Protocol of the Session on June 12, 2003

Der Landesverband der Jäger Sachsen-Anhalt e. V. hat am 17. Mai 2003 während seiner Landesdelegiertenversammlung verbindlich erklärt, dass die Landesjägerschaft und die in ihr organisierten Revierinhaber und Jagdpächter es auch künftig als ihre selbstverständliche Aufgabe und Verpflichtung ansehen, in allen Landkreisen Unfallwild auf eigene Kosten von den Straßen zu bergen und zu entsorgen. - So viel zur Begründung unseres Antrages.

Fazit: Der Worte zu diesem Thema sind genug gewechselt. Ich bitte deshalb um kurze Diskussionsbeiträge und um eine breite Zustimmung zu dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP im Parlament, um ein Ja für ein naturfreundliches Sachsen-Anhalt. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Poser, für die Einbringung. - Im Ältestenrat ist jedoch eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Diese Redezeit können alle Fraktionen nutzen.

Bevor die Debatte durch den Abgeordneten Herrn Krause für die PDS-Fraktion eröffnet wird, habe ich die Freude, Seniorinnen und Senioren der Deutschen Post aus Schönebeck zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Abgeordneter Krause, Sie können das Wort ergreifen.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, aber auch das sagen, was gesagt werden muss.

Die Jagd, meine Damen und Herren, und die Jägerschaft sind heute längst nicht mehr das, was sie zum Zeitpunkt der Einführung der Jagdsteuer vor zwei Jahrhunderten einst waren. Wenn damals eine herrschaftliche Jagd besteuert wurde, eine Jagd, die alleiniges Recht derer war, in dessen Händen sich der Besitz an Grund und Boden befand, dann hat sich das Gesicht der Jägerschaft in der heutigen Zeit völlig gewandelt.

Die Jagd wird ehrenamtlich ausgeübt. Von den über 9 000 Mitgliedern des Landesjagdverbandes haben 4 500 als einzelne Jäger oder als Mitglied einer Pachtgemeinschaft eine Jagd gepachtet und entrichten dafür eine nicht unerhebliche Gebühr an die Gemeinschaft der Grundbesitzer, die Jagdgenossenschaften.

Neben der eigentlichen Jagd investieren die Jäger, insbesondere die Revierinhaber, viel Zeit in den Erhalt und in die Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen, für Flora und Fauna. Organisiert im Landesjagdverband, der als Naturschutzverband anerkannt ist, leisten die Jägerschaften jährlich ihren Beitrag zur Biotopverbesserung in Wald und Flur.

Mit der Einbringung des Gesetzentwurfs haben Sie, Herr Poser, auch noch einmal deutlich gemacht, dass darüber hinaus die Allgemeinheit mit einer Selbstverständlichkeit die kostenlose Amtshilfe der Jägerschaft in Anspruch nimmt, wenn es unter anderem um Maßnahmen zur Bekämpfung der Schweinepest, um prophylaktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Tollwutgefahr, um die flächendeckende Gesundheitsüberwachung der Schalenwildbestände sowie um die Beseitigung von Unfallwild bei Verkehrsunfällen geht.

Sehr verehrte Damen und Herren! Aus allen bisher geführten Debatten kann ich nur den Schluss ziehen, dass wir uns eigentlich alle einig sind: Die Erhebung der Jagdsteuer ist nicht mehr zeitgemäß. Dies hat auch meine Fraktionskollegin Frau Dr. Paschke im Mai 2001, als damals schon über ein gleich lautendes Gesetz debattiert wurde, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Reck, Herr Krause?

Bitte zum Schluss.

Das eigentliche Problem, das zu unterschiedlichen Positionen auch innerhalb der PDS führte, war die Frage, ob der Landtag per Gesetz die Erhebung abschaffen und damit in die kommunale Hoheit eingreifen soll oder ob die Entscheidungsbefugnis allein den Kommunen zu überlassen ist.

Sie wissen, dass die Frage der Selbstverwaltung bzw. der Selbstbestimmung der Kommunen von uns stets als eherner Grundsatz verfolgt wurde. Doch der Diskussionsstand in unserer Fraktion ist inzwischen so, dass mit der jetzigen gesetzlichen Regelung zur Jagdsteuer eine Selbstbestimmung kaum möglich war, wollte man nicht in die Kritik der Kommunalaufsicht geraten. Das heißt, wir haben die Kommunen eher in einen Konflikt gebracht, als dass die seinerzeit mehrheitlich getroffene Entscheidung eine wirkliche Hilfe war.

Diese Widersprüchlichkeit und Unausgewogenheit zog sich wohl durch alle Fraktionen. So hat sich Herr Becker damals als innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion für die Abschaffung der Jagdsteuer ausgesprochen, weil er - ich übrigens auch - in ihr unter anderem ein Relikt aus uralten Zeiten sah und wohl auch noch sieht. Gleichzeitig hat er selbst als ausgewiesener Kommunalpolitiker hervorgehoben, dass die geringfügigen Einnahmen aus der Jagdsteuer den bürokratischen Aufwand nicht rechtfertigen.

Dennoch gab es immerhin bei CDU-Politikern auf Kreisebene andere Sichtweisen und Entscheidungen. Während zum Beispiel im Altmarkkreis Salzwedel ein Antrag auf Nichterhebung der Jagdsteuer mit den Stimmen der PDS und der CDU die Mehrheit erhielt, lehnte der Kreistag im Landkreis Stendal mit den Stimmen der CDU einen gleich lautenden Antrag der PDS ab und machte damit den Landkreis zum Spitzenreiter bei der Erhebung der Jagdsteuer im Land. - Mit diesem Beispiel möchte ich nur die Problemlage deutlich machen, vor der wir stehen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Nach meiner Auffassung ist die bisherige Regelung, dass die Landkreise über die Erhebung der Jagdsteuer selbst entscheiden sollen, scheinheilig. Nach den Einnahmebeschaffungsgrundsätzen - ich verweise auf § 90 der Gemeindeordnung des Landes - werden die Landkreise durch die Kommunalaufsicht zwingend angehalten, auch diese Steuer zur Konsolidierung der Haushalte zu erheben. An dieser Stelle tut sich der von mir schon erwähnte Konflikt auf. Hinzu kommt, dass wir uns eigentlich in der Sache einig sind: Diese Steuer gehört abgeschafft.

Offen bleibt das Problem, dass sich mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz oder mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf die Einnahmesituation der Kommunen durch viele kleine Änderungen verschlechtert, ohne dass das Land dazu Alternativen aufzeigt.

Dennoch wäre es geradezu fatal, sich an einem alten Zopf festzuhalten, der schon längst hätte abgeschnitten werden müssen, weil er einfach nicht mehr in unsere Zeit passt. Als PDS warten wir mit anderen Steuervorschlägen auf, die modern und zeitgemäß sind und geradezu danach schreien, erhoben zu werden,

(Oh! bei der CDU)

insbesondere zum Vorteil der Kommunen.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse zu.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Krause. - Herr Abgeordneter Reck hat noch eine Nachfrage.

Sehr geehrter Herr Krause, Sie sagten, wir sind uns alle einig. Dem muss ich widersprechen. Ich bin sehr dafür, dass man die Jagdsteuer weiter erhebt.

(Oh! bei der CDU - Zuruf von der CDU: Warum?)

Wir wissen aus unserem Kreis, dass es hinsichtlich der Beibehaltung der Jagdsteuer eine lange Diskussion gab. Die SPD-Kreistagsfraktion hat vehement dafür gekämpft, dass die Steuer weiter erhoben werden kann. Sie hat leider verloren, weil die PDS und die CDU sich in einer Koalition zusammengefunden und die Jagdsteuer abgeschafft haben.

(Unruhe bei der CDU)

Das zur Richtigstellung. Wir sind uns eben nicht alle einig.

Eine Begründung gibt es, die immer wieder angeführt wird, nämlich dass die Kommunalaufsicht die Haushalte nicht genehmigt, wenn keine Jagdsteuer erhoben wird. Der Altmarkkreis Salzwedel, der früher übrigens erhebliche Einnahmen hatte - wir hatten 80 000 DM Einnahmen bei einem Verwaltungsaufwand von ca. 15 000 DM; es hat sich also gelohnt, das Geld einzutreiben -, hat seit drei Jahren leider keine Einnahmen aus der Jagdsteuer mehr. Trotzdem sind die Haushalte, die wir der Kommunalaufsicht vorgelegt haben, jeweils bestätigt worden. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Herr Reck, wenn ich sage, wir sind uns eigentlich alle einig, dann beziehe ich mich dabei auf Protokolle, in denen der Debattenverlauf in den unterschiedlichen Ausschüssen und auch der Verlauf der Landtagsdebatte am 15. Mai 2001 nachgelesen werden kann. Während dieser Debatten wurde damals von nicht einer Fraktion das Gesetz zur Abschaffung der Jagdsteuer aus inhaltlichen Gründen abgelehnt, sondern aus der Sichtweise, nicht in die kommunale Hoheit eingreifen zu wollen, so auch der damalige innenpolitische Sprecher. Ich glaube, die Begründung, nicht in die kommunale Hoheit eingreifen zu wollen, gab damals Innenminister Herr Püchel. Das ist das eine.

Ich kann kein Protokoll finden, dem zu entnehmen ist, dass man fachlich versiert diese Jagdsteuer begründet, sondern man zieht sich auf kommunale Belange zurück: Es ist eine Steuer, kommunales Recht. Und letztlich haben wir das Recht und die Erhebung dieser Steuer beschlossen.

Das Zweite ist: Es sind eigentlich Scheinargumente. Salzwedel hat sich nicht hinter Argumenten der Kommunalaufsicht versteckt. Man begründet dies nur. Man hat aber nicht die Courage, die Jagdsteuer unter Berücksichtigung der Kommunalfinanzen abzuschaffen, sondern man begründet die Beibehaltung mit der Bewertung aus der Sicht der Kommunalaufsicht. Es ist kein regelrechtes Gebot, dies tun zu müssen. Aber es finden sich,

wie zum Beispiel in Stendal, Mehrheiten, sich hinter den Argumenten der Kommunalaufsicht regelrecht zu verstecken. Dies steht im Widerspruch zu Herrn Becker, dem damaligen innenpolitischen Sprecher, der das als ein Relikt aus uralten Zeiten betitelte.

Herr Abgeordneter Krause, würden Sie noch eine Nachfrage von Herrn Abgeordneten Stadelmann beantworten? - Bitte sehr.

Eigentlich keine Nachfrage, sondern in meiner Funktion als Fraktionsvorsitzender im Kreistag vielleicht eine Richtigstellung auf die Anfrage meines Kollegen Herrn Reck: Das Problem der Jagdsteuer für die Kommunalaufsicht stellte sich insofern nicht, als dass wir die Haushalte bis zu diesem Jahr auch ohne die Jagdsteuer ausgleichen konnten. Das ist uns nicht nur mit der PDS, sondern auch mit der SPD gelungen. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Hauser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Krause, ich darf aber schon darauf verweisen, dass Sie im Frühjahr dieses Jahres, vor noch nicht allzu langer Zeit, im Agrarausschuss gefordert haben: Diese Steuer muss weg!

(Zurufe von der SPD und von der PDS)

- Lasst uns doch in Anbetracht der Stunde sachlich diskutieren! Die Nachricht macht mich sehr betroffen; Herr Schaefer hat dort oben gesessen. Also, lasst uns doch sachlich diskutieren!

Ich habe mir die Protokolle gut durchgelesen, weil ich damals nicht dabei war. Zum Beispiel ist am 14. September 2000 sehr lautstark diskutiert worden und der heute verstorbene Landtagspräsident Schaefer hat zur Ruhe mahnen müssen.

Um auf die Fakten zu kommen: Der langjährige Wunsch der Jägerschaft nach Abschaffung der Jagdsteuer ist begründet und auch berechtigt.

Sehr geehrter Herr Krause, die Jagdausübung im Wandel der Zeit - da gebe ich Ihnen vollkommen Recht -, die Realitäten der Gegenwart und vor allem der Zukunft lassen eine Besteuerung der Jäger als Lohn für ihre Aktivitäten zum Wohl der Allgemeinheit schlicht und einfach nicht mehr zu. Ich bin als Liberaler dagegen, eine Gruppe, egal welche, wenn sie Besonderes leistet, zusätzlich zu besteuern. Der Aufwand der Erhebung und der Ertrag stehen in keinem Verhältnis zueinander.

Wie Sie sagten - ich will das jetzt nicht wiederholen, auch die Ausführungen des Kollegen Poser nicht -, hat sich das Erscheinungsbild des Jägers Gott sei Dank in der Öffentlichkeit zum Heger und vor allem zum Partner des Naturschutzes gewandelt - zu Recht. Das ist von der Jägerschaft erarbeitet worden. Die eigenen Initiativen, zum Beispiel bei der Beräumung von Feldfluren und Waldfluren, all die Umweltgeschichten, das Einsammeln von Abfall, das Entsorgen auf eigene Kosten, sind schon

bemerkenswert. Dies ist eine Leistung, die man wohl als Selbstverständlichkeit ansieht und nicht honorieren will.

Noch etwas, das noch nicht gesagt worden ist: Die amtstierärztliche Hilfe durch die Jäger in Sachen Seuchen- und Tollwutbekämpfung verursacht einen Riesenaufwand. Das wird hingenommen, wird gemacht, alles kostenlos.

Herr Poser, Sie haben die so genannte Fallwildentsorgung auf der Landkreisebene angeführt. Für die Nichtjäger: Das ist kein Wild, das über den Haufen gefallen ist, sondern das von Kraftfahrzeugen über den Haufen gefahren wurde. Jetzt Vorsicht! Wir haben in einigen Revieren - das muss hier gesagt werden - eine Abschusserfüllung durch Kfz-Unfälle - es wird in der Abschussliste so geführt - von 40 bis 50 %. 50 % werden dann noch vom Jäger erlegt. Das sind Unterschiede, die sich im Wandel der Zeit ergeben haben. Bei 9 741 Wildunfällen mit Kraftfahrzeugen im Jahr 2002 sind etwa 6 500 nicht verwertbare Tierkörper angefallen.