Protocol of the Session on November 20, 2003

(Herr Borgwardt, CDU: Wir hören intensiver zu!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS ist in der 21. Landtagssitzung am 12. Juni 2003 federführend an den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung an den Ausschuss für Finanzen überwiesen worden.

Der Ausschuss für Inneres hat in seiner Sitzung am 18. Juli 2003 verabredet, eine Anhörung zum Gesetzentwurf und zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit - Gesetzentwurf der Landesregierung in Drs. 4/858 - durchzuführen. Die Anhörung erfolgte dann in der Sitzung des Ausschusses am 5. September 2003. Zu der Anhörung waren die kommunalen Spitzenverbände und der Landesrechnungshof eingeladen worden.

In der Sitzung am 24. September 2003 verabschiedete der Ausschuss für Inneres seine vorläufige Beschlussempfehlung an den Ausschuss für Finanzen. Die Empfehlung lautete, den Gesetzentwurf abzulehnen. Diesem Votum schloss sich der Ausschuss für Finanzen mehrheitlich an. Die vorliegende Beschlussempfehlung empfiehlt dem Landtag nun ebenfalls, den Gesetzentwurf abzulehnen. - Danke.

Vielen Dank, Herr Dr. Polte, für die Berichterstattung.

Ich darf, auch wenn die Tribüne vielleicht stärker besetzt ist als das Plenum, dennoch Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Staßfurt-Nord herzlich begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie werden einen denkbar schlechten Eindruck mit nach Hause nehmen, aber Sie müssen wissen: Dies hier ist keine Schule mit Anwesenheitspflicht, sondern hier wird die Arbeit nach anderen Gesichtspunkten organisiert.

Die Aussprache beginnt mit einem Beitrag der CDUFraktion. Es spricht Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In ihrem Gesetzentwurf möchte die PDS befristet aus der Mussregelung zum Haushaltsausgleich eine Sollregelung machen. Anlass für diesen Vorschlag ist die, wie wir alle wissen, sehr schwierige finanzielle Lage der Kommunen in Sachsen-Anhalt. Aufgrund dieser Situation besteht die Gefahr, dass die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erledigen können. Sie benötigen daher dringend mehr Handlungsspielraum.

Somit befasst sich der PDS-Entwurf mit einem durchaus von allen erkannten und ernst genommenen Problem. Aber gerade weil die Lage so ernst ist, ist es wichtig, zukunftsfähige Lösungsansätze zu entwickeln. Wir dürfen an dieser Stelle nicht kurzsichtig sein. Der Vorschlag der PDS ist aber genau dies.

Da ist man schnell dabei, über die Modifizierung althergebrachter Haushaltsgrundsätze nachzudenken, jedoch

führt ein solches Vorgehen gerade nicht zu einer dauerhaften Verbesserung der Finanzsituation. Die Defizite in den Kommunalhaushalten sind überwiegend strukturell bedingt. Ohne eine spürbare Verbesserung der Finanzausstattung durch den Bund wird sich für die Kommunen auch in Zukunft nichts ändern.

Würden wir also die Mussvorschrift befristet in eine Sollregelung umwandeln, würden wir wider besseres Wissen die Augen verschließen und hoffen, dass sich in paar Jahren alle Probleme von allein gelöst haben. Hierfür besteht aber keinerlei Veranlassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kann man hiergegen argumentieren, dass in immerhin vier Bundesländern die entsprechende Regelung als Sollvorschrift ausgestaltet ist. In der Praxis der Haushaltsgenehmigungen ergeben sich bei einer seriösen Handhabung durch diese unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung aber keinerlei Auswirkungen. Auch eine Sollvorschrift ist regelmäßig zwingend.

Auf den ersten Blick könnte man zwar annehmen, dass eine solche Regelung die Pflicht zum Haushaltsausgleich großzügiger handhabt, jedoch gilt für die Kommunen immer die Verpflichtung, ihre Haushaltsführung so zu gestalten, dass die dauernde Erfüllung ihrer Aufgaben gewährleistet ist. An diesem Maßstab müssen sich alle finanzwirtschaftlichen Entscheidungen orientieren.

Soweit die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommunen nicht gewährleistet ist, kann die Kommunalaufsicht daher auch bei einer dem Gesetzeswortlaut nach gelockerten Haushaltsausgleichsvorschrift keine höhere Kreditermächtigung genehmigen als nach jetziger Rechtslage. Insofern eröffnet die von der PDS vorgeschlagene Regelung in der Praxis keine Spielräume, von denen die Kommunen profitieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau dieser Effekt könnte dann erzielt werden, wenn eine lockere Handhabung die dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht mehr so ernst nehmen würde. Als Ergebnis bestünde dann die Gefahr, dass einzelne Kommunen die beschlossenen Haushaltskonsolidierungskonzepte nicht mehr wie geplant umsetzen und einschneidende Entscheidungen aufgeschoben würden.

Da durch den PDS-Antrag objektiv keine Verbesserung der Kommunalfinanzen eintritt, könnte es auch sein, dass hierdurch die Kommunen nur noch weiter in die Schuldenfalle gelockt werden. Genau das können wir nicht wollen.

Eine zukunftsfähige Lösung stellt der Entwurf der PDS jedenfalls nicht dar, auch nicht in der befristeten Form. Wenn wir mit der Konsolidierung beginnen wollen, müssen wir dies sofort tun. Wir können notwendige, zuweilen auch schmerzhafte Maßnahmen nicht aufschieben und den Kopf in den Sand stecken, weil aufgrund der bundespolitischen Lage zurzeit keine besseren Lösungskonzepte zur Verfügung stehen. Auf keinen Fall dürfen wir durch Scheinlösungen die finanzielle Lage für die Zukunft noch verschärfen.

Ich bitte daher darum, den Gesetzentwurf der PDS abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Für die PDS-Fraktion erteile ich Herrn Grünert das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der finanziellen Situation der Kommunen in SachsenAnhalt hat sich seit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs - nicht Antrages, Herr Kolze - überhaupt nichts verbessert. Im Gegenteil. Nicht nur das Jahr 2003, sondern auch das Jahr 2004 wird dadurch gekennzeichnet sein, dass aufgrund der weiteren Minderzuweisungen des Landes und der einbrechenden Steuereinnahmen die Mehrheit der kommunalen Haushalte in SachsenAnhalt defizitär bleibt.

Nun kann man es sich leicht machen und sagen: Der große Bruder, der Bund, ist daran Schuld. Nein, Herr Kolze, allein die Mehreinnahmen in Höhe von rund 267 Millionen €, die das Land im Jahr 2003 aus Bundesergänzungszuweisungen mehr erzielt hat, sind nicht durchgereicht worden, auch nicht anteilmäßig; es wurde gespart. Damit hat man die Situation im Land, die der Bund sicherlich mit zu verantworten hat, weiter verschärft.

Auch die Hoffnungen der Kommunen, im Rahmen der Gemeindefinanzreform des Bundes und durch die Neufassung des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt eine erhebliche Entlastung zu erfahren, haben sich nicht erfüllt. War die Landesregierung noch Anfang des Jahres 2003 angetreten, möglichst 400 Millionen € - ich wiederhole: 400 Millionen € - alleine aus den Zweckzuweisungen in die allgemeinen Zuweisungen umzuschichten, so waren es vor der Sommerpause gerade noch 100 Millionen € und sind es jetzt mit dem Gesetzentwurf zur Vereinfachung des Finanzausgleichs nur noch rund 160 200 € - ich wiederhole: 160 200 € -, die tatsächlich ohne Zweckbindung die allgemeine Finanzausstattung stärken.

(Herr Gallert, PDS: Die sind auch weg!)

- Und die sind mittlerweile auch weg. - Welch großer Wurf. Jetzt boomt das Land und die Kommunen können endlich investieren! - So viel zu dieser Frage.

Darüber wird sicherlich morgen in der Aktuellen Debatte noch einiges zu sagen sein.

Durch die andauernde Nichtgenehmigung der Haushalte kommt es zur faktischen Entmündigung kommunaler Gremien, da die entsprechenden Haushaltsentscheidungen nur noch mit dem Blick auf die Genehmigungsfähigkeit durch die Kommunalaufsicht getroffen werden. Vielerorts geben die Kommunalaufsichten detaillierte Vorschläge an die Kommunen, wo aus ihrer Sicht, das heißt aus der Sicht der Behörde, Einsparungen vorgenommen werden sollten. Dieser Druck führt dazu, dass diese Vorschläge fast 1 : 1 umgesetzt werden, um ja einen Genehmigungsvermerk zu bekommen.

Herr Kolze, zu welch skurrilen Vorstellungen die Kommunalaufsicht in Bezug auf die Haushaltskonsolidierung fähig ist, das füllt Bände. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Beispielen dafür geben. Das zeugt aber nicht von vorhandener Sachkenntnis und auch nicht von Detailkenntnis. Wenn zum Beispiel das Regierungspräsidium Magdeburg der Landeshauptstadt Magdeburg vorschlägt, das Buga-Gelände zu privatisieren, verkennt sie die förderrechtlichen Bedingungen, die daran geknüpft waren. - Nur so viel.

Kommunale Selbstverwaltung? Nein, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen. Das ist schlicht und einfach Erpressung, was die Kommunalaufsicht aufgrund der Situation derzeit mit den Kommunen anstellt.

Auch vor diesem Hintergrund hat die PDS einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, welcher zwar im laufenden und im nächsten Haushaltsjahr nicht die substanziellen Probleme der leeren öffentlichen Kassen in Sachsen-Anhalt, insbesondere bei den Kommunen, lösen wird. Er würde jedoch Entspannung bringen im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit bei nicht genehmigungsfähigen Haushalten.

Es ist eine Mär zu unterstellen, dass man in anderen Ländern, in denen dieser Ausgleich keine Istbestimmung, sondern eine Sollbestimmung ist, weniger darauf schaut, ob sachgerecht mit den vorhandenen Mitteln umgegangen wird. Insoweit bitte ich Sie, sich bei Ihren Kollegen in anderen Landtagen kundig zu machen, wie dort mit diesen Problemen umgegangen wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben vorgeschlagen, diese Vorschrift zu befristen, weil wir natürlich auch sehen, dass die Kommunen einen bestimmten Übergangszeitraum brauchen, bevor die Gemeindefinanzreform, wenn sie denn tatsächlich greift, eine Entlastung bringt. Diese Änderung war natürlich mit der Änderung der Finanzplanung im Sinne dieser Umstellung verbunden, sodass auch die Gemeindehaushaltsordnung anzugleichen wäre.

Übrigens, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch Ihrer Parteien haben diese Forderung während unserer Kommunaltour im Herbst dieses Jahres wiederholt aufgestellt. Sie erklärten uns ihr Unverständnis darüber, dass Sie und die kommunalen Spitzenverbände diesen Vorschlag nicht aufgegriffen haben. Wer von Ihnen Interesse hat, mit besagten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu reden, könnte den Kontakt sicherlich durch uns vermittelt bekommen.

Während die Ankündigung des Ministerpräsidenten und des Innenministers zum flexiblen Umgang mit den Kommunalhaushalten aufgrund der gesetzlichen Lage kaum eine oder keine Wirkung erzielt hat, wäre dieser Weg geeignet gewesen, der Kommunalaufsicht auf sicherer Grundlage Handlungsspielräume zu geben und den Entscheidungs- und Investitionsstau im kommunalen Bereich aufzuheben. Gleichzeitig hätte sich der Zeitraum des Konsolidierungszwangs von fünf Jahren auf acht Jahre erweitert.

Meine Damen und Herren! Nachdem Sie es geschafft haben, die inhaltliche Erörterung dieses Gesetzentwurfs auf den September zu verschieben, damit selbst eine Wirkung dieser Regelung noch für 2003 verhindert haben, soll diese Möglichkeit heute auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses beerdigt werden. Ich appelliere nochmals an Sie: Geben Sie dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung. Verstärken Sie Ihre Anstrengungen im Hinblick auf eine den Aufgaben der Kommunen tatsächlich entsprechende Finanzausstattung. Letztgenanntes wäre jedoch der zweite Schritt. - Ich danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Dem Entwurf eines Gesetzes zur Wie

derherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit wird keine Gesetzeskraft erwachsen, weil er in diesem Parlament keine Mehrheit finden wird. Dieses Ergebnis kann man bereits jetzt absehen, wenn man den Werdegang des Gesetzentwurfs betrachtet und erkennen muss, dass bereits die Ausschussabstimmung keine Mehrheit gebracht hat und dass auch die Vertreter der gemeindlichen Nutznießer den Inhalt der beabsichtigten Regelungen letztendlich nicht als zielführend erachtet haben.

Als Ergebnis der Anhörung war auch zu erkennen, dass neben dem Landesrechnungshof auch die kommunalen Spitzenverbände selbst nicht der Auffassung sind, dass der vorliegende Gesetzentwurf geeignet ist, eine Verbesserung der finanziellen Situation der kommunalen Gebietskörperschaften tatsächlich herbeizuführen.

Kritik war von der FDP-Fraktion schon in der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht worden, wobei nicht verkannt wurde, dass die Richtung, in die dieser Gesetzentwurf gehen soll, offensichtlich gut gemeint war und auch letztlich richtig sein muss.

Meine Damen und Herren! Im Preußischen Königreich gab es den Spruch: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Ich möchte es nicht ins Lächerliche ziehen, wenn ich sage: Im österreichischen Kaiserreich hieß es andersherum: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Wir schließen uns der Auffassung der Preußen an. Um die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist es tatsächlich ernst bestellt. Es verschließt sich ja auch den regierungstragenden Fraktionen nicht, dass die Kommunen in diesem Jahr erhebliche Schwierigkeiten haben, ausgeglichene Haushalte zu gestalten.

Aber ich denke, dass dieses Gesetz - nur um dieses geht es bei dem Tagesordnungspunkt - nicht die Generaldebatte über den Tagesordnungspunkt 21 vorwegnehmen soll, der morgen zu erörtern ist.

Wir können uns allerdings nicht der Erkenntnis verschließen, dass neben Bund und Land auch die Kommunen einen Teil der Hausaufgaben erbringen müssen, dass es, bei aller Kritik, dort noch Handlungsbedarf, aber auch noch Handlungsmöglichkeiten gibt.

Das wesentliche Instrument allerdings, das dieser Gesetzentwurf beinhaltet, ist letztlich die Ersetzung des Wortes „muss“ durch das Wort „soll“ in den Vorschriften der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung. Die erhoffte Wirkung, dass durch diese Umformulierung eine Änderung der tatsächlichen Lage herbeigeführt würde, ist aus zweierlei Gründen nicht zu erwarten.

Zum einen bedeutet das Wort „soll“ aus juristischer Sicht nichts anderes als „muss“. In dieser Hinsicht ergibt sich für die Kommunalaufsicht kein anderer Handlungsspielraum. Zum anderen - das muss man auch feststellen - hat Herr Grünert selbst bemerkt, dass durch den Zeitablauf die Verschiebung des Zeitraumes kaum noch hilfreich ist.

Ich möchte bestreiten, dass es den Regierungsfraktionen anzulasten ist, dass das Gesetz erst jetzt zur endgültigen Behandlung kommt.

(Frau Theil, PDS: Wem denn sonst?)