Da bei den Gewerkschaften Leute ohne Berufsbild durch die Gegend laufen, brauchen sie nicht auszubilden. - Wenn wir das auf alle übertragen, braucht bald niemand mehr auszubilden. Aber damit können Sie sich als jemand, der für die SPD und für die Gewerkschaften
spricht, nicht herausreden. Was ist mit dem gesamten Apparat, mit den Sekretärinnen? Dafür gibt es ein Berufsbild. Was ist mit den Leuten, die sonst bei den Gewerkschaften zu Tausenden beschäftigt sind? - Sie fordern hier etwas ein, was Sie selbst nicht leisten. Das ist unfair.
Genau das ist auch das Verwerfliche bei den deutschen Sozialdemokraten, was das Thema Berufsausbildung angeht. Das duale Ausbildungssystem hat die deutsche Wirtschaft stark gemacht; denn es hat jungen Leuten nicht nur eine Chance gegeben, sondern sie auch hoch qualifiziert. Mit dieser hohen Qualifikation konnten wir es uns leisten, teurer bezahlte Arbeiter bei besserer Qualität anzubieten. Deswegen müssen wir das duale Ausbildungssystem aufrechterhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugend im dualen Ausbildungssystem eine Chance bekommt.
Angesichts dessen ist es deshalb so verwerflich, dass die Sozialdemokratie jetzt versucht, genau dieses duale Ausbildungssystem mit einer Zwangsabgabe zu Grabe zu tragen, die in die Staatsausbildung führt. Das lehnen wir ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die Zahlen genau anschauen, dann müssen wir sagen: Im Jahr 2003 haben insgesamt 595 000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz nachgefragt. Dem stand ein Angebot an Ausbildungsplätzen von insgesamt 575 000 gegenüber. Das Angebot deckt die Nachfrage damit zu rund 97 %. Die Vermittlungsquote in Sachsen-Anhalt ist sogar noch besser als der Bundesdurchschnitt, auch wenn dies nicht befriedigend ist.
Wenn wir jetzt konstatieren müssen, dass wir dennoch nicht 100 % vermitteln konnten, und wenn es auch bedauerlich ist, dass nicht noch mehr Ausbildungsplätze im dualen Ausbildungssystem sofort wunschgemäß zur Verfügung standen, dann muss man sich genau nach den Gründen erkundigen.
Ein Grund liegt einfach darin, dass in Deutschland nicht jeder Betrieb ausbildungsberechtigt ist. Wir haben zu Recht sehr hohe Standards. Wir müssen diese Standards mit Sicherheit auch kritisch hinterfragen. Aber Fakt ist, dass ein Betrieb, der in Deutschland ausbilden will, die Rechtsnormen und Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes, der Handwerksordnung, des SGB III, des Betriebsverfassungsgesetzes, des Jugendarbeitsschutzgesetzes, des Berufsbildungsförderungsgesetzes usw. erfüllen muss. Das führt dazu, dass nur jeder zweite Betrieb überhaupt ausbildungsberechtigt ist.
Der zweite Grund dafür, warum die Zahlen so niedrig sind. Sicherlich kann man die insgesamt schlechte wirtschaftliche Lage anführen, aber auch - das sage ich ganz klar - eine Flut von Insolvenzen, ein Rekord, den wir in der Nachkriegszeit bisher nicht erlebt haben. In den letzten drei Jahren sind knapp 112 000 Unternehmen augrund von Insolvenzen vom Markt verschwunden.
Wenn wir davon ausgehen, dass rund ein Drittel dieser Betriebe ausgebildet hat - nur ein Drittel, noch nicht einmal die Hälfte -, dann sind das rund 36 000 Ausbildungsbetriebe. Hätte nunmehr jeder dieser 36 000 Ausbildungsbetriebe auch nur einen Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt, bestünde überhaupt keine Lücke. Sie
Wie man vor diesem Hintergrund eine solche alte ideologische Klamotte aus der Kiste kramen kann - womit die Wirtschaft verunsichert wird und deren Auswirkungen zulasten der ausbildenden Betriebe, vornehmlich aus dem Bereich des Handwerks und des Mittelstandes, gehen - und wie man eine solche Drohkulisse aufbauen kann, das ist niemandem zu erklären und das ist schon gar nicht zu entschuldigen.
Betrachten wir einmal die Kosten einer solchen Zwangsumlage, wie sie uns von der deutschen Sozialdemokratie angedroht wird. Das Bundesbildungsministerium hat nach einem internen Vermerk berechnet, dass ca. 700 000 Unternehmen diese Abgabe zahlen müssten, weil sie nicht oder zu wenig ausbilden. Die Höhe der Abgabe soll sich dabei an der Ausbildungsplatzvergütung orientieren und liegt zwischen 6 000 € und 8 000 € pro Stelle - Geld, das die deutsche Sozialdemokratie dem bereits durch die Rezession geschwächten Mittelstand aus der Tasche ziehen will. Das lehnen wir als CDUFraktion ab.
Die fünf Wirtschaftsweisen haben in ihrem Bericht zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland für die Bundesregierung vor einem kontraproduktiven Zwangsinstrument gewarnt. Das Wirtschaftsministerium hat den Plänen der SPD-Fraktion ein vernichtendes Urteil ausgestellt.
Gestern haben der Bundeswirtschaftsminister Clement auf der Handwerksmesse und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Steinbrück in der „Wirtschaftswoche“ ausdrücklich davor gewarnt, diese Zwangsabgabe einzuführen. Die SPD-Fraktion droht sie dem deutschen Mittelstand an. Parallel dazu buhlen die SPD-Landesfürsten in den noch SPD-regierten Ländern schon auf der Bundesebene um Ausnahmegenehmigungen, weil sie von Ihren Wohltaten verschont werden wollen.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Beenden Sie diese Debatte und sagen Sie Nein zu einem solchen Unsinn. Dies geschieht doch nur, weil man aus parteitaktischen Gründen die Linken in Ihrer Partei besänftigen will. Das ist unverantwortlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen verhindern, dass auf dem Rücken der Jugend, die eine vernünftige Ausbildung braucht, und auf dem Rücken derer, die ausbilden, die deutsche Wirtschaft jetzt mit einem solchen Instrument weiterhin geschwächt wird und den Unternehmen in Deutschland mit zusätzlichen Zwangssteuern und Zwangsabgaben die „Gurgel zugedreht“ wird.
Wir müssen gemeinsam durch ein klares Votum des Landtages verhindern, dass so eine Art Dosenpfand auf Ausbildung durch die rot-grüne Bundesregierung umgesetzt wird. Diese sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist der direkte und kürzeste Weg von der Sackgasse auf den Holzweg. Es kann nicht Ihr Ernst sein, heute mit einem solchen Instrument aufzuwarten; denn das ist kein Beitrag zur Lösung des Ausbildungsproblems, das verschärft die Situation nur rapide.
Ich möchte nicht den Bremer Bürgermeister Herrn Scherf zitieren, ich möchte nicht die SPD-Ministerpräsidenten oder den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD zitieren,
obwohl ich das gern getan hätte, die alle aus guten Gründen gegen eine solche Ausgabe sind. Aber mir fehlt hierfür die Zeit.
Ich will zum Abschluss aber noch einmal an die Gewerkschaften und an die SPD appellieren, von ihrem unsinnigen parteitaktischen Manöver abzulassen und uns nicht mit einer solchen unmöglichen, bürokratischen Zwangsabgabe zu überwältigen.
Ich habe noch eine einzige Information, die ich Ihnen gern noch geben will, weil das eine ganz wichtige Frage auch der Glaubwürdigkeit ist: Diese Forderung wurde wieder aus dem Bereich der Gewerkschaften in die SPD hereingetragen und aufgemöbelt. Ich persönlich glaube, dass die Gewerkschaften wichtig sind, dass wir starke Gewerkschaften in Deutschland brauchen. Aber wenn die Gewerkschaften mit einem solchen Instrument ein Problem zugunsten der Jugend lösen wollen, dann müssen sie eine besondere Glaubwürdigkeit nachweisen können.
Vor dem Hintergrund dieser ekelhaften Spots, in denen sich junge Menschen im Fernsehen die Pulsadern aufschneiden oder sich aufhängen, weil sie angeblich keine Perspektive haben, müssten die Gewerkschaften vorbildlich beim Thema Ausbildung sein. Ich habe die Zahlen darüber, wie viele Jugendliche die Gewerkschaften ausbilden.
Herr Gürth, ich muss Sie jetzt ermahnen, den letzten Satz zu sprechen, und zwar ohne sehr viele Kommata.
Die deutschen Gewerkschaften bilden wie folgt aus: ver.di beschäftigt 5 000 Mitarbeiter und hat gerade 16 Lehrlinge und damit eine Quote von 0,3 %.
Bei der IG Metall sind 2 800 Mitarbeiter tätig, aber gerade 16 Lehrlinge. Das entspricht einer Quote von 0,6 %.
Der DGB erreicht eine Ausbildungsquote von 1,4 %. Der Kanzler kann in seinem Kanzleramt gerade einmal zehn Lehrlingen die Hände schütteln bei mehr als 500 Bediensteten.
Ich beantrage im Namen der CDU-Fraktion eine namentliche Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen.
Herr Gürth, ich habe alle Augen, die ich habe, zugedrückt. - Herr Tullner, Ihre Frage hätte man auf die Redezeit von Herrn Gürth anrechnen müssen, die er um drei Minuten und 19 Sekunden überschritten hat. Deshalb kann ich eine Frage nicht mehr zulassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das duale System trocknet aus, weil sich zu wenig Betriebe und Unternehmen an der Ausbildung beteiligen. Allein in den alten Bundesländern ist der Anteil der ausbildenden Betriebe von 28,7 % im Jahr 1990 auf 23,8 % im Jahr 2001 zurückgegangen. Die Ausbildungsquote ist im gleichen Zeitraum von 7,1 % auf 5,6 % gesunken. In den neuen Ländern pendelt sie sich durchschnittlich auf 6,5 % ein.
Meine Damen und Herren! Das Jahr 2003 war bundesweit das schwierigste Jahr auf dem Lehrstellenmarkt seit der Wiedervereinigung. Das Jahr 2004, Frau Röder, hat noch schlimmer angefangen; denn nach den Daten des Bundesarbeitsministeriums vom 8. Januar dieses Jahres zu der Ausbildungsmarktsituation sind knapp 57 % der Bewerber Nachfrager aus den Vorjahren.
Meine Damen und Herren! Wenn das duale System wirklich weiter Bestand haben soll, muss ein weiterer Rückzug der Arbeitgeber aus der betrieblichen Ausbildung verhindert werden.
Meine Damen und Herren! Frau Röder, an Sie wende ich mich besonders. Die öffentlichen Hände finanzieren bereits 40 % der Nettokosten für die betriebliche Ausbildung. Im Jahr 2001 kamen ca. 9,5 Milliarden € vonseiten der öffentlichen Hand. So sind allein die Ausgaben für die beruflichen Schulen in den Jahren von 1996 bis 2001 um 1 Milliarde € gestiegen.
Es geht darum, den Bund, die Länder und die Bundesagentur für Arbeit von den Kosten für die betriebliche Ausbildung zu entlasten; denn die Bundesagentur für Arbeit ist der größte Ausbildungsanbieter in Ostdeutschland. Wenn wir am dualen System festhalten wollen, müssen wir die betriebliche Ausbildung stärken.
Wir alle wissen, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nach einer betrieblichen Ausbildung besser gelingt als nach einer schulischen Ausbildung. Bereits im Jahr 1980 hat das Bundesverfassungsgericht die Bereitstellung eines ausreichenden und auswahlfähigen Angebots von betrieblichen Ausbildungsplätzen als Verpflichtung für die gesamte Wirtschaft definiert.