Protocol of the Session on September 23, 2003

Das geht nicht nur an der Sache, sondern auch an den Grundsätzen einer soliden Finanzpolitik vorbei.

Was für Kommunalfinanzen gilt, gilt adäquat auch für die Länderfinanzen. Die Kassen sind überall klamm, teilweise bodenlos. Die Haushaltsdefizite der Bundesländer er

reichen allerorts neue Höchststände. Deshalb hat die Europäische Zentralbank in - wie ich meine - ungewöhnlicher Schärfe vor wenigen Tagen noch stärkere Sparanstrengungen auch von den Ländern gefordert.

Berlin verklagt den Bund auf Nothilfe. Hessen plant das größte Sparprogramm seiner Landesgeschichte. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen liegen mit ihren Nachträgen über der verfassungsrechtlich zulässigen Grenze. Um ganz unverfänglich zu sein: Der Finanzminister von Schleswig-Holstein, Herr Stegner, SPD, rechnet damit, dass bis zum Ende dieses Jahres die Haushalte von 14 der 16 Bundesländer verfassungswidrig sein werden. Das ist deutschlandweit auch die Tendenz für 2004. Es steht in Bezug auf viele Länderhaushalte bis zum Dezember noch ein langer und schwerer Weg bevor.

Meine Damen und Herren! Das ist der bundesweite Hintergrund. Wenn ich es richtig bewerte, dann haben wir mit dem Haushalt 2004 eine der schwierigsten Finanzsituationen in der dann 15-jährigen Geschichte unseres Landes zu meistern. Die Hauptprobleme dabei sind nicht von dieser Landesregierung zu verantworten. Das muss die Opposition im Lande zur Kenntnis nehmen. Das müssen wir auch in der Öffentlichkeit klar und unmissverständlich kommunizieren.

Genau deshalb ist ein Spar- und Konsolidierungshaushalt, wie er von der Landesregierung vorgelegt wurde, vom Grundsatz und vom strategischen Ziel her alternativlos. Ich halte es - hiermit greife ich einen Begriff des Finanzministers auf - für einen Erfolg, dass die Landesregierung diesem Landtag einen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt hat, in dem ein Ausgabenrückgang um 1,7 % vorgesehen ist. Das bestärkt mich in meiner Auffassung, dass wir finanzpolitisch nach wie vor auf dem richtigen Weg sind. Dahinter steht ein hartes Stück Arbeit der Landesregierung. Da die Landesregierung heute so viel kritisiert worden ist, möchte ich der Landesregierung dafür auch einmal ein Lob aussprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Mäßiger Beifall!)

Das Lob geht vor allem an den Ministerpräsidenten, der sich mit seiner ganzen Persönlichkeit an die Spitze dieses Prozesses gestellt hat. Zu einigen leisen Kritikpunkten werde ich im Laufe meiner Ausführungen sicherlich noch kommen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Dürfen Sie das?)

- Ja, klar. Herr Bullerjahn, Sie durften das früher doch auch, oder?

Mir ist völlig klar - jetzt rede ich zum gesamten Haus -, dass die Ziellinie unserer Planungsarbeit damit noch nicht sicher erreicht ist. Es werden im parlamentarischen Verfahren bis zum Dezember noch erhebliche Unwägbarkeiten zu meistern sein, auf die wir nur bedingt Einfluss haben. Ich möchte nur zwei Dinge nennen.

Zum einen sind es die möglichen konjunkturellen Auswirkungen. Wir wissen, dass die jetzigen Planungen auf der Steuerschätzung von Mai beruhen. Da war die Grundlage das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von in etwa 0,75 %. Diese Zahl wird sich bei der NovemberSchätzung womöglich nicht ganz bestätigen. Mögliche Auswirkungen für das Land könnten im zweistelligen Millionenbereich liegen. Das könnten etwa 30 bis 40 Millionen € sein. Es wäre eine klare Zielstellung auch für unseren Landtag, dies im parlamentarischen Verfahren ab

zufedern, sodass keine zusätzliche Neuverschuldung im Haushalt berücksichtigt werden muss.

Zweitens - ich sage es einmal sehr volkstümlich -: Wenn die ganz große Keule kommt, nämlich das Vorziehen der Steuerreform, die ordnungspolitisch und wirtschaftspolitisch zu begrüßen ist, dann ginge es für Sachsen-Anhalt um einen dreistelligen Millionenbetrag. Da muss ich frisch und frei sagen: Das schafft dann auch kein Landtag mehr. Das ist für uns alle in diesem Hause dann nicht mehr zu schultern. Das kann dann möglicherweise nur zwischen dem Kanzler und Herrn Püchel besprochen werden oder Herr Paqué hat einen neuerlichen schweren Weg zu irgendeiner Bank vor sich. Das bedeutete erhebliche neue Schuldenlasten für das Land. Das ist vor allem für die ostdeutschen Länder nicht mehr zu verantworten.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Die FDP fordert auch das Vorziehen der Steuerreform!)

Deshalb unterstütze ich auch von hier aus die Forderung des Ministerpräsidenten und des Finanzministers: Die Gegenfinanzierung des Vorziehens der Steuerreform darf nicht zulasten der Länder gehen. - Ich füge hinzu, das gilt gleichermaßen für weitere geplante Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung, zum Beispiel zum Arbeitsmarkt, insbesondere den Teil Hartz IV, also die Neustrukturierung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Kommen wir zu dem Punkt Neuverschuldung. Meine Damen und Herren! Ich halte es für bedauerlich - ich sage das klar und deutlich -, dass der für das Jahr 2004 geplante Schritt der Rückführung der Nettoneuverschuldung, also die Halbierung der 750 oder 900 Millionen € - je nachdem, wie wir rechnen, Herr Püchel -, keine reale Grundlage mehr hat. Die beiden Hauptgründe sind aber hier in diesem Hause jedem hinreichend bekannt. Ich bin schon verwundert über die Phantasie der Opposition, was die Darstellung von Varianten angeht.

Es ist doch ganz klar, wir müssen akzeptieren, dass sich die Steuereinnahmen um 470 Millionen € reduzieren werden. Es ist doch auch ganz klar, dass wir für die Fehlleistungen der Vorgängerregierung, was die Abgeltung der Lehrerzeitguthaben angeht, geradezustehen haben. Die 270 Millionen €, die in den Haushalt eingestellt werden müssen, sind real; entsprechend muss man sie im Haushaltsplanentwurf behandeln.

In der gesamten Diskussion bis heute nicht erwähnt worden ist der lineare Tarifaufwuchs von rund 87 Millionen €, der auch noch im Haushalt entsprechend abgefedert werden muss.

In diesem Zusammenhang sei mir noch eine Nachfrage an die SPD gestattet. Kollege Manfred Püchel rechnet in einer Presseveröffentlichung vom 19. Juli 2003 vor, dass im kommenden Jahr die Steuereinnahmen inklusive Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen gegenüber 2003 sogar ansteigen werden. Abschließend sagt er: Dies relativiert natürlich das Gerede von den enormen Steuerausfällen.

Sein Kollege und Finanzexperte Jens Bullerjahn rät keine fünf Wochen später gleich in mehreren Veröffentlichungen - das ist heute schon angesprochen worden - dringend zu mehr Realismus. Bis zum Jahr 2008, so meint er, sollte das Land nicht mit steigenden Steuereinnahmen rechnen. Herr Bullerjahn sagt dazu, da wir in all den Jahren ständig von positiven Wirtschaftsdaten ausgegangen sind, sind die Finanzplaner seit Jahren ins Schleudern gekommen.

Sie können sicherlich nachvollziehen, dass diese Diametrie im Rennstall der SPD einigermaßen verwirrt. Da die Einnahmenseite eine der beiden Grundsäulen unserer Finanzpolitik ist, darf man außerordentlich gespannt sein - ich bin es jedenfalls -, auf welcher Basis der beiden diametralen Positionen die SPD im Finanzausschuss letztlich beraten wird.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist es für die FDP-Fraktion vor allem mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung mit Nachdruck zu unterstützen, dass das strategische Ziel, die jährliche Neuverschuldung auf null zu fahren, durch die Landesregierung - das war ja zwischendurch etwas nebulös - nicht aufgegeben wurde, sondern in Anbetracht der Realitäten klar auf das Ende des Jahres 2008 fixiert wurde.

Dies ist ein Gebot der politischen Vernunft und der Verantwortung; denn es sind neben den überdimensionierten Personalkosten vor allen Dingen die gewaltigen Zinslasten, die den Landeshaushalt geradezu knebeln und vor allem neue Investitionsmöglichkeiten einschränken. Dieser Teufelskreis, meine Damen und Herren, muss im Interesse der Zukunft unterbrochen werden.

Ich füge hinzu, wir haben gegenwärtig eine Zinslast in Höhe von 860 Millionen € in den Haushalt eingestellt. Daraus ergibt sich eine Zinsquote von 8,7 %. Das Land Sachsen hat eine Zinsquote von 3,5 % und kann sich deswegen auch eine Investitionsquote von 32 % leisten. Das sind die Zielmarken, die man sicherlich immer im Auge haben muss, wenn man unsere Werte in einen Vergleich bringt.

Ich möchte ein paar Bemerkungen zum Personal machen. Die Ansätze für die Personalkosten, also vorwiegend der Hauptgruppe 4, sind schon mehrfach hoch- und runterdekliniert worden. Der Minister hat die Ansätze nachvollziehbar begründet. Ich erspare mir deshalb die Wiederholung vieler Zahlen.

Für die FDP ist es wichtig festzustellen, dass die Landesregierung mit großer Konsequenz an der Umsetzung ihres Personalabbaukonzeptes arbeitet. Das ist auch ein wichtiges Signal in die kommunale Landschaft unseres Landes hinein; denn auch dort - das wird zwar häufig durch die kommunale Ebene abgestritten - sind wir mit 625 € pro Einwohner einsame Spitze in Ostdeutschland, meine Damen und Herren.

Eine positive Ausgangslage für das Land ist dabei zweifelsohne, dass die für dieses Jahr vorgesehene Zahl von 2 400 abzubauenden Stellen bereits weitgehend erreicht wurde. Wenn meine Informationen stimmen, dann liegen wir zum heutigen Zeitpunkt schon bei etwa 2 260 Stellen, die gestrichen werden konnten.

Insofern erscheint der geplante Abbau im Jahr 2004 von weiteren etwa 2 400 Stellen real, zumal im Gegensatz zu diesem Jahr eine Aufteilung auf die jeweiligen Einzelpläne bereits im Verlauf des Haushaltaufstellungsverfahrens durch die Landesregierung vollzogen wurde. Das, meine Damen und Herren, zeigt deutlich: Der Personaldampfer beginnt sich in Sachsen-Anhalt langsam zu drehen.

Allen Unkenrufen zum Trotz - ich denke, diesbezüglich gibt es zumindest für die Regierungsfraktionen überhaupt keinen Zweifel mehr; ich habe heute andere Töne von der Opposition gehört - hat sich das Ausbringen der Titelgruppe 96 als ein wahrhaft innovatives Steuerinstru

ment für eine systematische Umsetzung der Ziele der Personalentwicklung bestätigt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das erklären Sie mir ein- mal!)

Man stelle sich vor, die vorherige Landesregierung hätte diese Innovation schon vor Jahren erfunden. Dann hätten wir viele Probleme von heute nicht mehr.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Das erklären Sie bitte einmal!)

Meine Damen und Herren! Zurzeit sind in der Titelgruppe 96 5 788 Stellen ausgewiesen. Das ist eine beträchtliche Zahl. Der Stellenplan für das Haushaltsjahr 2004 weist zusätzlich zu den Stellen in dieser Titelgruppe 96 noch 62 341 Stellen aus. Im Saldo landen wir damit mittelfristig bei einem Planungsbestand von rund 56 550 Stellen. Damit liegen wir aber noch nicht bei unserer Zielmarke auf dem Weg zum gegenwärtigen Bundesdurchschnitt von 21,6 Landesbediensteten pro 1 000 Einwohner. Das hat der Minister vorhin in seinem Beitrag deutlich gemacht.

Auch wenn der Finanzminister Karl-Heinz Paqué vielleicht in einem etwas komplexeren Zusammenhang vor der Presse einmal geäußert hat, dass diese oder jene absolute Zahl nicht in Stein gemeißelt sei, so ist es bei der FDP-Landtagsfraktion nach wie vor uneingeschränkte Gefechtslage: Das mittelfristige Ziel liegt bei 55 000 Landesbediensteten. Mehr Landesbedienstete verkraftet das Land auf Dauer nicht, meine Damen und Herren.

Einige Bemerkungen zur Investitionsquote. Man kann nicht darum herumreden: Wir werden die Investitionsquote des Jahres 2003 trotz der vielen und teilweise auch schmerzhaften konsumtiven Einsparungen im Jahr 2004 nicht halten können. Sie vermindert sich rein numerisch von 19,8 auf 18,6 %. Es muss also auch in der Hauptgruppe 8 eingespart werden. Das betrifft rund 318 Millionen €. Die tun uns weh. Auf eine andere Art und Weise ist der Haushaltsplan jedoch nicht zu konsolidieren.

Trotzdem, meine Damen und Herren, hält die FDP an ihrer Prioritätensetzung fest. Investitionen haben Vorrang in unserem Land, vor allem dort, wo neue Wertschöpfungsketten entstehen oder gefestigt werden und den Arbeitsmarkt direkt oder indirekt überdurchschnittlich beleben oder nachhaltig sichern.

Das bedeutet für den Bereich des Wirtschaftsministeriums, dass die Mittel für Investitionen rund 637 Millionen € betragen - das sind 9 Millionen € mehr -, und es werden damit trotz schwierigster finanzpolitischer Situation alle so genannten Drittmittel kofinanziert. Insofern kann ich Ihre Ausführungen, liebe Frau Dr. Sitte, nicht ganz nachvollziehen; denn eine solche Ausbeute hat es in den vergangenen acht Jahren, in denen es dem Land finanzpolitisch viel besser ging, wohl nicht allzu oft gegeben.

Das bedeutet aber auch, meine Damen und Herren, dass wir im Rahmen der Evaluierung des Gestrüpps von Förderprogrammen dem so genannten Gießkannensystem konsequent zuleibe rücken und die verfügbaren Fördermittel zielgenauer steuern wollen. Zum Beispiel verabschieden wir uns weitestgehend von der Wohnungsbauförderung, weil wir im Land einen Wohnungsüberhang haben und es genügend andere Fördermöglichkeiten, zum Beispiel bei der Kreditanstalt für Wieder

aufbau, gibt. Dafür investieren wir deutlich mehr in die Infrastruktur, wie etwa in den Landesstraßenbau.

Ich glaube, das ist insgesamt sinnvoll. Das gibt uns auch die Zuversicht, mit einer geringeren Investitionsquote, aber mit zielgenauerer Förderung die Dynamik im Investitionsgeschehen, die im Jahr 2003 einsetzte, auch im Jahr 2004 adäquat fortsetzen zu können.

Meine Damen und Herren! Ein zentrales Thema der Investitionsförderung über den Rahmen unseres direkten Haushalts 2004 hinaus ist das Schicksal der Investitionszulage. Die Größenordnung dieses Themas und die Auswirkungen für unser Land sind enorm. Die Finanzverwaltungen des Landes haben im Jahr 2002 720 Millionen € ausgezahlt. Damit entsprach die Investitionszulage, die insbesondere die einzelbetriebliche Investitionsförderung zielgenau unterstützt, genau der Hälfte des erzielten Konvergenzerfolges der gesamten Investitionsförderung.

Die geplante Streichung der Investitionszulage durch den Bund zum 31. Dezember 2004 hätte fatale Folgen für das Investitionsgeschehen in Sachsen-Anhalt und selbstverständlich auch für die weiteren Landeshaushalte ab dem Jahr 2005. Das hätte - völlig unabhängig von der jeweiligen Regierungssituation im Land - fatale Auswirkungen.

Deshalb begrüße ich die Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Fortführung der Investitionszulage über das Jahr 2004 hinaus auf weitere vier Jahre mit Nachdruck. Ich halte in diesem Zusammenhang die öffentliche Entsolidarisierung des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Steinbrück, der offenbar die Mauern von Westen her wieder errichten möchte, für ein Grundsatzproblem des ostdeutschen Untergewichts in der gegenwärtigen bundespolitischen Auseinandersetzung.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Ein letztes Wort zu den Kommunalfinanzen. Das Thema stand am Anfang meiner Ausführungen und steht am Ende meiner Ausführungen. Das entspricht der Bedeutung dieses Themas.

Wir Freien Demokraten nehmen die Gestaltung der Finanzkraft der Kommunen außerordentlich ernst. Die Lage auf kommunaler Ebene ist sehr kompliziert, die des Landes nicht minder. Deshalb befinden sich das Land und die Kommunen in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, in einer Verantwortungsgemeinschaft, aber nie und nimmer, wie es die Opposition, so meine ich, verantwortungslos behauptet, auf diametralen Gefechtsständen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Sauerei, was?)

Wir können dieses Land nur voranbringen, wenn die Gemeinden, die Landkreise und das Land insbesondere bei extrem geringen Ressourcen die Verantwortung bündeln und nicht abschieben, so wie es PDS und SPD in der Öffentlichkeit gern nachreden wollen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Jetzt reicht es aber lang- sam aus hier!)