Die beiden Koalitionsfraktionen offenbar auch nicht, denn in ihrem Änderungsantrag winden sie sich wie ein Aal um jede klare Aussage. Der Punkt 1 Ihres Änderungsantrages wäre allenfalls mit folgender Änderung tragbar: Im letzten Halbsatz müssten nach „SachsenAnhalt“ die Wörter eingefügt werden: „unter den Bedingungen einer durchgängig nicht staugeregelten Elbe“.
Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu Autobahnen und Schienenwegen, die ausschließlich Verkehrszwecken dienen, ist die Transportfunktion bei Elbe und Saale nur eine von mehreren Funktionen. Frau Minister Wernicke hat vorhin gerade von der Biotopverbundfunktion der Elbe gesprochen.
Während sich Fehler bei Straße und Schiene grundsätzlich korrigieren lassen - wenn auch nur mit viel Mühe und viel Geld -, werden Nebenwirkungen bei Ökosystemen oft viel später sichtbar. Sie sind häufig irreversibel und können den nachfolgenden Generationen dauerhafte Folgelasten aufbürden. Beredtes Beispiel ist die Eintiefungsstrecke der Elbe zwischen Torgau und Coswig.
Jedes Flusssystem kann also nur begrenzt halbwegs naturverträglich den Anforderungen der Binnenschifffahrt angepasst werden. Bei der Elbe sind diese Grenzen bereits mit den Planungen der 30er-Jahre erreicht worden. Jede Ausbaumaßnahme mit dem Ziel eines Niedrigwassers von mehr als 1,60 m Tiefe ist nur mit schwersten Eingriffen, mit Betonierung und Staustufen erreichbar. Das war fast wörtlich die Aussage des Vizepräsidenten der WSD im Umweltausschuss des Landtages.
Ein Bekenntnis zum Erhalt eines der wenigen noch relativ naturnah gebliebenen Flussökosysteme und zu der Erfüllung der sich aus der FFH-Richtlinie und dem Status eines Biosphärenreservates ergebenden Verpflichtungen lässt einen Ausbau der Elbe über den im Bundesverkehrswegeplan im Jahr 1992 fixierten Umfang hinaus nicht zu.
Wenn nun die objektiven Grenzen für eine naturverträgliche Ertüchtigung der Elbe für die Binnenschifffahrt erreicht sind, ist es doch höchste Zeit, sich abschließend zu den Ausbaustandards der Elbe zu verständigen, damit Nutzer, Anlieger und die Natur endlich Planungssicherheit für die Zukunft haben. In diesem Sinne kann ein Gesamtkonzept Elbe nicht oft genug eingefordert werden. Alle Betroffenen und Interessierten - Politik, Kammern, verladende und ladende Wirtschaft sowie Lobbyverbände - gehören schnellstens an einen Tisch, um Konsens über die weitere Entwicklung herzustellen und um dann gemeinsam an der Konzepterstellung mitzuwirken.
Die vor wenigen Tagen in der Presse erwähnte Bundesratsinitiative der Landesregierung unter dem Titel „Schaffung von fairen Chancen für die Binnenschifffahrt“ unterliegt offenbar genau dem vom Deutschen Industrie- und Handelstag angesprochenen Dilemma und greift viel zu kurz.
Der Punkt 3 unseres Antrage ist umfassender, weil der Kreis der Beteiligten weiter gezogen wird als in dem Änderungsantrag. Der Änderungsantrag ist übrigens von
der Wirklichkeit bereits weit überholt worden; denn das Elbe-Bündnis ist nie über die Unterschrift hinausgekommen. Der Landtag sollte deshalb unserem Beschlussvorschlag folgen und die Landesregierung diesbezüglich beauftragen.
Die Elbe ist aber auch eine internationale Wasserstraße. Von unseren Entscheidungen sind auch unsere Nachbarstaaten betroffen. Deshalb ist es dringend erforderlich, sich auch international über die Ausbaustandards der Elbe vertraglich zu vereinbaren und weitere Staustufen aus Umweltgründen definitiv auszuschießen. Das geeignete Instrument wäre die Internationale Elbeschifffahrtsakte, die letztmalig im Jahr 1922 angepasst wurde. Sie verpflichtet Deutschland unter anderem zur Unterhaltung des Wasserweges Elbe.
Meine Damen und Herren! Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag und beantragen direkte Abstimmung, getrennt für jeden der vier Beschlusspunkte.
Die beantragten Änderungen lehnen wir grundsätzlich ab. Zu dem Beschlusspunkt 2 könnte ich allerdings das Angebot machen, das Wort „einzufordern“ durch das Wort „anzuregen“ zu ersetzen.
Wir könnten Ihnen als PDS auch anbieten, diesen Punkt zu übernehmen, wenn CDU und FDP dem ersten Einschub, den ich vorhin vorgeschlagen habe, zustimmen würden. Ich will ihn noch einmal ganz kurz nennen.
Meine Damen und Herren, ich finde es jetzt nicht. Ich suche es bis zur Abstimmung noch einmal heraus.
Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Damen und Herren des Deutschen Roten Kreuzes Hettstedt.
Wir treten nun in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erstem Redner erteile ich für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Oleikiewitz das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Motivation für den PDS-Antrag kann die SPDFraktion durchaus nachvollziehen. Im Grunde geht es um die Frage, wie bei den geplanten Stromkorrekturmaßnahmen an der Elbe und dem geplanten Bau eines Saale-Seitenkanals die Belange des Hochwasserschutzes, des Naturschutzes und der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden können. Diese Frage ist legitim und inhaltlich auch notwendig.
Schwieriger wird es allerdings, wenn es um eine detaillierte Betrachtung geht. Wir erleben bei der Diskussion über den Saale-Seitenkanal, wie weit die einzelnen Ansichten zwischen den Naturschutzverbänden und den Wirtschaftsverbänden, den wirtschaftlichen Interessenvertretern, auseinander liegen. Während die Wirtschafts
verbände die Bedeutung der Vollendung des Saaleausbaus zum Beispiel für die Entwicklung des mitteldeutschen Raums hervorheben, wird diese von den Umweltverbänden infrage gestellt. Das ist alles legitim und nicht zu kritisieren.
Mit der Aufnahme des Seitenkanals in den Bundesverkehrswegeplan wird allerdings nicht, wie vielfach angenommen und wie auch in der Öffentlichkeit verbreitet, der Bau beschlossen - wie wir, Gott sei dank, bei der ursprünglich geplanten Saale-Staustufe gesehen haben -, sondern lediglich der politische Wille bekundet, der Planungsauftrag erteilt und die Finanzierung gesichert. Ob der Kanal realisiert wird und ob seine Auswirkungen tolerabel sein werden, wird anhand der durchgeführten Planungsverfahren festgelegt und letztendlich entschieden. Es ist wichtig, dass dieses immer wieder betont wird.
Meine Damen und Herren! Für einen Politiker ist es bisweilen nicht leicht, sich in der Gemengelage unterschiedlicher Interessen eine eigene Meinung zu bilden. Ich denke, dass es notwendig ist, sich ein Stück von den Hakeleien der Befürworter und der Gegner zu trennen und ganz konkret die Rahmenbedingungen für die Binnenschifffahrt zu hinterfragen. Wenn man das tut, wird man schnell feststellen, dass die Entwicklung der Binnenschifffahrt maßgeblich natürlich von den Transportkosten abhängt.
Wir erleben seit dem Jahr 1999/2000 einen spürbaren Anstieg der Kraftstoffpreise, der bis heute ununterbrochen anhält - wohlgemerkt nicht nur wegen der Ökosteuer. Ich wage an dieser Stelle zu prognostizieren, dass die Kraftstoffpreise auch weiterhin ansteigen werden. Bei knapper werdenden Ressourcen ist das auch gar nicht anders zu erwarten.
Welche Konsequenzen hat das nun für die Binnenschifffahrt? Als Vergleich möchte ich die Entwicklung der Windkraftnutzung ins Feld führen. Vor 20 Jahren hätte niemand daran gedacht, welche Renaissance die Windkraft in Deutschland einmal erleben würde. Dies hat natürlich auch damit zu tun, dass die Rahmenbedingungen für Windstrom, zum Beispiel die Einspeisevergütung, vorzüglich geregelt worden sind. Eine ähnliche Entwicklung halte ich bei der Binnenschifffahrt für möglich, nur dass in diesem Fall die Vorzüglichkeit nicht künstlich erzeugt werden kann, sondern die Vorteile natürlich auf marktwirtschaftlichen Fundamenten beruhen müssen. Zugegebenermaßen wird mit der Lkw-Maut gewollt oder ungewollt auch ein bisschen nachgeholfen.
Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist allerdings, dass die Wasserstraßen den logistischen Anforderungen an einen modernen Verkehrsträger genügen. Für die Saale bedeutet dies eine Lösung für die letzten noch infrage stehenden 20 km bis zum Mündungsbereich. Für die Elbe hat sich die Regierungskoalition in Berlin darauf verständigt, keine Ausbaumaßnahmen durchzuführen. Diese Aussage steht nach wie vor und diese Aussage unterstützen wir als SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Intelligente logistische Lösungen im Transportbereich ermöglichen dies, wie gesagt, ohne die Entwicklung der Binnenschifffahrt zu gefährden.
Meine Damen und Herren! Das wäre aber erst die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite bedeutet natürlich jeder Eingriff in Natur und Landschaft zwangläufig die Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen. In gewissem Sinne ist die Festlegung, keine weiteren Ausbaumaßnahmen an der Elbe zuzulassen, bereits ein solcher
Dass wir heute eine wesentlich stärkere Sensibilisierung in Umweltfragen haben, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, unterstütze ich und begrüße ich als Umweltpolitiker sehr. Als problematisch sehe ich allerdings an, dass die Kompromissbereitschaft so gering ausgeprägt ist. Natürlich müssen die Interessenvertreter erst einmal mit ihren Maximalforderungen ins Rennen gehen. Dass man aber so wenig gewillt ist, aufeinander zuzugehen, bedauere ich sehr, da so vieles an Gemeinsamkeit und Lösungsstrategien unter den Hammer kommt. Der vorliegende Antrag hat in dieser Hinsicht jedoch mehr moderierenden Charakter, weswegen wir ihn auch nicht ablehnen werden.
Punkt 1 greift zu kurz, da außer für Stromkorrekturmaßnahmen die Zuständigkeit für Belange wie den Hochwasserschutz oder den Naturschutz bei den Ländern liegt.
Die in Punkt 2 angesprochene Elbeschifffahrtsakte enthält keine völkerrechtlich verbindlichen Ausbaustandards. Es handelt sich hierbei lediglich um Empfehlungen.
In Punkt 3 vermisse ich Angaben über die Inhalte des neuen Elbe-Bündnisses. Hinsichtlich des von Umweltverbänden befürchteten Ausbaus kann ich auf die Koalitionsvereinbarung und den Bundesverkehrswegeplan hinweisen.
Die in Punkt 4 geforderten rechtsverbindlichen Mindesttransportquoten sind staatlich verordnete Transportmittelvorgaben und mit unserem Recht nicht vereinbar.
Sie sehen, meine Damen und Herren von der PDS, direkt können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Deshalb plädiere ich im Namen meiner Fraktion für eine Überweisung des Antrages in den Umweltausschuss zur federführenden Beratung und in den Verkehrsausschuss zur Mitberatung. Vielleicht gelingt es uns, in der Beratung Einigkeit in den verschiedenen Fragen zu erzielen.
Zu dem Änderungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion möchte ich nur bemerken, dass wir der Auffassung sind, dass in Punkt 1 im ersten Satz neben der Bundesregierung natürlich auch der Bundesrat erscheinen müsste; denn wir wissen alle, dass die Bundesinteressen genauso wie die Landesinteressen betroffen sind. Deswegen plädieren wir dafür, dass wir in diesem ersten Absatz den Bundesrat ausdrücklich mit erwähnen.
Zu Punkt 3 möchte ich darauf hinweisen, dass es natürlich um den Saale-Seitenkanal geht und nicht um weitere auszubauende Wasserwege in Sachsen-Anhalt. Die Zusatzbemerkung „oder dem Ausbau anderer Wasserwege in Sachsen-Anhalt“ ist überflüssig; denn wir wissen, es werden in Sachsen-Anhalt außer dem SaaleSeitenkanal keine anderen Wasserwege geplant oder ausgebaut.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende. Es blinkt nicht, weil wir vergessen haben, diese Funktion zu aktivieren.
(Heiterkeit bei der SPD - Minister Herr Dr. Daehre lacht - Herr Dr. Püchel, SPD: Das hätte er ver- dient!)
Ich bin ganz zufällig am Ende, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn Sie diese Änderungen, die ich vorgeschlagen habe, in Ihren Antrag aufnehmen, würden wir uns seiner Annahme nicht verweigern. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oleikiewitz, vor allen Dingen auch für Ihre Nachsicht. - Als nächsten Redner rufe ich nun für die FDP-Fraktion den Abgeordneten Herrn Kehl auf. Bitte sehr, Herr Kehl.