Danke, Herr Abgeordneter Schellenberger. - Herr Bischoff, Sie haben noch die Gelegenheit zur Erwiderung. Bitte sehr.
Frau Präsidentin, ich will noch kurz reagieren. Der Minister hat die Dinge sehr lang und ausführlich wiedergegeben. Danach hatte ich eigentlich gar nicht gefragt, weil ich die Inhalte jetzt nicht kritisieren will. Das kann ein anderes Thema sein.
Warum ist das so kompliziert? - Ich habe schon überlegt, ob ich vielleicht zu doof bin, Fragen ordentlich zu stellen.
Habe ich zu kompliziert gefragt? - Wenn nach einem Erlass plötzlich ein Rückgang um 25 % zu verzeichnen ist, begründen Sie das mit dem Geburtenrückgang.
- Vielleicht tragen das die Träger mit. Das ist ein plötzlicher Rückgang - ich habe das aufgezählt - von September bis Ende des Jahres 2002 und im ersten Halbjahr 2003. Dafür kann schließlich nicht urplötzlich der Geburtenrückgang und der Rückgang im Tourismusbereich verantwortlich gemacht werden. Das braucht eine Erklärung.
Die zweite Sache, Herr Minister: Würden Sie sagen, die Träger haben uns sozusagen belogen und hinters Licht geführt, weil sie das so dramatisch dargestellt haben? Die Träger haben sowohl der Landesmarketinggesellschaft - die hat ja auch reagiert; das ist keine Institution, die man mal so eben wegwischen kann - als auch den Ministerinnen und Ministern dieser Landesregierung geschrieben.
Soweit ich informiert bin, sind wir überhaupt das einzige Bundesland - vielleicht gibt es noch ein zweites -, das auf das Bremer Urteil einen Erlass herausgegeben hat. Warum haben wir das gemacht? Kann man das nicht korrigieren, indem man sagt, wir reden im Vorfeld mit denen und nicht erst danach? Danach haben Sie gesagt, der Erlass wird nicht zurückgenommen.
Ich bin dankbar, dass Sie das in den zuständigen Ausschuss überweisen wollen. Wir werden die Fragen dann im Ausschuss stellen. Meine Bitte ist, dass diese beantwortet werden. Wir werden aber natürlich unserem Antrag zustimmen und uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten.
Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/851 und zur Drs. 4/869 ein. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion in der Drs. 4/869 ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die SPD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die PDS-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.
Wir stimmen jetzt über den so geänderten Antrag in der Drs. 4/851 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die PDS-Fraktion. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen worden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor eines der bedrückendsten Themen in diesem Land. Gewalt verletzt die Integrität der Frau und ihr Recht auf Selbstbestimmung.
Gewalt im häuslichen Raum ist keine Privatangelegenheit, sondern verstößt gegen geltendes Recht. Sie nimmt den ersten Platz unter der Gewaltkriminalität ein und ist damit das Sicherheitsrisiko Nummer 1. Auch die Veränderung des SOG in der letzten Landtagssitzung wird dies nicht ändern, sondern trägt dem nur Rechnung. Es gehört zu den schlimmsten Erfahrungen gerade im eigentlich geschützten privaten Raum, Prügel, Verletzungen, Bedrohungen, Vergewaltigungen, Demütigung und Ohnmacht zu erleben.
Jahr für Jahr fliehen in Sachsen-Anhalt ca. 1 200 Frauen und 1 600 Kinder in ein Frauenhaus. Gewalt in der Familie ist nach wie vor ein Tabuthema. Frauen werden hinter der Wohnungstür gedemütigt, seelisch und körperlich misshandelt. Scham und Verschweigen kennzeichnen den Umgang mit familiärer Gewalt, und dies in allen gesellschaftlichen Schichten.
Seit nunmehr mehr als zehn Jahren bieten Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt bedrohten und misshandelten Frauen und deren Kindern Zuflucht und Hilfe an. Diese Häuser bieten Schutz und Unterkunft, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Mitarbeiterinnen unterstützen die betroffenen Frauen in ihrer aktuellen Lebenssituation, sie bieten Beratung und Begleitung. Dabei ist es das Ziel, eine gewaltfreie, selbstbestimmte Lebensperspektive zu eröffnen.
Frauenhäuser stehen allen Frauen offen, die körperlich oder seelisch misshandelt wurden. Ambulante Beratung durch Frauenhausmitarbeiterinnen erhalten auch die Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht ins Frauenhaus gehen - weil sie unsicher sind, weil sie vorläufig Schutz bei Verwandten oder Freunden finden oder weil sie sich ihrer eigentlich bedrohlichen Situation noch nicht bewusst sind. Sie bekommen dort dringend notwendige Unterstützung zur Klärung ihrer Situation.
Beratung und Begleitung wird auch nach einem Aufenthalt im Frauenhaus angeboten und, wie wir wissen, vermehrt in Anspruch genommen. Die Erfahrungen zeigen, dass misshandelte Frauen nur kurz im Frauenhaus verweilen und beim Auszug noch viele Fragen offen stehen, die durch die Mitarbeiterinnen mit den Frauen gemeinsam geklärt werden.
Meine Damen und Herren! Der Schritt ins Frauenhaus ist für Frauen kein freiwilliger, sondern ein durch die Gewalt erzwungener. Der Weg ins Frauenhaus bietet den Frauen die Möglichkeit, ihr Leben zukünftig selbst in die Hand zu nehmen.
Zunächst wird ihnen Schutz vor der Gewalt angeboten. Darüber hinaus werden Frauen und Kinder bei der Verarbeitung ihrer Gewalterfahrungen begleitet. Sie erleben ganz konkret, dass die Mitarbeiterinnen auf ihrer Seite sind. Fachlich kompetent beraten und begleiten sie die Frauenhausbewohnerinnen in weiteren Lebensfragen. Dabei geht es darum, bestehende Lebensverhältnisse zu verändern, damit Frauen mit ihren Kindern menschenwürdig, gewaltfrei und selbstbestimmt leben können.
Die Frauen im Frauenhaus organisieren ihr Leben selbst. Durch das Zusammenleben im Haus können in Verbindung mit den besonderen Beratungsangeboten in geschützter Atmosphäre andere Konfliktlösungsmuster und Geschlechterrollenvorstellungen erfahren und erprobt werden.
Meine Damen und Herren! Frauenhäuser sind auch Kinderhäuser. Alle Kinder im Frauenhaus haben Gewalterfahrung. Sie wurden entweder körperlich, seelisch oder sexuell misshandelt oder sie haben miterlebt, wie ihre Mütter gedemütigt oder misshandelt wurden. Im Frauenhaus wird diesen Kindern ein angst- und gewaltfreier Raum angeboten. Sie erhalten die notwendige Hilfe, um die erlebten Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Kinder sollen erfahren, dass sie wertvoll und liebenswert sind.
Ein wichtiges Ziel der pädagogischen Arbeit ist die Stärkung und die Stabilität der kindlichen Persönlichkeit. Genauso wichtig ist es im Sinne der Gewaltprävention, das bisher gelernte Rollenverständnis und das Verhalten von Mädchen und Frauen in Konfliktsituationen im Frauenhaus zu betrachten und möglichst zu verändern.
Kinder erleben dort aber auch Ungewohntes. Oft müssen sie den Kindergarten oder die Schule wechseln, Kontakte abbrechen; die alten Freunde können sie im Frauenhaus nicht besuchen, weil aus Sicherheitsgründen niemand wissen darf, wo die Mutter jetzt lebt. Die Arbeit mit den Kindern im Frauenhaus ist deshalb mehr als nur reine Kinderbetreuung. Kinder müssen Hilfe zur Verarbeitung ihrer belastenden Erfahrungen bekommen; diese bekommen sie dort auch.
Meine Damen und Herren! Obwohl Frauenhäuser längst ihren Platz im Netzwerk der bestehenden Hilfsangebote haben - dies wird durch die Landesregierung in ihren Stellungnahmen stets bestätigt -, ist die Finanzierung von Frauenhäusern unsicher.
Bis heute ist den Trägern von Frauenschutzhäusern der finanzielle Rahmen für die nächsten Jahre nicht bekannt. Obwohl es Gespräche gab und Diskussionen über Förderverträge - übrigens sollen hierbei die Kommunen völlig aus der Finanzierung entlassen werden -, besteht gerade nach den letzten Zeitungsmeldungen eine große Unsicherheit nicht nur bei den Trägern, sondern auch bei den betroffenen Frauen.
Von den Auswirkungen dieser Nichtreaktion oder der Reaktion im Schneckentempo der Landesregierung und der daraus folgenden Unsicherheit konnten Sie in der „Volksstimme“ ab dem 13. Juni 2003 in regelmäßigen Abständen lesen. Das Frauenhaus in Wolmirstedt wird zum Jahresende geschlossen. Der Träger, die AWO, zieht sich zurück. Ich denke, das wird kein Einzelfall bleiben.
Mit diesem Antrag wollen wir erreichen, dass der Gesetzgeber die Finanzierung von Frauenschutzhäusern in
den Blick nimmt und dass Frauenschutzhäuser endlich auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden; denn der Kampf ums Geld kostet den Mitarbeitern viel Zeit und Energie, die für die Betreuung der betroffenen Frauen verloren geht.
Gewalt, meine Damen und Herren, ist ein gesellschaftliches Problem und muss auch so behandelt werden. Das schließt die Finanzierung mit ein. - Einen kurzen Moment bitte, mir ist ein wenig schwindelig. - Frau Präsidentin, ziehen Sie mir die Zeit von meiner Redezeit ab?
Deshalb hält es die PDS auch für besonders problematisch, dass die Landesregierung darüber nachdenkt, die Finanzierung von Belegungszahlen abhängig zu machen. Es ist deshalb problematisch, weil so wichtige Bestandteile der Frauenhausarbeit wie die ambulante Beratung, die nachgehende Begleitung, die Arbeit mit Kindern und die präventive Arbeit nicht mit in den Blick genommen und somit nicht finanziert werden.
Es darf nach unserer Meinung keine Ausdünnung des Frauenhausnetzes im Land geben, sodass keine Frau, die Schutz und Unterstützung sucht, lange Wege zurücklegen muss oder eventuell aufgrund einer Vollbelegung abgewiesen wird. Frauen- und Kinderschutzhäuser haben mehr als zehn Jahre lang ihre Hilfs- und Schutzangebote vorgelegt und haben sich bewährt. Sie waren und sie sind für Frauen die einzige Möglichkeit, einer Gewaltbeziehung zu entkommen.
Aufgrund von Erfahrungen in Österreich, wo die Wegweisung des Täters aus der Wohnung seit 1997 praktiziert wird, wissen wir, dass nach einer solchen Gesetzesänderung vermehrt Frauen Hilfe im Frauenhaus suchen und dadurch die Zahl der Frauenhausbewohnerinnen steigt. Sie fliehen nun nicht mehr aus Todesangst, aber geordnet, um Ruhe zu bekommen und Betreuung zu erfahren.
Trägt die Landesregierung diesen Erfahrungen Rechnung? - Wir denken, eher nicht. Solange männliche Gewalt in unserer Gesellschaft existiert, sind Frauenhäuser und Institutionen unerlässlich. Mit diesem Antrag wollen wir Planungssicherheit für Frauenschutzhäuser erreichen. Wir wollen Frauen und Kindern, die aufgrund häuslicher Gewalt die Wohnung verlassen müssen, weiterhin Schutzmöglichkeiten gewährleisten. - Danke schön.
Danke, Frau Abgeordnete Ferchland, für die Einbringung. - Als ersten Debattenredner rufe ich den Minister für Gesundheit und Soziales Herrn Kley auf. Herr Kley, Sie haben das Wort.