„Vor allen Überlegungen zu Ganztagsangeboten in Kindergarten und Schule müssen also Bemühungen des gesamten Gemeinwesens stehen, die Erziehungsbereitschaft und -fähigkeit von Eltern zu stärken.“
Dieser Aspekt wird bei der ganzen Diskussion um die Ganztagsschulen vollkommen außen vor gelassen. Das ist meiner Ansicht nach ein großer Fehler.
An dieser Stelle wird von der Landesregierung ein Konzept zu Ganztagsschulen zu erwarten sein, in dem sie darlegt, wie sie sich die Gestaltung der Ganztagsschulen im Land Sachsen-Anhalt konkret vorstellt. Die Kultusministerkonferenz definiert und unterscheidet bekanntlich vollgebundene Ganztagsschulen mit einem Teilnahmezwang über die normalen Unterrichtsstunden hinaus, teilweise gebundene Ganztagsschulen, offene Ganztagsschulen und Ganztagsschulen mit einer auf den Unterricht beschränkten Anwesenheitspflicht sowie weitere Formen von Ganztagsschulen. Es gibt also durchaus einen Spielraum in der Gestaltung eines landesweiten Konzepts. Ich denke, diesen Spielraum wird unsere Landesregierung auch nutzen.
Viertens. Im Rahmen eines solchen landesweiten Konzeptes muss auch die Stellung der Horte in SachsenAnhalt überprüft und den Erfordernissen eines Ganztagsschulkonzeptes angepasst werden. Doppelstrukturen sind nicht sinnvoll. Das können wir uns angesichts der Finanzlage des Landes nicht leisten.
Fünftens. Dieses Konzept muss meines Erachtens die zukünftigen Strukturen der Schulstandorte, die durch die Schulentwicklungsplanung der Schulträger bestimmt werden, auch einbeziehen. Das bedeutet für die Arbeit der Landesregierung wiederum, dass sie in Ruhe und mit der gebotenen Genauigkeit prüfen muss, an welchen Standorten sich Ganztagsschulen bzw. Ganztagsangebote überhaupt einrichten lassen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, wie sich die Standortfrage angesichts des dramatischen Schülerrückgangs beantworten lässt. Diese Frage wird als Aufgabe eines Ganztagsschulkonzepts in Abstimmung mit den übrigen Planungen zu Schulstandorten in Sachsen-Anhalt anzugehen sein.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Die Lampe leuchtet. - Die von mir aufgeführten Gründe für eine zurückhaltende generelle Beurteilung von Ganztagsschulen bestärken mich in der Einschätzung, dass das Programm der Bundesregierung zwar für das Land Sachsen-Anhalt finanziell eine Hilfestellung bei der Planung leistet. Aber dieses Geld aus dem eigenartigen Haushaltstopf, wie Herr Olbertz es bereits beschrieben hat, ist bei genauerem Hinsehen eher ein Danaergeschenk; denn die Finanzierung nach 2007 mit den dann auftretenden Folgekosten ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sichergestellt.
Mein Appell an die Landesregierung lautet, bei der Formulierung eines Ganztagsschulkonzeptes die gebotene
Sorgfalt walten zu lassen und keine Schnellschüsse zu initiieren, um der von uns allen gewünschten Zweckmäßigkeit und der Sinnhaftigkeit von Ganztagsschulen und -angeboten zu genügen.
Gestatten Sie mir einen letzten Satz. Es reicht eben nicht aus, wie der Bundeskanzler heute in seiner Rede sagte, dass wir einen Bildungsgipfel einberufen und dort verkündet werden soll, dass wir mehr Ganztagsschulangebote brauchen. Das ist nicht die große Reform, die wir uns von ihm erwarten. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Mit- tendorf, SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Wann hat er das gesagt? - Herr Gürth, CDU: Das hat er heute gesagt!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Feußner, ich muss Ihnen sagen, langsam geht mir die Feilscherei um das Ganztagskonzept und das Ganztagsschulprogramm auf die Nerven.
Wir haben als Land Sachsen-Anhalt kein Geld zu verschenken, schon gar nicht solches, das uns für Bildung zur Verfügung gestellt wird.
Wir haben schon gar nichts zu verschenken, nachdem der Landtag, insbesondere die Koalitionsfraktionen, vor wenigen Wochen ein Schulsanierungsprogramm, das wir beantragt haben, abgelehnt hat.
(Herr Tullner, CDU: Wie war es finanziert? - Herr Gürth, CDU: Weil Sie nur fordern und nicht sa- gen, wie es finanziert werden soll!)
Bei diesem Ganztagsschulprogramm geht es eben nicht um einen Verwaltungsakt. Da geht es auch nicht um Betreuung. Frau Feußner, ich hoffe, Sie haben Ihrem Minister gut zugehört. Ich teile diesbezüglich seine Auffassung vollständig. Aber es sind nicht wir, die behaupten, Ganztagsschulen brauchen wir für die bessere Betreuung.
Es geht auch nicht darum, dass wir hier sozusagen nur ersatzweise Geld abgreifen, das wir aus anderen Mitteln nicht bereitstellen können, und uns auf das zurückziehen, was es im Land ohnehin schon gibt. Über die Frage, inwiefern Grundschulen mit Horten, die in anderer Trägerschaft sind - ich muss das nicht alles wiederholen -, in dieses Ganztagsschulprogramm einbezogen werden sollen und können, würde ich gern noch einmal diskutieren, und zwar auch mit dem Ganztagsschulverband.
Ich denke, dass das so einfach nicht zu klären ist. Ich hätte aber große Probleme damit, zu sagen, wir nehmen das, was wir schon haben und definieren es um, das können wir dann wenigstens ordentlich fördern. Das wäre für mich eine Mogelpackung; denn bei dem Ganztagsschulprogramm geht es für mich um einen pädagogischen Ansatz und das, was man aus pädagogischer Sicht damit erreichen will.
Ich finde, an dieser Stelle haben wir in Sachsen-Anhalt weiß Gott einen Nachholbedarf, den in letzter Zeit überhaupt niemand infrage gestellt hat.
Auch die letzte Pisa-Studie - die letzte ist es nicht, sondern die vor wenigen Tagen veröffentlichte - hat uns wieder einen Spiegel vorgehalten. Wir haben die größten sozialen Disparitäten. Wir haben die größten Schwierigkeiten, gerade in dem Bereich der Sekundarstufe I und auch der Sekundarschule, was Leistungsfähigkeit betrifft. Deshalb finde ich schon, dass es notwendig ist, über pädagogische Konzepte nachzudenken, die hier einen Ausgleich schaffen können.
Dazu ist ein Netz von Ganztagsschulen im Lande, das für jede und jeden erreichbar ist, durchaus sinnvoll. Dafür lohnt es sich zu streiten. Die Wege sind schwierig. Sie können auch unterschiedlich sein. Aber dafür bin ich gern bereit, mir Gedanken zu machen. An dieser Stelle interessiert mich auch, was die Landesregierung für Vorstellungen hat. Allerdings erwarte ich von uns, dass wir eigene Vorstellungen einbringen.
Dann, Frau Feußner, möchte ich Ihnen sagen, ich habe vor einigen Jahren - so lange ist es schon her -, als wir damals über das zwölfjährige Abitur gestritten haben, einen Brief von Frau Hohlmeier aus Bayern gelesen.
Darin hat sie erklärt, wieso man für 265 Jahreswochenstunden in zwölf Jahren Schulzeit bis zum Abitur Ganztagsangebote oder Ganztagsschulen bräuchte.
(Frau Feußner, CDU: 298 Jahreswochenstunden braucht Bayern! Wenn Sie es tun, dann sollten Sie schon richtig zitieren!)
- Frau Hohlmeier hat es auf diese Zahl bezogen. Sie hat erklärt, wenn sie es in zwölf Jahren machen muss, dann braucht sie die Ganztagsschulen. Dann hat sie die Ganztagsschulen - lassen Sie mich ausreden - inhaltlich in ihrem Anspruch beschrieben. Diesen Anspruch kann ich hundertprozentig unterschreiben.
Dann müssen Sie Frau Hohlmeier einmal erklären, wie Sie das mit der feindlichen Übernahme gemeint haben.
Ich glaube auch, dass der Schülerrückgang, den wir zu erwarten haben und der schon im Gange ist, überhaupt kein Grund ist, in irgendeiner Weise zögerlich zu sein. Gerade bereitet die Landesregierung eine überarbeitete Verordnung zur Schulentwicklungsplanung vor, die zu einem konstanten, konsistenten Schulnetz führen soll.
Warum soll es nicht möglich sein, in diesen Schulen Ganztagsangebote zu entwickeln, wenn diese Schulen das wünschen? Das geht doch nicht auf Kosten einer anderen Schule. Da sind die Schulen auch Manns genug, sich zu entscheiden, Konzepte zu entwickeln und zu beantragen. Um diesen Weg geht es.
Ich hielte es für verantwortungslos, diese Chance hinauszuschieben, zu verzögern oder zu verplempern. Hierbei geht es um die pädagogische Arbeit in diesem Lande für unsere Schulen, für die Schülerinnen und Schüler, um bessere Lernergebnisse, um mehr Zeit zum Lernen und um ein besseres Schulklima. Für all das lohnt es sich zu streiten. Es geht aber nicht um die Frage, inwiefern diese oder jene Festlegung in der Vereinbarung für uns mehr oder weniger sinnvoll ist.
Ich akzeptiere auch, dass der Minister dafür streitet, dass die Minister dafür streiten, um die besten Konditionen für ihre Länder herauszuholen. Das ist normal. Aber nun lassen Sie uns endlich damit anfangen.
Damit zu Ihrem Antrag, Frau Feußner, bzw. zum Antrag der Faktionen der CDU und der FDP. Dieser erste Anstrich im Antrag zeugt davon, dass Sie genau das vorhaben, nämlich das Ganztagsschulprogramm zu einer Mogelpackung zu machen. Das tragen wir nicht mit.
Für die anderen Dinge - das muss ich Ihnen sagen - reicht eine Kleine Anfrage, um die Informationen zu bekommen. Dafür muss man keinen Antrag stellen. Über die inhaltlichen Schwerpunkte lassen Sie sich nicht aus. Vermutlich haben Sie keine inhaltlichen Erwartungen.
Aus diesem Grunde werden wir diesen Antrag ablehnen. Dem Antrag der SPD-Fraktion stimmen wir, obwohl auch er sich vor allem auf Verfahrensfragen konzentriert, zu, weil er zumindest wesentliche zu entscheidende Fragen berührt. - Danke schön.