Protocol of the Session on June 21, 2002

In der Tat war der Bundesgesetzgeber lediglich dazu zu bewegen, Regelungen auf den Weg zu bringen, die den Mindestanforderungen der Urteile des Bundesverfassungsgerichts folgten. Weitergehende Vorhaben hinsichtlich einer Aufhebung bzw. Modifizierung von Begrenzungsregelungen des AAÜG scheiterten innerhalb des Bundesrats an den damaligen Mehrheiten.

Das verabschiedete Gesetz hat entsprechend viele Enttäuschungen bei den doch sehr unterschiedlich Betroffenen hinterlassen. So sieht auch die neue Landesregierung die Versorgung von in der DDR geschiedenen Frauen als dringend verbesserungsbedürftig an und wird sich im Bundesrat für die überfällige Lösung dieser Problematik einsetzen.

Ich stimme Ihnen insgesamt darin zu, dass auch mit dem jüngsten Gesetzgebungsverfahren die Rentenüberleitung noch nicht vollendet ist. Es ist unsere Aufgabe, die aufgezählten rentenrechtlichen Problemfelder sorgfältig auf durchsetzbare Änderungen hin zu prüfen. Erste Kontakte mit den Betroffenenverbänden, wie zum Beispiel dem Landesverband des Bundes der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen, sind bereits erfolgt.

Sie sehen, die Landesregierung kümmert sich um diese Problematik. Ich hoffe damit auch Ihrem Anliegen, unsere Haltung zu erfahren, Rechnung getragen zu haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU, von Frau Theil, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Vielen Dank, Herr Minister Kley. - Für die CDU-Fraktion erhält jetzt Frau Liebrecht das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überleitung des bundesdeutschen Rentenrechts hat sich für den weitaus größten Teil der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern als außerordentlich positiv erwiesen. Die Verbesserung der rentenrechtlichen Situation der Menschen in den neuen Bundesländern war bei der Herstellung der deutschen Einheit das politische Ziel der Union. Solange die Einkommensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern noch nicht vollständig angeglichen sind, bleibt das Thema nach wie vor aktuell.

Allerdings zeigt sich auch heute, wie schwierig es nach 40 Jahren Teilung und Sozialismus ist, in allen Fragen befriedigende Lösungen zu finden. Unzweifelhaft ist es bei der Herstellung der staatlichen Einheit, beim Einigungsvertrag und bei seiner oft bürokratischen und perfektionistischen Umsetzung zu Ungereimtheiten gekommen. Die meisten Probleme, mit denen wir heute kämp

fen, waren angesichts der Kompliziertheit der Sachverhalte und infolge der gebotenen Eile nahezu unvermeidlich.

Die Union tritt für eine Angleichung der Renten in Ostdeutschland an die Renten in Westdeutschland ein. Solange allerdings die Einkommenssituation der Beitragszahler in den neuen Bundesländern noch nicht der in den alten Bundesländern entspricht, würde eine sofortige Angleichung der Renten zu einer Besserstellung der Rentner auf Kosten der Beitragszahler führen; denn bei einer sofortigen Angleichung der aktuellen Rentenwerte in Ost und West entfiele die Grundlage für die bisherige Hochwertung der niedrigen Löhne in den neuen Bundesländern.

Die arbeitende Generation in den neuen Bundesländern würde dann neben den geringeren Löhnen auch noch zusätzliche Einbußen beim Erwerb von Rentenanwartschaften wegen der Bezugnahme auf ein gesamtdeutsches Durchschnittseinkommen erleiden. Für den Rentner bringt die Ableitung des aktuellen Rentenwertes aus dem gesamtdeutschen Durchschnittseinkommen dagegen nur Vorteile. Damit wäre der Bezug zwischen Rentenhöhe und Einkommen in den neuen Bundesländern nicht mehr gegeben.

Vordringliches Ziel ist es deshalb, zeitgleich mit einer Rentenanpassung die Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern an die der alten Bundesländer anzugleichen. Sowohl im Programm der Landesregierung als auch im Regierungsprogramm der Union auf der Bundesebene ist eine entsprechende Aussage zu einer Anpassung bis zum Jahr 2007 - zumindest in Bezug auf den öffentlichen Dienst als Vorreiter - enthalten. Die CDU hat sich somit auch verpflichtet, den Anpassungsprozess zwischen den Renten in Ost und West in einem überschaubaren Zeitrahmen zu Ende zu führen.

In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich auf die Rentenanpassung in der Zeit von 1994 bis 1998 unter der unionsgeführten Bundesregierung verweisen. In dieser Zeit waren die Anpassungen in Ostdeutschland zumeist sehr viel höher als im Westen - insgesamt fast 21 %, was den Angleichungsprozess der Renten verstärkt hat.

Dagegen hat die jetzige rot-grüne Bundesregierung den Rentenangleichungsprozess im Jahr 2000 bedauerlicherweise ausgesetzt, da man die Abkopplung der Renten von der Nettolohnentwicklung zugelassen hat. Hinzu kommt, dass Rentnerinnen und Rentner von einer zweifelhaften Steuerentlastung gar nichts haben; denn für die zusätzlichen Belastungen, wie Ökosteuer, müssen sie ebenfalls aufkommen.

Diese Angleichung der Renten pro Jahr nur um 0,5 % ist irreparabel, und es stellt sich die Frage, wie dies ausgeglichen werden soll. Die rot-grüne Bundesregierung hatte auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. April 1999 die Möglichkeit, im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes notwendige Korrekturen im Recht der Rentenüberleitung vorzunehmen. Diese Chance wurde verpasst.

Die Union hat den ursprünglichen Gesetzentwurf abgelehnt, weil keine Verbesserung für SED-Opfer gewährt wurde. Wir möchten deshalb dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion mit einer Änderung zustimmen: Es geht

um die Anfügung eines Stabstriches in Punkt 2 mit dem Wortlaut: Entschädigung für Opfer von SED-Unrecht.

Gleichzeitig bitten wir um eine Fristverlängerung. In Punkt 2 sollte statt des Endes des dritten Quartals 2002 das Ende des Jahres 2002 genannt werden.

Wenn die SPD-Fraktion mit diesen Änderungen mitgehen kann, sind wir mit einer Berichterstattung und Ausschussüberweisung einverstanden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Liebrecht. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt von beiden Rednern - vom Minister und von Frau Liebrecht - das Wesentliche gesagt und unser Antrag im ersten Änderungspunkt gleich mit erläutert worden. Wir wollen in der Rentenfrage tatsächlich die Koppelung an die Löhne und Gehälter.

Wir wollten natürlich von Ihnen genau hören, ob Sie nach wie vor zu der Angleichung der Löhne und Gehälter in diesem Stufenplan bis 2007 stehen. Das hatten Sie im Wahlkampf versprochen. Das hat auch Kostengründe. Der Finanzminister hat hierbei noch eine zusätzliche Aufgabe, da er das in den nächsten Jahren regeln muss.

Ich will darauf nicht weiter eingehen, sondern nur sagen: Wenn wir bei der jetzigen Regelung bleiben würden, Herr Minister, dann würde es noch 20 Jahre dauern, bevor wir eine Angleichung bei den Renten hätten. Unser Minister Riester hat gestern gesagt - darüber habe ich mich ein wenig erschrocken -, dass man trotz der Ökosteuer noch eine Rentenbeitragserhöhung von 0,2 % bringen müsste, um überhaupt zu sichern, dass die jetzigen Renten bezahlt werden können.

Wenn Sie der nächsten Stufe der Ökosteuer nicht zustimmen sollten, dann müsste eine nochmalige Beitragserhöhung um 0,6 % stattfinden. Wie sich das volkswirtschaftlich auswirken kann - - Ich bin gespannt, wie Sie das regeln wollen. Der gehandelte künftige Minister Seehofer hat gesagt, dass die Rentenbeiträge steigen müssten. Herr Stoiber ist in der letzten Woche gleich zurückgerudert, indem er sagte, dass er das möglichst umgehen möchte.

Wir kommen, wenn wir die Ökosteuer nicht beibehalten, nicht umhin, die Beiträge für die Rentenversicherung wieder zu erhöhen. Das trifft wieder alle. Ob das gerechter ist, wage ich zu bezweifeln.

Klar, wir müssen uns damit im Ausschuss beschäftigen, damit wir von der Landesregierung erfahren, wie sie dazu steht.

Zu Punkt 2 haben wir eine andere Prioritätensetzung. Wir haben gesagt, dass diejenigen nicht vorrangig gestellt werden müssen - - Darin liegt eine Kritik an dem PDS-Antrag. Ich denke, dass diejenigen, die zu DDRZeiten sicherlich Vorteile hatten - - Ich sage es ganz offen, es gab welche, die Vorteile hatten, weil sie systemtreuer waren, weil sie das richtige Parteibuch hatten oder Wohlverhalten an den Tag legten. Dadurch kamen

sie in eine bestimmte Position und konnten höhere Rentenanwartschaften erwerben.

Bei allen anderen, die auch bei uns gelebt haben - - Ich kenne relativ viele, die weder in eine Zusatzversicherung einzahlen noch bestimmte Positionen bekleiden konnten, einfach weil sie anders dachten. Bestimmte Benachteiligungen können wir heute nicht mehr lösen. Es gibt wahrscheinlich die Gerechtigkeit nicht, von der man träumt.

Wir wollten aber zumindest in der Abfolge an erster Stelle diejenigen erwähnen, die in einem System gelebt haben und beruflich benachteiligt worden sind und die bis heute keine Wiedergutmachung in der Rentenfrage erfahren haben und wahrscheinlich nie erreichen werden.

Von daher habe ich gesagt: Denjenigen, die jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolge erzielt haben, weil das Strafrecht im Rentenrecht nichts zu suchen hat - das ist keine Frage -, gönnen wir natürlich diese Erfolge. Das ist auch richtig so. Aber wir müssen diese Personen nicht an die erste Stelle stellen, sondern diese Personen haben genug Rechtsmittel eingelegt und sie werden sie auch in Zukunft einlegen, um zu ihrem Recht zu kommen. Es gibt viele, die haben diese Möglichkeit nicht. Sie haben vielleicht auch nicht das Geld dazu. Von daher haben wir gesagt, dass diese Personen zu berücksichtigen sind. Wir wollen von der Landesregierung wissen, wie sie damit in Zukunft umzugehen gedenkt. Das soll bei uns an erster Stelle stehen. Deshalb eine andere Reihenfolge.

Wir haben auch kein Problem damit, dass die Frage der Entschädigung für begangenes SED-Unrecht als ein Spiegelstrich eingefügt wird. Wir sind auch mit einer Fristverlängerung einverstanden. Es kann auch im letzten Quartal dieses Jahres geschehen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, der etwas umfassender ist. Letztlich ist es gut, dass es so thematisiert worden ist, denn das ist ein Thema, das uns in den nächsten Tagen, auch im Wahlkampf und danach mit Sicherheit noch begleiten wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Bischoff. - Nun spricht für die FDPFraktion Herr Rauls. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe auf den Knopf gedrückt, es geht nicht höher. Nur um das schon vorweg zu sagen.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das Problem habe ich nicht! - Heiterkeit)

Ich nutze die Gelegenheit, um bei allen Sportbegeisterten Sympathien einzuwerben.

(Herr Gürth, CDU: Es steht 0 : 0!)

Herr Bischoff, ich habe nur eine Bemerkung. Ich denke, das ist nicht der richtige Ansatz und ist auch nicht der Ansatz, den wir machen wollen, nämlich durch mehr Ökosteuer die Rentenbeiträge zu sichern oder, wie es Guido Westerwelle gesagt hat, „Rasen für die Rente“.

(Herr Bischoff, SPD: Wie machen Sie es denn?)

Wir wollen mehr Arbeit schaffen und damit die Renten finanzieren.

(Beifall bei der FDP)

Bezug nehmend auf die Ausführungen des Ministers geht die FDP-Fraktion bei dem Vorschlag der CDU-Fraktion, von Frau Liebrecht vorgetragen, mit. Wir stimmen dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion mit den Ergänzungen zu. Sie haben ja ebenfalls zugestimmt. Dem Ausschuss sind dann die Informationen vorzulegen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Nun bitte Frau Dirlich. Sie spricht noch einmal für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte die Verknüpfung der Angleichung der Lebensverhältnisse und der Angleichung der Rentenwerte ebenfalls für richtig. Wenn es denn gelingt, dann bin ich sehr dafür, dass wir dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion in dieser Form zustimmen. Wenn darüber heute direkt abgestimmt werden kann, wäre ich damit sehr, sehr einverstanden. Das ist vollkommen klar.

Die Abkoppelung der Erhöhung des Rentenwertes Ost von der Angleichung der Lebensverhältnisse war nur deshalb so gedacht, weil ich zumindest in vielen Diskussionen erlebe, dass davon ausgegangen wird, dass die Lebensverhältnisse sich tatsächlich erst in 15 bis 20 Jahren angleichen werden. So lange sollten wir die Rentnerinnen und Rentner nicht warten lassen. Wenn es uns gelingt, die Angleichung der Lebensverhältnisse und die stufenweise Angleichung der Löhne und Gehälter, so wie das im Antrag der SPD-Fraktion formuliert ist, zu erreichen, dann ist uns das natürlich noch wesentlich lieber.

Ich frage, ob es möglich ist, in den Änderungsantrag der SPD-Fraktion neben den Änderungen, die die CDUFraktion vorgeschlagen hat und denen wir zustimmen können, einen weiteren Anstrich zu unserem Punkt 2 aufzunehmen, nämlich die Frage der Mitarbeiterinnen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie die Frage der ehemaligen Balletttänzerinnen und Balletttänzer. Ich weiß nicht, weshalb ausgerechnet das in diesem Antrag fehlen sollte, wenn wir sogar die Frage der Altgeschiedenen mit aufnehmen, die mit der Rentenüberleitung erst einmal gar nichts zu tun hat, wie wir alle oder zumindest diejenigen, die sich damit ein wenig befasst haben, inzwischen wissen.

Was die Frage bereits bestandskräftiger Renten-, Überführungs- und Versorgungsbescheide betrifft, so habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass sie darüber nicht diskutieren wollen. Ich hätte diese Frage aber sehr gern diskutiert. Mich wird niemand daran hindern, Fragen im Ausschuss zu stellen.