Protocol of the Session on July 8, 2004

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Die einen haben für sich - vielleicht freiwillig, vielleicht nicht ganz freiwillig - entschieden, ihr Kind in eine Krippe zu geben; andere haben ihr Kind freiwillig in den Kindergarten gegeben oder unfreiwillig, weil sie arbeiten müssen, und bedauern dies vielleicht. In diesem Zusammenhang gibt es die vielfältigsten Formen.

(Frau Feußner, CDU: Richtig! - Zuruf von Frau Fischer, Merseburg, CDU)

Aber es hat nie jemand gesagt - das habe ich vorhin nicht gehört -, dass es darum ginge, die Kinder - ob nun fünf, sieben oder acht Stunden - zwangsweise irgendwo abzugeben und auf sein Recht als Eltern zu verzichten, das Kind zu erziehen. Ich glaube, das hat kein Mensch gesagt.

(Frau Mittendorf, SPD: Das hat keiner gesagt!)

Insofern ist die Debatte völlig falsch.

Eines will ich noch sagen, weil dauernd auf Pisa verwiesen wird. Wir Deutschen haben ein Problem damit - -

(Frau Feußner, CDU: Es wurde aber gesagt, dass die Erziehung im Kindergarten besser ist als zu Hause!)

- Frau Feußner, ich habe doch eben etwas gesagt.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS - Unru- he)

Wir Deutschen müssen anerkennen, dass wir bei Pisa schlecht abgeschnitten haben. Ich bin nicht der große Bildungspolitiker, habe mich aber sehr mit diesem Thema beschäftigt. Kurioserweise haben die Länder große Erfolge erzielt, die den Kindern im Alter von null bis sechs Jahren und darüber hinaus eine gemeinschaftliche Bildung ermöglichen. Das gilt etwa für die Skandinavier, die sogar ein Recht des Kindes auf vorschulische Erziehung und Bildung eingeführt haben. Nur wir, also diejenigen, die sich noch um Familienbilder aus dem letzten Jahrhundert streiten, schneiden bei der ganzen Debatte ziemlich schlecht ab.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ich persönlich - damit will ich enden - werfe keinem Menschen die Art vor, in der er seine Kinder erzieht. Aber ich bitte darum, tolerant zu sein und den anderen zuzuhören, die es vielleicht anders sehen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Vertreter der Initiative auf gewisse Kompromissvorschläge eingegangen wäre; denn ich glaube, ein Schwarz-Weiß-Denken wird uns in der Sache nicht weiter bringen. Trotzdem habe ich zu respektieren, dass die Initiative eine Meinung hat und die hier vortragen will. Um mehr geht es nicht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Bullerjahn. - Meine Damen und Herren! Weitere Fraktionsvorsitzende haben um das Wort

gebeten. Ich bitte zunächst Herrn Jürgen Scharf, das Wort zu ergreifen. Im Anschluss daran erhält der Fraktionsvorsitzende der FDP Herr Lukowitz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Vertreter des Volksbegehrens! Das Parlament ist der natürliche Ort demokratischer Auseinandersetzungen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das, was das Land Sachsen-Anhalt beschäftigt, muss hier auf den Tisch und muss hier verhandelt werden. Deshalb verhandeln wir auch mit großem Ernst die Volksinitiative

(Frau Bull, PDS: Begehren!)

- das Volksbegehren, das wohl im Anschluss irgendwann auch zu einem Volksentscheid führen wird.

Wer im Parlament spricht, der muss sich auf die parlamentarischen Regeln einlassen. Wer einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringt - das macht der Einbringer -, der muss die wesentlichen Gründe für die Einbringung dieses Gesetzentwurfes vortragen.

(Zuruf von Herrn Grünert, PDS)

Ich will ganz deutlich sagen: So wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es wieder heraus.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist eine gute parlamentarische Praxis, dass auf eine gewisse Polemik des Einbringers mit Zwischenrufen reagiert wird.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Polemik mit Zwischen- rufen? - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

- Das ist Praxis hier im Hause. - Wer an dieses Pult tritt, der muss wissen, dass er sich darauf einlässt. Das ist heute keine Feierstunde, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Heute geht es um eine der wichtigsten politischen Auseinandersetzungen, die wir in den nächsten Monaten im Parlament und in der Öffentlichkeit führen werden. Wir werden zum Schluss dieser Auseinandersetzungen zu einer Entscheidung kommen. Wir haben die verdammte Pflicht, die Bevölkerung darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen diese Entscheidung für das ganze Land Sachsen-Anhalt und für den Weg, den wir zukünftig zu gehen haben werden, haben wird.

Ich denke, Herr Kurze wird das in dem Beitrag, den er nach mir vortragen wird, mit der gebotenen Sachlichkeit darstellen. Deshalb will ich die Sachargumente nicht noch einmal aufführen.

Ich möchte nur eines sagen: Es soll niemand der CDU unterstellen, dass sie sich nicht immer für die tatsächliche Realisierung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzen würde. Dazu gehört, dass wir die Berufstätigkeit, hauptsächlich von Frauen, und die Möglichkeit, Kinder verantwortlich zu erziehen, unter einem Hut bringen. Deshalb ist die Frage, wie ein Kinderförderungsgesetz aussehen muss, eine eminent wichtige Frage, der wir uns mit großer Verantwortung gestellt haben.

Wir meinen, einen vernünftigen Kompromiss zwischen allen Anforderungen, die wir an einen Landeshaushalt,

die wir an eine Kinderbetreuung stellen müssen, mit dem jetzt gültigen Kinderförderungsgesetz gefunden haben. Es kann uns niemand verübeln, dass wir diesen Weg auch weiterhin im Parlament und in der Öffentlichkeit verteidigen werden. Wir werden um die Mehrheiten ringen, meine Damen und Herren. Heute wird der erste Schritt dazu getan. Ich meine, die Öffentlichkeit hat mitbekommen, dass dieses Ringen in den nächsten Monaten ganz deutlich werden wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Scharf. - Nun erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der FDP das Wort. Bitte sehr, Herr Lukowitz.

Herr Präsident! Ich mache das gleich vom Platz aus. Wir haben das Volksbegehren sehr ernst genommen. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Ich finde es auch gar nicht so selbstverständlich, dass wir die Volksinitiatoren mit Rederecht im Landtag ausgestattet haben, dass sie bei uns hier im Raum sein können und dass sie auch in den Ausschusssitzungen - -

(Unruhe)

Das ist gar nicht so selbstverständlich. Meines Wissens ist das bisher auch einmalig in deutschen Parlamenten. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Das ist eine Geste. Man kann sich möglicherweise juristisch darüber streiten. Aber die Koalitionsfraktionen haben das politisch so entschieden, und das sollte man auch entsprechend würdigen. Deswegen brauchen wir auch keine Moralisten im Landtag wie Herrn Gallert beispielsweise mit seiner Bemerkung vorhin.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte für mich persönlich sagen: Ich war sehr interessiert an dem Beitrag der Einbringer, weil ich auch persönlich kritisch mit den Themen umgehen möchte. Ich hätte mir sehr gewünscht, die Einbringenden hätten auf alle Umfeldsituationen und auf alle populistischen Dinge verzichtet und hätten ihr Gesetz eingebracht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es wäre auch ganz sinnvoll gewesen, das zu begründen. Sie hatten ein wunderschönes Bild dessen gemalt, was in einer Kindertageseinrichtung alles zu passieren hat hinsichtlich der Bildung und Betreuung. Es fehlt nur jede Begründung dafür, warum das mit dem Kinderförderungsgesetz, das wir auf den Weg gebracht haben und das jetzt Gültigkeit hat, nicht geleistet werden kann. Kein Wort dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen verstehe ich auch diesen oder jenen Kollegen, der unmutig geworden ist. Wir werden das Thema in den Ausschusssitzungen und möglicherweise auch in der abschließenden Behandlung hoffentlich wieder versachlichen können. Ich weise die Vorwürfe von Herrn Gallert klar und deutlich zurück.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lukowitz. - Meine Damen und Herren! Ich eröffne jetzt die Debatte mit zehn Minuten Redezeit

je Fraktion. Zunächst hat jedoch für die Landesregierung der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Emotionalität des Themas möchte ich doch wieder zur sachlichen Debatte zurückkehren und dem normalen Verlauf folgen. Im März des vergangenen Jahres hat die überwiegende Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses der öffentlichen Kinderbetreuung in SachsenAnhalt eine neue rechtliche Basis gegeben und damit langfristig den Erhalt und die Finanzierbarkeit einer hochwertigen Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt gesichert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das von den Fraktionen der CDU, der FDP und weiten Teilen der SPD getragene Kinderförderungsgesetz hat sich in der Praxis bewährt. Wir werden morgen noch die Gelegenheit haben, auf kleinere Anpassungsbedarfe, die nach einer Evaluation der Umsetzung von uns festgestellt worden sind, einzugehen. Heute möchte ich Ihnen darstellen, warum aus der Sicht der Landesregierung eine Annahme des von meinem Vorredner dargestellten Gesetzentwurfs des Volksbegehrens nicht erfolgen sollte.