Protocol of the Session on July 8, 2004

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Aber diese Debatte ist hier gar nicht geführt worden. Sie ist fair und ordentlich im Ausschuss geführt worden. Darum bedauere ich es, dass die Debatte hier diese populistischen Züge angenommen hat.

Herr Rehberger, Sie sagen, Biotechnologie sei ohne Gentechnologie nicht möglich. Dazu gibt es ganz sicher auch unterschiedliche Auffassungen. Mich erinnert das ein bisschen an die Behauptung, eine Energieversorgung der Welt sei ohne Atomstrom nicht möglich.

(Zustimmung bei der SPD)

Beides ist nicht nachgewiesen. Es gibt dazu unterschiedliche wissenschaftliche Auffassungen. Man kann sowohl der einen als auch der anderen zuneigen. Es ist auch durchaus wert, dass das diskutiert wird. Wer von beiden Recht hat, werden wir vielleicht in 150 Jahren oder in 50 Jahren wissen. Ich sage, das ist heute erst einmal nur eine Behauptung von Ihnen. Deshalb muss es einen Streit geben, wenn es um ein so hohes Gut wie gentechnische Veränderungen geht.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ich war am letzten Wochenende auf einer Regionalismuskonferenz in Baden-Württemberg. Dort ist eine Projektstudie vorgestellt worden. Man hat junge Leute an Gymnasien danach gefragt, womit sie sich identifizieren, was für sie der Inhalt der Region ist. Auf einer für mich überraschend großen Zahl von Fragenbogen stand zum Beispiel: Meine Hoffnung für die Region und das, womit ich mich identifiziere, ist eine gentechnikfreie Region Baden-Württemberg. Auch dazu kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Aber das sind junge Leute.

Sowohl beim Thema Atomstrom als auch bei dem Thema Gentechnologie ist es offensichtlich so, dass eine Mehrheit der Bevölkerung das sehr kritisch sieht und das ganz anders diskutiert haben will als nur die Frage, ob es eine zugelassene oder nicht zugelassene Sorte ist.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Entweder wir führen die Diskussion sozusagen nur über das Anbauprogramm hier, oder wir führen sie grundsätzlich. Beides hat miteinander zu tun. Nur das, was Sie hier an Populismus geboten haben, halte ich dem Thema nicht für angemessen.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Das machen Sie doch im Moment! Sie berufen sich auf die Mehr- heit der Bevölkerung! Das ist Populismus!)

- Herr Rehberger, ich antworte nur auf das, was Sie gesagt haben, und nehme nur die Punkte auf, die Sie in der Debatte genannt haben. Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass wir uns auf die Diskussion im Ausschuss beschränken können.

(Herr Gürth, CDU, meldet sich zu einer Zwischen- frage)

- Zum Schluss, Herr Gürth, um die Frage vorweg zu beantworten, wenn ich das darf, Herr Präsident.

Wissen Sie, ein bisschen wird es zugespitzt, weil es natürlich auch sehr stark in der öffentlichen Diskussion gestanden hat. Mein Urteil über die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung fällt ehrlicherweise auch grottenschlecht aus. Wir hatten eine Entwicklung der Biotechnologie auch zwischen 1994 und 2002. Da ist in der Öffentlichkeit anders damit umgegangen worden.

Herr Gürth, wir könnten heute gar nicht über den Stand der Entwicklung in der Biotechnologie reden, wenn es nicht über Jahre hinweg eine ordentliche Arbeit gegeben hätte von Unternehmen, auch gemeinsam mit der Landesregierung und Forschungseinrichtungen. Deshalb ist diese Debatte nicht der Anfang des Themas Biotechnologie für Sachsen-Anhalt, sondern sie ist ein bestimmter Schritt. Natürlich wird über Anbauprogramme oder Freisetzungsversuche anders diskutiert. Aber die Öffentlichkeitsarbeit dazu - das muss ich einmal sagen - war schlecht. Die hat letztlich dazu geführt, dass das Thema Biotechnologie darunter abgehandelt wurde: Bist du für oder gegen Greenpeace? Daran mache ich fest: Bist du für oder gegen die Biotechnologie.

Das erinnert mich ein bisschen an meine Schulzeit, in der in den FDJ-Nachmittagen gefragt wurde: Bist du für oder gegen den Imperialismus? Und wenn du nicht gegen den Imperialismus bist, dann bist du auch nicht für den Frieden. So kann man über das Thema einfach nicht debattieren. Das ärgert mich auch ein bisschen. Denn eigentlich war mein Einstiegssatz: Grundsätzlich haben wir im Ausschuss über das Thema richtig, solide, ordentlich und vernünftig diskutiert.

(Herr Gürth, CDU: Das war ein guter Satz!)

- Der ist auch wahr, was den Ausschuss angeht. - Wir erkennen als SPD-Fraktion auch an, dass Sie von den Regierungsfraktionen viele Punkte, die wir in die Diskussion gebracht haben, in die Beschlussempfehlung übernommen haben. Wir haben auch für den Bereich der Wirtschaftspolitik einstimmig zugestimmt. Wir haben allerdings in diesem Ausschuss angekündigt, dass es dazu bei uns bei unterschiedlichen Politikern in unterschiedlichen Themenbereichen verschiedene Auffassungen gibt und dass wir uns deshalb endgültig noch einmal zur letzten Sitzung positionieren werden.

Darum will ich grundsätzlich zur Auffassung der SPDFraktion, zu ihrem Abstimmungsverhalten jetzt im Landtag erklären: Wir halten die Biotechnologie für eine wirklich wichtige wirtschaftliche Entwicklungschance für Sachsen-Anhalt. Aber wir wissen auch, dass es im Hinblick auf einen bestimmten Bereich der Biotechnologie, nämlich den Bereich der Gentechnik, sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Dem werden wir entsprechen, indem wir uns so wie bei der Endabstimmung im Ausschuss enthalten werden. Wir werden natürlich nicht gegen die Beschlussempfehlung stimmen. Aber wir werden das breite Spektrum, das es innerhalb der SPD und in der Fraktion gibt, äußern, indem wir uns bei diesem Antrag enthalten.

Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es auch noch einige inhaltliche Punkte. Das Thema Haftungsregelung: Es ist zumindest ein Versuch gemacht worden, das für die Versuche, die in Sachsen-Anhalt laufen, zu regeln. Das muss man sicherlich anerkennen. Aber auch da sind die Koalitionsfraktionen sehr weit gegangen. Sie haben sich nämlich entgegen der ursprünglichen Positionierung der eigenen Landesregierung in der Bundesratsinitiative dazu durchgerungen, zu sagen, dass es schnellstmöglich auf der europäischen Ebene gleiche Haftungsregelungen geben muss. Das ist sicherlich ein Punkt, der sehr wichtig ist und den ich deshalb noch einmal hervorheben will.

Zum Schluss vielleicht: Die Diskussion, sage ich einmal, die im Ausschuss geführt worden ist, ist eine inhaltlich andere gewesen als die im Landtag geführte. Mich er

innert das ein bisschen an die Debatte heute Morgen zum Kinderförderungsgesetz. Die einen haben darüber geredet, dass es einen grundsätzlichen Rechtsanspruch geben soll und von welcher Position aus man diesen grundsätzlichen Rechtsanspruch sieht. Die anderen haben gesagt: Ich bin aber auch eine gute Mutter, wenn ich meine Kinder zu Hause behalte. Das eine hat mit dem anderen zwar etwas zu tun. Es waren aber unterschiedliche Debatten.

So ist mir das beim Thema der Biotechnologie vorgekommen. Im Grunde sind wir, was die Grundsätze angeht, einer Auffassung. Es ist eine wichtige Branche. Sie muss weiterentwickelt werden für Sachsen-Anhalt.

Aber man muss bei einem so schwierigen Thema, das grundsätzliche ethische Diskussionen einfach herausfordert - die sind auch notwendig zu diesem Thema -, respektieren, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt und dass die sich auch, ich sage einmal, nach einer vernünftigen Debatte in einem Abstimmungsverhalten wiederfinden können. Das gilt sowohl für die SPD als auch - da muss ich für die Kollegen von der PDS auch eine Lanze brechen - für die PDS. Das ist keine Pirouette, sondern ich gehe einmal davon aus, es haben ähnliche Diskussionsprozesse wie bei uns stattgefunden.

Ich gehe einmal davon aus, dass es, wenn Sie in Ihre Parteien hineinhorchen - nicht in die Fraktionen -, auch unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema Gentechnik und Anbau geben wird, sowohl was die Landwirte als auch die Ethiker in Ihren Parteien angeht. Wir sollten in der Debatte zukünftig diesem Punkt auch gerecht werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. Sie wollten noch eine Frage von Herrn Gürth beantworten. - Bitte, Herr Gürth, fragen Sie.

Frau Kollegin Budde, ich habe zum Thema Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung eine gänzlich andere Auffassung als Sie; denn es hat noch nie so viele öffentliche Veranstaltungen mit namhaften Wissenschaftlern, mit einem so breiten Publikum gegeben, wie sie jetzt, durch die Landesregierung initiiert, mit so vielen Beteiligten stattfinden.

(Herr Tullner, CDU: Genau!)

Wie man vor diesem Hintergrund von einer schlechten Öffentlichkeitsarbeit sprechen kann, weiß ich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Frage bezieht sich aber auf die Öffentlichkeit, da es ein zentrales Thema Ihrer Rede war: Glauben Sie nicht, dass wir als Politiker, gerade wenn man die Angst der Menschen vor den eventuell vorhandenen Risiken der Gentechnologie ernst nimmt, auch einen eigenen Beitrag leisten müssen, um diese Ängste zu nehmen, indem wir versuchen, sachlich zu informieren?

Und wenn Sie das glauben, glauben Sie dann nicht auch, dass wir dann insbesondere auch auf die positiven Aspekte dieser Bereiche der Biotechnologie hinweisen müssen, wie zum Beispiel, dass die Gentechnologie im

Bereich der Gesundheit - ich nenne noch einmal das Beispiel Insulin - vielen Menschen erst einmal ein lebenswertes Leben möglich macht, weil ein Großteil der Diabeteskranken ohne Insulin, das im Übrigen von gentechnisch veränderten Bakterien stammt, gar nicht mehr leben könnten, und dass man darauf hinweisen muss, dass zur Bio- und der Gentechnologie auch nachwachsende Rohstoffe gehören, die wiederum andere, fossile Brennstoffe und andere Werkstoffe, die jetzt auf sehr umweltschädliche Weise produziert werden, vermeiden und ersetzen? Glauben Sie nicht, dass wir alle dazu beitragen müssen, und Sie auch?

Herr Gürth, beim Thema Öffentlichkeitsarbeit habe ich die Artikel, die Veröffentlichungen gemeint, die SachsenAnhalt schon als das Gentechnikland präferiert haben, bevor überhaupt klar war, wo etwas angebaut wird. Das hat nämlich die Debatte in der Öffentlichkeit ziemlich verschärft.

Ich finde es durchaus richtig, wichtig und notwendig, wenn ausgleichend gestaltete Veranstaltungen, entweder von der Landesregierung, von Stiftungen, von Vereinen, von Verbänden oder von Unternehmen organisiert, stattfinden, die zu dem Thema aufklären. Aber ich halte nichts davon - das kam bei Ihnen schon wieder ein Stück heraus -, sozusagen eine einseitige Information darüber zu geben und zu sagen: Ihr müsst jetzt alle an die Gentechnik glauben, weil das positiv ist, und wir zeigen euch die positiven Beispiele. Das kann man ganz sicher tun, und das werden diejenigen auch tun, die davon zu 100 oder 150 % überzeugt sind. Das ist auch richtig so.

Aber zu einer Aufklärung für eine aufgeklärte Gesellschaft und ein aufgeklärtes Volk gehört, dass man auch die Risiken dazu benennen muss, dass man damit genauso relaxt umgehen muss, und dass es auch erlaubt sein muss, zu sagen, welche grundsätzlichen Probleme andere damit haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Dann müssen die Menschen aus dieser Information, die gleichmäßig sein muss in ihrer Wichtigkeit und Wertigkeit, ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Es gibt nicht nur Institutionen, die auf die Risiken der Gentechnik hinweisen. Es gibt auch viele, die auf die Chancen hinweisen und sagen, was positiv daran ist.

Ich bin mir heute vor dem Hintergrund der veröffentlichten Meinungen nicht sicher, dass es eine 70- oder 80prozentige Zustimmung gibt. Da müssen die beiden ihre unterschiedlichen Positionen vortragen und wetteifern, sage ich einmal. Jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin muss nach seiner oder ihrer Auffassung die eigene Entscheidung dazu treffen. Das ist tatsächlich ein Thema, das für mich in die Grundfesten hineingeht,

(Zustimmung bei der PDS)

denn letztlich kommen wir bei Folgendem an: Es geht um gentechnisch veränderte Organismen. Es geht nicht darum, ist es ein Bt-Mais, der zugelassen ist. Da können wir uns in die lokale Diskussion begeben und sagen: Das ist im Grunde Quatsch, dass die Ministerin den einmal zugelassen hat und hinterher den Anbau nicht richtig fand. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber die Diskussion beim Thema Biotechnologie geht tiefer. Diesen An

spruch würde ich gern anmelden, ohne sie zu verteufeln. Das ist überhaupt nicht mein Ansatz dabei.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. Möchten Sie nun noch eine Frage des Abgeordneten Herrn Dr. Daehre beantworten?

(Zurufe: Nein, nein!)

Ich hatte gehofft, einen Beitrag dazu leisten zu können, dass wir früher zum Sommerfest kommen. Aber das hat sich erledigt.

Dann bitte, Herr Daehre, fragen Sie.

Werte Kollegin Budde, ich weiß, dass die Möglichkeit besteht, dass Sie noch einmal antworten. Deshalb gebe ich Ihnen die Chance noch einmal. Aber die konkrete Frage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie mit Enthaltung stimmen.