Protocol of the Session on February 6, 2003

In allen neuen Ländern wird es übrigens auch bald der Fall sein, dass mehr Lehrer den Schuldienst quittieren, als neu in ihn eintreten. Die Grundschulen werden dabei vorrangig betroffen sein, aber auch die Gymnasien und die Sekundarschulen.

Wir haben den Mangel an Fachlehrern schon länger; auch darauf wurde schon hingewiesen. Dieses Faktum

besteht schon seit Anfang der 90er-Jahre bei den berufsbildenden Schulen, als ein Großteil der Fachpraxislehrer den Schuldienst quittierte, um als Meister bzw. Selbständiger in die Wirtschaft einzutreten, weil es diesen Personen damals lukrativer schien, in der Wirtschaft tätig zu sein, als weiterhin in den Berufsschulen Dienst zu tun. Aber auch aus den Sonderschulen wissen wir, dass nur knapp 20 % der Sonderschullehrer eine fachspezifische Ausbildung für die Schädigung der Schüler haben, die sie unterrichten. Andere Mangelfächer wie alte und neue Sprachen, Kunst, Musik und Sport ließen sich noch aufführen, die ebenfalls schon heute defizitär sind.

Das Spektrum geht aber noch weiter. Wir haben einen Mangel an Studienanfängern und, wenn Studienanfänger zu Studienabsolventen werden sollten, das Faktum, welches ich eben schon nannte, dass diese zum Teil nicht in Sachsen-Anhalt bleiben, sondern in andere Bundesländer abwandern.

Warum ist dies so? - Der Lehrerberuf scheint im Moment wenig attraktiv zu sein. Man braucht eine relativ lange Ausbildung, um Lehrer zu werden. Der Beruf ist stressig, manchen zu stressig, und er besitzt derzeit ein geringes Sozialprestige.

Diesterweg wünschte schon vor mehr als 100 Jahren den Lehrern den Scharfsinn eines Lessing, das Gemüt eines Hebel, die Begeisterung eines Pestalozzi, die Wahrheit eines Tillich, die Beredsamkeit eines Salzmann, die Kenntnisse eines Leibniz, die Weisheit eines Sokrates, die Liebe Jesu Christi und die Gesundheit und Kraft eines Germanen.

Josef Kraus, der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, hat das heute erweitert: Er wünscht den Lehrern das Stehvermögen und die dicke Haut eines Vereinigungskanzlers, die Fachkompetenz eines Universitätsprofessors, das Entertainmenttalent eines Showmasters wie Thomas Gottschalk oder Harald Schmidt, die Infotainmentqualitäten eines Illustriertenmachers, die Selbstlosigkeit und Güte einer Mutter Theresa, das Rechtsverständnis eines Verfassungs- und Verwaltungsrichters, das Öko-Engagement eines Greenpeace-Aktivisten und die sozialpädagogischen Fähigkeiten für Sozial-, Straßen- und Scheidungswaisen sowie das Sedativum für Hypomotoriker und Minirambos.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Das sind Anforderungen, die heute im Prinzip ein Lehrer erfüllen muss. Wer fühlte sich angesichts solcher Anforderungen nicht überfordert? Und weil Lehrer solche Tausendsassas sind, übergibt ihnen die Politik immer noch weitere Aufgaben und Ziele. Dazu kommt schließlich noch eine Entsolidarisierung der Eltern mit dem Lehrerstand.

Die Verbesserung des Sozialstatus kann nicht verordnet werden, aber Politik kann und muss den Berufsstand des Lehrers stärken und nicht - wie es ein ehemaliger Ministerpräsident getan hat - noch weiter herabsetzen.

Lehrer müssen gut ausgebildet sein. Die Ausbildung ist sicherlich verbesserungswürdig und muss zeitlich gestrafft werden.

Ich komme nun auf die vorliegenden Anträge zurück. Bei allem guten Willen der PDS- und der SPD-Fraktion müssen wir ausschließen, dass wir über die Zielsetzung einer guten und strukturell sachgerechten Ausstattung mit Lehrern hinausschießen und das machen, was man

gemeinhin als den so genannten Schweinezyklus bezeichnet. Wir können dies derzeit an der Ausbildung von Informatikern beobachten. Unsere Universitäten entlassen massenhaft Informatiker aus dem Studium, aber die Industrie fragt kaum noch Informatiker nach. Das sollte uns bei Lehrern nicht passieren.

Wenn wir versuchen, die Abbrecherquote zu minimieren und die zum Wegzug Bereiten bei uns zu behalten, ist das Problem in der Größenordnung, wie es Minister Olbertz eben darstellte, lösbar. Wir haben auch schon Hinweise dafür, dass das attraktive Angebot der Landesregierung an Neulehrer, die hier bleiben wollen - Verbeamtung mit 100-prozentigen Dienstbezügen -, angenommen wird.

Es gibt vieles zur Lehrerausbildung und zur Ausbildung an unseren Hochschulen zu bereden. Deshalb plädieren auch wir für eine Überweisung der vorliegenden Anträge in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Schomburg. Sie hätten jetzt auch nicht mehr reden können. Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten und das zählt am heutigen Tag als besondere Sünde.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ich rufe für die FDP-Fraktion Herrn Dr. Volk auf. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Bildungspolitik impliziert auch ein zielführendes Personalmanagement im Land und an den Schulen. So muss sich jeder Verantwortliche um genügend qualifizierte Fachlehrer ebenso wie um eine gesunde Altersstruktur der Kollegien bemühen. Wie schwer dies insbesondere in Zeiten leerer Kassen, zurückgehender Schülerzahlen und eines Personalüberhangs in einzelnen Fächerkombinationen ist, wurde anlässlich der Debatte zum Lehrertarifvertrag in diesem Haus plastisch verdeutlicht.

Meine Damen und Herren von der SPD- und der PDSFraktion, ich bleibe bei meiner Meinung: Es ist ein Erbe dieses Tarifvertrages, wenn wir uns hier über dieses Problem unterhalten müssen. Ich teile die Ansicht der Antragsteller, dass sich das Land offensiv um junge Lehrer bemühen muss. Insbesondere in den Mangelfächern besteht schon momentan ein Bedarf.

Die KMK hat sich über eine bundesweite Werbekampagne verständigt und Sachsen-Anhalt hat die Mitarbeit fest zugesagt. Ich bitte das Kultusministerium aber eindringlich, bei der Umsetzung in Sachsen-Anhalt dem Landesspezifikum besonderes Augenmerk zu widmen. Wir brauchen keine Kampagne für Lehrer in BadenWürttemberg oder Bayern. Wir brauchen eine Kampagne für Lehrer in diesem Land.

Sachsen-Anhalt kann im bundesweiten Wettbewerb um Absolventen der Lehramtsstudienfächer nur dann mithalten, wenn diesen eine attraktive Berufsperspektive geboten wird. Attraktive Berufsperspektiven sind immer noch die beste Reklame für ein Lehramtsstudium hier im Land.

Dass dies unbedingt notwendig ist, wird vor dem Hintergrund der dramatisch niedrigen Studentenzahlen für bestimmte Schulformen deutlich. Drei Studenten im gesamten Land, die im Jahr 2001 die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sekundarschulen ablegten, sind eindeutig zu wenig.

Auch ich sehe daneben die Notwendigkeit einer Reform der Lehrerausbildung. Nicht erst seit der Pisa-Studie bedürfen die Qualifikationen der Lehrer und die Strukturen ihrer Ausbildung einer kritischen Prüfung. Dabei müssen alle drei Säulen, die universitäre Erstausbildung, das Referendariat und die Weiterbildung, auf ihre Angemessenheit untersucht werden.

Die eindeutige Erkenntnis, dass ein Lehramtsstudium auf den Einsatz in einer Schule vorbereitet, ist im Besonderen in der ersten Phase des Studiums zu wenig präsent. Dabei muss aber im Sinne der Studenten und der Schule gerade hier ein enger Praxisbezug angestrebt werden. Vor allen Dingen bei den Sekundar-, Grund- und Sonderschullehrern könnte zum Beispiel durch ein obligatorisches Praxissemester ein enger Kontakt zwischen den Studenten und dem zukünftigen Aufgabengebiet hergestellt werden.

(Unruhe)

Herr Dr. Volk, bitte unterbrechen Sie Ihre Rede für einen Augenblick. - Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie dazu motivieren, die letzten Minuten gemeinsam durchzuhalten und etwas Disziplin zu wahren. Für die Redner ist es äußerst kompliziert. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Besten Dank, Frau Präsidentin. - Da die Erfahrungen zeigen, dass sich die Unterrichtspraktika positiv auf die Motivation der Studenten auswirken, würde auch dies wiederum die Attraktivität des Studiums erhöhen. Auch für die Ausbildung der Gymnasiallehrer muss der Anteil an Übungsstunden im Studium erhöht werden. Es ist fast immer zu spät, wenn ein Student erst als Referendar bemerkt, dass er für den Lehrerberuf nicht geeignet ist.

(Herr Schomburg, CDU: Ja, leider!)

Ein größerer Umfang an Praktika im Universitätsstudium bedingt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den staatlichen Seminaren für Lehrämter, also eine enge Verzahnung zwischen erster und zweiter Phase der Lehrerausbildung. Damit könnte es sogar möglich sein, die Dauer des Vorbereitungsdienstes und damit der Gesamtausbildung zu verkürzen. Auch dies würde das Land Sachsen-Anhalt für junge Lehrer attraktiv machen, da für viele Lehramtsstudenten ein früher Berufseinstieg wünschenswert ist.

Ich möchte unterstreichen, dass in der Lehrerausbildung die Grundlagen für die schulische Arbeit gelegt werden. Die notwendigen Änderungen in diesem Bereich sollten deshalb gut vorbereitet und wohl überlegt sein.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich fordere Sie deshalb auf, dem Antrag der Koalition zu folgen.

Wenn wir alle drei Anträge überweisen, wäre das eine gute Grundlage für die Diskussion im Ausschuss.

Wenn Sie sich die Anträge angesehen haben, dann werden Sie sicherlich bemerkt haben, dass wir das gleiche Ziel verfolgen. Allerdings sparen wir in unserem Antrag bewusst das angepriesene Bündnis aus. Dieser von der GEW aufgemachten Kampagne können wir nicht in jedem Punkt kritiklos folgen. Deshalb haben wir einen eigenen Antrag eingebracht. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke, Herr Abgeordneter Volk. - Es hat nun noch einmal für die SPD-Fraktion Frau Mittendorf das Wort. - Frau Mittendorf verzichtet. Dann Frau Dr. Hein. - Frau Dr. Hein verzichtet ebenfalls. Damit ist die Debatte beendet.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich habe in der Debatte keinen Widerspruch dagegen vernommen, dass wir die Anträge in den Drs. 4/482, 4/544 und 4/494 in die Ausschüsse überweisen. Es ist sicherlich unstrittig, dass die Federführung beim Bildungsausschuss liegt. Es wurde vorgeschlagen, die Anträge zur Mitberatung an den Finanzausschuss und den Gleichstellungsausschuss zu überweisen.

Wer einer Überweisung der Anträge in den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen?

(Herr Tullner, CDU: Wogegen? - Frau Feußner, CDU: Worüber stimmen wir ab? - Unruhe)

- Sind Sie alle dagegen?

(Frau Feußner, CDU: Bitte wiederholen! - Frau Rotzsch, CDU: Wir haben es akustisch nicht ver- standen! - Unruhe)

- Ich wiederhole es: Gegen eine Überweisung der drei Anträge hat es keinen Widerspruch gegeben. Es ist sicherlich unstrittig ist, dass der Bildungsausschuss bei diesem Thema die Federführung übernimmt. Es gab zwei Anträge, die auf die Überweisung der Anträge zur Mitberatung zum einen in den Finanzausschuss und zum anderen in den Gleichstellungsausschuss abzielten. Über diese lasse ich jetzt getrennt abstimmen.

Wer einer Überweisung der Anträge zur Mitberatung an den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen ? - Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen und einigen Gegenstimmen der SPD-Fraktion ist der Finanzausschuss nicht mitberatend.

Wer einer Überweisung der Anträge zur Mitberatung an den Gleichstellungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Bei den Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen und den Jastimmen der PDS-Fraktion sowie einigen Jastimmen der SPD-Fraktion ist dieser Antrag abgelehnt worden. Somit sind alle drei Anträge lediglich in den Bildungsausschuss überwiesen worden.

Damit schließen wir den Tagesordnungspunkt 22 ab.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung

Moratorium der GATS-Verhandlungen (General Agreement on Trade in Services)

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/488