Protocol of the Session on July 4, 2003

Weil die Liberalen es mit ihrer Kritik nicht übertreiben wollen, machen sie als schwarzen Peter nicht den Innenminister, sondern die bestehende Gesetzeslage aus.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja, klar!)

Angeblich haben sich die Regelungen des Katastrophenschutzgesetzes als unzureichend erwiesen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: So ist es!)

- Da liegt aber der Hase im Pfeffer, Frau Hüskens; denn hierbei handelt es sich nach unserer Meinung um eine Schutzbehauptung, mit der die FDP ihre Kritik am CDUKoalitionspartner ein wenig herunterschrauben will.

Nach dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht haben die Fachaufsichtsbehörden ein Selbsteintrittsrecht auch dann, wenn dieses Recht nicht spezialgesetzlich normiert ist. Gemäß § 90 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt können die Fachaufsichtsbehörden anstelle und auf Kosten der sachlich zuständigen Verwaltungsbehörden einzelne Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen, wenn diese zur sachgerechten Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind. Die örtlichen Katastrophenschutzstäbe unterliegen im Übrigen einem uneingeschränkten fachlichen Weisungsrecht der Fachaufsichtsbehörden.

In der Hochwasserkrise war eine einheitliche Lenkung des Verwaltungshandels geboten. Das Innenministerium ist dieser Aufgabe nach Auffassung insbesondere der beteiligten Landräte nicht gerecht geworden. Die Kritik der Landräte und aus den von ihnen geleiteten Katastrophenstäben ist in den Anhörungen und bei den VorOrt-Terminen des zeitweiligen Ausschusses deutlich geworden. Der Hochwasserschaden wäre geringer ausgefallen, wenn es nicht in erschreckendem Maße an Koordinierung und Kommunikation gefehlt hätte.

Zu dem regierungsseitig gern angestellten Vergleich mit Sachsen ist zu sagen, dass das Hochwasser bei uns weniger überraschend kam. Die Opposition im Sächsischen Landtag hat den Rücktritt des dortigen Innenministers gefordert. Wir haben das nicht getan.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Wir haben der neuen Landesregierung ihre Unerfahrenheit zugute gehalten.

Exakt am 100. Tag Ihrer Amtszeit, Herr Innenminister, erfolgte die Deichsprengung bei Seegrehna.

(Zuruf von Minister Herrn Jeziorsky)

Dem vorausgegangen war ein beispielloser BehördenHickhack, den wir im zeitweiligen Ausschuss bislang nicht haben aufklären können. In einer Anhörung am 22. August soll dazu ein neuer Versuch unternommen werden. Wir werden bis zum Jahresende eine abschließende Bewertung vornehmen.

Eines kann ich und will ich schon heute feststellen: Unzutreffend ist der von der FDP in ihrer Hochglanzbroschüre erweckte Eindruck, es mangelnde an einer gesetzlichen Grundlage, die den Innenminister befähigt hätte, eine stärkere Rolle im Krisenmanagement zu spielen. Tatsache ist, dass die Landesregierung schon auf jetziger Gesetzesgrundlage alles Erforderliche hätte tun können.

Lassen Sie mich die Meinung der Landräte, die die Katastrophenstäbe führen, kurz zusammenfassen. Sie fühlten sich allein gelassen. Es gab keine Führung durch das Innenministerium, der Krisenstab beim Innenministerium verfügte nicht über ausreichende Fachkompetenz, die Konferenzschaltungen zwischen den Regierungspräsidien und den Katastrophenschutzstäben werden als hilfloser Aktionismus beschrieben.

Die Landräte tragen bei der Katastrophenbekämpfung die größte Verantwortung und sie müssen mutige Entscheidungen treffen. Wir haben hören müssen, dass die Situationen, die sie vor Ort erlebten, von den Regierungspräsidien oft nicht ernst genug genommen wurden und die Lagebeschreibung mitunter in Zweifel gezogen wurde. Wir wissen um genügend Beispiele; ich verweise hierzu auf die Anhörungen.

Erinnern wir uns: Es gab während der Hochwasserkatastrophe unzählige Helferinnen und Helfer mit sehr großem Engagement. Es hat an der Koordinierung der vielen Einsatzkräfte und an der Abstimmung zwischen den Stäben gemangelt.

Eine zentrale Erfahrung der Flut ist daher, dass in allen für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden Bedarf an einem ausreichend großen Personenkreis besteht, der in der Lage ist, Aufgaben des Katastrophenmanagements geordnet und mit Erfolg durchzuführen. Die Qualität der Zusammenarbeit sowie die Fähigkeit, Probleme zu erkennen und die Sachlage richtig ein

zuschätzen, müssen verbessert werden. Der Schlüssel hierzu liegt in regelmäßigem Training und in der Optimierung der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Behörden und Einrichtungen der verschiedenen Ebenen.

Gerade für den Kommunikationsaustausch gilt: Die derzeit zur Verfügung stehenden Informations- und Kommunikationssysteme sind den Anforderungen im Krisenfall nicht gerecht geworden. Der in dieser Situation besonders dringende und schnellstmögliche Informationsaustausch konnte nicht stattfinden. Mitunter sind wie im Mittelalter Melder losgeschickt worden, weil die Technik versagt hat. Diese Dinge dürfen sich nicht wiederholen.

Für die Bewältigung jeder Art von Katastrophe gilt daher: Benötigt wird aktuelles, kompatibles und von den Einsatzkräften lesbares Kartenmaterial. Aufgrund der gemachten Erfahrungen sind genaue Auswahlkriterien für die Fachberater erforderlich. Benötigt wird eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Katastrophenschutzstäben, den Regierungspräsidien und dem Innenministerium. Aber auch Länder übergreifende Abstimmungen und die Kenntnis der Situation im Nachbarland sind unumgänglich; denn wir haben gesehen: Eine solche Katastrophe kennt keine Grenzen.

Benötigt wird ein modernes Kommunikationssystem. Es muss die Medienarbeit verbessert werden, denn die Bürger haben ein Recht, zeitnah und wahrheitsgetreu über den Verlauf der Ereignisse informiert zu werden. Dringend benötigt wird auch eine verbesserte Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte, aber auch der Führungskräfte in modernem Katastrophenmanagement.

Eines möchte ich zum Schluss nur kurz ausführen. In der „MZ“ vom Montag ist auf Seite 2 in großen Lettern zu lesen: „Hilfsgelder reichen für alle Flutopfer“. Das sagte am letzten Wochenende Herr Minister Daehre in Magdeburg.

Wie lange, Herr Minister, wollen Sie die Geduld der Leute noch strapazieren? Wir haben in fast jeder Sitzung des Hochwasserausschusses und auch im Plenum über die Auszahlung der zur Verfügung gestellten Mittel debattiert. Jedes Mal sagten Sie, Herr Minister Daehre: Das Geld reicht für alle.

In dem besagten Artikel vom Montag führen Sie aus, für die Beseitigung der Schäden an privaten Wohngebäuden und der kommunalen Infrastruktur seien bislang 149,9 Millionen € zur Verfügung gestellt worden. Der geschätzte Schaden dieser beiden Bereiche werde sich auf 340 Millionen € belaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das bedeutet, dass bislang gerade einmal 45 % der Schadenssumme zur Auszahlung gelangten.

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja, die Anträge!)

Wissen Sie, was die Leute draußen sagen, Herr Daehre? Mir wird gesagt, das Land saniere sich auf Kosten der vom August-Hochwasser geschädigten Bürgerinnen, Bürger und Kommunen.

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke)

Auch wenn Sie gebetsmühlenartig immer wieder verkünden, die Gelder reichten aus, keiner werde leer ausgehen, gibt es fast ein Jahr nach dem Schadensereignis für viele der Geschädigten noch immer keinen finanziellen Ausgleich.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

- Das ist aber die Tatsache. Die Leute mussten in Vorleistung gehen und die Frage der unbürokratischen und schnellen Auszahlung haben die Betroffenen für sich selbst beantwortet.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Dabei ist das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der sachsen-anhaltischen Politik mit Sicherheit nicht gestiegen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Für den Hochwasserschaden gibt es eine Formel: Wasserstand mal Stehzeit. - Der Vertrauensschaden lässt sich nach der Formel berechnen: ausbleibendes Geld mal Wartezeit.

Noch ein Wort zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des Innenministeriums zum Katastrophenmanagement.

(Herr Gürth, CDU: Da würde ich mich aber schleunigst mal an die Bundesregierung wen- den!)

Aufgrund der Vielschichtigkeit bei der Aufarbeitung der Geschehnisse und aufgrund des immens hohen Schadens in Sachsen-Anhalt mit mehr als 1 Milliarde € hätten wir erwartet, dass ein unabhängiges Gremium die Vorgänge untersucht, wie beispielsweise in Sachsen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Dass es hier ein Arbeitsstab des eigenen Ressorts getan hat, ist ein großer Mangel. Das zeigt sich am Ergebnis, das von dem Bedürfnis nach beidseitiger Schonung geprägt ist. Einige Landräte kritisierten in der Anhörung zu dem Abschlussbericht im zeitweiligen Ausschuss am 22. Mai 2003 zum Beispiel die nicht korrekte Darstellung der Ereignisse in ihren Landkreisen oder auch die Fragebögen, die zur Beantwortung verschickt worden waren, weil diese kritische Fragen gar nicht erst haben aufkommen lassen.

Der zeitweilige Ausschuss Hochwasser hat sich mit der Erarbeitung des Abschlussberichtes bis zum Ende dieses Jahres ein hohes Ziel gesteckt. Viele Probleme sind noch gar nicht angesprochen worden. Es müssen noch Anhörungen stattfinden, auch zum künftigen Umgang mit unserer Natur, mit der Deichsanierung, mit den Zufahrtswegen, mit den Polderflächen usw.

Die Konsequenzen aus der Krisensituation vom August vorigen Jahres müssen in der Sache überwiegen und uns den Blick nach vorn richten lassen. Dazu sollten wir folgenden drei Maximen bei der weiteren Entscheidungsfindung Rechnung tragen: Zukunftsfähigkeit, Realisierbarkeit und Nachhaltigkeit. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Fischer. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete - -

Herr Zimmer, Sie hatten eine Nachfrage. - Frau Fischer, würden Sie die Frage noch beantworten?

(Frau Fischer, Naumburg, SPD: Ja, bitte!)

Bitte sehr, Herr Zimmer.

Sehr geehrte Frau Fischer, Sie haben den Flyer der FDP angesprochen. Ich frage Sie, wie Sie zu den rein partei

politisch motivierten Veranstaltungen Ihrer Partei stehen, in denen Sie mit dem Thema Hochwasserschutz mit den Ängsten der Bürger spielen. Ich erinnere da zum Beispiel an die Veranstaltung in Bitterfeld, auf der es darum ging, ein europäisches Katastrophenschutzzentrum zu initiieren, was von der Idee her sehr gut ist.

Aber dann frage ich Sie: Warum liest sich die Teilnehmerliste solcher Veranstaltungen wie das „Who is who“ der SPD? Warum weiß der zuständige Landrat nichts davon? Warum laden Sie zu entsprechenden Veranstaltungen nicht einmal die Facharbeitsgremien ein? Ist das Ihre Art, mit den Versäumnissen der Vergangenheit umzugehen?