Protocol of the Session on May 6, 2004

Wir haben die Drs. 4/1517 in die Ausschüsse überwiesen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 8 beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung

Neuordnung im Bereich der Sozialhilfe - Sozialagentur Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1539

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1585

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn jemand ein Haus so bauen würde, wie Sie eine Sozialagentur gründen, Herr Minister, dann würde niemand darin wohnen können, weil man ständig damit rechnen müsste, dass es zusammenfällt. Jeder Laie, der die

Bauphase miterlebt, würde aus dem Schmunzeln und dem Kopfschütteln nicht herauskommen. Fachleuten, die das sehen würden, würde sozusagen der Kiefer herunterfallen, weil sie täglich damit zu tun haben. Diese Fachleute haben auch rechtzeitig eindringlich davor gewarnt, leider vergebens.

Nun kommt die Notbremse. Kurz vor der feierlichen Einweihung merkt auch der Minister, dass das Fundament verstärkt werden muss.

Ich frage mich: Warum muss sich das Land SachsenAnhalt ohne Not - einmal echt gesagt - der Lächerlichkeit preisgeben? Warum - so frage ich Sie, Herr Minister, und die Regierungsfraktionen - lassen Sie zu, dass es bei der Gründung des Landesverwaltungsamtes und bei der Eingliederung der Sozialagentur zugeht wie in der Geisterbahn? Manchmal bekommt man einen richtigen Schreck, dann wieder einen Lichtblick, dann geht es raus aus der Kurve und wieder rein und irgendwann landet man wieder draußen und merkt gar nicht, was geschehen ist.

Die Anhörungen am 17. Oktober und am 12. November 2003 - am 12. November war die Anhörung im Sozial- und Gesundheitsausschuss - haben hinreichend belegt, dass es so nicht gehen kann. Ich erspare mir an der Stelle Zitate von Herrn Wolf, Herrn Leimbach und von Ihnen, Herr Minister, aus der Anhörung. Vielleicht habe ich dafür nachher in der Erwiderung noch Zeit. Ich sage schon gar nicht, welche Rechtsform Sie damals favorisiert haben.

Jetzt geht es gänzlich anders herum. Nachdem die Landkreise damit gedroht haben, sie würden Ihnen am 30. Juni 2004 die Akten vor die Tür kippen und Ihnen sagten: nun sehen Sie mal zu, wie Sie damit umgehen, mussten Sie einlenken. Das hätten wir Ihnen schon vor einem halben Jahr sagen können.

Noch einmal: Wir kritisieren nicht die Zusammenführung von Aufgaben örtlicher und überörtlicher Träger der Sozialhilfe, sondern den Weg, das Verfahren und die Umstände.

Ehrlich, wir hätten Ihnen dazu auch ein Jahr Zeit gelassen, weil wir aus Erfahrung wussten - - Sie haben mit Sicherheit die Dokumente gelesen, die die Vorgängerregierung auf den Weg gebracht hat, als es um die Kommunalisierung ging. Vielleicht haben Sie auch die Dokumente des Kollegen Bullerjahn und die von Herrn Gallert gelesen. Wir wussten aus Erfahrung, dass das nicht so einfach zu regeln ist.

Sie wollten das aber durchpeitschen, um zu beweisen - das kenne ich zur Genüge -, dass Sie handeln. Sie handeln endlich. Jetzt müssen Sie ständig zurücklaufen und machen sich obendrein lächerlich. Richtig zu Ende gedacht ist die ganze Konstruktion aber immer noch nicht.

Wenn Sie mit solcher Geschwindigkeit - das sage ich jetzt einmal zur FDP - die Gebietsreform durchgezogen hätten, dann wären Sie von uns nicht nur gelobt worden, sondern dann wären Sie von uns auch ausdrücklich unterstützt worden und dann hätten wir dieses Problem mit der Sozialagentur nicht, weil dann nämlich schon die Übertragung auf die Landkreise hätte erfolgen können.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Ansätze gibt es ja bei den Liberalen zur Genüge. Ich glaube, sie kommen aber zu spät. Sie müssten mehr Druck machen, ansonsten werden Sie wieder einkas

siert. Sie wollen ja im Jahr 2006 die Fünfprozenthürde überspringen. - Gut, es ist nicht mein Problem. Es ist Ihr Problem.

(Herr Steinecke, CDU: Oh!)

Nun soll es also ein Landesbetrieb nach LHO sein. Es wäre schön gewesen, Herr Minister, wenn Sie die Abgeordneten über diesen Beschluss auch einmal informiert hätten. Man bekommt so etwas immer durch andere Schreiben mit.

Jetzt kommen sicher die Einwände: Sie hätten ja einmal fragen können. - Natürlich, man kann jeden Monat fragen. Es geht Ihnen dann aber wahrscheinlich doch auf den Keks, wenn die Opposition ständig fragt. Bei dieser Materie hätten wir aber gern den Zeitpunkt gewusst und Informationen dazu erhalten, wie es läuft. In den Landkreisen wird man auch gefragt. Hier in Magdeburg wurde ich ständig gefragt. Ich habe dann gesagt: Ich kann es mir nicht vorstellen, wie das ab dem 1. Juli 2004 tatsächlich geschehen kann. Wir werden also in Zukunft besser des Öfteren nachfragen.

In der abschließenden Beratung über das Gesetz über die Neuordnung der Landesverwaltung ist auch ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Es war in der letzten Beratungssitzung, Frau Liebrecht. In § 2 des Gesetzes steht, dass eine Verordnung der Zustimmung des Landtages bedarf, wenn die Übertragung von Aufgaben des überüberörtlichen Trägers der Sozialhilfe auf eine juristische Person nach § 26 LHO vorgenommen wird. Ich gehe also davon aus, dass dieser Betrieb erst mit Zustimmung des Landtages gegründet werden kann. Oder ich irre mich völlig?

Klargestellt ist nun auch, dass die Heranziehung der Gebietskörperschaften nicht aufgehoben, sondern sogar erweitert wird. Da haben wir uns auch lange gestritten. Jetzt sind für die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall ambulante, teilstationäre oder stationäre Hilfen gewährt werden, die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig. Ich gehe aber davon aus, dass die sachliche Zuständigkeit und damit auch die finanzielle Last allein beim Land bzw. beim Landesbetrieb Sozialagentur verbleibt.

Jetzt frage ich mich - das war ja Ihre Ansicht -: Welchen Anreiz haben nun die Landkreise wiederum - das ist genau der Aspekt, den wir zu der Zusammenführung immer wieder genannt haben -, sachgerecht und für die Betroffenen qualitativ besser über Punkte zu entscheiden, die darauf abzielen, dass mehr ambulante Angebote unterbreitet werden und weniger Betroffene in den stationären Bereich hineingedrängt werden? - Wenn das Land die Finanzen sowieso trägt, dann schafft man die Anreize überhaupt nicht. Sie können jetzt munter drauflos ihre Beurteilung abgeben, und das Land muss weiterhin die Zeche zahlen. - Mir ist das völlig unklar.

Richtig ist, die Kommunen werden dabei nicht belastet, weil auch die ambulanten Hilfen dann vom Land übernommen werden. Ich sehe den eigentlichen Qualitätswandel nicht und schon gar nicht das Einsparziel. Vielleicht können Sie uns darüber nachher aufklären. Die kommunalen Spitzenverbände indessen werden zufrieden sein; denn eine ihrer zentralen Forderungen ist vom Tisch.

Aber dies alles ist ja nur eine Übergangslösung; denn am Ende steht die Kommunalisierung. Das haben Sie ja gesagt. Was genau aber kommunalisiert werden soll, das steht in den Sternen. Wie es geschehen soll, das

steht in den Wolken. In welcher Form es sein soll, das steht nirgendwo.

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Anstatt erst das gesamte Konstrukt zu Ende zu denken und die einzelnen Schritte zu planen, geht es munter weiter mit Zwischenschritten ohne erkennbares Ziel. Dabei gibt es doch genügend Vorarbeiten, wie die kommunalen Spitzenverbände versichern. Ich vermute aber, es darf nichts von einem sozialdemokratischem Anstrich enthalten sein, und deshalb müssen Sie sich mit halben Sachen begnügen.

Weitere Fragen stellen sich, wenn man die personelle Untersetzung ansieht, also die 75 Vollzeitstellen für die Sozialagentur. Der Rest wandert wieder in die ominöse Titelgruppe 96. Das soll beileibe - das versichert Herr Leimbach - keine Kündigungsliste sein. Welche Aufgaben übernehmen diese Landesbediensteten dann aber? Ein halbes Jahr nach Einbindung in das Landesverwaltungsamt steht immer noch nicht fest, welche Aufgaben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben. Wie sieht das eigentlich der Personalrat?

Bei solchen Zuständen auf einer Baustelle würde jeder Unternehmer „das Handtuch werfen“ oder die Handwerker würden sich einen neuen Betrieb suchen. Nur, so viele neue Betriebe gibt es hier nicht. Sie müssen also dabeibleiben. Dann kann man sich gut vorstellen, wie dort sozusagen die Atmosphäre ist und welche Arbeitsmoral dort herrscht. So stelle ich mir das zurzeit auch beim Landesverwaltungsamt vor.

Herr Minister, wir wollen im Interesse der Behinderten in diesem Land im zuständigen Ausschuss rechtzeitig Auskunft zu den im Antrag formulierten Fragen erhalten. Auf diese Fragen gehe ich eventuell nachher noch einmal ein, wenn Sie Ihren Redebeitrag gehalten haben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Bischoff. - Für die Landesregierung hat der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich gedachte ich, an dieser Stelle eine sachliche Diskussion dieses ernsthaften Themas zu beginnen. Dies war aber offensichtlich nicht die Intention von Herrn Bischoff.

(Herr Bischoff, SPD: Doch!)

Sie haben sich hier an keiner Stelle konkret zu den Vorgängen äußern können,

(Herr Bischoff, SPD: Weil Sie sie noch nicht ken- nen!)

sondern haben lediglich mit diffamierten Äußerungen den gegenwärtigen Arbeitsstand zu kennzeichnen versucht.

(Frau Mittendorf, SPD: Das ist weit gefehlt!)

Angesichts des Umstandes, dass es uns nach zehn Jahren endlich gelungen ist, diese Trennung zwischen örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern, unter der es Ihnen nicht gelungen ist, das Ziel ambulante vor statio

näre Betreuung umzusetzen, aufzuheben, ist klar, dass Sie das nicht würdigen können. Sie haben es zugegeben. Bei Ihnen konnte es nicht laufen.

(Herr Bischoff, SPD: Wie ist es denn da?)

Wir sind jetzt dabei und haben auch durch den Beschluss des Gesetzes durch den Landtag am 17. Dezember 2003 hierfür endlich eine Zuständigkeit, die sich geschlossen in einer Hand befindet und bei der wir davon ausgehen können,

(Frau Budde, SPD: Zwei Hände, Herr Minister! Zwei Hände!)

dass es uns endlich gelingt, den Menschen an dieser Stelle die Angebote zu unterbreiten, die sie brauchen, und vor Ort Entscheidungen zu treffen, die unabhängig sind von den jeweiligen finanziellen Interessen, weil die finanzielle Verantwortung in einer Linie gestaltet wurde.

Wir sind im Moment intensiv dabei. Die Struktur des Amtes ist so weit vorbereitet. Es sind Aufträge ausgelöst. Wir sind intensiv dabei, diese Behörde mit den kommunalen Spitzenverbänden, der Liga und auch mit dem Personalrat vorzubereiten. Ich glaube nicht, dass es so ist, wie Sie es darstellen, dass nämlich das Amt zurzeit im Landesverwaltungsamt nicht arbeiten würde. Ich glaube, Sie sollten sich mit derartigen Unterstellungen ein wenig zurückhalten.

Dass Sie uns beschimpfen, wir seien dabei, eine Optimierung des Personaleinsatzes vorzunehmen und dementsprechend das Personal dann auch zu reduzieren, stimmt, glaube ich, nicht mit den ständigen Forderungen der SPD überein, gefälligst Landespersonal abzubauen. Vielleicht könnten Sie an irgendeiner Stelle einmal eine stringente Politik fahren und damit aufhören, sich hier jeweils je nach Gutdünken in Beschimpfungen zu ergehen und

(Frau Bull, PDS: Das haben wir doch gehabt!)