Natürlich wird eine Schule, meine Damen und Herren, nicht automatisch zu einer besseren Schule, weil sie als Ganztagsschule fungiert.
Die Grundlage dafür ist ein guter Unterricht, aber auch ein fundiertes integratives pädagogisches Konzept, welches von engagierten Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern getragen und umgesetzt wird.
Meine Damen und Herren! Vergegenwärtigen wir uns noch einmal: Das grundlegende Ziel besteht doch darin, die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern im Rahmen eines größeren Zeitkorridors mit mehr Raum für freien Unterricht, Gruppenarbeit und einer stärkeren Öffnung zum sozialen Umfeld konsequenter zu berücksichtigen und damit die Schülerschaft besser zu fördern und zu fordern, als dies in herkömmlichen Schulen der Fall ist.
Sie selbst, Herr Minister, räumen in Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Hein ebenfalls ein, dass es Anhaltspunkte gibt, dass an Ganztagsschulen in SachsenAnhalt die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, geringer ist als an herkömmlichen Schulen. Sie verweisen dort auch darauf, dass sich an den bestehenden Ganztagsschulen in Sachsen-Anhalt ein positives Schulklima entwickelt hat, das sowohl bei den Eltern und den Schülern als auch bei den Lehrkräften für ein hohes Maß an Zufriedenheit und Akzeptanz sorgt.
Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der SPDFraktion wird die Landesregierung aufgefordert, zum Zustandekommen der Verwaltungsvereinbarung im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung beizutragen und diese möglichst rasch zu unterzeichnen.
Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP orientiert zu stark auf die Öffnung der Zweckbindung der Finanzhilfen und geht damit von der ursprünglichen Intention zu weit weg. Dies kann dazu führen - und, wie gesagt, die Befürchtungen sehe ich gestärkt -, dass das eigentliche Ziel, der Ausbau von Ganztagsangeboten, vernachlässigt wird. Das, meine Damen und Herren, wäre ein falsches Signal und entspricht nicht unseren bildungspolitischen Vorstellungen.
Meine Damen und Herren! Die Mittel des Ganztagsschulprogramms sind nicht dafür vorgesehen, Finanzdefizite im Landeshaushalt von Sachsen-Anhalt zu kaschieren und die eigenen Fehlplanungen durch andere bezahlen zu lassen. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung ebenfalls auf, ein Ganztagsschulkonzept für Sachsen-Anhalt zu erarbeiten, welches die Bedarfe, die pädagogischen Vorgaben und die personellen Rahmenbedingungen beschreibt.
Die bildungspolitisch interessierte Öffentlichkeit und die Betroffenen haben Kenntnis über das Ganztagsschulprogramm, und sie erwarten, dass die Landesregierung handelt und das Programm nicht verhindert. Die Schulträger, die Schulen, die Eltern und die Schüler im Land
benötigen schnellstens umfangreiche Informationen zu den Zielstellungen und Möglichkeiten des Programms sowie zu den Antrags- und Genehmigungsmodalitäten.
Dies ist umso wichtiger, meine Damen und Herren, als die Kreise und kreisfreien Städte wegen der Schulgesetzänderung bis zum Ende dieses Jahres eine überarbeitete Schulentwicklungsplanung vorzulegen haben. Daher ist es, wenn man es ernst meint mit diesem Programm, unabdingbar, dass man sich konzeptionell und strukturell mit den möglichen Auswirkungen des Ganztagsschulprogramms für den eigenen Bereich auseinander setzt und die Chancen und Möglichkeiten dieses Schulangebots ausreichend diskutiert.
Andere Bundesländer sind im Umgang mit dem Ganztagsschulprogramm erheblich weiter als wir. Wir müssen vor allem die personellen Rahmenbedingungen klären, die zur Umsetzung dieser zusätzlichen Ganztagsangebote geschaffen werden müssen. Die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft sowie für Finanzen sind über den jeweiligen Verfahrensstand regelmäßig zu unterrichten.
Meine Damen und Herren! Wie bereits ausgeführt, ist die Ausweitung von Ganztagsschulangeboten kein Allheilmittel. Sie ist jedoch eine von mehreren Möglichkeiten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen schulischer Arbeit; denn in jedem Fall ist die Grundlage der Arbeit in der neu zu bildenden oder auszubauenden Ganztagsschule ein von der Konferenz zu beschließendes, durch das staatliche Schulamt zu bestätigendes fundiertes pädagogisches Konzept.
Haben alle anderen Schulen so ein Konzept, ein pädagogisches Konzept, das von einer Gesamtkonferenz zu beschließen ist, das von einem Schulamt bestätigt werden muss? Die Frage muss man stellen dürfen.
Meine Damen und Herren! Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Änderungsantrag der CDU lehnen wir ab. Er lässt zu viele Fragen offen. Er tendiert in die falsche Richtung
Vielen Dank, Frau Mittendorf. - Bevor die Vertreter der Fraktionen sprechen, hat zunächst Herr Minister Olbertz das Wort. Bitte schön.
(Herr Dr. Püchel, SPD: Dafür brauchen wir kein Geld! Er verzichtet aus ideologischen Gründen! - Heiterkeit bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Oh!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich muss jetzt beweisen, dass man auch ungehaltene Reden halten kann. In der „Volksstimme“ vom 8. März 2003 hat Frau Mittendorf von „hektischem
Stillstand“ der Landesregierung in Bezug auf das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung gesprochen.
(Heiterkeit bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Das ist eine besondere Logik! - Frau Feußner, CDU: Hektischer Stillstand!)
Ich will einmal die Suggestion der Verschleppung oder sogar Untätigkeit in Sachen Ganztagsschule, die aus diesen Äußerungen und in gewisser Weise auch aus Ihrem Antrag spricht, beim Wort nehmen, und zwar mit einem Szenario, das mit folgender Frage beginnt: In welcher Situation befänden wir uns, wenn die Kultusminister der B-Länder, insbesondere die aus den neuen Ländern, sogleich hurra gerufen und dem ersten Entwurf der Verwaltungsvereinbarung des BMBF vom Oktober 2002 vorbehaltlos zugestimmt hätten?
Das wäre das ursprüngliche Modell, auf das Sie, Frau Mittendorf, uns eben alle zu verpflichten versucht haben. Abgesehen davon, dass wir dann allesamt einer geradezu irrationalen Euphorie aufgesessen wären, hätte dann Folgendes geschehen müssen:
Erstens. Es hätten nur völlig neue Initiativen, nicht jedoch bestehende Ganztagsangebote gefördert werden können. Das heißt, die demografische Situation der neuen Länder wäre komplett ignoriert worden, mit dem Ergebnis, dass man für neue Ganztagsschulen, vor allem auf dem flachen Land, gar nicht die erforderliche Zahl von Schülern gehabt hätte bzw. dass man Neugründungen nur auf Kosten der bestehenden Angebote, und zwar auch der bestehenden Ganztagsangebote, hätte vollziehen können.
(Herr Gürth, CDU: Da frage ich mich doch, was die SPD hier im Landtag fordert! - Herr Tullner, CDU: Hört, hört!)
Zweitens. Die Ganztagstradition der neuen Länder in der bewährten Gestalt von Schulen in Verbindung mit Schulhorten wäre gar nicht förderfähig gewesen, ganz zu schweigen von der oft unterschiedlichen Trägerschaft.
Drittens. Die pädagogischen Konzepte für entsprechende Projekte hätten von irgendwelchen fernen Bundesbeamten beurteilt und beschieden werden müssen, möglichst weit weg von den pädagogischen Handlungs- und Gestaltungsbedürfnissen und der Lebenssituation der Kinder in den neuen Ländern bzw. in Sachsen-Anhalt.
10 000 pädagogische Konzepte außerhalb der eigenen fachlichen Kompetenz und verfassungsmäßigen Zuständigkeit bewerten zu müssen, wäre allenfalls ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm für Bundesbedienstete gewesen,
die, was ihre offensichtliche Unkenntnis und ihr Desinteresse an der Situation der neuen Länder im Hinblick auf die Schulen anbelangt, im Grunde auch hätten in der Antarktis leben können.
Am Rande: Wenn man von den Ländern keine vernünftigen pädagogischen Konzepte für den Ganztagsbereich erwartet und ihnen das nicht zutraut - aus welchem Grund sollten wir das dem Bund zutrauen?
Zusammengefasst: Die im ersten Entwurf der Verwaltungsvereinbarung - dem ursprünglichen, wie Sie, Frau Mittendorf, sagen - enthaltene schier unglaubliche Ignoranz gegenüber der Situation der neuen Länder hätte dazu geführt, dass das Programm im Wesentlichen ein Alte-Länder-Programm geworden wäre, das wir gar nicht in vollem Umfang vernünftig hätten ausschöpfen können. Frau Dr. Hüskens hat vollkommen Recht mit ihrer Bewertung.
Um es noch einmal zu sagen: Ohne die Intervention der angeblich untätigen B-Länder, insbesondere der Kultusminister aus dem Osten, wäre unserem Land einiges an Geld verloren gegangen, weil wir es nicht sinnvoll hätten einsetzen können.
Dabei brauchen wir dringend Hilfe für die Sanierung unserer Schulen, und zwar gerade für bereits existierende Ganztagsangebote, die wir in guter Qualität und großer Zahl haben, in einer Zahl, die ich mir durchaus größer wünschen könnte. Deshalb nehmen wir dieses Programm auch gern in Anspruch, auch für extensive Vorhaben, dort, wo es von den Möglichkeiten und der Angebotslage her sinnvoll erscheint.
Im Übrigen können wir unmöglich die bewährten Kooperationsprojekte zwischen Schule und Schulhort außen vor lassen, die in der - ich betone es noch einmal - ursprünglichen Verwaltungsvereinbarung nicht einmal im Ansatz mitgedacht waren. Die Qualitätsverbesserung bestehender Angebotsstrukturen muss ein wesentliches Förderziel sein.
Vor dem Hintergrund extrem sinkender Schülerzahlen in den neuen Ländern kann es also nur um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Neugründungen und der Stärkung vorhandener Angebote gehen.
Meine Damen und Herren! Nicht die Menge - diese ist ohnehin schwer gestaltbar -, sondern die Güte und damit die Verbesserung der Angebote müsste das Ziel eines solchen Programms sein.
All die beschriebenen Probleme und Schwachpunkte dieses Programms sind jetzt übrigens weitgehend behoben. Ich wollte nur schildern, was eingetreten wäre, wenn wir wirklich untätig geblieben wären und nicht entschieden Nachbesserungen verlangt hätten.
Es war übrigens sehr interessant zu beobachten, wie erleichtert die A-Länder hinter vorgehaltener Hand waren, dass die B-Länder verfügbar waren, um diese Monita vorzutragen.