Protocol of the Session on November 21, 2003

Frau Ministerin Wernicke stellte in ihrem Redebeitrag im Juli vergangenen Jahres mit einem Seitenhieb in Richtung SPD fest, dass dieses Projekt fast das einzige gewesen sei, das der Vorgängerregierung für das Mansfelder Land eingefallen sei. Doch die jetzige Landesregierung unterscheidet sich - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - um keinen Deut von ihrer Vorgängerin.

(Herr Bullerjahn, SPD: Na, na, na!)

Das in den vergangenen Legislaturperioden gezeigte große Interesse des Landtages an dem Projekt „Wiederentstehung des Salzigen Sees“ erscheint angesichts der Leichtigkeit, mit der die Kofinanzierungsmittel auf null gesetzt wurden, doch etwas fraglich. Die Mittel für etwaige Planungsverfahren sind ebenfalls auf null gesetzt worden. Das ist haushaltsrechtlich nicht zu beanstanden, aber es ist zum jetzigen Zeitpunkt ein verheerendes Zeichen für die Region.

Geblieben ist das Engagement des Landes in der Entwicklungsgesellschaft Mansfelder Seen. Doch wie lange noch, wenn der für das Land entscheidende Punkt, der das Engagement begründet, entfallen ist?

Auf meine während der Haushaltsberatung im Umweltausschuss an die Ministerin gestellte Frage nach Alternativkonzepten der Landesregierung bemerkte Frau Wernicke ziemlich entrüstet, dass die konzeptionellen Vorstellungen der Region im Umgang mit der neuen Situation fehlen würden. Ohne Vorschläge über die Rea

lisierung und Finanzierung von Teillösungen könne nicht verlangt werden, dass im Landeshaushalt Mittel fest eingeplant würden.

Meine Damen und Herren! Die Kommunen stehen plötzlich als die Deppen da; denn das Land hat trotz ausreichender geologischer, ökologischer und wasserwirtschaftlicher Entscheidungsgrundlagen seit fast fünf Jahren keine klare politische Entscheidung getroffen, sondern diese vor sich her geschoben. Das politische Zaudern - siehe Haushalt 2004 - wird zumindest bis 2005 andauern. Hinter vorgehaltener Hand wird bereits das Jahr 2008 gehandelt. Doch das Zaudern hat auch Auswirkungen auf den Landeshaushalt, weil davon Art und Umfang dringend erforderlicher wasserbaulicher Maßnahmen abhängt.

Meine Damen und Herren! Noch weitere fünf Jahre ohne Entscheidung über das Wiederentstehen des Salzigen Sees brechen den Lebensmut der Region endgültig; denn auch im Jahr 2008 wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht besser und auch die Landeskasse nicht so gefüllt sein, um eine Kreis- oder eventuell eine Landesstraße mit einem Viadukt über den Salzigen See führen zu können.

Bei Gesprächen vor Ort haben Betroffene mir gegenüber Folgendes deutlich gemacht:

Erstens. Sie wollen den Salzigen See ganz oder gar nicht.

Zweitens. Sie haben erkannt, dass die Wiederentstehung des Salzigen Sees alternativlos an den Verzicht auf eine Bundesfernstraße, nämlich die Direktverbindung Halle - Eisleben, gebunden ist.

Drittens. Bei einer konsequenten weiträumigen Lenkung aller Durchgangsverkehre auf die Bundesautobahnen A 143 und A 38 ist die Bereitschaft groß, die B 80 zu kappen und die alte B 80 grundhaft in Stand zu setzen,

(Minister Herr Dr. Daehre: Aber die Autobahn wolltet ihr gar nicht!)

- ich rede von den Betroffenen in der Region - um den Salzigen See zu bekommen.

Um dem Vorwurf abzuhelfen, dies sei keine repräsentative Meinung, unterbreiten wir den Vorschlag, ein Bürgergutachten in Auftrag zu geben. So genannte Moderationsverfahren setzen im Gegensatz zu immer enger gezogenen Fachzirkeln auf frühzeitige Öffentlichkeit und einen Schuss gesunden Menschenverstand.

Durch die Zufallsauswahl der Beteiligten wird die Meinung von Menschen einbezogen, die im Chorus der verschiedenen Lobbyisten üblicherweise kein Gehör finden. Insbesondere bei schier aussichtslos festgefahrenen Planungsverfahren sind auf diese Weise überraschende Lösungen erzielt worden bzw. ist überhaupt erst die Akzeptanz gegenüber den Vorhaben erreicht worden.

Als Beispiele mögen Trassenfindungen in der Stadt Gevelsberg und im spanischen Baskenland dienen, wobei bei letzterem Beispiel die Akzeptanz erst nach jahrelanger, fast militanter Gegenwehr der Anwohner erreicht worden ist.

Ein Bürgergutachten gewinnt noch an Wert, wenn von der Politik vorher signalisiert wird, man wolle dem Gutachten im Grundsatz folgen. In diesem Falle wäre das die Landespolitik. Wenn das Ergebnis des Bürgergutachtens durch eine Bürgerbefragung zusätzlich demokratisch legitimiert werden würde, könnten sich Landtag

und Landesregierung locker zurücklehnen. Die Zwickmühle, sich bei jeder Entscheidung Kritik und Vorwürfen ausgesetzt zu sehen, wäre produktiv aufgelöst. Ein Moderationsverfahren ist aber nicht ganz kostenfrei. Deshalb hatte die PDS im Finanzausschuss die Einstellung von Mitteln in Höhe von 50 000 € beantragt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, euer Alternativantrag wärmt nur den Antrag vom Juli 2002 auf, und zwar fast wörtlich.

(Herr Tullner, CDU: So, so!)

Dieser schmort in den Ausschüssen und hat nichts bewegt.

Wir schlagen deshalb vor, über die fachlichen Details unseres Antrags im Verkehrsausschuss, der federführend sein sollte, im Umweltausschuss und im Innenausschuss zu sprechen. Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorgehensweise würden wir auch bundesweit Aufsehen erregen. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Dr. Köck, für die Einbringung. - Für die Landesregierung hat jetzt die Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt Frau Wernicke das Wort. Bitte sehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So genannte Grundsatzentscheidungen zum Salzigen See sind in den letzten beiden Legislaturperioden sowohl von der Landesregierung als auch vom Parlament regelmäßig getroffen worden, allerdings hat wohl in Kenntnis der hohen Kosten für dieses Vorhaben niemand, weder die Landesregierung noch die die Regierung tragende PDSFraktion, den Mut gehabt zu sagen - ich zitiere aus der Begründung der EU-Kommission -:

„Das Land kann diese hohen Kosten nicht tragen und somit kann der Salzige See mit den im Moment notwendigen Maßnahmen, besonders im Hinblick auf die B 80, nicht realisiert werden.“

Damit hat uns die EU-Kommission deutlich begründet, warum sie keine Beteiligung mit EFRE-Mitteln zulässt. Ganz so ungeschoren, meine Damen und Herren, kann man die PDS nun wirklich nicht aus der Verantwortung entlassen;

(Zustimmung bei der CDU)

denn sie hat acht Jahre lang die Regierung mit getragen und sie hätte gemeinsam mit der SPD längst die Chance gehabt, einige Projekte auf den Weg zu bringen. Sie hätte auch längst die Chance gehabt, den Großprojektantrag eher einzureichen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Genau!)

Aber ich denke, weil die SPD-Regierung und deren Verwaltung wussten, wie die Reaktion in Brüssel aussehen wird, ist der Antrag nicht eingereicht worden. Vielleicht hat man darauf gehofft, dass die Schwarzen es nicht tun.

(Herr Bullerjahn, SPD: Frau Wernicke!)

Aber den Gefallen haben wir Ihnen nicht getan; denn wir wollten wissen, wie die EU zu diesem Großprojektantrag steht.

Der Alternativantrag der SPD, mit dem die Landesregierung aufgefordert werden soll, die Begründung der EUKommission in Brüssel vorzulegen, ist scheinheilig. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat den Ausschüssen für Umwelt, für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie für Wirtschaft und Arbeit am 13. Oktober dieses Jahres mit eigenhändiger Unterschrift die Begründung der EU-Kommission zugesandt.

(Beifall bei der CDU - Herr Schröder, CDU: So ist es! - Herr Tullner, CDU: Scheinheilig, jawohl!)

Herr Oleikiewitz, wenn es Sie bis heute nicht interessiert hat, was darin steht, dann kann der Alternativantrag, den Sie heute eingebracht haben, nur scheinheilig sein.

(Beifall bei der CDU - Herr Schröder, CDU: Ge- nau! - Weitere Zurufe von der CDU: Genau! - Herr Oleikiewitz, SPD: Ganz vorsichtig! - Unruhe)

Meine sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe als Oppositionspolitiker, als Bewohner des Mansfelder Landes und auch als zeitweiliges Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Kreistages immer wieder gefragt und gemahnt: Ist dieses Projekt tatsächlich realisierbar?

Ich kann mich an einen Bericht im Wirtschaftsausschuss des Kreistages erinnern - das kann im Jahr 2000 gewesen sein -, in dem ein Vertreter des ISW, welches für die Regierung einige Untersuchungen durchgeführt und Gutachten erstellt hat, festgestellt hat: Die Effektivitätskriterien, die die EU als Bedingung für die Genehmigung eines derartigen Großprojektantrages stellt, werden wohl nicht erfüllt werden. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis wird nicht stimmen. - Das ist schon im Jahr 2000 in diesem Kreistagsausschuss berichtet worden.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Meine Damen und Herren! Es lässt sich jetzt nicht nachweisen, ob die damalige Landesregierung selbst die Höhe des Landesanteils an der Finanzierung für illusorisch hielt und ob sie selbst letztlich das Projekt infrage gestellt hat. Aber sie hat es auf die lange Bank geschoben und ganz geschickt über den Wahltermin hinaus gemogelt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Auch der Antragstellerin, der PDS, ist eigentlich klar, dass eine Finanzierung des Vorhabens allein mit Landesmitteln nicht gesichert werden kann, solange man nicht auf die Brückenvariante für die B 80 verzichten kann. Aber über einen Verzicht und über eine neue Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur kann man erst nachdenken, wenn die Straßeninfrastruktur in der Region Mansfelder Land, im Saalkreis bzw. bis Halle sinnvoll und zielführend ist. Das wird auch in der Region so gesehen. Man kann erst über eine neue Straßenführung der B 80 nachdenken, wenn die Verkehrsinfrastruktur geschaffen ist und die ersten Erfahrungen vorliegen.

Was die PDS mit einem Bürgergutachten meint, wurde in etwa erläutert. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aber in einer solchen komplizierten Materie, in einem solch fachlich zu untersetzenden Projekt kann man die Emotionen der Menschen, durch ein Gutachten belegt, doch nicht einfach nutzen, um Parteipolitik zu betreiben.

Ich weiß nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDS, ob eine Bürgerbefragung im Mansfelder Land tatsächlich das hervorbringen würde, was Sie sich wünschen, nämlich ein eindeutiges Ja für den Salzigen See. Ich denke, es gibt durchaus viele Stimmen, die sagen, man kann nicht 45 Millionen € für das Verlegen einer Bundesstraße ausgeben; es gibt im Moment Probleme und zu lösende Aufgaben, die wichtiger sind.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU)

Ähnliche Unsicherheiten - ich habe schon den Alternativantrag kritisiert - haben sicherlich die SPD-Fraktion dazu bewogen, diesen Alternativantrag zu stellen.

Ich will noch auf die kommunale Verantwortung zu sprechen kommen. Die regionale Planungsgemeinschaft Halle hat sich mit Beschluss vom 15. März 2003 - das war allerdings vor dem Bekanntwerden der Ablehnung des Antrages durch die EU - auf Antrag der Kommunen dazu bekannt, die Wiederentstehung des Sees in den regionalen Entwicklungsplan aufzunehmen und entsprechende Entwicklungsziele für die Region der Mansfelder Seen auszuweisen. Meine Damen und Herren! Die Grundsatzentscheidung für den Salzigen See ist gefallen und sie ist dort gefallen, wo sie gefällt werden muss, nämlich in der Region.

(Zustimmung bei der CDU)

Dieser regionale Entwicklungsplan wird derzeit aufgestellt. Die Region hat es in der Hand, die langfristige planerische Sicherung des Projekts beispielsweise durch entsprechende Festlegungen in Raumordnungsplänen bzw. in Teilgebietsentwicklungsplänen vorzunehmen. Die Kommunalpolitiker vor Ort wissen wohl, dass sie jetzt trotz der Ablehnung des Großprojektantrages diesen Plan überarbeiten müssen.