Protocol of the Session on October 24, 2003

Noch bevor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre jeweiligen Hausleitungen über das Ansinnen informieren konnten, lief bereits eine entsprechende Pressemitteilung über die Fax-Geräte. Wie Sie der Presse entnehmen konnten, habe ich meine Überraschung und mein Unverständnis unmittelbar zum Ausdruck gebracht.

Ein Teil der Überraschung ist darin begründet, dass dieser Vorstoß wenige Wochen nach der weitgehenden Rückabwicklung des „Tarifversuches“ vom Dezember 2002 erfolgt. Sie erinnern sich an die öffentlichen Diskussionen im Zusammenhang mit der Bahn-Card und den folgenden Einbrüchen der Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr. Hierbei hat die Bahn nicht zuletzt durch die Macht des Faktischen nachgebessert und das ist gut so.

Der erneute Vorstoß zielt auf den Nahverkehr und da auf die Bereiche, in denen keine Verbundstrukturen bestehen. Damit trifft er uns im Osten besonders.

Mit der angekündigten Anhebung um 4,1 % zum Fahrplanwechsel im Dezember mag das Unternehmen zwar an die bereits vorgenommenen Erhöhungen in den Verbünden anschließen, dennoch stößt eine solche Erhöhung im Umfeld von allgemein steigenden Lebenshaltungskosten bei der Bevölkerung auf weitgehendes Unverständnis.

Das hat auch damit zu tun, dass es kaum noch plausibel zu machen ist, dass einerseits durch die Länder, wie Sachsen-Anhalt, ehemalige Fernverkehrsleistungen der DB durch Nahverkehrsangebote ersetzt werden müssen und andererseits der Fernverkehr gleichzeitig mit Dumpingangeboten beworben wird.

Auf den augenfälligen Nachholbedarf im Nahverkehrsnetz, bei den Fahrzeugen und besonders bei den Bahnhöfen, mit denen wir uns ja in einem anderen Tagesordnungspunkt noch beschäftigen werden, wird im Änderungsantrag richtigerweise verwiesen.

Auch wenn unsere genehmigungsrechtlichen Möglichkeiten, diese Tariferhöhung im Nahverkehr abzuwenden, nach dem allgemeinen Eisenbahngesetz nur sehr eingeschränkt sind, macht ein solches Zeichen, wie es mit dem Änderungsantrag gesetzt wird, durchaus Sinn. Der Bund als Eigentümer der DB AG muss zur Kenntnis nehmen, dass er eine Gesamtverantwortung für das System Verkehr hat und dass eine solche Tarifentscheidung ein Signal für weniger Bahnverkehr in der Fläche und eine höhere Belastung der Straßen darstellt.

Das alles sind keine neuen Erkenntnisse und das wird von den Koalitionsparteien in Berlin in Sonntagsreden gern vor sich hergetragen. Im September des letzten Jahres haben wir hier in Sachsen-Anhalt aufgrund der geringen Fahrgastzahlen auf einzelnen Strecken Abbestellungen von Nahverkehrsleistungen vornehmen müssen.

Es ist durchaus zu befürchten, dass die erneuten Tariferhöhungen zu weiteren Abwanderungen aus dem System Schiene beitragen werden. Dies wird unweigerlich weitere Strecken in den Bereich der Unwirtschaftlichkeit führen, für die es dann einfach nicht mehr möglich sein wird, in Verantwortung für den Landeshaushalt SPNVLeistungen bei der Bahn zu bestellen.

Unsererseits haben wir - das betrifft kontinuierlich alle Regierungen seit 1990 - die Bahn bei ihren verkehrspolitischen Aufträgen nach Kräften unterstützt. Ich erinnere

an Fahrzeugbeschaffungen, die wir mitfinanziert haben, an die bereits angesprochene Übernahme von Fernverkehrsleistungen in den Nahverkehr, zum Beispiel auf der Relation Magdeburg - Berlin, an mitfinanzierte Bahnhofssanierungen bis hin zur finanziellen Unterstützung des Einbaus von Fahrgastaufzügen. Es gibt eine lange Liste von Maßnahmen, mit denen wir uns über unsere eigentliche Verantwortung hinaus für den Bahnverkehr engagiert haben.

Es ist richtig, dass mit der Bahnreform das Unternehmen in die Selbständigkeit und damit auch in eine Tarifautonomie entlassen worden ist. Die Länder haben sich deshalb konsequenterweise bisher jeglicher Kommentierungen des Tarifsystems der Bahn enthalten. Das hat jedoch nicht dazu geführt, dass Probleme der Bahn allein dort abgeladen wurden.

Die Politik und hier besonders die Verkehrspolitik des Bundes ist gefordert, auch in der Tarifgestaltung des Unternehmens schlüssige Konzepte einzufordern, die einerseits mehr Kunden in die Züge bringen und die die spezifischen Probleme der ostdeutschen Länder im Auge behalten.

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Qual das Wort.

(Herr Reck, SPD: Herr Qual, das war eben eine Vorlage! Eine Vorlage! - Heiterkeit)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hat letztlich das gleiche Anliegen wie der Antrag der Fraktion der PDS: Gegenwärtig ist von einer Erhöhung der Nahverkehrspreise der DB Regio AG Abstand zu nehmen.

Dennoch stellt unser Änderungsantrag den Sachverhalt konkreter dar und geht näher auf die Wirkung und die Folgen einer möglichen Erhöhung der Nahverkehrspreise ein. Auf eine überzogene Kritik an Vorstandsmitgliedern der Bahn wird verzichtet und es wird der konkrete Leistungsbezug zur geplanten Preissteigerung im Rahmen des geltenden Verkehrsvertrages hergestellt.

Zunächst ist festzustellen, dass die Bahn die Nahverkehrspreise seit 1992 im Zuge der Ost-West-Tarifanpassung um mehr als das Doppelte erhöht hat. Die letzte Preiserhöhung erfolgte im Dezember 2002. Dieses neue Preissystem führte zu großem Unmut und zu einem Rückgang der Zahl der Fahrgäste. Dies hatte zur Folge, dass das Preissystem weitestgehend zurückgenommen wurde.

Bei einer neuerlichen Erhöhung der Bahnpreise im Nahverkehr bestehen aus der Sicht der FDP-Fraktion die Gefahr des weiteren Rückgangs der Fahrgastzahlen und die Wahrscheinlichkeit, dass der Betrieb weiterer Strecken im Nahverkehr unwirtschaftlich wird. Die Folge wäre, dass durch das Land keine SPNV-Leistungen mehr bestellt werden könnten.

Das kann nicht das Ziel sein, zumal das Land SachsenAnhalt jährlich und jetzt auf der Grundlage des Verkehrsvertrages der DB Mittel in erheblicher Höhe bereitstellt, mit denen die zuverlässige Erbringung der Verkehrleistungen gesichert werden soll.

Wir fordern daher die Landesregierung auf, den Bund als Eigentümer der DB AG darauf hinzuweisen, dass

eine Tariferhöhung um 4,1 % angesichts des Nachholbedarfs in Bezug auf das Netz, die Fahrzeuge, die Bahnhöfe und das Niveau insgesamt eine kontraproduktive Wirkung entfalten wird. Ich darf auch sagen, dass Herr Kasten aus meiner Sicht darauf bereits sehr korrekt eingegangen ist.

Der Bund sollte vielmehr aufgrund seiner Gesamtverantwortung für den Verkehr seine Rechte nutzen und seinen Pflichten nachkommen, um eine Tariferhöhung zu verhindern. Die Landesregierung sollte auf die DB AG einwirken, damit diese bis zur Erbringung akzeptabler Leistungen im Rahmen des Verkehrsvertrages von jeglichen Preiserhöhungen Abstand nimmt, und sollte ihre genehmigungsrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich einer Verweigerung des Einvernehmens bezüglich einer Tariferhöhung ausschöpfen.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Ich möchte Sie abschließend im Namen der FDP-Fraktion bitten, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zuzustimmen. Ich glaube - ich bedanke mich bei Herrn Kasten bereits dafür -, dass dies auch aus der Sicht des Einbringers des Ursprungsantrages, der PDS, möglich sein wird. - Recht vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

Vielen Dank, Herr Qual. - Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Doege.

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann meine Ausführungen relativ kurz machen. Ich möchte allerdings zumindest auf einige Dinge eingehen, die im Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP enthalten sind.

(Herr Czeke, PDS: Fünf Minuten!)

- Ich werde mich daran halten. - Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Dinge, über die wir insbesondere gestern im Hohen Hause diskutiert haben - ich erinnere an die Debatte über den Talsperrenbetrieb -, und anderer Diskussionen in Bezug auf vorgesehene Privatisierungen ist es schon erstaunlich, was Sie uns mit Ihrem Änderungsantrag heute vorlegen.

Sie fordern in Ihrer Begründung beispielsweise, dass die Preispolitik der Deutschen Bahn AG sozial verträglich und verkehrspolitisch sinnvoll gestaltet werden sollte. Des Weiteren fordern Sie Gespräche mit dem Bund als dem Eigentümer der DB AG und Sie verzichten - das ist ein weiterer Punkt - im Gegensatz zu der PDS auf überzogene Kritik an den Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bahn AG.

Sie fordern im Hinblick auf die geplante Preissteigerung einen Leistungsbezug. In der Frage des Leistungsbezuges sind wir uns sehr schnell einig: Eine Erhöhung der Preise muss selbstverständlich in direktem Zusammenhang mit den von der DB AG zu erbringenden Leistungen stehen.

Bei der Kritik am Bahnvorstand, die Sie so nicht artikulieren wollen, stellt sich für mich schon die Frage, wer, wenn nicht der Vorstand der DB AG, ist letztlich für die Dinge, die im Unternehmen DB AG laufen oder aber

nicht laufen, verantwortlich. Aus Ihrer Argumentation, dass viele Dinge nicht vom öffentlicher Sektor, sondern von der Privatwirtschaft wahrgenommen werden müssen, folgt letztlich, dass die Verantwortung dementsprechend dort wahrgenommen werden muss, wo sie hingehört. Diese Verantwortung ist aus unserer Sicht natürlich beim Vorstand des Unternehmens zu suchen.

In Bezug auf die Gespräche mit dem Bund verweise ich darauf, dass wir den Bund nicht in der Pflicht sehen. Die DB AG ist ein nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen organisiertes Unternehmen, das am Markt agieren muss.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Wenn das Unternehmen der Meinung ist, dass eine Preiserhöhung ansteht, dann kann es nicht die Aufgabe des Bundes sein, hierbei einzugreifen.

Trotzdem, meine Damen und Herren, wird die SPD-Fraktion dem Antrag zustimmen; denn auch wir sehen Probleme hinsichtlich des Leistungsbezugs. Die anstehende Preiserhöhung kann aus unserer Sicht nicht bis ins letzte Detail nachvollzogen werden. Wir befürchten, dass mit einer Preiserhöhung negative Auswirkungen für die Nutzung im Nahverkehr verbunden sein werden. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Doege. - Nun bitte Herr Schröder für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund der Einmütigkeit im Hause und der Darlegungen des Ministers und meines FDP-Kollegen möchte ich - mit der Erlaubnis des Präsidenten - meine Rede zu Protokoll geben.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Ich erlaube es. Vielen Dank, Herr Schröder.

(Zu Protokoll:)

Die DB Regio AG hat zum 15. Dezember 2003 die Erhöhung ihrer Bahnpreise im Nahverkehr beantragt. Die Preiserhöhung von etwa 4,1 % setzt das Einvernehmen der Bundesländer voraus.

Wer Reisende nicht verschrecken will, muss für einen gewissen Preis auch eine gewisse Leistung bieten. Der Nachholbedarf im Netz, an den Fahrzeugen, vor allem aber an den Bahnhofsgebäuden ist immer noch hoch. Eine Zwischenbilanz über die Leistungserbringung im Rahmen des geltenden Verkehrsvertrages zwischen Land und DB Regio liegt ebenfalls noch nicht vor.

Ohne eine nachgewiesene Erbringung akzeptabler Leistungen im Nahverkehr ist von Preiserhöhungen Abstand zu nehmen. Das Land allein aufzufordern, von seinen genehmigungsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Die Bundesregierung ist die alleinige Eigentümerin der Bahn AG und trägt die politische Gesamtverantwortung für den Verkehr.

Ohne den Willen der Bundesregierung hätte die DB Regio diesen Antrag nicht stellen können. Die Bundesregierung ist deshalb auch gefragt, wenn es darum geht, den Antrag zunächst zurückzustellen. Der Änderungsantrag ist notwendig, weil er präziser formuliert ist, auf einseitige Schuldzuweisungen verzichtet und den Zusammenhang zwischen Leistung und Preis besser verdeutlicht.

Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Nun noch einmal Herr Kasten, wenn er es wünscht. - Er wünscht es nicht.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)