Meine Damen und Herren! Etwas ernster! Kollege Gallert hat mir in der letzten Plenarsitzung vorgehalten, ich könne nicht zählen, könne nicht rechnen. Das hat mich schon sehr beeindruckt und ich habe darüber nachgedacht. Es ist auch für einen Politiker nicht gut, wenn er nicht zählen und nicht rechnen kann - und das, obwohl ich - das muss ich dazu sagen - eine Kinderkrippe, einen Kindergarten und auch eine Schule mit Hort besucht habe.
Aber noch viel weniger gut für die Politik ist es, meine Damen und Herren, wenn man sehr ernsthafte und wichtige gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen gerade im sozialen Bereich parteipolitisch ideologisiert und instrumentalisiert.
Meine Damen und Herren! Ich bin jedenfalls froh und sehr dankbar, dass sich der Landtag von SachsenAnhalt mit überzeugender Mehrheit für das neue Kinderförderungsgesetz ausgesprochen hat, auch wenn Frau Grimm-Benne das jetzt etwas relativiert hat, was
Wir haben in Sachsen-Anhalt eine einzigartige Kinderbetreuung, auch mit diesem neuen Kinderförderungsgesetz. Darauf lege ich besonderen Wert und das möchte ich auch für die anwesenden Medien noch einmal verdeutlichen. Das Land investiert jährlich rund 130 Millionen € in die Kinderbetreuung. Das ist nicht gerade die Portokasse, meine Damen und Herren.
Bei den Kosten für die Kinderbetreuung pro Einwohner nimmt Sachsen-Anhalt den dritten Platz ein und bezogen auf den einwohnergewichteten Gesamthaushalt den vierten Rang bundesweit - und das trotz der Tatsache, dass wir pro Einwohner das am höchsten verschuldete Bundesland sind. In welchem Spannungsgefüge wir uns befinden, hat der Ministerpräsident vorhin noch einmal sehr deutlich dargestellt.
46 % der Kinder im Krippenalter besuchen eine Kindertagesstätte - 46 % -, im Westen sind es ca. 4 %. 90 % besuchen den Kindergarten, in Westdeutschland sind es 75 %. 25 % besuchen einen Hort, in Westdeutschland lediglich 3 %, meine Damen und Herren.
Der Ministerpräsident hat sich bei der Eröffnung des Landesverwaltungsamtes mit dem Begriff „Benchmark“ beschäftigt und hat gesagt, bei der Landesverwaltung seien die Benchmarks irgendwo in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, glaube ich mich zu erinnern. Hierzu muss man sagen: Wir bestimmen, was die Kinderbetreuung anbetrifft, in dieser Bundesrepublik die Benchmarks mit, meine Damen und Herren. Darauf müssen wir stolz sein und können das nicht ständig in die Kritik bringen.
Das gibt mir auch Gelegenheit, noch einmal auf Frau Pieper umzuschwenken, weil das vorhin allgemeine Zustimmung gefunden hat.
Ich finde es auch nicht in Ordnung, Frau von Angern, dass Sie die Dinge nur halbwahr der Öffentlichkeit vorstellen. Frau Pieper hat ein 14-Punkte-Programm aufgestellt, und zwar nicht als Vorsitzende des Landesverbandes der FDP, sondern als Generalsekretärin der FDP. Sie hat darin genau die großen Differenzen angesprochen, die in der Kinderbetreuung zwischen West und Ost bestehen.
Ich kann Ihnen auch genau sagen, was Frau Pieper zu diesem Punkt exakt gesagt hat. Sie fordert nämlich, die Kostenbefreiung bei der Kinderbetreuung für Kinder ab drei Jahren bis zur Vorschule in der Höhe eines Halbtagsplatzes mittelfristig anzustreben.
Sie haben auch nicht gesagt, dass von den anderen 14 Punkten eine ganze Reihe von Punkten im Land Sachsen-Anhalt schon verwirklicht worden ist. Auch das will ich der Wahrheit wegen noch einmal deutlich gesagt haben.
Meine Damen und Herren! Es geht weiter: Wir sind das einzige Land, das für alle Kinder - durchgängig für alle Altersstufen - einen Rechtsanspruch auf gesellschaftlich organisierte Betreuung garantiert. Auch in Bundesländern, in denen die PDS mitregiert - das möchte ich dazu
- Das ist nicht falsch. Dazu können Sie nachher noch fragen. - So plant zum Beispiel die PDS-Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern auch im neuen Kinderförderungsgesetz - man bemerke hier auch die Gleichheit der Wortwahl -
(Herr Gallert, PDS: Aber jetzt ab zwei Jahren und vorher gab es ihn nur ab drei Jahren! Da geht es nach vorn und bei uns geht es nach hinten! Das ist der Unterschied! - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)
- Ja, dann lassen wir doch die Mecklenburger noch eine Weile nach vorn laufen, bis sie uns mal erreicht haben werden, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, ich komme zum Abschluss. - Ich sage es noch einmal bewusst mit sehr starken Worten: Die frühkindliche Bildung und Betreuung gehört im Katalog der bundesweiten Standortdebatte zu den besondern Vorzügen von Sachsen-Anhalt. Das muss man klar und deutlich sagen.
Meine Damen und Herren! Wenn dann der zuständige Ressortminister über eine weitere Fortentwicklung öffentlich nachdenkt, dann sollte er im Interesse der Zukunftsinvestitionen und des Standorts Sachsen-Anhalt unsere Unterstützung bei der Prüfung seiner Vorschläge erfahren. Auch das möchte ich klar und deutlich sagen.
Mein Eindruck ist: Die PDS läuft mittlerweile in diesem Bereich der Entwicklung hinterher, weil sie offensichtlich eine rechtzeitige Beteiligung im Land Sachsen-Anhalt verspielt hat.
Deshalb ist unser Fazit: Der Antrag ist nicht einmal gut gemeint, dafür aber schlecht gemacht. Wir werden ihn ablehnen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben eingangs Ihrer Ausführungen gesagt, dass Sie das Niveau halt aushalten müssten. Sich hier hinzustellen und zu sagen, das Niveau sei eigentlich unter Niveau, diese Kritik ist auch eine subtile Form der Diskriminierung des Anliegens, um das es eigentlich geht,
Als ebenso arrogant empfinde ich Ihre Reaktion auf den Beitrag von Frau von Angern. Natürlich weiß Frau von
Angern ganz genau, dass es diesen Rechtsanspruch in Sachsen-Anhalt sehr früh gegeben hat. Sie weiß aber auch - das ist etwas, wovor sich die Politik gern drücken möchte -, dass dieser Rechtsanspruch bundesweit Druck gemacht hat, ihn überhaupt zu verankern. Es hat ihn vorher nämlich nicht gegeben. Es war nicht nur der grüne Pfeil aus dem Osten, der in den Westen gewandert ist, sondern in einem Punkt haben wir qualitativ etwas Neues geboten: einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, der auch bundesweit verankert wurde.
Zu dem Argument „Leben von Geldern der Steuerzahler in anderen Ländern“. Nun weiß ich ein bisschen, wovon ich rede, wenn ich vom Westen spreche. Ich sage Ihnen eines: Wenn ich im Westen bin, kritisieren mich die normalen Bürger des Westens nicht dafür, dass wir Geld für Kinder und Bildung ausgeben, sondern sie kritisieren mich, weil wir Gelder unter Umständen für überdimensionierte Projekte, für Beton oder für unsichere Investoren ausgeben - das ist die Kritik - oder für uneffizientes Ausgeben dieser Gelder in der Verwaltung.
Diese Kritik nehmen wir an, das wissen wir, über diese Kritik reden wir auch und die ist berechtigt. Aber es wird nicht das Ausgeben dieser Gelder für Kinder, für Jugendliche, für Bildung, für Wissenschaft und Kultur kritisiert.
Das Dritte, was ich gern dazu sagen möchte, betrifft die Neuverschuldung. Natürlich ist es ein Spannungsverhältnis. Das ist völlig klar. Wenn es heute um Neuverschuldung geht, dann müssen wir uns überlegen, welche Lasten aus dieser Neuverschuldung für die nächste Generation entstehen. Wir wissen auch, dass diese Verschuldung nur von der nächsten Generation getilgt werden kann.
Aber diese Tilgung kann nur durch eine Generation erfolgen, die dazu auch in der Lage ist, die sozusagen qualitativ dazu in der Lage ist, die über Bildung verfügt, die Arbeitsplätze hat. Diese Bedingungen, die müssen wir konditionieren. Deshalb müssen wir an dieser Stelle genau wissen: Wenn wir diese Priorität setzen, dann sollte dort eine Basis dafür geschaffen werden, dass die Neuverschuldung auch getilgt werden kann.
Für die Weiterentwicklung des Landes ist es eben diese nachwachsende Generation, die diese Entwicklung tragen soll. Das will die Wirtschaft, das wollen die Kinder und das wollen auch die Eltern- und die Großelterngenerationen. Damit wirken wir vor allem der Abwanderung entgegen. Wir müssen also die Bedingungen setzen, unter denen eine Entwicklung aus eigener Kraft möglich wird.
Angesichts der Situation in Sachsen-Anhalt müssen wir nach unserer Auffassung an dieser Stelle deutlich mehr tun als andere Länder. Wir müssen die Generation, die uns jetzt wegzulaufen droht, hier halten, um das Land attraktiver zu machen.