Protocol of the Session on July 3, 2003

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Budde das Wort. Bitte sehr, Frau Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wernicke, Sie haben sich redlich geschlagen, aber die Überschrift über dem Antrag der Fraktion der CDU lautet: Gefährdung einer erfolgreichen Wachstumsbranche. Ich frage mich, wo bei der gesamten Diskussion der Minister Rehberger, der zuständige Minister für Wirtschaft und Arbeit, ist.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es so wichtig ist, eine Aktuelle Debatte zu diesen drei Themen zu führen, dann frage ich mich, warum sich die gesamte Regierungsbank durch Leere auszeichnet und warum die Minister, die daran mitarbeiten müssten, nicht anwesend sind. Es ist schon ein starkes Stück - das muss ich sagen -,

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

wenn bei diesen Themen, von denen Sie sagen, dass sie für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land elementar sind, so wenige Minister anwesend sind.

(Frau Wernicke, CDU: Das liegt an der Zustän- digkeit in der Regierung! - Herr Gürth, CDU: Es gibt eine klare Geschäftsverteilung in der Landes- regierung!)

Ich weiß, dass das Umweltministerium und die Umweltziele primär etwas mit diesen drei Themen zu tun haben. Aber trotzdem war der inhaltliche Ansatz dieser Debatte - wir haben es von Herrn Sobetzko gehört - die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Sachsen-Anhalt und der dominierenden Branchen. Dem sind Sie - nicht Sie als Ministerin, sondern die Regierungsbank insgesamt - nicht ge

recht geworden. Das finde ich unerhört, das muss ich sagen.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von Herrn Kehl, FDP)

Sie brauchen sich auch nicht beim Parlament zu bedanken. Ich erinnere mich - Herr Gürth, Sie erinnern sich sicherlich auch - an die letzte inhaltlich Diskussion zum Emissionsrechtehandel. Dabei fanden Sie es unmöglich, dass inhaltliche Positionen eingebracht worden sind.

Herr Sobetzko, ich halte Ihnen zugute, dass Sie die drei Themen noch einmal auf die Tagesordnung gebracht haben. Aber dann muss man sich mit allen drei Themen einzeln und in einer Beschlussfassung beschäftigen und nicht in einer Aktuellen Debatte; denn diese dient der Meinungsäußerung und hilft überhaupt nicht weiter.

(Zustimmung bei der SPD)

Als es um die Beschlussfassung ging, haben Sie gesagt, es sei Firlefanz, dass wir uns damit beschäftigten; denn wir hätten darüber schon in den Ausschüssen beraten; dazu gebe es überhaupt nichts Aktuelles.

Meine Damen und Herren! Das einzig Aktuelle daran ist, dass gegenwärtig zum Emissionsrechtehandel eine Internetdiskussion stattfindet.

(Zuruf von der CDU)

Das Aktuelle ist, dass die Härtefallklausel zum EEG schon eingeführt worden ist, dass eine Novelle des EEG für dieses Jahr vorgesehen ist und dass in Bezug auf die Chemikalienpolitik Vorschläge vorliegen, über die beraten werden soll.

(Herr Gürth, CDU: Sie sind nicht auf dem Lau- fenden, Frau Budde!)

- Ich bin schon auf dem Laufenden, Herr Gürth. Machen Sie sich keine Sorgen darüber, inwieweit ich auf dem Laufenden bin.

Die bevorstehenden Entscheidungen, die Sie benannt haben, würden allerdings erwarten lassen, dass es eine Positionierung des Parlaments inhaltlicher Art gibt. Vielleicht schaffen wir das in der nächsten Zeit.

Zu den einzelnen Punkten, zunächst zu dem, was Sie zum EEG vorgetragen haben. Sie wissen, dass es die Härtefallregelung inzwischen gibt und dass es jetzt darum geht, das Ganze zu evaluieren und zu prüfen, ob die Härtefallregelung ausreicht.

Inhaltlich bin ich ebenfalls der Auffassung, dass man prüfen muss, wie man den Spagat hinbekommt, die mittelständischen Unternehmen zu entlasten und trotzdem die Ziele des EEG weiter zu verfolgen. Sie als Umweltministerin werden mir mit Sicherheit Recht darin geben, dass man diese Ziele nicht über Bord werfen darf.

Es ist im Übrigen nicht richtig, dass die mittelständischen Unternehmen unterschiedlich stark belastet werden. Sie haben insofern Recht, als die Härtefallregelungen für große Unternehmen vorgesehen sind. Dabei ist es schnurzpiepe, ob diese im Westen oder im Osten stehen. Das heißt, die mittelständische Industrie insgesamt wird zusätzlich belastet und wir müssen abwarten, ob wir den Spagat hinbekommen.

Sie sagten, man wolle erreichen, dass es überhaupt keine Belastungen, sondern nur Entlastungen geben werde - das wird nicht funktionieren. Dann müssten Sie von den Zielen des EEG vollständig Abstand nehmen; denn

wenn Sie regenerative Energien einsetzen wollen, wird das immer zu einem Kostenmix führen, der letztlich Kostenerhöhungen zur Folge haben wird. Irgendjemand wird die Kosten tragen müssen. Diese Ankündigung - ich will nicht sagen, sie sei unredlich; das wäre zu hart - wird man nicht umsetzen können, das wird nicht funktionieren.

Auch bei dem Thema Emissionsrechtehandel bin ich Ihrer Auffassung. Die ostdeutschen Interessen müssen in dem Allokationsplan vertreten werden. Ich weiß, dass das gegenwärtig sehr schwierig ist.

(Zurufe von der CDU)

- Zu spät. Wissen Sie, wir sind mitten in der Debatte.

Das Problem ist aber nicht: Ostdeutschland gegen die Bundesregierung, sondern das Problem ist: Ostdeutschland gegen Westdeutschland. Da geht der Riss durch alle Fraktionen. Ich weiß nicht, welche Position Ihre Kollegen in der CDU-Fraktion - oder die FDP-Kollegen - in Nordrhein-Westfalen beziehen werden. Sie werden dabei für ihre Länder kämpfen.

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke)

- Ja, Frau Wernicke, wir als SPD in Sachsen-Anhalt werden uns natürlich auch dem Bund gegenüber einsetzen. Wir werden sehen, was wir gemeinsam erreichen. Im Ziel sind wir völlig einer Meinung. Aber wenn Sie das hochstilisieren und sagen, dass sei sozusagen Ostdeutschland gegen den Bundeskanzler - nein, das sind ostdeutsche Wirtschaftsinteressen gegen westdeutsche Wirtschaftsinteressen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Dabei werden die Länder entscheidend mitreden. Die Länder werden unterschiedlich regiert. Das ist das Problem.

(Zuruf von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Im Übrigen ist das bei der Chemikalienpolitik nicht das Problem. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es eine gemeinsame Positionierung der Bundesregierung mit den Kammern und Verbänden gegenüber der Europäischen Union in der Stellungnahme zum Weißbuch gibt. Sie wissen auch, dass daran gearbeitet wird, eine solche gemeinsame Stellungnahme auch zum jetzigen Verfahren zu erreichen. Sie wissen auch, dass die Verbände dabei sind, das mit der Bundesregierung abzustimmen, und dass es dazu inhaltlich überhaupt keinen Dissens gibt.

Ja, es ist richtig, die derzeit vorliegenden Vorschläge der Europäischen Union sind gegenüber dem Weißbuch sogar noch verschärft worden und es ist verdammt wichtig, dort wieder Änderungen hineinzubekommen.

Wir haben die gleichen Ziele: vereinfachte Handhabung, keine bürokratischen Verfahren, jedenfalls nicht solche, die von den Unternehmen nicht bewältigt werden können. Unter der Hand sagt die Großindustrie: Wir bekommen das noch hin, aber die Mittelständler nicht. Da große Teile gerade der Zulieferindustrie und der Zwischenproduktherstellung nicht großindustriell, sondern mittelständisch geprägt sind, ist es von elementarer Wichtigkeit, dass die bürokratischen Hürden so niedrig wie möglich gehalten werden.

Es ist auch richtig, dass bei den jetzigen Vorschlägen ein Problem im Hinblick auf Forschung und Entwicklung besteht. Hierbei müssen wir gemeinsam versuchen, eine

Änderung durchzusetzen; denn es darf nicht sein, dass Deutschland insgesamt - das ist kein ostdeutsches Problem - als Forschungs- und Entwicklungsstandort für die chemische Industrie ausfällt. Das darf nicht sein und deshalb ziehen wir diesbezüglich an einem Strang.

Sie wissen, dass es innerhalb der sozialistischen Fraktionen im Europäischen Parlament durchaus differenzierte Abstimmungen gab. Das ist - darin gebe ich Ihnen Recht - bei den sozialistischen Fraktionen nicht ganz so einfach, weil bei ihnen der Umweltgedanke immer noch wesentlich höher gehängt wird als die wirtschaftlichen Aspekte. Aber da sind wir gern dabei, das auch inhaltlich mit zu transportieren und das zu tun, was wir tun können, auch innerhalb dieser Fraktion.

Ja, es ist richtig, dass es insbesondere um Stoffverbund geht. Herr Dr. Sobetzko, Sie haben noch einmal unsere Chemieparks, unsere geschlossenen Systeme angesprochen, die schon einige Anerkennung finden. Wir sind ja schon ein Stück weiter, als das im Jahre 2001 in der Diskussion war. Aber wir müssen auf diesem Weg natürlich noch weiter gehen. Es muss eine vollständige Anerkennung als geschlossener Stoffverbund geben. Unser ganzes Konzept zur Entwicklung dieser Areale fällt auseinander, wenn wir Einzelklassifizierungen bekommen, wenn also die Europäische Union diesbezüglich keinen Kompromiss macht.

Im Übrigen glaube ich, dass das auch ein gesamtdeutsches Problem ist, weil die Chemiestandorte in den alten Bundesländern zunehmend auch auf dieses System der Industrieparks, der Revitalisierung, der Wiederansiedlung von Chemieunternehmen zurückgreifen. Insofern, denke ich, wird es diesbezüglich überhaupt kein Problem geben.

Zum Emissionsrechtehandel haben Sie gesagt, man müsse aufpassen, dass die chemische Industrie nicht einbezogen wird. Soweit ich weiß, sind die chemische Industrie, die Aluminium verarbeitende Industrie, Dienstleistungen und Verkehr zunächst ausgeschlossen. Das ist der gegenwärtige Stand. Man muss immer auf der Hut sein, das ist okay. Jedenfalls kann man der Zeitung heute entnehmen, dass das Parlament gesagt habe, das sei ausgeschlossen.

Ja, meine Damen und Herren, wir sind uns also inhaltlich einig, was die drei Punkte angeht. Das Problem, das ich immer noch habe, ist nur: Warum die Aktuelle Debatte? Ich weiß, Herr Sobetzko, Sie haben ein Gespräch mit Dow-Vertretern geführt, die das vielleicht noch einmal ins Bewusstsein gerückt haben.

Aber dann hätte ich mir gewünscht, dass zu dem Zeitpunkt, als die SPD-Fraktion in einer früheren Landtagssitzung einen Antrag zum Emissionsrechtehandel eingebracht hatte, das nicht sozusagen verfahrenstechnisch bewertet worden wäre, so nach dem Motto: Da ist ja schon etwas in Bearbeitung und das braucht man ja alles nicht im Parlament. Es ist vielmehr angezeigt, Herr Dr. Sobetzko, dass wir zu diesen drei Punkten Beschlüsse des Landtages herbeiführen. Dann, Frau Wernicke, haben Sie wirklich ein Ergebnis des Parlaments. In einer Aktuellen Debatte kann man sich zwar inhaltlich auseinander setzen, aber damit haben Sie nicht einen einzigen Beschluss als Rückendeckung durch das Parlament.

(Zustimmung von Frau Kachel, SPD)

Die Aktuelle Debatte ist also für das, was Sie wollen, das ungeeignete Mittel. Lassen Sie uns lieber daran arbei

ten. Vielleicht sind dann, wenn die einzelnen Anträge eingebracht werden, auch die beteiligten Minister anwesend. Möglicherweise findet dann auch der Wirtschaftsminister Interesse an den Themen, nicht nur wenn er in Brüssel sitzt und mit den Chemieregionen das Netzwerk schmiedet und dort vorstellt, was alles so wichtig ist, sondern auch hier im Parlament, wo es dafür auch eine breite Mehrheit geben sollte.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Budde. - Als nächstem Redner erteile ich für die FDP-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Dr. Schrader das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Schrader.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Sobetzko, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Initiative für diese Debatte ergriffen haben.