Protocol of the Session on March 14, 2003

(Beifall bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Hört, hört!)

Das ist mir mehrfach gesagt worden. Das konnte ich übrigens menschlich gut verstehen. Diesen Job haben wir gern gemacht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Übrigens sind auch jetzt noch einige Dinge offen, zum Beispiel die zehnprozentige Eigenbeteiligung der Kommunen, für die wir bei bereits bestehenden Ganztagsangeboten, die ausgeweitet oder gestärkt werden sollten, eine Anrechnung der von den Kommunen bzw. von sonstigen Trägern bereits verausgabten Investitions- und Sachmittel erreichen wollen, wenn das möglich ist.

Es mag richtig sein, dass die Einführung eines Bildungsgangs bzw. von Leistungsgruppen, denen wir den neunjährigen Schulabschluss der Realschule, also den Hauptschulabschluss, ermöglichen wollen, einige organisatorische Schwierigkeiten nach sich zieht. Aber: Zur Vermeidung schulorganisatorischer Probleme eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern ganz ohne Abschluss in die Wüste zu schicken, ist keine Möglichkeit der Behebung solcher schulorganisatorischen Schwierigkeiten,

(Zustimmung bei der CDU)

die wir primär aufgrund der demografischen Situation haben und nicht primär aufgrund des Schulgesetzes.

Überhaupt nicht geklärt ist die Frage der Dauerkosten von Ganztagsangeboten, die natürlich besonders personalintensiv sind. Frau Mittendorf begrüßt es, dass die Personalmittel nicht vom Bund übernommen werden. War in ihrem Statement vom 8. März 2003 in der „Volksstimme“ noch von „Kleinstaaterei“ die Rede, so erklärte sie ganze vier Tage später in derselben Zeitung, es sei richtig, dass die Personalkosten des Programms von den Ländern zu tragen seien - ich zitiere wörtlich -:

„Denn nicht der Bund, sondern die Länder sind für eine ausreichende Personalausstattung der Schulen verantwortlich.“

Ein überraschendes Plädoyer für die Kleinstaaterei. Der Vorschlag, hierfür Umsatzsteuerpunkte zu beanspruchen, ist übrigens noch in der Diskussion. 4 Milliarden € sind weder im Einzelplan 30 des Bundeshaushaltes veranschlagt worden, noch sind sie virtuell vorhanden. Sie stecken nämlich im Einzelplan 60, also der Allgemeinen Finanzverwaltung, und zwar bei den so genannten Sonderleistungen des Bundes nach Artikel 104a des Grundgesetzes.

(Frau Feußner, CDU: Ist noch nicht mal einge- stellt! Ist ja toll!)

Auf dieser Grundlage veranschlagte Gelder - nun hören Sie zu - dienen „zur Abwehr von Störungen des gesamtgesellschaftlichen Gleichgewichts,“

(Lachen bei der CDU)

„zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums.“ Es ist schon mutig, das Ganztagsschulprogramm hier anzubinden; aber solange das Geld für diesen Zweck tatsächlich fließt, sollte man - zumal als armes Land - darüber hinwegsehen.

Nicht hinwegsehen kann man dagegen über die parallele Kürzung zum Beispiel der Mittel für die außeruniversitäre Forschung, mit der das Ganztagsprogramm offenbar zumindest indirekt und zum Teil finanziert zu werden scheint. Die Bundesregierung fördert jetzt sozusagen die außeruniversitäre Forschung mit dem Ausbau von Ganztagsschulen.

(Herr Tullner, CDU: Das ist wirklich traurig!)

Meine Damen und Herren! Trotz alledem zeichnet sich auf Betreiben der B-Länder in den wesentlichen Dingen, die ich in meinem Szenario angesprochen habe, eine vernünftige Einigung ab, sodass das Programm gleichwohl noch fristgerecht anlaufen kann.

Ab 17. März 2003 wird es in Berlin eine letzte Abstimmung der Amtschefs zur Verwaltungsvereinbarung geben. An dieser Beratung werden je drei Vertreter der

A- und der B-Länder teilnehmen. Sachsen-Anhalt gehört selbstverständlich dazu. Es braucht wirklich kein Zweifel daran zu bestehen, dass Sachsen-Anhalt den letzten Euro ausschöpfen wird, um diesem Programm zu vernünftiger Geltung zu verhelfen.

Was den Antrag ansonsten betrifft: Zu den geforderten Schritten der Vorbereitung und der Umsetzung des Programms muss ich durch Sie nicht aufgefordert werden. Das sind reguläre Pflichten meines Ressorts. Das Kultusministerium ist mit diesen Planungsschritten, über die ich gern im Bildungsausschuss berichten kann, seit langem befasst. Hierbei sind wir - Sie werden es nicht glauben, liebe Frau Mittendorf - auch ohne Ihre Direktiven handlungsfähig.

(Beifall bei der CDU)

An die Stelle von Richtlinien, wie Sie schreiben, und pädagogischen Vorgaben, wie Ihr Antrag verlangt, würde ich gern Qualitätsstandards und möglichst vielfältige Spielräume für die Schulen und ihre Profilbildung setzen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb werden die Vorschriften nur im Rahmen des rechtlich unbedingt Erforderlichen erlassen. Entscheidend ist das Zutrauen in den kreativen Ideenreichtum der Schulträger vor Ort, der Lehrer, der Eltern und der Schüler,

(Herr Gürth, CDU: Sehr gut!)

den zu inspirieren, zu beraten und zu begleiten die Aufgabe meiner Arbeitsebene ist.

Hinsichtlich des eigentlich Wichtigsten, nämlich der pädagogischen Begründung von Ganztagsangeboten, bin ich gern bereit, mich mit Ihnen bzw. im Bildungsausschuss über Konzepte und Chancen von Ganztagsangeboten zu verständigen.

Ganztagsschulen sind jedenfalls keine Horte vager bildungspolitischer Hoffnung, sondern sie sind an dem Anspruch zu messen, wie sie unter Aufnahme der Lebensbedingungen der Kinder, des Schulstandortes, der Region der Kinder und Jugendlichen ein ausgewogenes, sinnvoll verknüpftes, sie förderndes und forderndes Gesamtangebot von konzentriertem Unterricht, kreativen Entspannungsphasen und außerunterrichtlicher Förderung von Talenten und Begabungen unterbreiten, und zwar in einem sozialen Arrangement, das der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen entspricht und sie darin stärkt. Dazu gehört unter anderem die Erfahrung der lernenden Gemeinschaft, die solidarisch ist, sich aber auch Maßstäbe setzt und etwas verlangt.

Auf dieser Grundlage können Ganztagsschulen, wenn sie mit den Eltern, der Jugendhilfe, mit Vereinen, mit Kultureinrichtungen, mit Unternehmen usw. kooperieren, auch zu geistigen und kulturellen Zentren ihrer Region werden und damit ein eigenes pädagogisches Potenzial entfalten. Das ist für mich ganz und gar unstrittig.

Dass das entsprechend qualifiziertes und in der Sache engagiertes Personal voraussetzt, brauche ich nicht zu betonen, und dass damit ein wichtiges Thema der Lehrerfort- und -weiterbildung angesprochen ist, sicherlich auch nicht. Immerhin haben Sie mich in diesem Punkt nicht erinnert. Was die Ganztagsschulen nicht können, ist, die intakte Familie, also die Zuwendung und Förderung durch die Eltern zu ersetzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Selbst die beste Schule kann nie das Zuhause der Kinder und Jugendlichen ersetzen. Eine gute Ganztagsschule ist immerhin den ganzen Tag gut, eine schlechte Ganztagsschule allerdings auch den ganzen Tag schlecht.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn wir die gegenwärtigen Mängel unseres Schulsystems, die vor allem im Lehrplan, in den Lehrmethoden, im Erziehungskonzept und in der Schulkultur zu suchen sind, einfach nur ganztägig zelebrieren, werden wir am Ende noch mehr Probleme haben als vorher.

Ebenso wenig können Ganztagsschulen die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung von außerschulischen Angeboten in der Region, von der Musikschule über den Zirkel, vom Verein bis hin zum Sportklub, und verschiedene Formen des sozialen Engagements von Jugendlichen in ihrer Freizeit ersetzen. Dann müsste man am Ende für die vollstaatliche Tag-und-Nacht-Betreuung der Kinder plädieren. Hierbei sind die Kommunen unabhängig von der Förderung des schulischen Ganztagsangebotes weiterhin in der Pflicht.

Meine Damen und Herren! Unter den beschriebenen qualitativen Voraussetzungen und Maßstäben können Ganztagsangebote fraglos eine sinnvolle und daher willkommene Ergänzung für ein vielfältiges und qualitätsbewusstes Schulsystem sein. Deshalb unterstützt die Landesregierung den Ausbau und die Stärkung der Ganztagsangebote im Land, deshalb hat sie sich auch nicht an einem endlosen Lamento über das Förderprogramm beteiligt, sondern pragmatische Vorschläge zu seiner Verbesserung gemacht. Einen großen Teil dieser Vorschläge haben Sie, wie selbstverständlich, hier erwähnt. Sie haben sich nur nicht auf die ursprüngliche Fassung der Verwaltungsvereinbarung bezogen, sondern auf die von uns schon nachhaltig korrigierte Fassung.

(Herr Gürth, CDU: So ist es!)

Das Kultusministerium wird vor allem Kooperationsprojekte von Schulen und angegliederten Horten unterschiedlicher Trägerschaft ermutigen, gemeinsame pädagogische Konzepte vorzulegen und auf dieser Grundlage Förderanträge zu stellen. Ich empfehle Ihnen daher, dem Änderungsantrag von FDP und CDU zuzustimmen. Er enthält das Wesentliche und das Selbstverständliche ist meine Aufgabe. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Feußner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute eine Initiative, deren Gegenstand bisher nur mittelbar und mäßig durch die Gesetzgebung der Länder beeinflusst wurde bzw. werden konnte. Hierzu kann man nur noch einmal das Engagement der B-Länder loben. Herr Olbertz hat bereits in seinen Ausführungen gesagt, dass sie sich intensiv für eine Veränderung dieses Investitionsprogramms zugunsten der Länder eingesetzt haben.

Mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung 2003 bis 2007“ mit einen Volumen von 4 Milliarden € versucht die Bundesregierung, einen Anstoß für

ein bedarfsgerechtes Ganztagsschulangebot in Deutschland zu geben. Es steht meines Erachtens außer Frage, dass die Förderung und die Stärkung des Ganztagsschulangebotes in Deutschland eine Aufgabe der Kultusverwaltung der Länder in den kommenden Jahren sein wird. An dieser Stelle herrscht - so meine ich - Konsens.

Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern aufgrund der Initiative der B-Länder, die ich eben genannt habe, in Kürze unterzeichnet werden kann. Ich möchte allerdings die Gelegenheit nutzen, um auf einige meiner Ansicht nach nicht unproblematische Aspekte der Ganztagsschuldiskussion einzugehen.

Erstens. Es wird vonseiten der Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen der Existenz von Ganztagsschulen und dem Bildungsniveau deutscher Schüler hergestellt, das seit der Pisa-Studie bekanntermaßen der deutlichen Anhebung bedarf. Unter Hinweis auf die Länder mit ausgeprägter Ganztagsbeschulung wie zum Beispiel Finnland, die im internationalen Vergleich wesentlich besser als Deutschland abgeschnitten haben, wird der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Ganztagsschulangebotes hohe politische Priorität eingeräumt.

Diese Argumentation, meine Damen und Herren, lässt jedoch völlig außer Acht, dass es auch Länder mit Ganztagsschulangeboten gibt, die unterhalb des OECDDurchschnittes liegen. Dazu zählt zum Beispiel das Land Spanien. An dem Ganztagsschulangebot allein kann es wohl nicht liegen.

Zweitens. Des Weiteren liefert die Pisa-E-Studie, also der innerdeutsche Vergleich, überhaupt keine Belege für eine verbesserte Bildungsleistung bei Vorhandensein von Ganztagsschulen. Daran anknüpfend kann festgestellt werden, dass in Sachsen-Anhalt die Schulabschlüsse von Ganztagsschülern nicht besser waren als an vergleichbaren Regelschulen der Sekundarstufe I. Sieht man von Sportschulen, Musikschulen und Ähnlichem ab, so lassen sich besondere Bildungserfolge, die auf die Institution Ganztagsschule zurückzuführen wären, bestenfalls dort erwarten, wo es um den Ausgleich fehlender Erziehungsleistungen durch die Eltern geht.

Drittens. Der letztere Gedanke ist allerdings nicht ohne Bedenken zu artikulieren. Es ist meiner Meinung nach äußerst fraglich, ob die zunehmende Einflussnahme des Staates auf die Bildungs- und Erziehungstätigkeit und der damit einhergehende Übergang der Entscheidungsverantwortung von den Eltern auf den Staat als wünschenswert zu postulieren ist. Meiner Ansicht nach trägt dieser Vorgang durchaus die Züge einer feindlichen Übernahme.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

Hierzu kann ich mich nur der Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz anschließen bzw. diese unterstützen. Ich darf aus den Papieren von gestern zitieren, natürlich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident.

Sie bedürfen dieser Genehmigung nicht.