„Am Ende müssen Strukturen entstehen, die eine möglichst effiziente Verwaltungsorganisation auch auf kommunaler Ebene ermöglichen. Ich bin sicher, dass zu gegebener Zeit eine solche Reform notwendig ist.“
Herr Ministerpräsident, das sind starke Sätze, die ich alle unbesehen unterschreiben kann. Gleichzeitig halten Sie aber mit Scheinargumenten an Ihrer Verweigerungshaltung fest, solange es eben geht. Eine Verwaltungsreform kann aber nicht als Stückwerk gelingen. Eine substanzielle Aufgabenverlagerung sowohl von den staatlichen Behörden auf die kommunalen Verwaltungen als auch zwischen den kommunalen Ebenen braucht eine Gebietsreform, braucht entsprechende kommunale Strukturen - eine Verwaltungsreform ohne Kommunalreform und umgekehrt.
Meine Damen und Herren! Die SPD hält an dem Konzept für eine umfassende Verwaltungs-, Funktional- und Kommunalreform fest;
denn fest steht, dass sich infolge der negativen Bevölkerungsentwicklung der Handlungsdruck massiv erhöhen wird. Zwar erkennen auch Sie diesen Handlungsdruck an, aber Sie weichen ihm immer wieder konsequent aus. Die notwendigen Entscheidungen werden auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das ist keine mutige, zukunftsorientierte Politik. Ein Reformkurs sieht anders aus, und Sie sagen selbst: Reformen braucht unser Land.
Sie begründen Ihre Zögerlichkeit damit, dass Sie erst rechnen und dann entscheiden wollen. Aber erstens ist die Kommunalreform von vielen bereits durchgerechnet worden.
Zweitens widersprechen Sie sich selbst; denn in der Begründung zu dem so genannten Zweiten Investitionserleichterungsgesetz heißt es:
„da es im Interesse der Gesundung des Landes nicht zu rechtfertigen wäre, eine schnelle Verabschiedung dieses Entlastungsgesetzes zu verzögern, nur um den Entlastungseffekt auch quantitativ möglichst genau bestimmen zu können.“
Über die Folgen für die Kommunen haben Sie auch nicht nachgedacht, als sie die Kürzung bei den Kommunalfinanzen beschlossen haben.
Meine Damen und Herren! Stichwort Wirtschaftspolitik. Auf diesem Feld haben Sie im Wahlkampf und nach der Wahl die allergrößten Erwartungen geweckt. Was aber ist passiert? - Die Zahlen sind ernüchternd, die meisten jedenfalls. Die Arbeitslosigkeit ist weiter angestiegen, die Zahl der Insolvenzen ist nicht geringer geworden, die Investoren kommen auch nicht gerade in Scharen gelaufen, auch wenn Herr Minister Rehberger mit ausgewählten Statistiken das Gegenteil zu beweisen versucht.
Was hat die Regierung getan? Erstes Investitionserleichterungsgesetz, Initiative Mitteldeutschland, Modellregion Sachsen-Anhalt, diverse Bundesratsinitiativen - also viel PR und heiße Luft aus dem Hause Dr. Rehberger.
Die Effekte sind ausgeblieben. Angeblich soll sich die Stimmung im Land verbessert haben - so jedenfalls äußert sich unser Wirtschaftsminister. Ich komme allerdings auch viel im Land herum und ich merke von diesem Stimmungsumschwung relativ wenig.
Der Fairness halber muss ich an dieser Stelle sagen, dass es auch einige positive Entwicklungen gibt. Das Wirtschaftswachstum ist flutbedingt im Bundesvergleich leicht überdurchschnittlich gestiegen. In den Bereichen des verarbeitenden Gewerbes und der Ernährungsgüter
Sie haben das eine oder andere versucht. Aber gleichzeitig haben Sie der Bauwirtschaft und dem Handwerk erheblichen Schaden zugefügt, indem sie infolge der Kürzung im Bereich der Kommunalfinanzen die kommunale Investitionstätigkeit fast zum Erliegen gebracht haben.
Wäre die Flut nicht gewesen, hätten wir im Landeshaushalt eine schlechtere Investitionsquote und weniger Wachstum gehabt. Im Land hätten wir noch mehr Insolvenzen und weniger Bautätigkeit gehabt - schlimm genug.
Meine Damen und Herren von der Koalition, im Wahlkampf versprachen Sie mehr Geld für die Polizei bzw. mehr Polizei, mehr Geld für die Hochschulen, eine bessere Finanzausstattung für die Kommunen usw. Die Arbeitslosigkeit würde während Ihrer Amtszeit rapide zurückgehen, getreu dem Motto: Der Wunderheiler kommt, alles wird gut. - Ja, leider ist die Wunderheilerin gegangen. Vielleicht hätte sie im Land bleiben müssen. Vielleicht hätte dann alles besser ausgesehen.
Ein Jahr danach hören wir nun vom Ministerpräsidenten völlig neue Töne: Tut mir Leid, es dauert alles doch länger, als ich gedacht hatte.
Aber, Herr Ministerpräsident, Sie sind kein Anfänger. Sie waren Finanzminister, Sie waren Sozialminister. Sie kannten das mühselige Geschäft.
Sie wussten, wie schwierig das Bohren dicker Bretter ist. Sie kommen von keinem anderen Stern. Mancher wird sagen: Der Mann ist wirklich ehrlich. Er gibt zu, dass er die Schwierigkeiten unterschätzt hat. Andere sagen vielleicht: Hier wollte jemand als Tiger starten und ist als Bettvorleger gelandet.
Die Wahrheit ist: Sie müssen Ihre Wahlversprechen wieder einfangen. Was bleibt, ist die Feststellung: Der gute Wille ist da, dieser allein reicht aber nicht aus. Deshalb sagen Sie heute: Sorry, Leute, ich habe mich geirrt - getreu der schönen Karikatur vom alten Marx aus der Wendezeit. Mit dieser negativen Prognose hätten Sie vor einem Jahr die Wahl nicht gewonnen.
Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Bildungspolitik, Innenpolitik, Wirtschaftspolitik - alles wenig berühmt, alles kein Beleg für Regierungskunst. Mit einem Satz: Unser Land steht nicht besser da als vor einem Jahr. Ich wage die Prognose, dass das, was heute von Ihnen als Reformkurs angekündigt wurde, auch nicht dazu führen wird, dass es im nächsten Jahr anders aussieht.
Dennoch, ich möchte meine Rede angesichts der objektiven Schwierigkeiten, vor denen wir alle stehen und für deren Überwindung wir in dieses Parlament gewählt wurden, nicht ohne ein Angebot beenden: Wenn Sie sich doch irgendwann dazu ermutigen sollten, in der Sache
Herr Dr. Püchel, wären Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Scharf zu beantworten? - Herr Scharf verzichtet. Herzlichen Dank, Herr Dr. Püchel. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Scharf das Wort. Bitte sehr, Herr Scharf.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist in keiner guten Verfassung. Kanzler Schröder wollte sich mit seiner Politik nur an einer einzigen Zahl messen lassen, der Höhe der Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen liegt inzwischen bei gut 4,7 Millionen. Die Bundesregierung hat auf ganzer Linie versagt. Trotzdem werden wir diese Bundesregierung wohl noch eine Weile aushalten müssen.
- Ja, na klar. Aber die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt, Hessen, Niedersachsen und auch die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein haben gezeigt, dass in absehbarer Zeit eine Trendwende in ganz Deutschland möglich ist.
Meine Damen und Herren! Alle führenden Forschungsinstitute prognostizieren ein gesamtdeutsches Wirtschaftswachstum von weniger als 1 %. Das lässt vermuten, dass die Arbeitslosigkeit spätestens im April 2003 wohl den historischen Höchststand von fünf Millionen Personen überschreiten wird. Immerhin: Wir haben seit über drei Monaten die rote Laterne in der Arbeitsmarktstatistik abgegeben - diese hat Mecklenburg-Vorpommern -, aber zugegebenermaßen auf einem leider viel zu hohen Niveau.
Die Bundesregierung erwog bereits zum Jahresanfang offen, eine massive Ausweitung der Nettoneuverschuldung im Jahr 2003 von ursprünglich 18,9 Milliarden € auf über 20 Milliarden € in Kauf zu nehmen. Jede weitere Milliarde an Neuverschuldung bedeutet jedoch, dass der Euro-Stabilitätspakt auch im Jahr 2003 nicht eingehalten werden kann. Es lässt sich nicht mehr beschönigen: Die Bundesregierung scheint den Euro-Stabilitätspakt vollständig aufgegeben zu haben.
Die Steuerschätzungen lassen erwarten, dass wir auch zukünftig mit weiteren Steuermindereinnahmen zu kämpfen haben werden. Dieses wird auch im Hinblick auf das Land Sachsen-Anhalt wahrscheinlich weitere negative Prognosen erwarten lassen.