Protocol of the Session on May 7, 2004

Ich möchte auch Sie noch einmal zitieren, Herr Gallert; ich habe das schon einmal getan. Vielleicht bereuen Sie ja die Aussage, die Sie am 19. Juli 2003 gemacht haben. Da haben Sie nämlich gegenüber der „Volksstimme“ gesagt - ich zitiere wieder -, dass es fast unmöglich sei, den Landeshaushalt zu konsolidieren, weil die permanenten Geschenke des Bundes immer wieder Löcher im Lande aufrissen.

(Herr Gallert, PDS: Das habe ich sogar heute mehrfach gesagt!)

- Sie haben das heute so ein bisschen schüchtern gesagt.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der PDS)

Ich habe in der Zeitung gelesen, er habe Angst vor Frau Hüskens, was ich ihm jedoch nicht glaube. Sie haben heute wieder hervorragend vorgetragen. Aber bei diesem Teil haben Sie sehr schüchtern vorgetragen.

(Herr Gallert, PDS: Alles, aber nicht das!)

Lieber Herr Gallert, stehen Sie doch einmal klar und deutlich zu den Dingen. Vielleicht ist die Persönlichkeit da auch ein bisschen zwischen dem gespalten, was Sie eigentlich sagen wollen, und dem, was Sie sagen müssen. Das kann alles sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt möchte ich gern die Frage von Herrn Bullerjahn zu beantworten versuchen. Ich weiß, dass ich der Frage wahrscheinlich nicht so recht gewachsen sein werde.

Er muss die Frage jedenfalls erst einmal stellen. Das darf er jetzt. Bitte schön.

Herr Lukowitz, ich weiß nicht, ob Sie erreichen wollen, dass ich zur FDP wechsele. Ich kann mich auch einmal hier vorne hinschmeißen und der Regierung meine Aufwartung machen. Ich habe dreimal darauf hingewiesen, dass ich für vieles Verständnis habe. Frage eins: Sollte man dann aber nicht auch erwarten können, dass in einer ähnlichen Weise und vernünftig auf die Opposition zugegangen wird, statt dass hier eine solche Show abgezogen wird, wie der Finanzminister es getan hat, der an nichts Schuld ist?

Frage zwei: Ist es nicht zuallererst Ihre Aufgabe als Regierungsfraktionen - das muss ständige Aufgabe sein -, trotz all der Probleme, die ich einräume, wenigstens den Versuch zu unternehmen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen? Das heißt auch, dass gespart werden muss. Diese Vorschläge müssten doch dann von Ihnen kommen, oder - das wäre der Umkehrschluss - glauben Sie nicht mehr daran, dass bei diesem Haushalt weitere Einsparungen möglich sind?

Herr Bullerjahn, erstens würde ich nicht erwarten - ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe -, dass Sie sich hier vorne hinschmeißen.

Zweitens. Wenn Sie der Auffassung sind - ich habe Herrn Paqué eigentlich nicht so verstanden -, dass wir nicht bereit sind, auf Sie zuzugehen, dann kann ich Ihnen namens der FDP-Landtagsfraktion zumindest versichern, dass wir den Weg zu Ihnen suchen werden und dass wir hoffen, dass Sie uns konstruktiv auf diesem Weg begleiten. Ich denke, das wird vernünftig werden. Da gibt es sicherlich auch interessante Verhandlungen im Finanzausschuss.

Insofern wird dieser Weg beschritten werden. Ich bin skeptisch - das sage ich auch in Richtung von Herrn Gallert -, dass wir noch zahlreiche Gelegenheiten haben werden, bei dem vorgelegten Nachtragshaushalt zu zusätzlichen Einsparungen zu kommen. Wenn Sie uns Wege aufzeigen, dann sind wir sicherlich gern bereit, diese gemeinsam mit Ihnen zu gehen. Wir haben aber, denke ich, alle Möglichkeiten ausgelotet.

Wenn ich mir die Zahlen noch einmal in Erinnerung rufe - Herr Gallert, Sie haben Sie sicherlich viel besser im Kopf -, dann haben wir doch Mindereinnahmen in Höhe von 350 Millionen €. Ausfälle in Höhe von 80 Millionen € kommen wahrscheinlich durch die Steuerreform der Bundesregierung jetzt noch auf uns zu, wobei ich letzteres - die Steuerreform - nicht bedauere. Ich begrüße sie, lieber Herr Püchel.

Das sind summa summarum 430 Millionen €. Diesen Betrag haben wir durch Sparmaßnahmen auf 368 Millionen € reduziert, um die wir jetzt über der Verfassungsgrenze liegen.

Das war ein gewaltiger Marsch. Dafür sollte man dem Finanzminister eher danken, als ihn hier pausenlos zu beschimpfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich danke Ihnen deshalb für die Nachfrage. Ich bin auch am Ende meiner Ausführungen und wünsche Ihnen allen viel Erfolg im Finanzausschuss. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Lukowitz. - Meine Damen und Herren! Wir haben wieder die Freude, Gäste begrüßen zu können. Es sind Damen und Herren vom CDU-Ortsverein Baden, aber nicht aus Südwestdeutschland, sondern aus unserem niedersächsischen Nachbarland.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun hat der Herr Ministerpräsident um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Professor Böhmer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe ganz freimütig zu, dass ich mich erst durch die Debattenbeiträge aufgefordert gefühlt habe,

(Herr Gallert, PDS: Wie immer! - Herr Dr. Püchel, SPD: Das glauben wir Ihnen nicht! - Zuruf von Frau Budde, SPD)

nachdem Sie mich angesprochen hatten, noch etwas zu sagen.

Ich will einmal deutlich sagen: In Anbetracht der Situation, vor der wir stehen, empfand ich die heutige Debatte als fair und sachlich. Das will ich allen Beteiligten ganz deutlich sagen. Ich bitte Sie einfach, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir Ihnen einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen. Ich hätte niemals gedacht, dass mir das jemals in meinem Leben passiert und zugemutet wird, zweimal hintereinander eine Neuverschuldung von mehr als 1 Milliarde € machen zu müssen. - Das - habe ich im Vorhinein gedacht - darf überhaupt nicht passieren. Dass wir trotzdem nicht in der Lage waren, das abzuwenden, ist für mich fast eine Katastrophe. Ich wünschte, es wäre anders.

Ich bitte die Tatsache nicht zu übersehen, dass wir mit dem Nachtragshaushalt im Jahr 2004 die Ausgaben gegenüber dem J ahr 2003 um rund 3 % gesenkt haben. Das haben wir nur dadurch hinbekommen, dass wir zweimal hintereinander jeweils etwa 1,3 Milliarden € neue Verschuldung aufgenommen und das Land damit belastet haben. - Das ist für mich eine Katastrophe und ich wünschte, es wäre anders. Dies muss man in aller Deutlichkeit sagen; denn die Probleme werden sich so schnell, wie wir uns das wünschen, nicht ändern lassen.

Verehrter Herr Kollege Bullerjahn, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört bei der - ich sage es einmal so - Zurkenntnisnahme der Einnahmensituation nach der Steuerschätzung. Sie haben uns mehrfach gesagt, wir sollen das nicht glauben, was uns die Steuerschätzer der Bundesregierung sagen, und wir sollen unsere Zahlen, die besser sind, eintragen.

Ich habe die Frage, ob das mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz vereinbar ist; denn wenigstens die Opposition müsste uns dann ungesetzliche Mogelei vorwerfen, wenn wir die Zahlen bewusst nach unten korrigieren. Ich entnehme Ihren Ausführungen jetzt, dass Sie es nicht tun würden, sollten wir es tatsächlich machen. Dann müssen wir aber natürlich sagen, wie weit wir das nach unten schätzen: Nehmen wir 100 Millionen € oder 200 Millionen € weg?

Sie haben gesagt - diesen Satz habe ich mir wörtlich mitgeschrieben -, wenn wir das, was die Bundesregierung und deren Steuerschätzer uns etwa in einer Woche sagen werden, übernehmen, dann werden wir - wörtlich - „jämmerlich auf die Nase fallen“.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ja!)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie selbst der Bundesregierung so wenig Vertrauen entgegenbringen, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass unser Vertrauen wenigstens nicht größer ist. Das ist doch das Problem.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank - Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Unser Problem ist die Tatsache, dass die Steuereinnahmen insgesamt gesunken sind. Herr Professor Paqué hat mir eine Grafik mitgegeben, die ich wenigstens einmal hochhalten will, weil sie auch von weitem zu erkennen ist.

(Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer hält ein Papier in die Höhe)

Bis zum Jahr 2001 hatten wir auf einem relativ hohen Niveau geringe Schwankungen, sogar einen leichten Anstieg. In den Jahren 2002 und 2003 liegen die Isteinnah

men deutlich niedriger. Das ist die Situation, vor der wir Haushaltspolitik machen müssen.

Ich finde das nicht gut. Das hängt mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zusammen.

(Herr Gallert, PDS: Steuergesetze!)

Das ist etwas, was wir alle mittragen müssen, SPD- und CDU-geführte Länder sowie die Bundesregierung. Das ist unser gemeinsames Schicksal. Wir geben uns schon Mühe, uns auch gemeinsam dagegen zu wehren, wenn auch die Vorschläge unterschiedlich sind.

Eines will ich ganz deutlich sagen: Bis zum Jahr 1998 war es auch in diesem Haus unstrittig, dass für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland die Bundesregierung zuständig ist. Ich kann dazu viele Ihrer Debattenbeiträge aus dieser Zeit zitieren. Aber dies gilt auch heute noch.

Ich habe vor kurzem an Diskussionen über den Aufbau Ost teilgenommen mit dem Bundeswirtschaftsminister Clement, mit dem Bundesverkehrsminister Stolpe und mit anderen. Alle sagen fast gleichlautend: Der Aufbau Ost wird nur weiter an Dynamik gewinnen, wenn er vom Aufschwung der Wirtschaft in ganz Deutschland getragen wird. Das ist die Voraussetzung auch für die weitere Entwicklung des Aufbaus Ost. - Wenn wir das nicht hinbekommen, dann können wir uns hier streiten, wie wir wollen, wir werden die Probleme nicht lösen. Deswegen sind es sehr grundsätzliche Probleme, über die hier gesprochen werden muss.

Es gibt andere Grafiken über das Wachstum der Wirtschaft Deutschlands innerhalb der Europäischen Union, in denen stehen wir eben an der letzten Stelle. Das sind die Fakten, die auch der Bundeskanzler völlig richtig sieht, weshalb ich auch keine Gelegenheit auslasse, ihm Recht zugeben, wenn er mit der Agenda 2010 sagt, dass in Deutschland grundsätzliche Reformen durchgeführt werden müssen. Ich bin dabei gelegentlich auch nicht konform mit einigen Kollegen aus meiner eigenen Partei. Aber ich erlaube mir zu sagen: Wenn wir in dieser grundsätzlichen Frage keine Reformschritte in Deutschland hinbekommen, können wir uns hier streiten, wie wir wollen, werden wir die Probleme nicht lösen.

Es gibt ein weiteres Problem, auf das ich mit aller Deutlichkeit hinweisen möchte. Die Spannungen in Deutschland, auch zwischen West und Ost, haben nach meinem Empfinden deutlich zugenommen. Es gibt demoskopische Ergebnisse, die noch nicht veröffentlicht sind, weshalb ich sie jetzt nur mit einer gewissen Vorsicht vortragen will.

In Ost und West ist die Frage gestellt worden: Glauben Sie, dass die neuen Bundesländer für ihre Entwicklung zu viel Geld erhalten, zu wenig oder gerade richtig? - In Westdeutschland haben 46,7 % der Befragten geantwortet, es sei zu viel Geld und sie seien der Meinung, dass wir ihr Geld verplempern und nicht richtig verwenden. - Deswegen ist es sehr wichtig, was wir mit dem Geld, das wir bekommen, tun - nicht nur mit den Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, sondern insgesamt.

Die Berichte, Herr Gallert, von denen Sie gesprochen haben, die sind offensichtlich in diesem Zusammenhang gesendet worden.

(Herr Gallert, PDS: Vollkommen richtig!)

Ich habe diese Sendung nicht gesehen, deshalb weiß ich nicht so ganz genau, was dabei herübergekommen ist.

(Herr Gallert, PDS: Ein Herr Böhmer als Kron- zeuge!)