Beispiel Katasterverwaltung. Diese Problematik kennen die meisten, die in diesem Hause sitzen. Die Umstrukturierungspläne werden in den Zeitungen vorgestellt. Vertreter der PDS-Fraktion versuchen mit Betroffenen in der Katasterverwaltung zu reden und bekommen die Antwort: Nein, machen wir nicht, dürfen wir nicht; die Dinge sind im Grunde genommen noch nicht ausgereift. - Ja, klar, wenn sie ausgereift sind, brauche ich mit den Leuten nicht mehr darüber zu reden. Ich will aber als Landtagsabgeordneter mein Recht wahrnehmen, in diesen Prozess mit eingreifen zu können.
Wir erfahren im Finanzausschuss nebenbei, dass man überlegt, die Liegenschafts- und die Staatshochbauverwaltung zusammenzuführen. Ich will die Idee nicht diskreditieren, die Dinge dort vielleicht in eine gewisse Form der betriebswirtschaftlichen Rechnungsführung zu überführen. Das will ich überhaupt nicht ausschließen. Aber sagen Sie mir bitte einmal: Wie sollen wir denn die Vorbereitungen für den Haushalt 2004 als Fraktion vernünftig treffen, wenn wir vielleicht einen Haushalt vorgelegt bekommen, in dem der Einzelplan 20 nicht mehr existiert?
Das sind Dinge, bei denen man das Landesparlament strukturell in seinen Einflussmöglichkeiten aushebelt; denn man enthält ihm Informationen und Prozesse vor.
Zurzeit wird in den Landesparlamenten über die Lübecker Erklärung diskutiert. Wenn wir das hier alles mit uns machen lassen, dann brauchen wir uns über die Entmachtung der Landesparlamente wirklich nicht mehr aufzuregen.
Ich will Ihnen ein nächstes Beispiel nennen: Verkauf von landeseigenem Vermögen. Wir bekommen für das Haushaltsjahr 2003 einen Landeshaushalt vorgelegt, in dem eine Summe steht,
in dem einige Beispiele dafür stehen. Wir erfahren vom Landesrechnungshof in seinem Statement zu diesem Haushaltsplanentwurf, dass die Landesregierung sehr genau kalkuliert hat, welche Summe sie durch welche Veräußerungsgewinne dabei bekommt. Wir erfahren das durch Zufall. Die Abgeordneten haben das nicht gewusst.
Das ist das substanzielle Problem. Wenn diese Informationen im Landesparlament nicht existieren, dann ist klar, dass das Landesparlament in diesen wichtigen Bereich der landespolitischen Gestaltung nicht eingreifen kann.
Deshalb unser Antrag, einen zeitweiligen Ausschuss für die Verwaltungsreform einzusetzen. Dort haben Sie dann die Chance, die oft unausgereiften Vorschläge, die sozusagen kreuz und quer durch die Nachrichten in diesem Land schießen, einmal vorzustellen und einmal darüber zu diskutieren, welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt.
Sie sind übrigens bei den meisten Problemen genau an der Stelle, an der wir bei der Diskussion über die Verwaltungsreform in der letzten Legislaturperiode etwa nach sieben, acht Monaten waren. Sie sind genau bei denselben Fragen angelangt, zum Beispiel bei der Diskussion über die demokratische Legitimation der Zentralisierung kommunaler Aufgaben im gemeindlichen Bereich. Das ist eine Geschichte, über die wir im Jahr 2000/2001 intensiv diskutiert haben. Jetzt haben Sie genau dasselbe Problem und versuchen, diese Dinge klarzumachen, sehen aber, dass alle Alternativen, die Sie zu unserem Vorschlag, zu dem, den die SPD jetzt wieder einbringt, gemacht haben, nicht funktionieren. Das hätten wir Ihnen verraten können. Das haben wir nämlich alles längst durchdiskutiert und überlegt.
Deshalb ist es vielleicht gut, wichtig und richtig, dass Sie in einem solchen Ausschuss zur Verwaltungsreform mit uns über Ihre Prioritäten in Bezug auf die kommunale Gebietsreform, die Umstrukturierung der Landesverwaltung und Ihre Prioritäten in Bezug auf die Privatisierung von Vermögen und Aufgaben in diesem Land diskutieren. Dabei kommt vielleicht doch einmal etwas Vernünftiges heraus, das vielleicht die Akzeptanz in diesem Lande erhält und das wieder eine Linie erkennen lässt.
Deshalb schlagen wir Ihnen ausdrücklich vor, diesen Ausschuss einzurichten. Sie müssen keine Angst haben. Wenn Ihre Konzepte wirklich so gut sind, wie Sie behaupten, dann können Sie sie doch dort vorstellen. Dann ist klar, dass Sie sich dort nichts vergeben.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie hätten dann wirklich die Chance, den breiten Konsens herzustellen, den Herr Böhmer gerade für diese Reform anmahnt. Wo wollen Sie denn diesen Konsens herstellen, wenn nicht in diesem Landesparlament, wenn nicht in einem solchen Ausschuss?
Stimmen Sie daher unserem Antrag zu, diesen Ausschuss einzurichten. Wir werden versuchen, das Konstruktivste aus der zurzeit wirklich verfahrenen Situation zu machen. Wir wollen versuchen, eine gemeinsamen Verwaltungsreform über die Parteigrenzen hinweg zu gestalten, bei der sowohl in der Landesverwaltung als auch im kommunalen Bereich die Fragen der Betriebsform und die Form der Ausführung der entsprechenden Aufgaben in diesem Land realisiert werden. Das schlagen wir Ihnen vor. Unser Angebot steht. Sie müssen entscheiden, wie Sie mit diesem Angebot umgehen. - Danke.
Vielen Dank, Herr Gallert. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion ein. Für die FDP-Fraktion erteile ich als erstem Redner dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte sehr, Herr Wolpert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Rothe, vorweg einen schönen Dank an Sie für den Pressespiegel, den Sie uns aus dem Norden geliefert haben.
Sie haben uns Beistand angeboten. Das Angebot, das Sie uns unterbreitet haben - das muss ich wirklich sagen -, muss ich ja fast als Drohung auffassen.
Herr Gallert, ich bin mir nicht ganz sicher, ob der von Ihnen angebotene Ausschuss tatsächlich tauglich ist, die Ohnmacht der Landesparlamente in Deutschland zu verändern.
Aber kommen wir einmal zu dem, was wir vorliegen haben. Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist der Versuch, einen alten, abgelegten Hut mit einer neuen Verpackung als innovatives Produkt zu verkaufen.
Es mag ja ein geschickter Schachzug sein und von parlamentarischer Erfahrung zeugen, wenn man die Zeit, die die Landesregierung im Wege der öffentlichen Anhörung benötigt, um einen Gesetzentwurf einzubringen, dazu nutzt, einen Begriff politisch für sich selbst zu besetzen, indem man einen Gesetzentwurf mit fast gleich lautender Überschrift in den Landtag einbringt.
Tatsächlich aber hat der vorgelegte Gesetzentwurf fast nichts mit Verwaltungsgemeinschaften zu tun. Die Verbandsgemeinde ist nicht die qualifizierte Verwaltungsgemeinschaft; sie stellt ein Aliud dar. Sie ist neben der Einheitsgemeinde und der Verwaltungsgemeinschaft eine weitere eigenständige Form der Organisation der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ist nicht die Weiterentwicklung der Verwaltungsgemeinschaft; sie hat vielmehr eine Zwitterstellung zwischen der Einheitsgemeinde und der Verwaltungsgemeinschaft.
Anders als die Verwaltungsgemeinschaft hat sie nicht Verwaltungsaufgaben zentral gebündelt, sondern nur Teile davon, während gleichzeitig essenzielle Teile der kommunalen Selbstverwaltung auf sie selbst übertragen werden sollen. Folgerichtig - das ist der Kern der Problematik - ist auch der Verbandsgemeinderat als Entscheidungsgremium für die auf die Verbandsgemeinde verlagerten Aufgaben demokratisch zu legitimieren, was zu einer Direktwahl führt.
Die bei den Mitgliedsgemeinden verbleibenden Zuständigkeiten werden durch den dortigen Gemeinderat und die dortigen Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden wahrgenommen. Auf den ersten Blick erscheint dies als eine Möglichkeit, die Eigenständigkeit der Mitgliedsgemeinde halbwegs zu erhalten und gleichzeitig die wichtigen Aufgaben auf eine zentrale demokratische Entscheidungsebene zu verlagern, die mit einer entsprechenden Verwaltungseinheit einhergeht.
Meine Damen und Herren! Das ist aber mit diesem Gesetzentwurf nicht gelungen. - Herr Püchel, Sie schauen jetzt gerade ganz aufmerksam.
Ich habe es Ihnen gestern schon gesagt: Ich wäre sehr gespannt auf Ihr Gesicht, wenn wir diesem Gesetzentwurf zustimmen würden. Sie wären völlig erschrocken.
(Zustimmung bei der FDP - Frau Budde, SPD: Das ist aber spärlich! - Zuruf von Herrn Dr. Pü- chel, SPD)
Die wichtigsten Zuständigkeiten wie Planungs- und Haushaltsrecht verbleiben nämlich bei den Mitgliedsgemeinden. Bedenkt man hierbei noch die Möglichkeit der Einrichtung von Ortschaftsräten - es ist notwendig, diese zu beachten, weil Mindestgrößen für die Mitgliedsgemeinden zu berücksichtigen sind -, ist die Zersplitterung der Zuständigkeiten perfekt. Das ist entscheidungs-, aber auch verwaltungstechnisch kontraproduktiv. Eine Steigerung der Effizienz der Verwaltung ist somit nicht erreichbar.
Mit der Einrichtung der Verbandsgemeinde schaffen Sie aber auch noch Frustration bei den gewählten Vertretern der jeweiligen Räte und bei den Bürgermeistern. Durch die gesplittete Zuständigkeit entsteht der Eindruck, dass die demokratische Entscheidungsfindung in den Gremien nur teilweise gewünscht wird, weil sozusagen viele Personen nur noch halbe Sachen machen dürfen.
Während der Bürgermeister zwar für seine Mitgliedsgemeinde spricht, steht der Verbandsgemeinde nur der indirekt gewählte Ratsvorsitzende zur Repräsentation vor. Die Entscheidungen werden aber vom angestellten Direktor umgesetzt und vertreten. „Divide et impera“, haben schon die alten Römer gesagt.
Meine Damen und Herren! Die FDP bevorzugt die Einheitsgemeinde, weil diese am ehesten in der Lage ist, eine effektive Verwaltung der ihr zugestandenen Aufgaben der Selbstverwaltung und der übertragenen Aufgaben zu leisten, und weil sie gleichzeitig die demokratische Legitimierung für eine ungeteilte Zuständigkeit hat.
Die Verwaltungsgemeinschaft bildet hierbei eine Ausnahme, zum einen für die Fälle, in denen eine Einheitsgemeinde eigentlich nicht mehr in der Lage wäre, die kommunale Selbstverwaltung zu tragen und zu leisten, gleichzeitig aber dem Willen Rechnung getragen werden muss, die Gemeinde in ihrer individuellen Wahrnehmbarkeit zu erhalten, weil ein hoher Identifizierungsgrad vorhanden ist.
Zum anderen ist die Verwaltungsgemeinschaft aber auch eine Ausnahme für die Fälle, in denen Gemeinden gemeinsam eine effektive Verwaltung gewählt haben, um zum Beispiel Möglichkeiten zur Wahrnehmung von freiwilligen Aufgaben zu erhalten, zu erweitern oder andere Synergieeffekte zu erzielen.
Wer aber den Schritt hin zu einer zentralen demokratischen Legitimierung mit einer zentralen Verwaltungszuständigkeit will, der muss auch den Weg zu Ende gehen und die Einheitsgemeinde wählen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf - dieser soll nun nicht wirklich Gesetz werden - dient, wie Herr Rothe deutlich gesagt hat, lediglich als Anstoß, um im Plenum noch einmal darüber zu diskutieren. Das wird Ihnen aber nicht
Die FDP ist mit der Forderung angetreten, die Strukturen über die Funktionen zu definieren und nicht umgekehrt.
Wenn also über eine Verwaltungsreform gesprochen wird, dann ist zunächst daran zu denken, inwieweit Aufgaben von wem wahrgenommen werden. Dabei sind Effektivität und Subsidiarität die entsprechenden Maximen, die zu befolgen sind.
Dementsprechend sind wir zunächst an die Aufgabengestaltungen im Wege des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes gegangen. Ausgehend von den Landesaufgaben sind dann die kommunalen Aufgaben zu definieren und deren Übertragung vom Land auf den Kreis und/oder die Gemeinden oder umgekehrt weiter festzulegen. Dann erst erkennt man die notwendigen Strukturen.
An dieser Stelle wird der Hauptunterschied in der Herangehensweise deutlich: Wer über die Aufgaben die Notwendigkeit der Strukturen erkennt, der kann sich dann auch für eine Struktur entscheiden.
Einer solchen Entscheidung geht nach unserem Verständnis eine freie Willensbildung voraus. Wird die Entscheidung am Ende wider alle Vernunft getroffen, dann mag ein gesetzliches Korrektiv angebracht sein.
Eine weitere Schaffung von Ausnahmen, wie sie die Verbandsgemeinde darstellt, dient allerdings nicht der Reform im Sinne einer Verbesserung. Das ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Das ist deshalb auch kein hilfreicher Vorschlag zur Lösung der Probleme unserer Kommunen.