Protocol of the Session on September 23, 2003

(Herr Gürth, CDU: Jetzt wird es interessant!)

so wie wir das nachgewiesen haben, nämlich geringer ausfallen können, Herr Paqué.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Wir müssen also feststellen, dass diese Landesregierung im Gegensatz zu ihren Vorgängern nicht in der Lage ist, Tarifanhebungen durch Personalabbau zu kompensieren.

(Herr Gürth, CDU: Nur wenn man die Bücher frisiert, wie das früher gemacht wurde! - Herr Dr. Püchel, SPD: Wer hat frisiert? - Herr Gürth, CDU: Ihr!)

Insofern liegt dieser Personalkostenaufwuchs über den Summen der Vorjahre zusammen, und das, obwohl man auch dieses Mal wieder ein bisschen gezaubert hat. Sie haben das aber auch schon wieder ein bisschen entzaubert. Sie haben das erklärt mit dem Landesamt

für Verbraucherschutz. Darauf will ich jetzt nicht weiter hacken.

(Herr Tullner, CDU: Da ist auch nichts weiter zu hacken!)

„Anrede“ steht hier, eine solche habe ich mir vorgenommen an dieser Stelle, weil ich glaube, man muss diesen Haushalt noch einmal zusammenfassen. Das heißt: Was ist eigentlich die Grundbotschaft dieses Haushaltes?

Meine Damen und Herren! Die Grundbotschaft dieses Haushaltes sollte doch ursprünglich sein: Kann die Landesregierung besser haushalten? Kann sie besser wirtschaften? Schafft sie es wirklich, aus weniger mehr zu machen, um einen alten DDR-Spruch zu bedienen?

(Herr Gürth, CDU: Ja, auf dem Weg sind wir!)

In der mittelfristigen Finanzplanung ist sie nun bei den gleichen Abbauraten eingeschwebt, wie sie SPD und PDS schon konzipiert haben.

(Herr Tullner, CDU: Das ist aber Wunschdenken!)

Nach den ernüchternden Zahlen der Steuerreform stand man mit dem Finanzgerüst natürlich im Treibsand und musste sich mühsam neuen Boden unter den Füßen suchen, um den Horizont wieder zu erkennen.

Jetzt stehen wir vor einem Haushaltsplanentwurf, der keine Schwerpunkte kennt. Von diesem Haushalt geht keinerlei Dynamik aus. Die Absenkungen treffen eben gerade Bereiche, in denen Gestaltungspolitik angekündigt worden war. Bei der Ankündigung ist es im Wesentlichen geblieben. Trotz extremster Streichungspolitik kommt es nicht wirklich zu nachhaltiger Haushaltskonsolidierung. Das betrachten wir schon als Totalverlust. Selbst die letzte gezogene Karte, um die Finanzsituation des Landes zu verbessern, nämlich rigoros kürzen, hat gezeigt, dass man sich an dieser Stelle überreizt hat.

Jetzt können die Minister sich natürlich nur noch begeistert über Fortschritte zeigen, die außerhalb der Regierung stattfinden. Bis zur nächsten Wahl wird dann tapfer auf interaktive Gedächtnisschwäche gehofft.

(Herr Gürth, CDU: Ach Quatsch, Frau Sitte!)

Worin bestand gleich der Sinn dieser ganzen Anstrengungen? Wissen Sie, wie wir das vor dem Jahr 1989 immer genannt haben? - Unproduktive Geschäftigkeit.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Der Ministerpräsident kommuniziert, dass er derzeit eine ganz undankbare Aufgabe leisten muss. - Das stimmt auch, wer kürzt und streicht schon gern. Das als Motiv des Weitermachens reicht aus unserer Sicht allerdings nicht, um sich den Zukunftsherausforderungen zu stellen; denn wo keine Ziele mehr gesetzt werden, beginnt Resignation und das Mögliche wird schlicht und ergreifend unmöglich. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Bud- de, SPD, und von Herrn Felke, SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Sitte. - Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Lukowitz das Wort. Bitte sehr, Herr Lukowitz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eben sehr viel Schelte gehört. Frau Dr. Sitte, ich möchte aber mit einem Lob an die PDSFraktion beginnen,

(Frau Dirlich, PDS: Das hat sie auch verdient!)

und zwar mit einem Zitat, das ich sehr interessant fand, das Herr Gallert der „Volksstimme“ am 19. Juli 2003 eröffnet hat. Er hat dort gesagt:

„Es ist fast unmöglich, den Landeshaushalt zu konsolidieren, weil die permanenten Geschenke des Bundes immer wieder Löcher im Lande aufreißen.“

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Leider habe ich dazu von Ihnen nichts gehört, Frau Sitte.

(Lachen bei der PDS - Frau Dirlich, PDS: Dann müssen Sie eine andere Rede gehört haben!)

Als ich dies las, stellte ich mir theoretisch die Frage: Hätte Herr Gallert diese wohl wahre, unbestreitbare Überlegung auch angestellt und vor allem öffentlich gemacht, wenn die PDS Einfluss auf die Bundespolitik hätte?

(Frau Dr. Sitte, PDS: Wir arbeiten daran!)

Die theoretisch wahrscheinlichste Antwort hatte heute Herr Kollege Püchel gegeben, der in massivster Art und Weise allein die Landesregierung attackiert und für den Zustand unserer Landesfinanzen verantwortlich gemacht hat. Kaum eine Auseinandersetzung mit dem rot-grünen Chaos in Berlin, kaum eine Auseinandersetzung mit der Vernachlässigung der ostdeutschen Probleme, kaum eine Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern aus acht Jahren Regierungsverantwortung in Sachsen-Anhalt, die unserem Land im Ergebnis - das muss man klar und deutlich sagen - die höchste Schuldenlast pro Einwohner in Deutschland beschert hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Selbst der Präsident des Landesrechnungshofes Seibicke kritisierte in der Presse kürzlich sehr herausgehoben die Finanzpolitik - man höre gut zu - vor allem zwischen den Jahren 1994 und 1998. Er sagte, in dieser Zeit sei am meisten gesündigt worden. Er bestätigte damit also auch das Niveau der Regierungsarbeit von einst.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Sein Niveau erst einmal! Sein Niveau bestätigte er!)

Also, die Sünden von damals, meine Damen und Herren - ich will das abkürzen -, sind zum guten Teil die Probleme, die wir heute zu bewältigen haben. Wenn dann die Opposition nur ein Ziel verfolgt, nämlich den wirklich härtesten und schmerzhaftesten Sparkurs, der bisher jemals in unserem Lande verfolgt wurde und der unausweichlich notwendig ist, zu beschimpfen, so hat das, meine Damen und Herren, mit solider Oppositionspolitik nicht mehr viel zu tun.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Mit der Haushaltsplanung für das Jahr 2004 haben wir eine harte Nuss oder besser: eine wahrhaft harte Eichel zu knacken.

(Heiterkeit bei der FDP)

Dieses täglich neu geflochtene Eichelgestrüpp ist im eigenen sozialdemokratischen Lager permanent umstrit

ten. Das hat gerade jetzt das Ergebnis der Bayernwahl deutlich gemacht. Die Fachmedien kommentieren trocken: unsystematisch, wenig berechenbar, konzeptionsungebunden, zeitnah verwirrend und vor allem aktionistisch geprägt.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Dies verunsichert bis hinein in die letzte Gemeinde in erheblichem Maße auch den eigentlichen Wertschöpfungsbereich, die Wirtschaft, und damit auch den Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren. In Deutschland weht der Wind zurzeit aus allen Richtungen und kein Flieger kann die Start- oder Landerichtung erkennen.

Niemand weiß genau, welche Steuern wie im nächsten Jahr unter Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden. Die dringend notwendige Gemeindefinanzreform erschöpft sich gegenwärtig in der Einbeziehung weiterer Berufszweige in die Gewerbesteuer, das Ganze gegenrechnungsfähig zur Einkommensteuer, also aufkommens-, aber nicht verwaltungsaufwandsneutral. Die Fachleute sagen dazu schlicht: Das ist keine Gemeindefinanzreform. Das ist eine zusätzliche Unternehmenssteuerreform. Dies lehnt die FDP schlichtweg ab.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das hat, lieber Kollege Püchel, wie Sie es kürzlich äußerten, überhaupt nichts mit Klientelpolitik zu tun. Es geht um tragfähige, belastbare Strukturen der Kommunalfinanzierung in der Zukunft; das wissen Sie ganz genau.

Am Ende wurde dann - ich nehme auch wieder einen Begriff von Ihnen, Herr Püchel - dicke weiße Salbe verstrichen, was zu höheren Verwaltungskosten bei den Finanzämtern und in der Folge zu noch weniger Einnahmen bei den Kommunen führt. Doch auch die konnte die Kritik aus allen Richtungen, sowohl von den kommunalen Spitzenverbänden als auch von der Wirtschaft und den führenden Wirtschaftsinstituten, nicht übertünchen.

Ich möchte es einmal so darstellen: Die Kommunalhaushalte haben in Deutschland eine Rekordverschuldung von rund 105,4 Milliarden € einschließlich der Kassenkredite. Viele Kommunen stehen bei der Erfüllung ihrer Grundsicherungspflichten am Rande ihrer Möglichkeiten, und zwar nicht nur im Osten, sondern es gibt auch viele gleich gelagerte Notfälle im Westen. Die Kommunalfinanzen sind also nicht ein Sonderproblem in Sachsen-Anhalt, wie die Opposition - ich meine, sehr missbräuchlich und kontraproduktiv - die Öffentlichkeit unseres Landes glauben machen will.

Die Möglichkeiten des Landes können sinnbildlich nur ein Pflaster oder ein Pflästerchen sein, über dessen Beschaffenheit, Beständigkeit und Linderungsfähigkeit in diesem Haus trefflich gestritten werden kann. Aber die wahre Größe der Wunde, die abzudecken ist, wird in Berlin aufgerissen. Seit Jahren schiebt die Schröder-Regierung diesen Dauerbrenner mit vielen Ankündigungen vor sich her. Mittlerweile ist er eine Zeitbombe geworden. Niemand - weder die PDS noch die SPD - hat das Recht, diese Berliner Zeitbombe allein auf dem Rücken unserer Landespolitik und unserer Landesfinanzen auszutragen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Das geht nicht nur an der Sache, sondern auch an den Grundsätzen einer soliden Finanzpolitik vorbei.