Da wird derjenige genommen, der am besten ist. Wenn es Ausschreibungen gab, haben wir manchmal gewonnen und manchmal verloren. In dem Fall waren wir eben nicht gut genug.
(Herr Tullner, CDU: Dafür sollten Sie sich wirklich schämen! - Herr Gürth, CDU: Die Sozialdemokra- ten haben Sachsen-Anhalt im Stich gelassen!)
Diese Empfehlungen der Gutachter bieten im Übrigen - das habe ich schon gesagt - die Grundlage für viele Diskussionen.
Das betrifft zum Beispiel die Forderung, die Ostförderung in eine gesamtdeutsche Förderung zu integrieren und die Infrastruktur flächendeckend weiter auszubauen. Ich, meine Damen und Herren, sehe beides kritisch. Genau darüber sollten wir in den Ausschüssen diskutieren. Das ist nämlich unser Job hier.
Richtig ist, dass Westdeutschland einer der wichtigsten Absatzmärkte für Ostdeutschland ist und dass Ostdeutschland deshalb von einem Abschwung West hart getroffen wird. Richtig ist auch, dass sich die Strukturschwächen in Ost und West extrem unterscheiden und dass darauf auch unterschiedlich reagiert werden muss. Die Diskussion dazu ist in vollem Gange - führen wir sie inhaltlich und klinken wir uns ein.
Ich bin der Auffassung, dass Ostdeutschland bis zum Ende der nächsten Strukturfondsperiode - also bis zum Jahr 2013 - gesondert betrachtet werden muss. Es muss das besondere Ziel sein, unsere Wirtschaftsstruktur weniger krisenanfällig zu machen und uns von Westdeutschland als einem der zentralen Absatzmärkte für unsere Unternehmen unabhängiger zu machen. Wir müssen künftig stärker von der steigenden Nachfrage auf den Auslandsmärkten profitieren; denn dort liegt die Dynamik der Märkte. Anders wird es nicht möglich sein.
Bei der Infrastruktur werden wir sicherlich auch Evaluierungen vornehmen müssen. Es gibt Dinge, die getan werden müssen, weil sie strukturwirksam und strukturpolitisch notwendig sind. Trotz allem müssen alle Infrastrukturprojekte evaluiert werden, und es muss geschaut werden, wie sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammenpassen. Die Bevölkerungsabwanderung muss künftig auch in der Infrastrukturentwicklung in SachsenAnhalt berücksichtigt werden. Wir sind nun einmal an einem Wendepunkt, an dem dies dringend getan werden muss.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. - In jedem Fall würde die Landesregierung sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie die Tonnenideologie in der Wirtschaftsförderung aufgeben würde. Am Ende ist dann nämlich kein Geld mehr da, um die Branchenentwicklung gezielt zu begleiten und strukturwirksame Entwicklungen zu fördern.
Herr Böhmer - das ist mein letzter Satz - hat der Bundesregierung etwas unterstellt, das er - getreu dem Motto: Was ich selber denk und tu, trau ich auch anderen Leuten zu - auf sein eigenes Land anwenden sollte. Er sagte nämlich im Bundestag in der vergangenen Woche - ich möchte Ihnen das für Ihre Politik entgegenhalten -:
Vielen Dank, Frau Budde. - Für die FDP-Faktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Dr. Schrader das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Schrader.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegin Budde, ich hatte das große Glück, bei der Aktuellen Stunde im Bundestag dabei zu sein. Ich kann bestätigen, dass Herr Professor Böhmer die Debatte kurz vor Schluss verlassen hat. Er hat die Ausführungen des Wirtschaftsexperten der Grünen Fritz Kuhn verpasst. - Entschuldigung, ich meine, er ist nicht anwesend gewesen; verpasst hat er sie nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wirtschaftswachstum in Deutschland für die Jahre 2004 und 2005 wird niedriger ausfallen als ursprünglich angenommen. Die Arbeitslosenquote sinkt im Osten wie im Westen nur unwesentlich - so die Prognosen der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute.
Die Wirtschaftsentwicklung eines Bundeslandes - darum geht es heute - ist eng gekettet an die Rahmenbedingungen im Bund. Wenn es also um die Schlussfolgerungen geht, die das Land Sachsen-Anhalt aus den Wirtschaftsprognosen ziehen muss, muss am Anfang die Situation in der Bundesrepublik dargestellt werden.
Die Konjunktur in Deutschland bleibt saft- und kraftlos, obwohl die Zinsen und Lohnzuwächse vergleichsweise moderat sind. Kalenderbereinigt wird es ein Wachstum von lediglich 0,9 % geben. Denn ein Drittel ist allein den Feiertagen geschuldet, die in diesem Jahr - der eine mag es begrüßen, der andere nicht - auf die Wochenenden fallen.
(Herr Dr. Püchel, SPD: Wie stehen Sie denn zum 6. Januar? Ich frage das, weil Sie es jetzt an- sprechen!)
(Herr Gallert, PDS: Gleich vom 5. auf den 7. Ja- nuar verschieben! Den 6. Januar wollen wir nicht! - Heiterkeit bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Erst ab einem Wirtschaftswachstum von 1,5 % gibt es einen Beschäftigungszuwachs. Wir haben in Deutschland einen regelrechten Konsumstreik, weil das Vertrauen fehlt. Das ist die Ursache.
Die Erbschaftsteuer soll erhöht werden. Meine Damen und Herren! Es fängt doch niemand an zu investieren, wenn im Raum steht, dass die Erbschaftsteuer erhöht werden soll.
Die unsägliche Ausbildungsplatzabgabe wird auf Biegen und Brechen umgesetzt. Außer Kosten und Bürokratie bringt sie überhaupt nichts. Die Ausbildungsplatzabgabe ist für meine Begriffe in die gleiche Kategorie einzusortieren wie das Dosenpfand oder die Ökosteuer. Ich hoffe auf eine Koalition der Vernünftigen. Ich hoffe, dass die Herren Beck und Steinbrück bei ihrer Devise bleiben: Erst das Land und dann die Partei.
Die Grünen, die Bundesminister Frau Künast und Herr Trittin, machen mit ihrer ideologisierten Technologiefeindlichkeit und Scheinökopolitik den Wirtschaftsstandort Deutschland kaputt. Erst vertreiben sie die Wissenschaftler, dann die Technologieunternehmen und zum Schluss die Arbeitsplätze.
Was tut sich in Europa und in der Welt? - Die Weltwirtschaft wächst dreimal schneller als die Wirtschaft in Deutschland. In den Niederlanden, in Großbritannien und in Schweden ist die Arbeitslosenquote nicht einmal halb so hoch wie in Deutschland. Amerika boomt. Der Export bei uns ist - Gott sei Dank - angesprungen, aber der Binnenmarkt verharrt, weil kein Vertrauen vorhanden ist.
Mit der Osterweiterung - das ist ein ganz neuer Aspekt - kommt die Flat-tax, eine Einfachsteuer, nach Europa. Es wird im Osten Europas Niedrigsteuergebiete und Niedriglohngebiete in einem gemeinsamen Markt geben. Die baltischen Staaten, die Slowakei und Slowenien haben eine Einfachsteuer von unter 20 %. Wenn man in Riga weniger als 20 % Steuern zahlt, dann wird es selbstverständlich zu Verlagerungen kommen. Das ist doch glasklar. Man kann daher nicht diejenigen beschimpfen, die es besser machen.
(Zustimmung bei der FDP, von Herrn Brumme, CDU, von Herrn Reichert, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)
Deutschland muss seine hausgemachten Probleme selbst lösen. Deutschland muss fit gemacht werden, sonst fallen wir im internationalen Wettbewerb weiter zurück. Deutschland braucht mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten. Nur dann bekommen diejenigen, die draußen stehen und einen Job suchen, endlich wieder eine Chance.
Deutschland braucht Strukturreformen. Alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen den Zielen Wachstum und Beschäftigung untergeordnet sein.
Sie werden sich fragen, warum ich das jetzt alles so ausführlich gebracht habe. Ich habe so weit ausgeholt, um deutlich zu machen, dass wir in Ostdeutschland und insbesondere in Sachsen-Anhalt fest in der Umarmung von wesentlichen bundesgesetzlichen Regelungen sind, die es aufzubrechen gilt, um Wachstum und Beschäftigung in unserem Land schneller voranzutreiben.
Seit 1998 ist das wirtschaftliche Wachstum in Ostdeutschland geringer als in den alten Bundesländern. Der Strukturwandel und der Transformationsprozess ist - und kann es auch nicht sein - nicht abgeschlossen. Es gibt vorzeigbare Erfolge, aber es muss ein gesamtdeutscher Systemwechsel her, um auch in Ostdeutschland endlich den nötigen Schub hineinzubringen.
Daher muss festgehalten werden, dass Sachsen-Anhalt entgegen dem bundesdeutschen Trend und insbesondere dem ostdeutschen Trend in den letzten zwei Jahren bei wesentlichen Wirtschaftsparametern aufgeholt hat - das sind Fakten -, und zwar sowohl in Bezug auf das Ranking als auch in absoluten Zahlen.
Die losgetretene Debatte über die angebliche Verschwendung von Fördermitteln im Osten und über den misslungenen Aufbau Ost ist für meine Begriffe unfair und lenkt von den eigentlich hausgemachten deutschen Problemen ab. Trotzdem ist mit dieser Debatte eine Diskussion ausgelöst worden, in deren Ergebnis schon jetzt eines feststeht: So kann es in Deutschland nicht weitergehen.
Wenn es um das Umdenken insgesamt geht, spielen für meine Begriffe die ostdeutschen Bundesländer eine wichtige Rolle. Die Zeit der Gießkanne ist vorbei - das
wissen wir alle -; über Struktur- und Schwerpunktförderung sollten wir aber selbst entscheiden können und nicht zentral vom Bund aus entscheiden lassen. Vorbei sollte auch die Debatte nach dem Motto „Hier nur Ost und da nur West“ sein. Die Neiddiskussion muss beendet werden. Genauso wie es im Osten prosperierende Regionen gibt, gibt es auch im Westen strukturschwache Regionen. Der Schlüssel liegt meines Erachtens in Folgendem:
Da die Bundesrepublik in der gegenwärtigen politischen Konstellation kurzfristig nicht in der Lage ist, für Gesamtdeutschland - das wäre das Beste - wirkliche Strukturreformen durchzuführen, sollten Regionen und Länder in eigener Zuständigkeit die Möglichkeit bekommen, bundesgesetzliche Regelungen zeitweise zu modifizieren oder ganz außer Kraft zu setzen. Wir brauchen mehr Rechte und Freiheiten, mehr Gestaltungsmöglichkeiten in eigener Verantwortung der Länder und Regionen.
Der Vorschlag Sachsen-Anhalts im letzten Jahr in Bezug auf Modellregionen zielte genau in diese Richtung. Dieser Vorschlag wurde vom Bund bekanntermaßen nicht aufgenommen; vielmehr wurden Modellregiönchen geschaffen. Interessant dabei ist das politische Farbenspiel dieser Modellregiönchen.
Aber bei denen geht es nur um Bürokratieabbau und nicht um echte Deregulierung. Das muss man wirklich einmal deutlich sagen.
Im Rahmen der Bundestagsdebatte hat Herr Clement, den ich ob seines Mutes, gegenüber seinen eigenen Leuten auch einmal vorwärts zu gehen, wirklich sehr schätze, noch einmal definitiv betont, dass es solche Modellregionen mit Deregulierungsansätzen, in denen Bundesgesetze außer Kraft gesetzt werden, nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf das Arbeitsrecht, geben wird. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Was soll das? Bürokratieabbau kann jede Region auch so betreiben. Dafür brauchen wir nicht den Segen der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren! Nur wenn die neuen Bundesländer und die strukturschwachen Westregionen mehr eigene Rechte und Verantwortung wahrnehmen können, können diese aufholen; denn diese brauchen über längere Zeit ein höheres Wirtschaftswachstum, um aufholen zu können. Wir haben gerade im Osten wesentliche Standortvorteile, wie die zentrale Lage, qualifizierte, fleißige Menschen mit hoher Motivation, Experimentierfreude und Technologiefreundlichkeit und bereits funktionierende Cluster in Schwerpunktbereichen. Hinzu kommt ein durchaus reichhaltiges Kultur- und Tourismusangebot.
Damit diese Vorteile aber zum Tragen kommen und Wirtschaftswachstum generiert werden kann, brauchen wir flexiblere Möglichkeiten in eigener Verantwortung. Deshalb zum Abschluss noch einmal ein konkretisierter Vorschlag: In allen Regionen bzw. Bundesländern Deutschlands, in denen die Arbeitslosenquote 50 % über dem Durchschnitt liegt, sollten die Länder in eigener Verantwortung die Möglichkeit haben, befristet bundesgesetzliche Regelungen, insbesondere auch im Arbeits- und Genehmigungsrecht, außer Kraft zu setzen bzw. zu modifizieren. Das wäre der richtige Weg. Hierfür sollten