuppe sprechen. Zunächst habe ich jedoch die Freude, Damen und Herren der Gewerkschaft der Polizei Hamburg bei uns begrüßen zu können. Seien Sie recht herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordnete! Nach der jüngsten OECD-Studie über Bildungsfragen ist klar: Wir können uns deutschlandweit gar nicht intensiv genug mit Fragen der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung auseinander setzen. Das sollte ohne Scheuklappen und ohne ideologische Barrieren passieren. Wir müssen auf erfolgreichen Bausteinen weiter aufbauen, aber nach einer kritischen Bilanz auch in diesem Gebiet in einigen Sektoren zu Reformen bereit sein. Eine unaufgeregte, aber zielführende Debatte wünsche ich mir nicht nur im Vorschul-, im Schul- und im Hochschulbereich, sondern auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung.
Da ich gern einen Beitrag dazu leisten möchte, die Debatte zu versachlichen, stelle ich meinem Beitrag einige Zahlen voran, die auf den Bundesforschungsbericht 2004 zurückgehen. Es sei daran erinnert, dass die Forschungsausgaben unter der Regierung Kohl von 1992 bis 1998 um 670 Millionen € gekürzt wurden. Seit 1998 sind die Forschungsausgaben des Bundes durch RotGrün dagegen um 1 Milliarde € aufgestockt worden.
Davon haben die ostdeutschen Bundesländer, Herr Tullner, überproportional profitiert. Ihr Anteil in Höhe von 23,3 % im Jahr 1998 stieg auf 25 % im Jahr 2003. Jetzt soll nach dem Haushaltsplanentwurf für das Bundesbildungsministerium im Jahr 2005 wiederum eine Steigerung um rund 203 Millionen € vorgenommen werden. Ich hoffe, der Bundestag folgt diesem Vorschlag auch.
Vor diesem Hintergrund bilden sich dann die Positionen von Bund und Ländern, die in der Föderalismuskommission verhandelt werden, doch etwas differenzierter ab, als Sie, Frau Sitte, es hier dargestellt haben. Nach den von der Ministerpräsidentenkonferenz am 27. März 2003 beschlossenen Leitlinien zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung sollen unter anderem die Gemeinschaftsaufgaben zum Neu- und Ausbau der Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken sowie die
bisherige gemeinsame Bildungsplanung ausschließlich in die Länderzuständigkeit fallen. Die Rahmengesetzgebung des Bundes soll entfallen und im Bereich der Mischfinanzierung soll der Bund den Ländern die Mittel vollständig, dauerhaft und dynamisiert als freie Mittel, also ohne Mitspracherecht, zur Verfügung stellen.
Die Bundesregierung hat ihrerseits am 9. April 2003 ihre Vorstellungen zum Bereich Bildung und Wissenschaft dargestellt. Auch sie möchte die Aufgabe „Hochschulbau“ den Ländern übertragen, will aber im Gegenzug für eine modifizierte leistungsabhängige Hochschulförderung zuständig sein.
Die Gemeinschaftsaufgabe „Forschungsförderung“ soll entflochten werden. Wie schon dargestellt, sollen die Fraunhofer-, die Helmholtz- und die Max-Planck-Institute wie auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in die alleinige Bundeszuständigkeit, die Leibniz-Institute in alleinige Länderzuständigkeit überführt werden.
Unterdessen haben beide Verhandlungsseiten in Einzelfragen ihre Positionen modifiziert. Die Föderalismuskommission hat aber ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen. Es liegen vor diesem Beratungsmarathon, den die Kommission im Oktober zu bewältigen hat, noch keine abgestimmten konkreten Vorschläge zum Komplex Bildung, Wissenschaft und Forschung vor.
Ich persönlich - das sage ich hier offen - bin der Meinung, dass sich die Mischfinanzierung bei uns in Sachsen-Anhalt sowohl im Bereich der außeruniversitären Forschung als auch beim Hochschulbau bewährt hat. Wir sind da, Frau Sitte, in der Sache nicht auseinander. Ich muss aber sagen: Ich lehne jedes populistische einseitige Schwarzer-Peter-Spiel ab.
Beispielsweise bin ich auch der Meinung, dass eine gemeinsame Bildungs- und Forschungsplanung von Bund und Ländern unverzichtbar ist.
Am Ende. - Den ersatzlosen Wegfall der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, wie es die Länder zum Teil wollen, halte ich für unverantwortlich. Damit würde auch im Forschungsbereich der kleinkarierten Kleinstaaterei Tür und Tor geöffnet. Die hat uns ja zum wiederholten Mal im Schulbereich beim internationalen Vergleich zurückgeworfen.
Ein weiterer Punkt ist mir noch wichtig. Die Bund-Länder-Kommission hat sich am 29. März dieses Jahres auf ein gemeinsames Konzept zur Spitzenförderung an Hochschulen und in den Forschungsverbünden sowie in der Nachwuchsförderung geeinigt. Hierbei geht es immerhin um 250 Millionen € vonseiten des Bundes jährlich und um die entsprechende Mitfinanzieung der Länder. Ich hoffe, dass die Landesregierung mithilft, Blockaden, die derzeit vorhanden sind, abzubauen.
Frau Sitte, Sie sehen, für die SPD-Fraktion reicht die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für die Forschungsförderung wesentlich weiter, als Sie es in Ihrem Antrag beschrieben haben.
Wir erwarten im Übrigen, Herr Tullner und Herr Minister Paqué, dass nicht nur Sie bei der Veranstaltung hier im Landtag, in der es um die neue Finanzverfassung und
um Fragen von Bildung und Forschung geht, diskutieren, sondern dass die Landesregierung auch mit uns im Bildungsausschuss die Debatte über eine optimale Forschungsförderung im Land Sachsen-Anhalt, aber auch in ganz Deutschland führt. Deswegen beantragen wir vonseiten der SPD-Fraktion die Überweisung des PDSAntrages und des Änderungsantrages der Fraktionen der CDU und der FDP in den Bildungsausschuss und meinen - das ist ähnlich wie Sie, Herr Volk, das vorgeschlagen haben -, dass angesichts der Betroffenheit in der Ressortforschung auch der Wirtschaftsausschuss beteiligt werden sollte. Wir beantragen also eine Überweisung in die beiden genannten Ausschüsse. - Danke.
Frau Dr. Kuppe, Sie waren bereit, noch eine Nachfrage von Herrn Gallert zu beantworten. - Bitte sehr, Herr Gallert.
Frau Dr. Kuppe, unabhängig von der Frage, wer hier eben populistisch gewesen ist, würde mich interessieren: Wenn Sie sagen, die Bundesregierung hat ganz besonders die Forschungslandschaft im Osten bestückt bzw. gesponsert, dann frage ich einmal: Was ist denn aus Ihrer Sicht das Motiv dafür, dass man nun ausgerechnet die Leibniz-Gesellschaft - ich sage es einfach einmal so - beseitigen möchte, währenddessen man die Helmholtz-, die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft sogar in Bundeshoheit geben will? Was ist das Motiv der Bundesregierung dafür, ausschließlich diese eine Forschungsgemeinschaft praktisch aufzulösen?
Die Diskussion läuft darauf hinaus, dass die Forschung, die an den Leibniz-Instituten betrieben wird, exzellent ist, aber ländernäher erfolgt, also in engerer Kooperation mit den Hochschulen der Länder, als die von der Fraunhofer-, der Helmholtz- und der Max-Planck-Gesellschaft betriebene Forschung. Die Ansicht kann man teilen. Das muss man aber nicht.
- Ich habe vorhin schon dargestellt, dass ich diese Haltung nicht teile, sondern die Mischfinanzierung durchaus für geeignet halte und dass ich es für wünschenswert halte, dass sie so fortgesetzt wird. In Gänze, Herr Gallert, denke ich, muss es erlaubt sein, über alle Fragen unaufgeregt zu diskutieren. Man kann auch bei jedem Vorschlag, der vonseiten des Bundes oder vonseiten der Länder kommt, ein Pro und ein Kontra diskutieren. Ich hoffe, dass am Ende, nach einer intensiven Diskussion, ein gutes Gesamtpaket herauskommt.
Mir gefallen manche Vorschläge, die die Länder gemacht haben, auch überhaupt nicht. Die Vorschläge halte ich für die Forschungslandschaft und für die Zukunftsfähigkeit der Forschungslandschaft in Deutschland für außerordentlich schädlich. Genauso sind aber auch nicht alle Vorschläge, die die Bundesregierung gemacht hat, für mich passend und vor allem für die ostdeutschen Belange praktikabel.
Deswegen teile ich Ihre Auffassung, dass intensiv diskutiert werden muss und dass wir hier im Landtag eine Position finden müssen, die wir der Landesregierung mitgeben können. Noch sind ja nicht alle Messen in der Föderalismuskommission gesungen. Im Oktober wird noch ernsthaft verhandelt. Gegen Ende des Jahres wird die Endabstimmung über das Verhandlungspaket erfolgen. Ich hoffe, dass gerade für den Bereich Wissenschaft und Forschung wirklich ein gutes Ergebnis, ein Ergebnis, das auch wir alle im Landtag tragen können, herauskommt; denn das sollte in der Tat an Parteiinteressen nicht scheitern. Dabei geht es um die Zukunft von Deutschland.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde jetzt nicht die Darstellung der Bedeutung der Leibniz-Gesellschaft wiederholen. Es ist schon alles gesagt worden, unter anderem auch, dass die LeibnizInstitute eine sehr wichtige Arbeit für die Forschungslandschaft gerade in den neuen Bundesländern leisten.
Ich möchte nur auf zwei Punkte hinweisen. Wir diskutieren ja sozusagen diese Bildungsföderalismus-Reformgeschichte im Kontext einer gesamtstaatlichen Diskussion über die Reform des Föderalismus.
Diese Diskussion halte ich grundsätzlich für richtig, weil - das scheint doch auch allgemeiner Konsens zu sein - weit verbreitet die Erkenntnis reift, dass die Strukturen, in denen wir im Moment Politik auf allen Ebenen in diesem Lande machen, den Realitäten und vielleicht auch den Problemanforderungen nicht mehr ganz Genüge tun. Das sollten wir bei der Diskussion nicht ausblenden. Dass wir natürlich wie jedes Land auch erst einmal darauf schauen, ob uns die Reformdiskussion auf die Verlierer- oder auf die Gewinnerseite stellt, ist, denke ich, eine durchaus wichtige und legitime Frage.
Gerade was die Forschungs- und Wissenschaftspolitik angeht, müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir es nicht im Kontext von generellen politischen Linien sozusagen für opportun halten, an der einen oder anderen Stelle Kahlschlags- oder Verlustpolitik zu betreiben.
Deswegen ist der Kontext der Diskussion wie auch der vorherige Antrag durchaus konsensual zu sehen. Wir werden dem, zumindest was unseren Änderungsantrag angeht, dann auch zustimmen. Das ist nicht verwunderlich. Aber, wie gesagt, ich hatte den Tenor, dass wir uns zwar einig sind in der Frage bezüglich Frau Bulmahn. Ich will nicht den Opfern des Hurrikans „Ivan“ irgendwie Hohn angedeihen lassen, aber man hat schon manchmal den Eindruck, dass, wenn Frau Bulmahn ungefragt und ungebremst agiert, doch an der einen oder anderen Stelle verheerende Schäden zu verzeichnen wären.
Deswegen ist es ganz gut, dass wir diese Frage nun eingebettet haben in die Föderalismusdiskussion. Aber ich warne davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten; denn die Diskussion ist notwendig und sie wird auch, ohne dass ich als Augur auftreten will, positive Ergebnisse an der einen oder anderen Stelle haben.