Protocol of the Session on April 1, 2004

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Sie wollten dabei deutlich machen, dass Sie bei der Beschlussfassung noch dabei sein wollten.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, sonst hätten Sie in Ihrem Leitbild nicht gefordert, noch vor den nächsten Landtagswahlen Anfang 2006 über die Reform im Landtag abstimmen zu lassen.

(Zustimmung von Herrn Sachse, SPD)

Meine Damen und Herren von der Koalition, auch wenn Sie es leugnen werden: Es knirscht im Koalitionsgebälk. Das Theater um die Kreisgebietsreform ist ein Beleg für den schlechten Zustand der Koalition zur Hälfte der Wahlperiode.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Ha, ha, ha!)

- Wenn ich zwei Tage hintereinander in der „MZ“ lese, unter welchem Ärgerfaktor Herr Scharf bei Ihnen leidet, ist das doch ein Beweis dafür.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Die SPD hat die Zukunftsdebatte in Sachsen-Anhalt angestoßen.

(Beifall bei der SPD - Lachen und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

- Danke für die Zustimmung. Was Recht ist, muss Recht bleiben. Ich nehme das als Beifall auf.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Ministerpräsident hat heute zu diesem Thema eine Regierungserklärung abgegeben, weil er ebenfalls die Notwendigkeit erkannt hat. Wir nehmen selbstverständlich das Angebot an, über die drängenden Zukunftsfragen eine konstruktive Diskussion zu führen.

Aber ich sage noch einmal ganz ausdrücklich, Herr Ministerpräsident: Worte sind das eine, Taten das andere.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegensatz zu Herrn Scharf sind wir nämlich der Auffassung, dass man auch in schwierigen Zeiten eine gute Politik machen kann. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Dr. Püchel. - Als nächster Debattenredner wird der Fraktionsvorsitzende der CDU Herr Scharf sprechen. Doch zuvor habe ich die Freude,

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums WolfenStadt, nämlich die zweite Gruppe, und Gäste der Landeszentrale für politische Bildung zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Scharf, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der kommenden Woche werden wir als CDU-Landtagsfraktion unsere detaillierte Bilanz der bisherigen, zweijährigen Tätigkeit im Landtag von Sachsen-Anhalt vorlegen. Es wird eine erfolgreiche Bilanz sein, eine Bilanz eines grundlegenden Kurswechsels,

(Oh! bei der SPD)

den wir in diesem Lande eingeleitet haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der Wähler hat im Jahr 2002 entschieden, wem er die Regierungsverantwortung in die Hand gibt. Deshalb würde ich an dieser Stelle nicht so schnell reklamieren, wer im Moment die Zukunftsdebatte führt. Ich würde im Moment ein Stückchen auf den Wähler hören, ich würde im Moment auch ein bisschen die Meinungsumfragen lesen.

Wir machen dies. Wir werden deshalb nicht überheblich, aber wir fühlen uns darin bestärkt, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Schol- ze, FDP)

Sie, Herr Dr. Püchel, sollten vielleicht auch akzeptieren, dass es einen Regierungswechsel gegeben hat. Die Entscheidung, wer in der nächsten Legislaturperiode regieren wird, hat noch ein bisschen Zeit.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Die Zeit vergeht schneller, als Sie denken!)

Wir konnten uns im kleinen Land Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren ein Stückchen weit vom allgemeinen negativen Bundestrend abheben.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Dies gilt auch für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Im verarbeitenden Gewerbe stieg der Beschäftigungsumfang gegenüber dem Jahr 2002 um 1,5 %, die Wertschöpfung stieg real um knapp 5 % und der Umsatz sogar um 10 %. Die Ernährungswirtschaft bewegt sich im Umsatzvolumen inzwischen auf Augenhöhe mit der in Sachsen-Anhalt traditionell starken chemischen Industrie. Dieses sind vorzeigbare Erfolge, die niemand in diesem Land kleinreden sollte, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Dr. Schrader, FDP)

Entgegen dem Bundestrend werden bei uns aktuell mehr Unternehmen neu gegründet als liquidiert. Das Exportvolumen ist im Jahr 2003 um einen zweistelligen Prozentbetrag gestiegen.

Freilich hat der Ministerpräsident sehr realistisch gesagt, das befriedige uns nicht. Aber dieses bestärkt uns darin, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Unter schwierigen Rahmenbedingungen ist die Wirtschaft in

Sachsen-Anhalt gewachsen - zu wenig gewachsen, aber gewachsen -, während sie in Gesamtdeutschland geschrumpft ist. Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist - so konnten wir am Wochenende vernehmen -, dass wir im ISW-Ranking zwei Plätze aufgerückt sind. Das sollte uns nicht übermütig machen, das soll uns aber Mut machen, auf diesem Weg weiterzugehen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Stand von 2002 war das!)

- Ja, wir haben uns eher verbessert als verschlechtert. - Ich persönlich bin mir ganz sicher, dass wir in der Frage des Arbeitsmarktes die rote Laterne nicht nur abgegeben haben, sondern auf Dauer abgeben werden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich in meiner Rede Sie ein Stückchen mit in die nach meiner Auffassung wichtigsten Politikfelder hineinnehmen, die wir in den nächsten Jahren zu beurteilen und zu beackern haben werden. Ich fange mit den Finanzen an. Wir haben einen riesigen Schuldenberg übernommen, der zu einem erheblichen Teil unter ganz normalen Arbeitsbedingungen während der achtjährigen Regierungszeit von zu Anfang Rot-Grün mithilfe der PDS und zum Schluss von Ihnen allein zu verantworten gewesen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Ende des Jahres 2002 einen Schuldenstand von 16,7 Milliarden €. Stündlich müssen wir über 100 000 € allein für Zinszahlungen aufwenden. Da ist noch nichts getilgt. Diese bittere Wahrheit müssen wir jedem Bürger im Lande Sachsen-Anhalt immer wieder sagen, wenn es darum geht, neue Leistungsansprüche definieren zu wollen.

In den kommenden Jahren sehen wir uns weiteren finanzpolitischen Herausforderungen gegenüber. Die Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen, die wir aus gesamtvolkswirtschaftlicher Sicht in Deutschland brauchen, werden sich zunächst als Belastungen für den Landeshaushalt darstellen. Die Vereinbarungen über den Solidarpakt II bedeuten für Sachsen-Anhalt sinkende Bundeszuweisungen, zwar planmäßig sinkende, aber sinkende Bundeszuweisungen.

Die Entwicklung bei den EU-Strukturfonds ist noch nicht klar abzusehen. Wenn wir den Status eines Ziel-1-Gebietes verlieren sollten, dann kommen ab dem Jahr 2007 neue große Unwägbarkeiten auf uns zu. Wir hoffen, dass dieses drohende Szenario noch wegverhandelt werden kann. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Bundesregierung daran nur mit mäßiger Energie arbeitet.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der fatalen demografischen Entwicklung wird die Zahl der steuerpflichtigen Erwerbstätigen spätestens mit Beginn des kommenden Jahrzehnts abnehmen. In Sachsen-Anhalt werden nur etwa 60 % der Kinder geboren, die für eine beständige Altersstruktur der Bevölkerung notwendig wären. Die Prognosen der Bevölkerungswissenschaftler - die sind leider ziemlich genau, viel genauer als die der Volkswirte - besagen, dass wir bis zum Jahr 2015 in Sachsen-Anhalt um 400 000 Einwohner auf dann ungefähr 2,1 Millionen Einwohner geschrumpft sein werden.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist eben der strikte Sanierungskurs von CDU und FDP ohne jegliche Alternative. Wir werden strikt daran arbeiten, die Neuver

schuldung bis zum Jahr 2008 - das ist unser Zieljahr - auf Null zurückzuführen. Dies geht nur, wenn wir dazu in der Lage sind, klare Prioritäten zu benennen, die notwendigen Schritte konsequent zu gehen und nicht über unsere Verhältnisse zu leben.

Lassen Sie mich einige wenige Beispiele aufführen. Nehmen wir die Landesverwaltung. Wir müssen auf den Durchschnitt der finanzschwachen westdeutschen Flächenländer herunter. Das heißt, die Zahl der Planstellen im Landeshaushalt muss von ungefähr 68 000 auf 55 000 reduziert werden. Auch bei den freiwilligen Leistungen können wir uns zukünftig nur noch das leisten, was wir auf Dauer finanzieren können.

Deshalb brauchen wir die Zukunftsdebatte, die Professor Böhmer angestoßen hat, und wir werden sie auch weiter führen. Ich hoffe, dass wir möglichst viele Menschen in Sachsen-Anhalt in diese unverzichtbare und offen und öffentlich geführte Auseinandersetzung hineinnehmen können.

Wir halten auch daran fest, für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 einen Doppelhaushalt zu beschließen. Die Vorteile dieser Entscheidung überwiegen klar die benannten Nachteile.