Protocol of the Session on June 17, 2004

Die FDP-Fraktion fordert ein umfassendes Infrastrukturfinanzierungskonzept nach folgenden Leitlinien: Umstellung von Haushaltsfinanzierung auf Nutzerfinanzierung, europäische Harmonisierung der Mineralölsteuern und Kfz-Steuern, Einrichtung einer privatrechtlich organisierten Autobahnbetreibergesellschaft, die die Lkw-Mauteinnahmen unmittelbar erhält und deshalb Maastrichtkonform kreditfähig ist, strenge Zweckbindung der Mautmittel für Infrastrukturinvestitionen, Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen auf 12 Milliarden € pro Jahr, Ausdehnung der Beteiligungsmöglichkeiten privaten Kapitals.

Das Finanzierungskonzept muss sich am Abschlussbericht der von der Bundesregierung 1999 selbst eingesetzten Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, also der so genannten Pällmann-Kommission, orientieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Alles in allem bewirken die Kürzungspläne der Bundesregierung, die vielfach noch nicht projektbezogen konkretisiert sind, dass wichtige Verkehrsprojekte auch in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren nicht bzw. verspätet realisiert werden können. Das betrifft die Verkehrsmittel Straße, Schiene und Wasser jeweils entscheidend.

Aufgrund der Ausführungen meines CDU-Landtagskollegen André Schröder erspare ich es mir, auf die das Land Sachsen-Anhalt betreffenden konkreten Projekte und das dazugehörige Zahlenmaterial einzugehen.

Es sei abschließend nochmals die klare Forderung formuliert, dass der weitere zügige Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern, insbesondere

unser Bundesland betreffend, aufgrund des erheblichen Nachholbedarfs und der Bedeutung für die gesamte Infrastruktur sowie aufgrund des enormen Zuwachses des Verkehrsaufkommens im Zuge der EU-Osterweiterung unabdingbar ist und von den Kürzungsplänen der Bundesregierung verschont werden muss. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Qual. - Nun hören wir den Debattenbeitrag der PDS-Fraktion. Es spricht Herr Kasten. Bitte schön.

Bei mir steht noch eine Redezeit von einer Minute und 25 Sekunden. Das kann nicht stimmen.

(Minister Herr Dr. Daehre lacht)

Das ist deutlich zu wenig. Sie bekommen zehn Minuten.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS - Herr Dr. Eckert, PDS: Danke!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dies ist eine Aktuelle Debatte, in der wir eigentlich nicht nur Zahlen hin und her jonglieren wollen, sondern in der wir Inhaltliches aussagen wollen und in der die Fraktionen in Richtung der Landes- und der Bundesregierung ihre Ansätze darlegen wollen. Herr Schröder, diesbezüglich habe ich von Ihnen so gut wie nichts gehört, auf das ich jetzt eingehen könnte.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Schröder, CDU: Ich habe doch die Punkte genannt! - Zuruf von der CDU: Zuhören!)

Es waren eigentlich nur drei Dinge: Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts; weiter wie bisher; ohne Visionen, aber mit mehr Geld.

(Herr Schomburg, CDU: Mit dem angekündigten Geld! - Zurufe von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Dr. Schellenberger, CDU)

Eines kann ich bestätigen: Die prozentualen Zuwächse im Güterverkehr finden auf der Straße statt. Der Güterverkehr auf der Schiene stagniert bzw. nimmt, wenn man den neuen EU-Raum mit betrachtet, sogar ab.

Ich möchte diese allgemeinen Anmerkungen noch etwas vertiefen und dann zu einigen Aussagen, die Sie speziell zum Beispiel zur Maut und zu ähnlichen Dingen getroffen haben, kommen.

Erst einmal muss man konstatieren, dass sich in Deutschland die Bahnanbindung aus der und in die Fläche weiter verschlechtert. Wer aus der Altmark kommt, weiß das. Ich möchte einmal den Verantwortungsträger in der Bundesrepublik zitieren, der für die Verkehrsinfrastrukturentwicklung der Bundesrepublik und unseres Landes verantwortlich ist und der außerdem verantwortlicher Minister für den Aufbau Ost ist. Ich grei

fe einen Satz aus einer Rede von Herrn Minister Stolpe vom 9. Oktober 2003 heraus:

„Ich betreibe ein von mir nicht gewünschtes und nicht angestrebtes, aber dennoch zu machendes Amt.“

Wenn ich das höre und lese, dann weiß ich, was dabei herauskommt.

(Zustimmung von Herrn Dr. Eckert, PDS, von Herrn Dr. Thiel, PDS, bei der CDU und bei der FDP)

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, hat seine Kritik nach einiger Zeit nicht mehr zurückgehalten. Er sagte, Verkehrsminister Stolpe sei offenbar nicht mehr auf dem Weg, Verkehr auf die Schiene verlagern zu wollen.

Verkehrspolitik unter Stolpe - so kann ich es zusammenfassen - ist nicht nur Stillstand, sondern rückwärtsgewandt.

(Zustimmung bei der PDS, bei der CDU und bei der FDP - Frau Weiß, CDU: Bravo!)

Während seine SPD-Vorgänger noch Ideen, allerdings ohne Durchsetzungsvermögen, hatten, fehlt jetzt auch noch der Gestaltungswille. Die Umsetzung der Triade Vermeidung, Verlagerung und Vernetzung wird nicht angegangen.

Wir haben, wenn Sie sich das Beispiel Sachsen-Anhalt ansehen, im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan intensiv über die Verkehrsinfrastruktur diskutiert. Wir haben dabei eigentlich Ergebnisse erreicht, die durchaus beispielgebend für andere Länder sind. Wir haben noch Ergänzungen dazu bekommen; Herr Minister Dr. Daehre hat Ihnen diese, zum Beispiel alles, was die Landesstraßen betrifft, schon zur Verfügung gestellt. Das heißt aber, dass wir eine berechenbare Basis brauchen. Diese berechenbare Basis haben wir in Berlin nicht mehr.

(Zustimmung bei der CDU)

Wer Milliardenförderung für den Güterverkehr auf der Straße betreibt - in Klammern: Mautdesaster; dazu haben Sie, Herr Schröder, etwas gesagt -, der muss natürlich auch neue Straßen planen und bauen, so das Geld reicht.

Mein Eindruck von den Fachabteilungen im Berliner Verkehrsministerium ist, dass sie im Prinzip für sich arbeiten und Lobbyarbeit für ihre Klientel betreiben, ohne dass dort noch ein Zusammenhang mit dieser Triade, die ich bereits genannt habe, ersichtlich ist.

Es gibt keine Entscheidung für eine einheitliche Verkehrswegefinanzierung. Die Straßenfinanzierung erfolgt aus öffentlicher Hand, inklusive EU. Wer die B 6n anführt, muss auch erwähnen, dass ein Großteil der Mittel aus EU-Töpfen kommt. Aber die Netzinfrastruktur der Bahn finanziert der Nutzer. Überlegen Sie sich einmal, Sie hätten eine Straßenmaut von 2 € bis 4 € pro Kilometer. Genau das sind die Netzgebühren, die DB Netz verlangt. Ich bewerte die Rahmenbedingungen der EU als fortschrittlicher als den derzeitigen Zustand in Deutschland.

(Zustimmung bei der PDS)

Die Verabschiedung des fortgeschriebenen Bundesverkehrswegeplans soll nun vielleicht noch im Juli erfolgen

- ob damit der Juli dieses Jahres gemeint ist, ist für mich sehr unklar.

(Minister Herr Dr. Daehre und Herr Schröder, CDU, lachen)

Das ist ein schlechterer Ansatz für Nachhaltigkeit als der der Vorgänger - dabei kann ich sogar bis in das Jahr 1992 zurückgehen. Die Unterfinanzierung - das wurde bereits dargelegt; Herr Sachse, Sie sprachen von 50 Milliarden, ich nehme an, Sie meinten D-Mark - bleibt.

Wenn wir den Bundesverkehrswegeplan so beschließen, zementieren wir den Vorrang der Straße bis ins Jahr 2025. All das, was von der rot-grünen Koalition aus Berlin in Bezug auf ökologische Verkehrspolitik oder Nachhaltigkeit dann noch kommt, ist Lyrik; die Realität sieht anders aus.

Eines wurde bisher nicht angesprochen, ist für mich aber sehr wichtig: der Unterhalt der Straßen. Bauen wir neue Straßen, dann müssen wir diese auch unterhalten. Der Unterhaltungsaufwand steigt in Potenz, insbesondere wenn wir den Güterverkehr per Lkw auf diesen Straßen haben.

Dabei ist zu betonen: Der Güterverkehr bleibt Dreh- und Angelpunkt. Das heißt, auch die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit der Bahn waren de facto nicht nur für den Personenverkehr gedacht, sondern auch für den Güterverkehr.

Herr Schröder, Sie haben das Projekt Nr. 6 - Halle - Sangerhausen - Nordhausen - Kassel - erwähnt. Dabei haben Sie aber eines nicht gesagt, das möchte ich jetzt gern tun: Wir haben seit 1996 nämlich auch über die Bestellung von Schienenpersonennahverkehr Mittel in dieses Projekt gesteckt. Das sind bei mehr als 9 Millionen Zugkilometern ungefähr 78 Millionen €. Davon hat DB Netz Mittel in Höhe von 31 Millionen € bekommen. Für diese 31 Millionen € haben wir jetzt eine Strecke, die nach zehn Jahren, nach dem Lückenschluss, im Prinzip Schrott ist.

(Herr Schröder, CDU: Da haben Sie Recht!)

Es gibt Streckenstücke, auf denen nur mit 70 km/h gefahren werden kann. Wir fangen an, beim RE Halte zu streichen, damit die Knoten überhaupt noch erreicht werden. Das ist der Zustand, den DB Netz uns dort bietet!

(Herr Schröder, CDU: Stimmt!)

Angesichts dessen brauchen wir im Prinzip nicht mehr darüber zu reden, wie wir eine Triade von Schiene, Straße und Wasserstraße hinkriegen; denn solche Dinge kann sich kein privates Unternehmen leisten. Im Ergebnis dessen stellt sich dann natürlich auch die Frage, was ein Börsengang der Bahn unter diesen Bedingungen soll.

Für Aus- und Neubaustrecken stehen nach mir vorliegenden Zahlen - 1996 bis 2003 - jetzt pro Jahr noch 450 Millionen € zur Verfügung. Das reicht für drei, vier elektronische Stellwerke, wenn wir schnell bauen und die Preise nicht steigen. Aber was da an Neubau kommen soll, das können Sie vergessen.

Ich nenne als Beispiel den ICE-Bahnhof Erfurt, damit wir auch einmal das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 erwähnen. Vielleicht werden in der geplanten Zeit ein paar Läden fertig, aber die Fertigstellung des Bahnhofs

selbst hat sich bereits jetzt um 18 Monate verzögert. So geht das weiter.

Einige letzte Zahlen zum Schienenverkehr. Deutschland investiert pro Jahr pro Einwohner 37 €, Frankreich 58 €, Österreich 133 € - gut, es mögen auch einige Tunnelstrecken dabei sein. Sehen Sie sich nur einmal die Relationen an.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Pro Einwohner.