Protocol of the Session on May 7, 2004

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Paqué. Möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Sitte beantworten?

(Frau Bull, PDS: Nicht doch!)

Bitte, Frau Dr. Sitte, fragen Sie.

Herr Paqué, Sie haben jetzt selbst in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass die Hochschulen Ihren Beitrag zur Konsolidierung innerhalb dieses Nachtragshaushaltes erbringen müssen. Auf die gleiche Frage von Herrn Gallert gestern konnte der Kultusminister allerdings relativ wenig bis gar keine Auskunft geben.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Doch! Kann ich inzwischen! - Herr Gallert, PDS: Jetzt fragen wir ihn!)

Er konnte nämlich lediglich sagen, dass er das jetzt auch nicht erklären kann.

Jetzt frage ich Sie, was sich konkret damit verbindet und welche Konsequenzen auf die Hochschulen zukommen. Immerhin handelt es sich um budgetierte Einrichtungen. Sie haben Verträge mit den Hochschulen in Gestalt der Zielvereinbarungen, die beiden Universitäten haben Globalhaushalte. Deshalb scheint mir das schon einigermaßen merkwürdig, dass die Hochschulen im Nachtragshaushalt wieder mit auftauchen.

Frau Dr. Sitte, Sie haben mich in diesem Punkt missverstanden. Ich habe im letzten Teil meiner Ausführungen auf die allgemeinen konsolidierungspolitischen Schritte hingewiesen, die wir in den ersten zwei Jahren unserer Regierungszeit gemacht haben. Dazu zählt auch das 90plus-x-Programm - wenn ich es an dieser Stelle so nennen darf - bei den Hochschulen bis zum Jahr 2006. Das hat, für sich genommen, mit dem Nachtragshaushalt nichts zu tun.

(Zurufe von Herrn Gallert, PDS, von Frau Dr. Wei- her, PDS, und von Frau Dr. Sitte, PDS)

Eine weitere Frage. Bitte.

Offensichtlich sind es nach diesem Nachtragshaushalt nur noch 88 % plus x.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Nein, das stimmt nicht! Ich kann das erklären! Es ist nicht so!)

- Ach, Sie können es jetzt erklären. Schön.

(Unruhe)

Gut, es ist ein Kabinettsbeschluss, den wir hier vorgelegt bekommen haben. Wir fragen uns dann weiter durch.

Frau Dr. Sitte, im Einverständnis mit dem Kultusminister biete ich Ihnen ein bilaterales Gespräch zwischen ihm und Ihnen an. Dann lässt sich das sicherlich klären.

(Zustimmung bei der FDP - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist völlig in Ordnung! - Unruhe)

Vielen Dank, Herr Minister Paqué.

Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Debatte eintreten, haben wir zunächst die Freude, dieses Mal auf

der Nordtribüne Gäste begrüßen zu können. Es sind Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen aus der Stadt der Landesgartenschau, aus Zeitz.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun beginnen wir mit dem Debatte. Es ist dafür die so genannte E-Struktur ausgewählt worden, das heißt die Debatte hat einen Umfang von 130 Minuten mit den entsprechenden Einzelzeiten, die Ihnen bekannt sind. Sie wird eröffnet durch den Beitrag der PDS-Fraktion. Es spricht Herr Gallert. Bitte, Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus! Ich habe, glaube ich, seit dem Jahr 1994 noch nie eine so emotionslose Haushaltsdebatte seitens eines Finanzministers erlebt.

(Oh! bei der CDU)

Das hat möglicherweise seinen Grund darin - der ist relativ einfach zu beschreiben -, dass die zentrale Aussage des Nachtragshaushaltes die Erhöhung der Nettoneuverschuldung um 368 Millionen € ist. Dies ist einfach einmal eine haushaltspolitische Katastrophe. Das wissen auch alle, mit Ausnahme des Finanzministers.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Da es mir allerdings auch in 20 Minuten Redezeit nicht vergönnt sein wird, ihn davon zu überzeugen, werde ich versuchen, diese Polemik beiseite zu lassen. Denn an wen sollte sie sich sonst wenden?

Ich will versuchen, einige wirtschaftliche Betrachtungen aus diesem Landeshaushalt zu kolportieren. Ich werde einen kurzen Rückblick darüber geben, wie sich vor allem das strukturelle Defizit des Landeshaushalts seit 1998 entwickelt hat, und werde danach einige Aussagen zum Umgang mit einem erwarteten Defizit im Jahr 2004 machen.

Zum einen muss man die Jahresscheiben 2003 und 2004 in diesem Nachtragshaushalt noch einmal zerlegen; denn - das hat der Finanzminister völlig richtig gesagt - das Gros des Handlungsdrucks entstand dadurch, dass der Haushaltsabschluss 2003 mit einem Defizit von sage und schreibe 354 Millionen € angegeben wurde.

Ich weiß übrigens noch immer nicht hundertprozentig, ob das auch wirklich der offizielle Haushaltsabschluss ist; denn bis vor einigen Tagen war es zumindest noch so, dass bereits Fördermittel der EU in Höhe von etwa 40 Millionen € eingerechnet worden sind, die kassenmäßig wohl noch gar nicht da gewesen sind.

Aber lassen Sie uns einmal von einem Defizit in Höhe von 354 Millionen € für das Jahr 2003 ausgehen und uns das Haushaltsjahr 2003 noch einmal summarisch unter dem Aspekt der Nettoneuverschuldung anschauen.

Wir haben erstens 750 Millionen €, die im Jahr 2003 offiziell als Nettoneuverschuldung tituliert worden sind. Wir haben weitere 150 Millionen €, die über den Schattenhaushalt „Beleihung des Altlastensanierungsfonds“ aufgenommen worden sind und eine faktische Neuverschuldung darstellen. Außerdem haben wir weitere 354 Millionen €, die als Haushaltsdefizit im laufenden Haushalt 2003 aufgelaufen sind.

Summarisch liegen wir jetzt also bei 1,25 Milliarden €, die das strukturelle Defizit des Haushalts 2003 ausmachen - ein Defizit, das faktisch nur über eine Neuverschuldung abgedeckt werden kann.

Dabei spielen im Haushaltsjahr 2003 noch eine Reihe von positiven Einmalfaktoren eine Rolle, die das Bild sogar noch zum Positiven hin verzerren. Unter anderem werden für das Jahr 2003 EU-Mittel in Höhe von sage und schreibe fast 90 Millionen € gebucht, die aus der Legislaturperiode 1994 bis 1998 stammen. Damals hat das Land die Kofinanzierungsmittel für Mittel ausgegeben, die die EU dem Land jetzt zusätzlich in Höhe von 90 Millionen € zur Verfügung stellt.

Ich will das auch Ihnen, Herr Ministerpräsident, noch einmal ganz deutlich sagen. Sie haben kürzlich bei der für mich wirklich katastrophalen Berichterstattung von „Kontraste“, die diesem „Spiegel“-Trend unter dem Motto „Der Osten gibt das Geld für sinnlose Dinge aus“ folgte, auf die Lehrerarbeitszeitkonten aus der letzten Legislaturperiode verwiesen, die sich jetzt als Belastung niederschlagen. Das ist völlig richtig. Aber darüber, dass Sie zum Beispiel 90 Millionen € aus der vorletzten Legislaturperiode zur Sanierung des Haushalts 2003 geschenkt bekommen, die dieses strukturelle Defizit noch künstlich nach unten nivellieren, verloren Sie kein Wort.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

- Nein, diese Rückforderung nicht. Das ist Quatsch. Das sind Rückforderungen aus der letzten Förderperiode. Das ist nicht das „x+2“-Problem. Das ist nicht das Problem, dass es EU-Mittel und Haushaltsmittel des Landes in verschiedenen Variationen über die verschiedenen Jahresscheiben geben kann. Das sind Mittel aus der letzten EU-Förderperiode, also Mittel, für deren Kofinanzierung man den Haushaltsabschluss bereits vor mehreren Jahren gemacht hat.

Wir haben also ein reales, ein strukturelles Defizit von sage und schreibe 1,3 Milliarden € im Jahr 2003. Bei einem Landeshaushaltsvolumen abzüglich der Hochwasserhilfen von etwa 10 Milliarden € macht das also ein strukturelles Defizit von 13 % aus.

Jetzt schauen wir uns einmal das erste Haushaltsjahr dieser Landesregierung an, nämlich das Haushaltsjahr 2002. Damals hatten wir eine Nettoneuverschuldung von 1,5 Milliarden €. Allerdings ist diese Zahl auch verfälscht, weil in diesen 1,5 Milliarden € ein Betrag in Höhe von 200 Millionen € enthalten ist, der als Defizit des Jahres 2001 aufgelaufen ist.

Jetzt ist für jeden einigermaßen mathematisch begabten Menschen zu verstehen: strukturelles Defizit 2002 1,3 Milliarden €, strukturelles Defizit 2003 1,3 Milliarden €. Wir haben also in diesem Landeshaushalt ein strukturelles Defizit von 1,3 % - nein, das wäre ja traumhaft - von 1,3 Milliarden €, sprich 13 %.

Wissen Sie, man muss kein großer Prognostiker sein, man muss das Papier des Kollegen Bullerjahn nicht gelesen haben, um festzustellen: Mit einem strukturellen Defizit von 13 % landen wir innerhalb weniger Jahre in der Berliner Haushaltssituation von Herrn Diepgen und von Herrn Landowsky. Das muss jedem in diesem Haus klar sein.

Jetzt vergleichen wir diese Dinge einmal mit der letzten Legislaturperiode. Seinerzeit gab es auch eine Nettoneuverschuldung, ganz klar. Die Nettoneuverschuldun

gen von 1998 bis 2002 haben sich in einem strukturellen Defizit von 8,5 % dargestellt. Vergleiche ich also dieses strukturelle Defizit des Landeshaushalts zwischen der letzten Legislaturperiode und dieser Legislaturperiode, dann stelle ich fest: Es hat sich bei etwa ähnlichen Haushaltsvolumen auf das 1,5fache verstärkt. Wer da noch von Konsolidierungskurs spricht, Herr Paqué, der lebt in einer Parallelwelt.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

An einer Stelle will ich allerdings gern Ihre Bewertungen teilen. Ich meine die Bewertung, dass die Masse der Ursachen für diese gefährliche Entwicklung auf bundespolitischer Ebene liegt. Das ist wohl war.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Sie haben etwas über die wirtschaftliche Situation in diesem Land seit 2002 gesagt. Wir alle kennen die strukturelle Krise der öffentlichen Kassen, die sich nach den Steuergesetzen von 1999 und 2000 strategisch verschärft hat und in eine krisenhafte Situation mündete. Das ist völlig richtig.

Was aber ist die Basis dieser Steuergesetze? - Diese Basis ist ganz einfach mit einem Satz zu umschreiben: Steuern runter, Wirtschaft rauf. Diesen Satz finden Sie heute übrigens immer noch beim Bundesfinanzministerium auf der Internetpräsentation. Was ist die Realität? - Steuern runter, Wirtschaft runter. Die Zahlen dazu haben Sie selbst hervorragend geliefert.

Insofern haben Sie natürlich Recht mit Ihrer Kritik an der Berliner Haushaltspolitik, an der Berliner Steuerpolitik. Aber ich frage Sie, Herr Paqué: Wo haben Sie sich definitiv gegen den Steuersenker Westerwelle zur Wehr gesetzt? Wo haben Sie, Herr Böhmer, sich gegen den Bierdeckelrechner Merz zur Wehr gesetzt, der das alles noch viel, viel schärfer machen will,