Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition, Herr Minister Olbertz, Herr Tullner, Sie werden bei diesen Worten neuerdings lästern: „Die Sozialdemokraten zeigen keine Einsicht in die Realität“, wie Ihrer Pressemitteilung zu entnehmen war. Das Zitat stammt nun allerdings von Angela Merkel, nachzulesen in einem Interview in der „Wirtschaftswoche“ vom 22. Mai 2003. Ich gehe davon aus, dass Sie der CDU-Vorsitzenden und Oppositionspolitikerin Angela Merkel auch angesichts der schwierigen Finanzlage des Bundes weder Blauäugigkeit oder Realitätsverlust noch blanken Opportunismus in der Opposition vorwerfen werden.
Die SPD-Fraktion jedenfalls nimmt für sich in Anspruch, mit konstruktiven Vorschlägen zur zielführenden Diskussionskultur und zur tragfähigen Entscheidungsfindung beizutragen.
Erstens. Der neue Hochschulstrukturplan soll sorgfältig und unter Abwägung aller Risiken und aller Chancen erarbeitet werden.
Der vom Kultusminister gesetzte Termin Ende Juni 2003 erscheint uns angesichts der verspätet eingeleiteten Maßnahmen und des bisher bekannten Diskussionsstandes
Er ist vermutlich so gewählt worden, weil das Kabinett den Haushaltsplan 2004 im Juli 2003 verabschieden will.
Die Höhe und die Vergabe der drohenden x Prozent stehen im Raum. Diesbezüglich sind wesentliche Punkte ungeklärt. Kann die neue Titelgruppe, selbst wenn x gleich zehn sein sollte, was wir immer noch hoffen, unter eine Haushaltssperre fallen? Welche Strukturreform sollen die Hochschulen bis Anfang 2004 bzw. 2005 begonnen oder dann umgesetzt haben, um einen Anteil von x abzubekommen? - Fragen über Fragen, unzureichende Antworten, und jetzt haben wir schon Mitte Juni.
Die Hochschulen benötigen aber Klarheit, mit welchem tatsächlichen Gesamtbudget sie in den Jahren 2004 und 2005 rechnen können, um zum Beispiel notwendige Personalentscheidungen - Neubesetzungen von Nachwuchsstellen oder auch Berufungen - treffen zu können. Der Beschluss der Landesregierung zum Doppelhaushalt 2005 und 2006 verschärft diese Situation noch.
Werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und von FDP, wie wollen Sie unter diesen Rahmenbedingungen die von Ihnen propagierte Kopplung der Hochschulfinanzierung an die tatsächlichen Umstrukturierungsbemühungen der Hochschulen vornehmen?
Punkt 2: Der Landtag von Sachsen-Anhalt soll bei einem so wichtigen Thema wie der zukünftigen Hochschulstrukturplanung vor dem Beschluss der Landesregierung beteiligt werden. Gemäß § 5 Abs. 4 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt kann der Kultusminister vor grundsätzlichen Strukturentscheidungen eine Kommission, die sich aus unabhängigen Fachleuten zusammensetzt, einsetzen. Dann besteht für die zuständigen Landtagsausschüsse ein Anhörungsrecht.
Uns ist jedoch nicht klar, ob die vom Kultusminister eingesetzte Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Benz eine solche Kommission ist. Mit Ausnahme von Dr. Benz sind ja keine unabhängigen Personen daran beteiligt.
Professor Olbertz sagte zwar Ende Februar eine Beteiligung des Bildungsausschusses zu, allerdings eher erst in Verbindung mit der Novellierung des Landeshochschulgesetzes. Von den Koalitionsfraktionen wurde unser Antrag auf inhaltliche Beratung der beschlossenen Zielvereinbarungen im Bildungsausschuss mit der Begründung abgelehnt, dass sich der Finanzausschuss schon ausführlich damit befasst habe. Wir sehen jetzt die Gefahr, dass Hochschulpolitik ausschließlich zur Sache von Finanzpolitikern und Finanzpolitikerinnen gemacht wird.
Bei allem Respekt vor deren Kompetenz, die ich überhaupt nicht in Zweifel ziehe: Herr Minister Olbertz, im Bildungsausschuss sitzen und arbeiten Ihre natürlichen Verbündeten. Stützen Sie sich auch auf diese!
Punkt 3: Die dem neuen Strukturkonzept zugrunde liegende Profilbildung und Kooperation an und zwischen den Hochschulen muss unter Beachtung transparenter Kriterien erfolgen, wie beispielsweise der Kriterien Bedarfsermittlung für das Land, herausragende Leistungen in Forschung und Lehre, Bedeutung eines Fachgebietes oder eines Studiengangs für das Gesamtprofil der Hochschule, Auslastung von Studiengängen, regionaler Bezug von Studiengängen und regionale Ausgewogenheit der Entscheidung.
Auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Herrn Bullerjahn antwortete der Kultusminister in der letzten Fragestunde:
„Kein Hochschulstandort ist von der kritischen Überprüfung seiner Angebotsstrukturen und von Veränderungsvorschlägen ausgenommen. Es wä
Herr Minister, das kann ich akzeptieren. Nur leider sind die neuen Parameter, wenn ich Ihre Planungsanstöße vom April so bezeichnen will, weder in sich schlüssig noch nach nachvollziehbaren Kriterien gestrickt.
Sie waren einzig und allein geeignet, einen gepfefferten und unnötigen Nord-Süd-Konflikt zwischen den Hochschulen und in der Bevölkerung zu provozieren.
(Beifall bei der SPD - Frau Feußner, CDU: So ein Blödsinn! - Herr Gürth, CDU: Sie haben es in acht Jahren nicht geschafft, eine vernünftige Hochschulstruktur zu schaffen!)
Dazu zwei Beispiele, als erstes Beispiel die Lehrerausbildung: Es sprechen wesentliche Kriterien gegen eine Verlagerung der Lehrerausbildung aus Magdeburg an den dann einzigen Standort in Halle. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Bedarfssituation in Sachsen-Anhalt im Besonderen und in Deutschland im Allgemeinen. Hinzu kommt die Frage nach der notwendigen Ausstattung des zu erweiternden Fachbereiches in Halle. Herr Rektor Grecksch verwies anlässlich einer Tagung in der vergangenen Woche auf umfangreiche zusätzliche Mittel, die dafür unverzichtbar seien.
Des Weiteren spielt die Verbundenheit der Lehrkräfte mit ihrer Herkunftsregion eine große Rolle - ein Argument, auf das Sie, Herr Minister, im November 2001 im Rahmen einer Expertenanhörung ausdrücklich verwiesen haben. Sie sprachen sich damals eindeutig dagegen aus, Lehrerausbildungsstandorte aus finanzpolitischen Erwägungen heraus zu schließen. Es sollten wenigstens zwei Lehrerausbildungsstätten betrieben werden, um die Absolventinnen und Absolventen in der Region zu halten. - Sie haben damals ganz sicherlich nicht die staatlichen Seminare, von denen es neun im Land gibt, sondern die beiden Universitäten gemeint.
Ich habe leider den Eindruck gewonnen, dass Sie, Herr Minister Olbertz, sich in einen Wissenschaftler mit einer Fachmeinung und in einen Politiker mit davon abweichenden Interessen teilen.
Auf Ihnen ruhen - oder man müsste jetzt vermutlich sagen: auf Ihnen ruhten - gerade diesbezügliche Erwartungen.
Wir sind nach unseren derzeitigen Erkenntnissen jedenfalls der Auffassung, dass beide Standorte der Lehrerbildung aus fachlichen, aber auch aus ökonomischen Gründen erforderlich sind.
Ein weiteres Beispiel ist die Ingenieurausbildung in Halle. Für die ingenieur- und materialwissenschaftlichen Ausbildungsgänge in Halle ist eine Integration in die Fachbereiche ohne einen Diplomabschluss vorgesehen. Das hätte jedoch gravierende Auswirkungen negativer
Art auf den Forschungsschwerpunkt Bio- und Materialwissenschaften. Das ist keine regionale Strukturpolitik.
Die Martin-Luther-Universität benötigt auch weiterhin Diplomstudiengänge in den profilbildenden Bereichen Bio- und Materialwissenschaften. Andere können verlagert werden.
Wie sieht es darüber hinaus mit Länder übergreifenden Kooperationen aus? Es existiert bereits ein lockerer Hochschulverbund Halle/Leipzig/Jena. Bis jetzt ist nicht erkennbar, ob bzw. welche Konsequenzen für die Initiative Mitteldeutschland und die Strukturplanung daraus erwachsen. Weiterhin kündigte in der vergangenen Woche der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, der sehr geehrte Herr Scharf, mit seinem niedersächsischen Kollegen gemeinsame Projekte an, unter anderem die Abstimmung der Studienangebote beider Länder.