Protocol of the Session on March 5, 2004

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD - Unruhe)

Es gibt weitere Wünsche, Fragen zu stellen. Zunächst bitte Frau Dr. Paschke.

Gestatten Sie mir vor meinen Fragen eine Intervention bzw. eine Meinungsäußerung. Bei mir haben sich nach Ihrer Rede die Sorgen in Bezug auf den gesamten Reformprozess massiv verstärkt. Wenn man eine so große - verzeihen Sie mir - Ignoranz

(Frau Bull, PDS: Unkenntnis!)

von Fehlern, die man in einem solchen Prozess immer macht - mal sind es kleine, mal größere -, an den Tag legt, dann kann ich mir einfach nicht vorstellen, wie dieser Prozess in den nächsten Wochen und Monaten weiterlaufen soll.

(Lebhafter Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte jetzt zu zwei Komplexen Fragen stellen. Erstens. Herr Innenminister, sind Sie bereit, zuzugestehen, dass die von Ihnen jetzt wieder skizzierten Schritte, die feststehen, seit Beginn der Regierungskoalition und in Ihrer Verantwortung als Innenminister mehrmals ausgesetzt, aber nicht nachjustiert wurden? Sind Sie bereit, zuzugestehen, dass es bisher nicht zwei Funktionalreformgesetze gab, obwohl Sie dies angekündigt haben? Sind Sie bereit, zuzugestehen, dass das Gesetz, welches die Umweltverwaltung grundlegend kommunalisieren soll, noch nicht vorgelegt wurde, obwohl Sie das im Innenausschuss gesagt haben? Sind Sie bereit, zuzugestehen, dass Ihre Vorstellungen, Aufgaben aus den Gemeinden auf die Verwaltungsgemeinschaften zu verlagern, total gegen den Baum gegangen sind?

Ich meine, solche Dinge muss man zur Kenntnis nehmen. Das ist doch zunächst die Voraussetzung dafür, dass man einen solchen Prozess überhaupt steuern kann.

Zweitens. Im Koalitionsvertrag und im ersten Jahr Ihrer Regierungszeit hieß es, dass die zur Kommunalisierung vorgesehenen Aufgaben, die im Januar 2002 beschlossen wurden, auf die Kommunen verlagert werden. Bitte geben Sie eine Antwort auf folgende Fragen: Verlagern Sie die Umweltverwaltung auf die Kommunen? Prüfen Sie, die Schulverwaltung auf die Kommunen zu verlagern? Prüfen Sie, die Gewerbeaufsicht auf die Kommunen zu verlagern? Sind solche Prüfungen im Moment überhaupt in Gang? Sagen Sie, welches Kommunalisierungspotenzial Sie derzeit ziemlich sicher auf der Seite der Kreise sehen.

Es ist kein Problem zu sagen: Das alles stimmt, weil die Gesetze noch nicht vorgelegt worden sind. Frau Paschke, ich kann Ihre Frage insoweit nur mit Ja beantworten. Es ist noch nicht so weit.

Aber - jetzt geht es um die Funktionalreform, die Sie eben im Zusammenhang mit der Umweltverwaltung und anderen Bereichen angesprochen haben; es ist nicht nur die Umweltverwaltung - die Gespräche, die Diskussionen - das ist eine Erfahrung, die auch Sie zwar nicht in der Regierungsverantwortung, aber in der Verantwortung als seinerzeit die Regierung mittragende Opposition, und vor allem die SPD gemacht haben - hinsichtlich der Übertragung von Aufgaben von der Landesebene auf den kommunalen Bereich erfordern unter Beachtung unserer Verfassung auch ein Verhandeln über die Fragen: Wie wird die Finanzausstattung bei neuen Aufgaben geregelt? Wie wird eventuell mit Personal zu verfahren sein, das diese Aufgabe bisher auf der Landesebene wahrgenommen hat?

Diese notwendigen Gespräche sind nicht einfach. Diese Gespräche werden derzeit im Zusammenhang mit der Übertragung von Aufgaben der Umweltverwaltung und anderer Bereiche geführt und sind - das kann ich sagen - kurz vor dem Abschluss.

Die kommunalen Spitzenverbände und die Landesregierung sind sich darin einig, über welchen Weg man diese Aufgabenübertragung und alles das, was in diesem Zusammenhang zu regeln ist, machen kann, sodass nicht nur die Frage der Aufgabenübertragung per Gesetz, was erforderlich ist, sondern auch alle Randbedingungen, die dabei zu beachten sind, zu dem Zeitpunkt, wenn das

Gesetz formal vorgelegt werden kann, abgestimmt sein werden. In den vorangegangenen Diskussionen haben Sie sich immer wieder daran gestoßen.

Die Prüfung der Fragen, was man übertragen kann, welchen Weg man geht und wie man mit dem Finanzausgleich und der Personalausstattung zwischen Land und kommunaler Ebene umgeht, ist soweit abgeschlossen, sodass die Funktionalreformgesetzgebung an dieser Stelle förmlich laufen kann. Das hätten wir gern früher gehabt. Es ist richtig, dass ich gesagt habe, wir werden ziemlich zügig damit vorankommen. Die Verhandlungen waren jedoch nicht so einfach und haben deshalb länger gedauert.

Zum Bereich der Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden. Frau Dr. Paschke, die Aufgaben der gemeindlichen Ebene im übertragenen Wirkungskreis liegen, wenn sich eine Stadt nicht selbst mit einem eigenen Rathaus verwaltet, ohnehin bei der Verwaltungsgemeinschaft. Wir haben mit unserem Gesetz im Gegensatz zu den vorherigen Regelungen die Möglichkeit eröffnet, dass Aufgaben im eigenen Wirkungskreis auch von einer geringeren Anzahl als allen beteiligten Gemeinden auf eine Verwaltungsgemeinschaft übertragen werden können.

Dieses Gesetz ist relativ jung. Die Übertragung solcher Aufgaben auch durch einzelne Gemeinden auf ihre Verwaltungsgemeinschaft erfolgt so, wie die Kommunen es vor Ort für richtig halten. Das war immer unser Ansatz. Die Entscheidung darüber, ob sie es in ihrer Organschaft im gemeindlichen Bereich selbst entscheiden wollen oder ob sie eine gemeinsame Erledigung oder eine Erledigung für sich bei der Verwaltungsgemeinschaft sehen, wird im Gemeinderat gefällt.

Zu Ihrer Eingangsbemerkung, dass es keine Überlegungen gebe, möchte ich gern noch etwas sagen. Vielleicht haben Sie den „MZ“-Artikel, der scheinbar der Auslöser für den Dissens hinsichtlich der Überschriften war, gelesen. Das war in der Zeit, als die „Volksstimme“ Karten des Landes Sachsen-Anhalt mit neuen Kreisen gezeichnet hat und auch die „MZ“ eine solche Karte zeichnen wollte.

Wenn Sie dieses Interview mit der „MZ“ gelesen haben und nicht nur die Überschrift, dann haben Sie auch zur Kenntnis genommen, dass eine Vorstellung aus meiner Sicht - auch unter Beachtung der Erledigung der Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung durch Landkreise - das ist, was funktional auch mit Blick auf die demografische Entwicklung erforderlich ist.

Diese Leitbildbeschreibung ist noch kein endgültiges Ergebnis der Beratungen zwischen den Koalitionsfraktionen. Es ist vielmehr eine Leitbildbeschreibung, die ich aus der Sicht eines Kommunalen und damit durchaus auch aufgrund kommunaler Erfahrungen entwickelt habe.

Darin sind einige weiche Eckwerte für eine Diskussion über Leitbilder enthalten. Wenn Sie diesen Artikel gelesen hätten - und nicht nur die Überschrift: Zwischen Innenminister und Ministerpräsident gibt es einen scheinbaren Konflikt -, dann würden Sie das schon wissen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wieso scheinbar?)

- Einen scheinbaren, richtig.

(Frau Dr. Paschke, PDS: Hervorragend!)

Herr Minister, es gibt noch eine Reihe weiterer Abgeordneter, die Fragen zu stellen wünschen. Solange Sie bereit sind zu antworten, lasse ich die Fragen zu; denn es handelt sich hierbei offenbar um ein Thema von erheblichem öffentlichem Interesse.

Ich habe kein Problem damit. Wir können das auch im nächsten Tagesordnungspunkt machen.

Frau Dr. Kuppe, bitte.

Bevor ich meine Frage stelle, will ich eine kleine Vorbemerkung machen, um der Bildung der Legende vorzubeugen, die SPD sei in den letzten Jahren völlig untätig gewesen. Herr Minister, Sie werden sich erinnern, dass der Innenminister Manfred Püchel im Jahr 1999 nach zugegeben ausführlicher Vorbereitung

(Zurufe von Herrn Schröder, CDU, und von Herrn Kolze, CDU)

ein Leitbild für die Gemeinde- und Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt vorgelegt hat und dass dann zur Präzisierung der Stadt-Umland-Problematik für die großen Städte in Sachsen-Anhalt zusätzlich ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Dieses lag im Jahr 2001 vor. Unser Zeitplan sah vor, spätestens im Jahr 2003 die gesetzlichen Regelungen zur Lösung dieser Frage herbeizuführen.

(Herr Schröder, CDU: Sie haben acht Jahre dar- über geredet! - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Das sollte zum jetzigen Zeitpunkt erledigt werden.

Die Landtagsabgeordneten aus Halle haben sich vor rund zwei Wochen parteiübergreifend auf eine Resolution verständigt, mit der die Umsetzung des Gutachtens aus dem Jahr 2001, in dem die Verflechtungsanalyse auch für das Stadt-Umland-Problem im Bereich Halle deutlich dargestellt wird und Lösungsvorschläge erörtert werden, gefordert wird. An Sie ergeht damit die Aufforderung, dies umzusetzen. Es handelt sich wohlgemerkt um eine fraktionsübergreifende Initiative der Abgeordneten aus Halle.

Jetzt meine Frage an Sie, Herr Minister: Wie beabsichtigen Sie mit den Ergebnissen dieses Gutachtens umzugehen? Dazu haben Sie keine konkreten Aussagen gemacht. Welchen Stellenwert hat das Gutachten überhaupt noch für Sie? Welche Schritte wollen Sie jetzt konkret gehen?

Sie haben sehr nebulös gesagt, manches müsse in den Einzelheiten noch analysiert werden. Wie viel Zeit geben Sie sich dafür? Was wollen Sie durch wen mit wem jetzt noch untersuchen lassen? Wann wollen Sie zu einem Ergebnis kommen? Wann soll das Problem gelöst sein?

Frau Dr. Kuppe, ich habe den Kollegen Püchel gefragt, ob die Landesregierung oder sein Haus

(Herr Dr. Püchel, SPD: Konkret werden!)

Einfluss auf den Inhalt des Gutachtens oder auf dessen Beurteilungen oder Schlussfolgerungen genommen hat. Sie waren ebenfalls Mitglied des Kabinetts, vielleicht hat sich das Kabinett damit befasst. Danach könnte ich also auch Sie fragen.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Ich habe Sie gefragt, Herr Minister!)

- Ich könnte auch Sie fragen, ob Einfluss auf das Gutachten genommen worden ist.

(Frau Budde, SPD: Sind Sie nicht in der Lage zu antworten oder wollen Sie nicht?)

Ich kann Ihnen etwas ganz Konkretes zu der Frage sagen, wie wir mit dem Gutachten umgehen wollen. Ich habe einen Vermerk aus der Zeit, als die Arbeit des Gutachters halbwegs zum Abschluss gebracht worden ist, den die Landesregierung oder das Innenministerium, damals geführt von Herrn Püchel, zu verantworten hat. Dieser Vermerk endet in dem zusammenfassenden Bericht folgendermaßen: Das Gutachten enthält eine Vielzahl von Schwächen bei der Übertragung der theoretischen Modelle und Maßstäbe auf die jeweilige Wirklichkeit vor Ort.

(Herr Schröder, CDU: So, so!)

Der letzte Satz lautet: Ich sehe den Gutachterauftrag mit diesem Entwurf noch nicht als erfüllt an.

(Aha! bei der CDU - Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Das heißt für mich, musste der Gutachter noch einmal etwas nachlegen, weil er den Auftrag nicht erfüllt hatte? Wenn nicht, gilt der erste Satz: Das Gutachten hat Schwächen bei der Übertragung der theoretischen Modelle und Maßstäbe auf die Wirklichkeit vor Ort. Wenn ja, dann ist es nicht als ein unabhängiges und für jedermann verwertbares Gutachten zu bewerten.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Ja- wohl! - Frau Kachel, SPD: Die Frage ist nicht be- antwortet!)

- Ich habe Ihnen zum Umgang mit diesem Gutachten gesagt: Wenn es stimmt, dass Einfluss genommen wurde, dann ist es kein unabhängiges Gutachten mehr, das voll verwertbar ist.

(Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Wenn es so gewesen ist, dass das Gutachten so wie erstellt veröffentlicht worden ist, dann hat selbst die alte Landesregierung Mängel an diesem Gutachten festgestellt.

(Frau Bull, PDS: Beantworten Sie doch endlich mal die Frage! Mann!)