Dies zu tun und dies tun zu können, setzt zunächst eine umfassende Berichterstattung voraus. Die komplexe Berichterstattung zu den Schwerpunkten der Privatisierungsaktivitäten soll wenigstens die Chance eröffnen, sich aus den jeweils fachspezifischen Berichten der Ministerien in den einzelnen Ausschüssen ein Gesamtbild des Herangehens der Landesregierung zusammenpuzzeln zu können. Dies ist aus unserer Sicht dringend geboten.
Wir haben in der Begründung zu dem Antrag darauf hingewiesen, dass die Koalitionspartner bereits im Koalitionsvertrag sehr weitreichende Privatisierungsziele beschrieben haben. Dort heißt es unter anderem in Punkt 6 zur Aufgabenprivatisierung:
„Die Aufgabenkritik muss alle staatlichen Ebenen wie auch die landeseigenen Betriebe, Gesellschaften und Körperschaften einbeziehen. Die Koalition ist sich dabei einig, dass eine staatliche Aufgabe zu privatisieren ist, es sei denn, die öffentliche Verwaltung weist nach, dass sie effizienter und ökonomischer arbeitet. Privatisierungen dürfen aber nur dort stattfinden, wo Wettbewerb am Markt möglich ist.“
Im Laufe der Diskussion über das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz wurde vom Gesetzgeber dieser radikale Privatisierungsansatz etwas relativiert. Angesichts der bereits oben genannten laufenden Privatisierungsaktivitäten bezweifeln wir aber, dass dies in der Umsetzung der Strategie tatsächlich zu irgendwelchen Konsequenzen führte oder führen wird.
„Radikal“ sage ich deshalb, weil es natürlich die am weitesten reichende Forderung ist, dass die öffentliche Hand die Beweislast tragen muss, am effizientesten zu sein, um sich der Privatisierung zu entziehen. Am weitreichendsten ist es, wenn die Koalition an die öffentliche Hand Maßstäbe ansetzt, die sehr wohl den Markt auszeichnen, aber - darin besteht der Unterschied - nicht grundsätzlich beim Staat mit seinen Abwägungspflichten zur Durchsetzung des Sozialstaatsprinzips, des Staatsziels Umweltschutz oder des Demokratieprinzips anzuwenden sind. Der Antrag hebt deshalb insbesondere in
den Punkten 3 bis 5 darauf ab, eben das Verfahren und die Ergebnisse dieser Nachweise und Abwägungen für die Mitglieder des Landtages transparent zu machen.
Der Punkt 2, die Frage nach den Kriterien bei der Entscheidung über die Wahl der Privatisierungsform, soll dazu beitragen, insgesamt etwas mehr Klarheit auch über den verwendeten Privatisierungsbegriff zu erlangen. Bundesweit wird auch in juristischen Gutachten beklagt, dass zwar alle von Privatisierung sprechen, Privatisierungsbefürworter, Privatisierungsgegner und Sowohl-als-auch-Akteure, dass aber in der gesetzgebenden Praxis kaum politische und vor allem rechtliche Handhabungsmöglichkeiten geschaffen werden. Sehr detailliert wurde dieser Zustand zum Beispiel in dem Rechtsgutachten „Schranken der Privatisierung“ von Professor Dr. Kempen von der Uni Köln dargestellt.
Die Berichterstattung soll deshalb zur Klärung der Frage beitragen, welche Formen der Privatisierung in welchem nachvollziehbaren Entscheidungsfindungsprozess weiterhin angedacht, geplant und in welchen Zeiträumen umgesetzt werden sollen.
Warum nun die Forderung nach Berichterstattung in allen Ausschüssen? - Mit dem Ansinnen auf Einzelberichte in allen Ausschüssen reagiert die Antragstellerin auch auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Weiterführung der Funktional- und Verwaltungsreform in Drs. 4/190, insbesondere zu den Fragen 53 bis 56.
Darin wurde unter anderem gefragt, wie die Koalitionsaussage zu verstehen sei, wonach die öffentliche Hand den Nachweis der effizienteren Wahrnehmung erbringen müsse, und - in Frage 54 - in welcher Art und Weise und in welchem Zeitraum diese Nachweise von den Behörden zu erbringen seien. Die Landesregierung antwortete damals - ich zitiere -:
„Die Ressorts haben die Aufgabe zu prüfen, auf welche staatlichen Aufgaben nicht verzichtet werden kann und welche Aufgaben nicht privatisiert werden können. Die pauschale Aussage darüber, auf welche Art und Weise die Behörden den Nachweis darüber erbringen, dass Aufgaben in öffentlicher Hand verbleiben sollen, ist nicht möglich. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Aufgaben und der unterschiedlichen Gegebenheiten ist eine Einzelfallprüfung unumgänglich.“
Wenn es also nicht allgemein möglich ist, die Kriterien zu bestimmen und die Art und Weise festzustellen, dann muss es detailliert zu den unterschiedlichen Gegebenheiten geschehen. Darüber soll von den einzelnen Ministerien berichtet werden.
Erstens. Wir wissen, dass die Mitarbeiter der Behörden schon am Ende des vergangenen Jahres für viele Bereiche Prüfergebnisse vorlegen sollten und Arbeitsgruppen gebildet wurden. Es müssten also schon aussagekräftige Ergebnisse im Ausschuss vorgestellt werden können. Ich nenne als Beispiel aus dem Innenressort die Auslagerungsabsichten im Polizeibereich. Natürlich liegen uns hier und da Informationen vor, zum Teil aus der Presse, zum Teil von Mitarbeitern, die es wert wären, über sie bereits jetzt die öffentliche Diskussion zu führen. Wir bieten aber ausdrücklich die Chance, dass wir dies erst auf der Grundlage einer umfassenden Information aus den Ministerien tun.
Um ein weiteres Beispiel zu nennen: In der Presse und in Einzelinformationen werden alle Landtagsabgeordneten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Katasterwesens informiert und angeschrieben, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen sollen. Wir müssen unserer Auffassung nach aber die Chance bekommen, von der Landesregierung zeitnah und rechtzeitig genaue Informationen zu erhalten. Auch deshalb zielt dieser Antrag in jeden Ausschuss.
Zweitens. Der Innenminister hat bei der Parlamentsdebatte zur Verabschiedung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes ausgeführt, dass die Aufgabenkritik im April 2003 einen relativen Abschluss finden könnte. Da Privatisierung nach dem Verständnis der Landesregierung im Mittelpunkt der Aufgabenkritik steht, können die aktuellen Ergebnisse vorgestellt werden, bevor uns die nächsten Privatisierungsvorhaben in Form von Einzelgesetzgebungsakten oder der nächste komplette Haushaltsplanentwurf vorgelegt werden.
Drittens eine weitere Begründung: Der Zeitpunkt ist auch deshalb so gewählt worden, weil wir uns bereits jetzt in der Aufstellungsphase für den nächsten Haushalt befinden. Besonders im Finanzausschuss sollte darüber diskutiert werden, wie der Stand der Umsetzung der im Haushalt 2003 veranschlagten Vermögensprivatisierungen sich derzeit darstellt. Das Problem Vermögensprivatisierung wurde deshalb unter anderem als gesonderter Punkt in den Antrag aufgenommen.
Dies hat aber noch weitere Gründe. Zum einen wird niemand bestreiten, dass die Haushaltsdebatten im letzten Jahr nur sehr bedingt Raum gaben, diese Fragen ausführlicher zu diskutieren. Das ist aber auch insofern von besonderer Bedeutung, als in Kapitel 13 20 - Vermögensprivatisierung - Titel 133 02 eine Summe von immerhin 97,7 Millionen € veranschlagt ist. Zur Erinnerung: Im Einzelnen geht es vor allem um die Salus gGmbH, den Talsperrenbetrieb, die Landeselektrizitäts-GmbH Fallersleben, das Landesweingut, die Saleg und vieles andere mehr. Wir haben gerade gestern die Antwort auf eine Kleine Anfrage dazu auf den Tisch bekommen. Nicht zu vergessen sind auch die geplanten Waldverkäufe, deren Veranschlagung sich auf 52,7 Millionen € beläuft, und die Verkäufe von Liegenschaften und Grundstücken in Höhe von 20,7 Millionen €, um nur einige Beispiele zu nennen.
Zum anderen - auch das muss genannt werden - wies der Landesrechnungshof in der Haushaltsdebatte ausdrücklich darauf hin, dass die Landesregierung zu der Zeit der Haushaltsdiskussion auch auf schriftliche Nachfrage hin diese Zahlen und die dahinter stehenden Konzepte nicht erläutern konnte. Es ist also an der Zeit, dass die Landesregierung ihrer Bringepflicht bezüglich der Informationen nachkommt.
Das wird mit dem Antrag nachgefragt, auch deshalb, weil unseres Wissens in der gesamten Bundesrepublik konstatiert worden ist, dass die tatsächlichen Einnahmen fast immer enorm vom Soll abwichen. Auf Bundesebene geht das beispielsweise aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage „Perspektiven der Privatisierungspolitik des Bundes“ in Drs. 14/4696 hervor. Wir haben also allen Grund, unseren Haushalt diesbezüglich konkret zu hinterfragen.
Meine Damen und Herren! Aus all den genannten Gründen liegt Ihnen heute dieser Antrag vor. Der Landtag hat das Recht und die Pflicht, sich dem Schwerpunktbereich Privatisierung im Agieren der Landesregierung zu wid
men - insbesondere im Rahmen der Aufgabenkritik und des Haushaltsvollzugs, aber auch im Umgang mit dem Personal. Deshalb bildet diese Frage einen gesonderten Punkt.
Bevor ich schließe, möchte ich noch mündlich eine kleine, aber wichtige Ergänzung zu unserem Antrag einbringen, die beim Schreiben irgendwie auf der Strecke geblieben ist. Wir bitten, im ersten Absatz nach den Wörtern „in allen Fachausschüssen, außer Petitionen“ die Wörter „noch vor Beginn der nächsten Haushaltsberatung“ einzufügen. Diese zeitliche Begrenzung der Berichterstattung ergibt sich eigentlich schon logisch aus den zuvor gemachten Ausführungen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Bevor ich gleich Herrn Minister Rehberger in Vertretung des Finanzministers das Wort erteile, habe ich die Freude, Damen und Herren der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Ortsgruppe Dessau, auf der Besuchertribüne begrüßen zu dürfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Kollegen Professor Paqué erlaube ich mir, einige Anmerkungen zu dem Antrag der PDS-Fraktion zu machen.
Ich glaube, jeder hier im Saal ist sich darüber im Klaren, dass mit dem Stichwort „Privatisierung“ eine grundsätzliche Problematik angesprochen ist. Letztlich geht es um die sehr prinzipielle Frage, was aus der Sicht etwa des Parlaments Aufgabe des Staates ist und was auf der anderen Seite Aufgabe im privaten Bereich ist. Es ist völlig klar, dass eine sozialistische Partei darauf eine völlig andere Antwort gibt als eine liberale Partei.
Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen - das ist eben der Kern der sozialistischen Weltsicht -, dass alles, auch im Bereich der Wirtschaft, in irgendeiner Weise durch den Staat reglementiert und gesteuert werden sollte bzw. müsste. 40 Jahre lang ist das in Ostdeutschland auch praktiziert worden.
Wir sagen: Wo private Initiative eine Aufgabe zumindest ebenso gut erfüllen kann, sollte sich der Staat - das gilt natürlich in gleicher Weise auch für die kommunalen Gebietskörperschaften - aus der Aufgabenerfüllung zurückziehen.
Deswegen wird es entsprechende Korrekturen in der Gemeindeordnung geben und deswegen muss auch das Land mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können nicht den kommunalen Gebietskörperschaften sagen, sie soll
ten sich von Aufgaben trennen, die Private genauso gut lösen können, aber unsererseits an allem und jenem festhalten, was irgendwann einmal Sache des Landes geworden ist.
Meine Damen und Herren! Es ist ein weites Feld, das hier zur Debatte steht, zumal - das haben die gestrigen Diskussionen über Public-Private-Partnerships oder bestimmte Modelle des Leasings gezeigt - es eine breite Palette von Möglichkeiten gibt, wie man, zumindest partiell, Dinge, die bisher der Staat gemacht hat, durch Private lösen lassen kann. Da gibt es viele Bereiche insbesondere auch der Daseinvorsorge, unabhängig davon, ob es um die Abfallentsorgung, die Abwasserentsorgung, die Wasserversorgung oder die Energieversorgung, aber auch um den Baubereich - Hochbau, Tiefbau - geht.
Man kann Tunnel und Brücken - so ist es in der Bundesrepublik zurzeit schon - privat bauen und betreiben lassen. Das ist selbstverständlich möglich. Man kann das, wie es die Nachbarn machen, auf das gesamte Autobahnsystem ausdehnen. Man kann es absolut privat bauen und betreiben lassen. Man kann den Bereich des Katasterwesens staatlich aufziehen; aber man kann natürlich auch alle Aufgaben, die keine hoheitlichen Aufgaben sind, durch Private erfüllen lassen. Die Landesregierung ist der Meinung, die Privaten sollten etwa in diesem Bereich Vorrang haben.
Man kann sich auch darüber unterhalten, wie viel Liegenschaften, wie viel Teile des Waldes in Staatshand oder in kommunaler Hand sein sollten und wie viel Teile in die private Hand gegeben werden können.
Herr Minister, wir wissen alle, dass Bayern nicht sozialistisch regiert ist. Wie werten Sie die Tatsache, dass der Bayerische Städtetag kürzlich in einer Erklärung festgestellt hat, dass er die Privatisierung von Stadtwerken zum Beispiel vehement ablehne und davor warne?
und dass es natürlich - wie überall auf dieser Welt - nicht nur eine Sicht gibt, die schwarz oder weiß ist, sondern dass dazwischen auch viele Grautöne sind. Das ist eben so. Da muss man sich in jedem Einzelfall entscheiden, wie man es halten will.
Aber ich meine: Es ist richtig, dass wir schon aus prinzipieller Sicht Dinge, die der Staat nicht unbedingt machen muss, nicht durch den Staat machen lassen. Das ist die Botschaft.